Eins könnte gewiss ganz schlimm sein am Karneval feiern in Köln, wenn mir nicht die schon erwähnte Nachsicht und der Großmut zu eigen wären. Das will ich am Morgen des erhofften sicheren 3:1-Sieges über den TSV 1860 München noch erzählen, und dann ist aller Voraussicht nach aber auch Schluss mit dieser ganzen Brauchtumserklärerei.
Neben dem, was schlimm sein könnte, gibt es natürlich nicht wenig, was wirklich schlimm ist. Die Polizeistatistik des Freitagmorgens oder die Bläck Föös in der Süddeutschen Zeitung vom Samstag geben einen Eindruck davon, warum ich die Kölner Innenstadt an den Karnevalstagen seit Jahren großräumig umfahre. Das hat jedenfalls nicht nur mit dem dort das Fahrradfahren sehr behindernden Glasscherbenmeer zu tun. Wer mich also fragt, Karneval feiert man am besten in seinem Veedel. Das ist entspannt, unbeschwert und dennoch ausgelassen. Für die Karnevalsexzesse der Innenstadt reichen meine Nachsicht und mein Großmut längst nicht aus.
Beides allerdings brauche ich, gepaart mit Gelassenheit, dennoch beim Feiern und zwar weil das Karneval feiern zu einem großen Teil auch bedeutet, textsicher jedes angestimmte Lied mitzusingen. Grundsätzlich ist das die reine Freude. Es lässt auch mich so gefühlsduselig über Köln werden, wie es der eingeborene Kölner ja ohnehin grundsätzlich ist. Selbstverliebt glaubt der ja allen Ernstes, dat alles, was er gerade so wunderbares erlebt, „et so nur, nur, nur in Kölle jibt“.
Im zeitgenössischen Liedgut des Kölner Karnevals macht sich diese Selbstverliebtheit seit ein paar Jahren unangenehm bemerkbar. Ganz im Gegensatz zur textlichen Vielfalt des klassischen Karnevalsschlagers der 20er bis 60er Jahre gibt es in der Gegenwart eine thematische Verengung beim Karnevalsschlager. Als Auslöser für überbordende Heimatgefühle gibt es den Dom, das Kölsch, kölsche Mädcher und den FC. Und hier erhält ein MSV-Fan im Kölner Karneval eben reichlich Gelegenheit seine Nachsicht und seinen Großmut tatsächlich auf die Probe zu stellen. Wenn mal wieder so ein selbstverliebtes Nirjendwu-suns-iset-su-schön-wie-in-Kölle-am-Rhing-Lied angestimmt wird, heißt es natürlich mitsingen. Aber wenn solche Strophen als deutlicher Versuch mich zu einer hier vorherrschenden Leitkultur zu bekehren angestimmt werden, lächel ich in die Runde und stelle mir für einen Moment zum Beispiel das Tor von Markus Daun beim ersten Spiel des FC unter Christoph Daum vor.
Diese Erinnerung passt auch deshalb so wunderbar, weil ich den sagenhaften 3:1-Sieg im Dezember 2006 inmitten von FC-Fans spielfeldnah auf Höhe der Mittellinie bejubeln durfte. Als einziger sprang ich in dieser Menge jeweils hoch. Und wo mich beim ersten Tor noch gönnerhafte Blicke trafen, nach dem Motto, mal sehen, wer zuletzt lacht, gab es nach meinen impulsiven Aufspringen nach dem dritten Tor schon leicht feindselige Blicke mit dem unausgesprochenen Vorwurf, ich würde meine Freude wohl als Provokation zelebrieren. Stimmte natürlich überhaupt nicht, sondern entsprach einfach meinem Grundgefühl, eines der besten Erlebnisse in meinem ganzen MSV-Fan-Leben mitzumachen.
Gelandet bin ich in dieser FC-Fan-Masse übrigens, weil ich ansonsten ein Beispiel für gelungene Integration bin. Die Grundlage für den kölschen Klüngel, wir kennen uns, wir helfen uns, weiß ich nämlich zu schätzen und nehme gerne die angebotene zweite Tribünendauerkarte des Kölner Freundes und FC-Mitglieds an, wenn der MSV mal wieder hier vor Ort spielt.
Ich hoffe natürlich, heute wird weiter daran gearbeitet, dass das möglichst bald wieder geschieht. Wie es so aussieht, muss der Verein aller Vereine dazu aber aufsteigen. Denn der FC festigt ja gerade seinen Platz im Mittelfeld der Tabelle. Ich hoffe also wider besseren Wissens weiter und übe mich statt des Stadionbesuchs wie angekündigt in Sangesfreude und Schunkeln am Straßenrand. Nachsicht und Großmut werden mir dabei natürlich erneut bei allerlei FC-Bejubel-Textstellen helfen.
1 Antwort to “Was am Karneval feiern in Köln schlimm sein könnte”