Manchmal wünsche ich mir von den Menschen mehr Verstand. Ich weiß, ein vergeblicher Wunsch besonders, wenn es um Fußball und um den Erfolg von Mannschaften geht. Gestern war wieder so ein Tag, und dass ich über den 1. FC Kaiserslautern schreibe, hängt mit der Trainerdiskussion um Oliver Reck zusammen. Der Trainer vom 1. FC Kaiserslautern Marco Kurz ist gestern entlassen worden. Die Begründung: „Um aber wirklich jede denkbare Möglichkeit für den Klassenerhalt ausgeschöpft zu haben, müssen wir diesen Weg gehen.“ Nun kann man auch Kerzen anzünden in Kirchen oder Medizinmänner einen Kaiserslautern-Rettungs-Tanz tanzen lassen. Macht man das nicht, hat man schon einiges unterlassen, was vielleicht auch zum Klassenerhalt beigetragen hätte. Das ist doch aus Kaiserslautern eine etwas erbärmliche Erklärung für die Trainer-Entlassung. Wäre es nicht ehrlicher zu sagen, der Druck der Straße war zu groß? In einer idealen Welt müsste so eine Entscheidung doch von klaren Analysen begleitet werden, die sich auch kommunizieren ließen: Nach unserer Überzeugung haben die taktischen Maßnahmen in den letzten sieben Spielen nicht funktioniert. Die Beziehung zwischen entscheidenden Spielern des Kaders und dem Trainer ist gestört. Die Mannschaft ist in einem konditionell schlechten Zustand. All das wären Erklärungen, die ich akzeptiere. Ich akzeptiere nicht, wir wissen auch nicht mehr, was wir machen sollen, also entlassen wir wenigstens den Trainer.
Man sehe sich doch bitte einmal diesen Kader vom 1. FC Kaiserslautern an. Vier Spieler dieses Kaders kennen wir aus ihrer Zeit beim MSV Duisburg. Dort haben sie sich in ähnlicher Situation befunden. Nur guckten sie damals von unten nach oben. In Duisburg ging es für sie um den verzweifelten Versuch, den Aufstieg hinzubekommen. Dorge Kouemaha, Christian Tiffert, Sandro Wagner und Olcay Sahan kennen Vorgaben, die nur schwer zu erfüllen sind. Das ist kein Zufall. Es gibt Einsichten, die sind schmerzhaft. Aber es lebt sich am besten mit ihnen, wenn man sie akzeptiert und sein Handeln darauf abstellt. Die Wahrscheinlichkeit für das mittlere Drittel der Vereine von erster und zweiter Liga zwischen den Ligen hin und her zu pendeln ist groß. Leider gibt es kein Kontinuum für die notwendige Finanzstruktur. Das macht den Verbleib in der ersten Liga so schwierig. Neulich habe ich „Why England loose“ angefangenen zu lesen. Der englische Fußballbuchautor Simon Kuper hat es zusammen mit dem Wirtschaftswissenschaftler Stefan Szymanski geschrieben. Sie haben einen einzigen statistisch messbaren Einflussfaktor für sportlichen Erfolg gefunden, und der war die Höhe des Spieleretats einer Mannschaft.
In einer idealen Welt könnte ein Fußballverein sein Publikum damit dauerhaft vertraut machen, was momentane realistische Möglichkeiten des sportlichen Erfolgs der eigenen Mannschaft sind. Für Kaiserslautern gehörte der Abstieg dazu. Und warum kann ein Trainer, der vor vier Monaten noch für gut genug befunden wurde, diese Mannschaft zu trainieren, nicht auch mit dieser Mannschaft in die 2. Liga gehen? Weil das Fußballstadion einer der wenigen Orte in unserer durchrationalisierten Welt ist, in der Emotionen öffentlich ausgelebt werden können? Ich weiß es nicht. Mir ging jedenfalls angesichts von Marco Kurz Entlassung durch den Kopf, nur gut, dass der Druck zur Trainerentlassung in Duisburg nicht so groß war. Aus welchen Gründen auch immer. Ich hoffe natürlich, der ein oder andere rationale neben dem mangelnden Geld war auch dabei.
