So ist das Geschäft

Tief durchatmen muss ich schon, wenn ich die Abgänge beim MSV Duisburg so deutlich vor Augen geführt bekomme wie in Tinas Liste. Beim Lesen des Fließtextes bei Der Westen beruhigt sich das Gemüt mit der Zeit, doch die reine Namensliste macht mich unruhig. Das hat weniger mit den Fakten selbst zu tun als mit Sentimentalität und noch nicht gefestigtem Vertrauen in die Arbeit beim MSV Duisburg. Meine Unsicherheit ergibt sich zwangsläufig, weil die sportlich Verantwortlichen zum ersten Mal die nun anstehende Aufgabe wirklich angehen. Der konzeptionellen Aufbauarbeit kamen bislang die Hoffnungen auf den Aufstieg immer wieder in die Quere.

Bislang glichen Spielerverpflichtungen dem Einzelmöbelkauf mit der vagen Idee, wir wollen es auf jeden Fall sehr wohnlich und sehr schön haben. Wir hatten schon ein paar Möbel, die uns gefielen. Dort gab es dann den günstigen Küchenstuhl dazu, ein Möbelhaus weiter den  Wohnzimmertisch und als wir schon an dem SB-Markt vorbeikamen, konnten wir die Lampe gleich auch mitnehmen. Das passende, uns gefallende Sofa konnten wir uns erstmal noch nicht leisten. Deshalb nahmen wir die zwei Sessel vom Nachbarn. Das hatte auch den Vorteil, sobald wir ausziehen müssten, könnten wir die wieder zurückgeben. Und wenn es ganz gut gekommen wäre,  hätten wir einen behalten und noch ein Sofa dazugenommen. Unser  Einrichtungsbevollmächtigter Bruno Hübner hat dabei meiner Meinung nach gute Arbeit geleistet, wenn ihm nicht gerade mal wieder jemand bei der Möbelauswahl reingeredet hat. So richtig wohl haben wir uns mit der Einrichtung aber doch nur bei der Aussicht auf baldigen Auszug in ein besseres Viertel gefühlt.

Nun wird das Ganze anders angegangen. Ersteinmal ist es klar, wir bleiben im Viertel, müssen uns aber mit einem Wohnungswechel verkleinern. Wahrscheinlich wohnen wir dort dann auch etwas länger. Deshalb können  wir viele Möbelstücke nicht mitnehmen. Vielleicht klappt es aber, nach und nach eine Einrichtung zu finden, die auf mittlere Frist und bei entsprechender Heimwerkertätigkeit zum Vorzeigestück in Schöner Wohnen wird. Wie gesagt, Bruno Hübner und Milan Sasic betreten Neuland. Wir können also nichts sicher erwarten, und wir können nur hoffen, dass wir uns bald wieder heimisch fühlen.

Zurzeit sieht die alte Wohnung sehr nach Umzug aus. Vor allem der bevor stehende Abschied von Nicky Adler macht mich jetzt schon etwas sentimental, auch wenn ich glaube, dass es im Kader für seine spielerischen Qualitäten Ersatz geben wird. Ich merke an dieser aufkommenden Abschiedswehmut, wie sehr es mir bei meinem Interesse für Fußball in meinem tiefsten Inneren nicht nur um Erfolg meines Vereins geht. In dieser Wehmut versteckt sich mein Bedürfnis nach Dauerhaftigkeit und emotionaler Verbindung. Spieler in der Mannschaft müssen mir für diese anderen Gefühle unabhängig vom Erfolg Gelegenheit geben. Auch wenn es im Reden über Fußball so wirkt, als seien die Vereine und ihre Geschichte die unzerstörbaren Kerne des Fußballs. Es ist nicht ausgemacht, dass das immer so bleibt. Irgendjemand im Verein muss diese ideelen Momente des Fußballs lebendig halten und zwar durch sein Handeln in der Gegenwart. Beschwörendes Reden hilft da ebenso wenig wie die Erinnerung an alte Zeiten.  Spieler wie Nicky Adler machen das. Sie sind keine überragenden Fußballer. Sie stehen aber für sämtliche Gefühle und Werte dieses Sports unabhängig vom Erfolg. Man konnte sich über vergebene Torchancen von Nicky Adler ärgern und über seine überhasteten Dribbelversuche schimpfen, dennoch begegnet man ihm bei seinem nächsten Spiel ohne Ablehnung. Sein Wert für den MSV Duisburg waren nicht die Tore sondern der Respekt gegenüber der Geschichte dieses Vereins, die sich in seiner Spielweise, bewusst und unbewusst, ausgedrückt hat. Auf alles das, was er als Spielertyp verkörpert, berufen wir Anhänger uns beim anekdotischen Erzählen über unser Fan-Dasein. Ohne Spieler wie Nicky Adler würde der emotionale Kern von Fußball nach und nach sterben. Deshalb beschleicht mich Wehmut, wenn ich an den Abschied von Nicky Adler denke.

