Hat es ein offizielles Auswahlverfahren für den Spielort des DFB-Pokalfinales der Frauen geben müssen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es fraglich war, ob irgendeine der sich bewerbenden Betreibergesellschaften der Stadien die organisatorischen Anforderungen des DFB nicht erfüllt hätte. So ein DFB-Pokalfinale ist ja keine Fußball-WM. Da hätten die Verantwortlichen beim DFB auch sagen können, das Pokalfinale macht ihr jetzt in Sowiesostadt und wir sind sicher, das kriegt ihr hin. Dennoch wollten die Verantwortlichen beim DFB ein Auswahlverfahren. Es musste also um noch etwas anderes gehen, was die Entscheidung beeinflusste, und das scheint mit der Unsicherheit beim DFB zu tun zu haben, ob die Idee von einem eigenständigen Pokalendspiel der Frauen wirklich eine gute Idee ist. Der Zuschauer des Frauenfußballs ist nämlich ein unbekanntes Wesen.
Das aufwändige Auswahlverfahren hätte sich der DFB allerdings sparen können, wenn er meinen Nebenerwerbsbetrieb Consulting in Anspruch genommen hätte. Die einzig mögliche Stadt Deutschlands, in der ein Pokalendspiel der Frauen überhaupt eine Chance hat als eigenständige Veranstaltung zu einem besonderen Ereignis zu werden, ist nämlich Köln. Das von mir skizzierte Szenario hätte dann so ausgesehen: Wir wissen, es gibt nur kleines Stammpublikum des Frauenfußballs. Gleichzeitig ist aber auch ein flüchtiges, ereignisorientiertes Publikum vorhanden, das der DFB als Veranstalter gewinnen muss. Zu den Spitzenvereinen der Frauenbundesliga kommen durchnittlich vielleicht 2000- 3000 Zuschauer. Einzelne Länderspiele oder etwa das UEFA-Cup-Endspiel in Duisburg machen aber Hoffnung, dass besondere Spiele eine weitaus größere Attraktivität für Zuschauer besitzen können.
Welches Publikum kommt nun zu den besonderen Spielen des Frauenfußballs? Es kommen auf jeden Fall zu wenig eingeschworene Fans, die eine weite Reisen auf sich nehmen. Erschwerend kommt hinzu, viele Fans des Männerfußballs schätzen den Unterhaltungswert des Frauenfußballs weiterhin als gering ein. Man lese nur als ein beliebiges Beispiel einige der Kommentare zu diesem Artikel in der taz, der nach dem 7:0-Sieg des FCR 2001 Duisburg im diesjährigen Pokalendspiel das Zuschauerinteresse im Frauenfußball zu beleuchten versucht. Es kommen also Menschen, die mit dem Besuch des Stadions etwas Besonderes erleben wollen und für die der Fußball der Frauen ein Mittel zum Zweck ist. Diese Menschen werden wahrscheinlich in der Region gefunden werden müssen.
In Köln nun sind die Einwohner der Stadt immer auch gerne dazu bereit, ein Geschehen, das innerhalb der Stadtgrenzen stattfindet als weiteres Zeichen der Besonderheit Kölns zu deuten. Mehr noch, indem Kölner an einem möglichen besonderen Ereignis teilhaben, wollen sie diese Besonderheit spüren und erleben, sie möchten aber auch aktiv zur Besonderheit beitragen. So entsteht eine sich selbst verstärkende Dynamik. Die Zeichen der Besonderheit werden freudig begrüßt und stolz gezeigt. Einen Teil dieser Besonderheit Kölns macht das Feiern aus und das Gefühl, sich mit den anderen Kölner in diesem Wohlgefühl des Kölner-Seins eins zu wissen.
Es gibt keine Stadt in Deutschland, in der so viele Musikgruppen existieren, die nichts anderes als dieses Kölner-Sein besingen. Denn Kölner wollen sich selbst und der Welt zeigen und davon bestätigend hören, welch leichte Lebensart in dieser Stadt möglich ist. Sie wollen zeigen, dass Kölner zu feiern verstehen und dass das Wichtigste an Köln der Kölner selbst ist. Erst sein „Hätz“ und sein „Jeföhl“ machen aus Köln einen so lebenswerten Ort. Das hat sich, so meine ich, in den letzten zwanzig Jahren verselbstständigt. Die Heimspiele des FC sind immer ein Ereignis eine halbe Stunde vor dem Anpfiff. Immer! Das Spiel selbst ist das nur manchmal. Beim Köln-Marathon wird am Straßenrand ein „Pittermännchen“ aufgemacht, um die Läufer, aber immer auch sich selbst zu feiern. Oder das Verhältnis Kölns zum Christopher Street Day. Auch diese Veranstaltung ist für viele Kölner keine schwul-lesbische Angelegenheit sondern eine Demonstration, welch grandioses Feiern in Köln möglich ist. Und das Literaturfestival lit.cologne ist auch deshalb so erfolgreich und gut besucht, weil die Veranstalter von Anfang an das Atmosphärische des Köln-Gefühls als sinnstiftend für die Lesungen aufgegriffen haben.
Das Selbstbild der Kölner wird auch bei Zugereisten, den Immis wie mir, wirksam. Das ist die Kraft von Kultur. Als Bewohner dieser Stadt komme ich nicht umhin, auf die sich zuweilen zum Größenwahn steigernde Kölner Selbstverliebtheit zu reagieren. Bin ich auf einer solchen besonderen Feier, bei der diese Selbstverliebtheit wieder überschwappt, werde ich ergriffen, wenn ich nicht gehe. Selbst in ironischer Brechung bleibt das Selbstverständnis von Kölns Besonderheit lebendig. Einer steht auf der Bühne und gibt vor, dass es das alles so nur in „Kölle“ gibt und wir im Publikum stimmen lachend mit ein. Ganz ernst nehmen wir das nicht, aber ein bisschen ernst schon. So werden wir hier in Köln alle Kölner mit der Zeit, egal woher wir kommen.
Deshalb war die Wahl des DFB eine gute Wahl. Für den Kölner könnte es zu einer Art Selbstverpflichtung werden, das Pokalendspiel zu jenem besonderen Ereignis zu machen, das Köln angemessen ist und das er von seiner Stadt erwartet. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung wäre das, denn solch ein Pokalendspiel der Frauen, dat jibbet nur, nur, nur in Kölle.
2 Antworten to “Der einzig mögliche Endspielort”