Am Trainer festzuhalten kann bei Abstieg auch für diesen zu einer richtigen Schlittenfahrt werden, wie beim seinerzeitigen Abgang von Rudi Bommer. Bei Reck finde ich ein bisschen erstaunlich, wie sehr die Diskussion um ihn schon hochkochte, obwohl wir in dieser Saison noch gar nicht auf einem direkten Abstiegsplatz gewesen sind. Vor allem, weil er ja in der Nachfolge von Milan Sasic ganz unpretenziös ziemlich schnell Erfolg hatte und vor der Winterpause noch als eine fast unbestrittene Lichtgestalt erschien.
Sehr wichtig dein Hinweis auf die sich im bezahlten Fußball breitgemacht habende und weiter breitmachende Wegwerfmentalität. Da bilden sich die Mechanismen aus dem Business auch übergangslos im dem ab, mit dem wir ja eigentlich versuchen, unsere uns kostbare Freizeit zu verschönern. Mich hat etwa die Diskussion um einen Steuerschuldenerlass für die „Big Player“ aus Spanien doch übelst an entsprechende Debatten betreffend die internationale(n) Finanzkrise(n) erinnert.
Was ja auch immer ungenierter passiert, ist Werbung. Auch für Sachen, die eigentlich nicht direkt von im Verein Verantwortlichen beworben werden sollten. Peinlicher diesbezüglicher Höhepunkt zuletzt die im zwielichtigen Modus abgebildeten Köpfe von Hopfner, Rummenigge und Hoeneß als imposanter Bestandteil einer Fernsehkampagne für einen Wettanbieter, bei dem man per Computer auf alle möglichen Fußballspiele setzen kann. Bei denen schliesst sich Geldgier ja aus, also geschieht es definitiv aus reiner und dumpfer persönlicher Eitelkeit.
Aber wehe, es wird irgendwann was über verschobene Spiele gemunkelt, dann mutiert der Hoeneß wieder Sekundenschnell vom „Master of the Universe“ zum Steinzeitwüterich und stellt zum krönenden Abschluß der brachialpädagogischen Journalistenbeglückung die Sinnfrage für dich, mich und die Gesamtgesellschaft, ob es sich nämlich überhaupt noch lohnt, in einem Land zu leben, wo so etwas möglich ist.
So gesehen bin ich echt froh, das wir unseren Reck noch haben, unsere Leistungsträger „Rookies“ mit Entwicklungspotential sind, die Westender Strasse so herrlich unaufgeräumt bzw. organisch gewachsen erscheint und die Boulevardmedien uns doch mehr oder weniger als eine schon seltsame Randerscheinung registrieren. Leider muß man sich bewußt machen, das dies wahrscheinlich nur Momentaufnahmen sind und es wohl keine Aera Reck beim MSV geben wird wie etwa eine Aera Schaaf bei Werder. Aber schlecht wäre das nicht, 13 Jahre Reck beim MSV als Cheftrainer, wäre auch mal ein Signal, wenn auch nicht von der Art, wie sie Hoeneß sendet.
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Manchmal ist Träumen auch schön. Sehr sympathischer Gedanke, lieber Christian, zum Schluss. Und wo du die Bommer-Zeit aufgreiftst, klar, da wurden die Erwartungen dann nicht erfüllt, und ich bin auch gar nicht grundsätzlich gegen Trainerwechsel. Nur, es muss ein klar erkennbarer Plan dahinter stehen. Abwägen von Vor- und Nachteilen. Und das scheint mir bei solchen Wechseln wie jetzt in Kaiserslautern nicht der Fall zu sein.
Natürlich lässt sich gegen das Publikum kein Trainer halten. Deshalb ist es heute für Vereine so notwendig, offen Gründe für Entscheidungen zu nennen. Viele Zuschauer beschäftigen sich so intensiv mit ihrem Verein, da hilft es nichts mehr, meinetwegen sich zum Trainer zu bekennen. Da müsste, erklärt werden anhand der Niederlagen, warum es sinnvoll ist, das zu tun. Kritikpunkte müssten aufgegriffen werden. Viel Arbeit für die Öffentlichkeitsarbeiter von Vereinen, aber nur so erhält ein Verein einigermaßen die Ruhe zur sportlichen Arbeit in diesem Auf und Ab. Hoffe ich 😉
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