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8 Antworten to “So ist das Geschäft”


  1. 1 tina 29. April 2010 um 11:49

    Vielleicht wird ja alles gar nicht so schlimm…

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  2. 2 Kees Jaratz 29. April 2010 um 13:35

    Auf jeden Fall nicht so schlimm, dass der Dauerkartenverzicht eine Lösung wäre. 😉

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  3. 3 Michael Miltz 6. Mai 2010 um 15:12

    Hallo Kees,tschuldige wenn ich mich da mal kurz einmische….
    Mit der „NickyAdlerGeschichte“ rückst du ganz nah an eine verklärte Wirklichkeit.
    Denn wenn wir uns in Zukunft an Tradition festmachen, werden wir nie moderner, weltoffener und werden uns nur schwer in der ersten Liga wiederfinden.
    Nicky Adler ist ein netter Typ, allerdings potenziell weder erst- noch zweite Liga tauglich.
    Wenn wir uns an jedem netten Jungen fest krallen und im Profifußball nicht nach Leistung schauen, dann wäre ja das schöne Stadion und alles was an Hoffnung in uns ruht völlig überflüssig.
    Typen wie Olli Kahn oder der Sportfreund van Bommel sind enorm wichtig in einer Mannschaft. Wünschenswert wäre endlich mal jemand in den Reihen zu haben, der auf GARKEINENFALL verlieren möchte und seine Kollegen mitzieht.
    Das wir alle eine Sehnsucht nach Identifikationsfiguren haben, die auch dauerhaft dem Verein angehören ist doch klar, das hat ja der Fall Starke/Herzog gezeigt. Aber schau mal nach Schalke. Kevin Kuranyi ist gerade erst nach 5 Jahren beim Schalker Publikum angekommen – und jetzt kann er nicht mehr gehalten werden. Auch wenn er sicher nur schweren Herzens geht,
    das ist das Geschäft und das, wird in Zukunft sicher nicht besser.

    Viele Grüße
    Micha

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  4. 4 Kees Jaratz 6. Mai 2010 um 16:32

