Die Stimmen sind eindringlich. Der Fan: „Fan zu sein bedeutet, ins Stadion zu gehen“. Der Trainer: „Die Zahl 15 000 in dem Nürnberg-Spiel war sehr enttäuschend. Jetzt müssen aber wirklich einmal mehr als 20 000 Zuschauer ins Stadion kommen”. Der Verein entschließt sich zu einer PR-Aktion in der Vorwoche des Spiels mit Kartenverlosung und fast doppelseitiger Anzeige in den Zeitungen des WAZ-Konzern. Vielleicht gibt es das sogar noch an anderer Stelle, ich habe aber nur diese NRZ der letzten Woche in die Hände bekommen.
Peter Neururer vermutet als Grund für die geringen Zuschauerzahlen das in der Hinrunde durch schlechte Leistungen verspielte Vertrauen. Das mag eine aktuelle Erklärung sein, die aber eine Erinnerung an die besondere Tradition des Duisburger Publikums nötig macht. Dieses Publikum hat nämlich in großen Teilen ein zwiespältiges Verhältnis zum Verein. Meine flüchtigen Gedanken dazu müssten eigentlich mal in einem längeren Essay ausgearbeitet werden, wozu ich momentan aber leider keine Zeit habe.
Dennoch will ich kurz festhalten, in dieses zwiespältige Verhältnis fließt sicher eines ein, die auf Duisburgs Zuschauerrängen lange Tradition des mäkelnden Kritisierens. Sicher gibt es eine solche Tradition auch in anderen Stadien, in Duisburg trifft diese Tradition aber auf keine grundsätzlich positive Identität der Stadt selbst. Vielleicht gibt es auch in Duisburg die bekannte Zufriedenheit des Ruhrgebietlers, aber die wird nicht nach außen in ein selbstbewusst geäußertes Selbstbild gewendet. Wenn zu diesem zwiespältigen Selbstbild nun zudem ein schlecht Fußball spielender Teil der Stadt hinzukommt, braucht man nicht lange zu überlegen, wie tief verwurzelt das Interesse für den Verein sein kann. Ich frage mich aber auch, welche Rolle spielt in Duisburg die Entwicklung des Fußballs hin zu einer Branche der Unterhaltungsindustrie. Gerade weil dieses Duisburg so wenig mit der Glitzer- und Glamourwelt in Verbindung steht, muss dem dennoch vorhandenen Unterhaltungsbedürfnis vielleicht auf eine besondere Weise Rechnung getragen werden. Einfach gesagt das Publikum verlangt natürlich dieses: „Wir woll´n euch kämpfen sehen, wir woll´n euch kämpfen, wir woll´n, wir woll´n euch kämpfen seh´n …“, aber wie wirkt das identitätsstiftend? Da geht es dann ja um Symbolik.
Wer hier öfter liest, wird mitbekommen haben, dass mich nicht nur die Frage, wie Gesellschaft funktioniert, gerne mal beschäftigt, sondern mich auch immer wieder die Lust am spekulativen Denken überfällt. Das ist für mich so eine Art Rätselraten zum Zeitvertreib. Und ich lade dazu ebenso gerne ein, es mir gleichzutun, weil: gemeinsam Rätseln macht mehr Spaß und bringt manchmal schneller Ergebnisse. Also, die Forschungsgruppe zur Soziologie des Fußballpublikums, Sektion MSV Duisburg, ist hiermit eröffnet.
Ein lebenfüllendes Thema, zu dem ich heute Abend leider nicht mehr beitragen kann, als dass man daran wahrhaftig weiterforschen sollte. Eine umfassende erklärende Erörterung zu diesem Thema mit empirisch fundierten Daten bzw. Schlussfolgerungen würde mich einer der Hauptfragen meines fußballnahen Lebens entledigen:
Was ist an Duisburg trotz seiner zahlenmäßigen Größe anders als an z. B. Dortmund oder Schalke?
Davon ab würde ich nahelegen, auch mal ein wenig für diese Seite zu werben, sonst hat man ja niemanden zum Mitdiskutieren. Was wiederum bei diesem Thema, MSV Duisburg, auch dem Thema immanent sein könnte.
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@Trainer Baade: Mit der Frage, was in Duisburg anders als in Dortmund ist, werde ich mich alsbald in meinem Blog beschäftigen. Link wird hier gepostet, wenn ich dazu etwas online gestellt habe…
Gestreifte Grüße.
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P.S. Wir hatten übrigens auch ne Kartenverlosung auf DerWesten…
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