    Darum geht es doch auch, lieber Micha, ums: „Gespräch“ :-).
    Da freue ich mich über jeden deiner Sätze hier.
    Es stimmt schon, was du schreibst. Aber ohne einen Beleg für dieses sehr professionelle Modell im aktuellen Geschehen zu bekommen, sprich: Verpflichtungen, da werde ich dann fürs erste sentimental. Dass Adlers spielerische Qualität für einen Verein mit ein wenig Ambitionen zu gering ist, da sind wir uns einig. Dennoch klafft für mich ein großes emotionales Loch mitten im Zentrum dieses Vereins. Warum taucht unweigerlich der Name Bernhard Dietz auf, sobald es nicht klar ist, was in den nächsten Wochen kommen wird?
    Ein Zeichen für strukturelle Überlegungen im Verein wäre es gewesen, wenn Nicky Adler zumindest nicht in eine Reihe mit den anderen Spielern gestellt worden wäre. Denn das berührt den emotionalen Kern und gleichzeitig wäre an diesem Handeln deutlich geworden, es gibt Einsichten bei den Verantwortlichen, wie man die „Marke MSV“ stärkt. Da sind wir plötzlich von einer ganz anderen Seite her auch bei deinen Überlegungen zu professionellem Handeln. Das hätte nicht mal den Verkauf Adlers ausgeschlossen. Man hätte nur das Wissen um seine Anstrengungsbereitschaft, die viele Zuschauer besonders anerkennen, deutlich gemacht.
    Ich glaube übrigens, dass das nicht nur beim MSV so ist. Wenn man von Anhängern anderer Vereine in ähnlichen Lagen mitliest, begegnet man immer wieder denselben Zweifeln.

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    • 5 Michael Miltz 6. Mai 2010 um 20:36

      ….und auch ich verstehe dich !!!
      Mein erstes Spiel was gegen Eintracht Braunschweig 1982.
      Hier noch mal zur Erinnerung:
      Tore:
      0:1 Peter Geyer 19.
      0:2 Peter Geyer 38.
      1:2 Thomas Kempe 46.
      2:2 Uwe Helmes 61.
      3:2 Bernard Dietz 72. (Foulelfmeter)
      4:2 Manfred Dubski 77.
      5:2 Thomas Kempe 84. (Foulelfmeter)

      Der MSV liegt zur Halbzeit 0:2 hinten…
      Bernhard Dietz taucht in dieser Statistik nur einmal als Torschütze auf, allerdings hatte man während des Spiels das Gefühl, ein einziger Mann stemmt sich gegen die komplette Eintracht. Schon war man infiziert. Niemand hat den Verein nur annähernd so repräsentiert wie Bernhard Dietz.
      Bis jetzt haben wir mit Ivo jemanden, der ähnlich am Verein zu hängen scheint. Leider ist die 2. Liga nix für einen Techniker wie Ivo. Hast du ihn schon mal in der Halle spielen sehen?
      Was der auf engstem Raum mit dem Ball anstellen kann ist schon erstaunlich! Bei einem Club im oberen Drittel der 1. Liga hätte er eine ganz andere Karriere machen können. Allerdings hat er immer die Treue zum Verein bewiesen nach der wir uns so sehr sehnen. Wäre Ivo ein Kampfschwein und kein Techniker hätte er den gleichen Status erreicht wie Enatz. Was wir jetzt brauchen ist ein 23 – 25 jährigen Spieler, der sich mit dem Verein so identifiziert wie wir es tun. DER kann allerdings NUR aus der eigenen Jugend kommen und muss dann bereit sein jedes Lehrgeld zu zahlen und gefördert werden. Wenn er dann 30 ist kann bis dahin um ihn herum ein ähnlich denkendes Team aufgebaut werden.
      Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt….
      Drei Euro ins Phrasenschwein….

      Viele Grüße
      Micha

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  5. 6 Michael Miltz 6. Mai 2010 um 20:43

    ….übrigens ist nach meinem Empfinden der letzte Knacks gekommen als Kouemaha den Verein verlassen hat. Die Bilder aus der Kabine, beim Haare schneiden mit Makiadi sind mir noch sehr präsent. Der Junge war so ne Art Seele in der Mannschaft. Ohne Herz und ohne Seele solltest du Fußball allerdings maximal mit Sky Abo genießen….

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  6. 7 Kees Jaratz 7. Mai 2010 um 08:43

    Hoffen wir also wieder auf die, die da nun kommen. Darin, so lese ich bei dir heraus, bist du ja auch immer wieder aufs Neue gut.

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  1. 1 Ein Zebra in der Achterbahn Trackback zu 29. April 2010 um 11:49

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