Halbzeitpausengespräch: Gummitwist in Schalke-Nord von Elke Schleich

Die Spekulationen um die Verpflichtung von Rasmus Jönsson haben uns also nur die Gelegenheit gegeben, uns ein schön geschossenes Tor anzusehen. Beim FSV Frankfurt wird nun versucht, dieses Können im Spieler wieder hervorzulocken. Ich hatte aber auch gar nicht erst viel Zeit in Herrn Jönsson investiert.  So Namen kommen eben und gehen. Ernsthaft beschäftige ich mich mit den Spielern erst, wenn Ivo Grlic und Kosta Runjaic zusammen mit dem neu verpflichteten Spieler für die Seite des MSV Duisburg in die Kamera lächeln.

Bleibt um so mehr Zeit für die Halbzeitpausenthemen. Heute geht es einmal um so etwas wie Ruhrgebietsliteratur. Die 1953 geborene Gelsenkirchenerin Elke Schleich erzählt in „Gummitwist in Schalke-Nord“ von der Welt eines Mädchens, das im Schalke der 1950er und anfänglichen 1960er Jahre aufwächst. Es sind episodenhafte Geschichten, in denen exemplarische Erfahrungen des Mädchens und der späteren jungen Frau geschildert werden. Freundschaft, unschuldige Lieben, erfüllt und unerfüllt, Alltag mit den Eltern, eine Fahrt zu den Verwandten in den Osten, das Herantasten an Sexualität. Als verbindendes Leitmotiv dient in dem „Roman in 18 Geschichten“ der Wunsch des Mädchens, ein Pferd zu besitzen.

Diese Geschichten so alltäglichen Lebens ähneln jener Erinnerungsliteratur, wie sie etwa Frank Goosen für die 1970er und 1980er Jahre geschrieben hat. Wo er aber mit Ironie und Komik Distanz zur Vergangenheit herstellt, bleibt Elke Schleichs Erzählen dem ernsthaften Erleben ihrer Hauptfigur verbunden. Deren Perspektive bestimmen die Möglichkeiten der Wahrnehmung und der Erkenntnis. So bleibt der Blick auf die Welt der Vergangenheit beschränkt.

Elke Schleich lotet weder die dargestellten Beziehungen tief aus, noch nimmt sie die Vergangenheit im Detail in den Blick, um die damalige Welt in romanhafter Breite lebendig zu machen. Wenn, dann leben ihre Geschichten vom naiven Blick des Mädchens und der unmittelbaren Sicht der späteren jungen Frau.

Elke Schleich zeigt aber eine Welt,  in der sich die meisten in dieser Zeit und sozialen Lage aufgewachsenen Bewohner des Ruhrgebiets werden erkennen können, egal ob sie in Duisburg, Gelsenkirchen oder Dortmund wohnten. Was bei all jenen, die solche Erfahrungen teilten, nostalgisches Erinnern anstoßen kann. Für mich, ein paar Jahre später Geborenen, fehlt den „18 Geschichten“ eine dramaturgische Bearbeitung, um tatsächlich zum „Roman“ zu werden. Was als Kurzgeschichte funktionieren kann, lässt in der Reihung die Oral History mit all ihren Längen des normalen Lebens immer wieder hervorschauen.

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Elke Schleich: Gummitwist in Schalke-Nord. Ein Roman in 18 Geschichten. Stories & Friends Verlag, Lehrensteinsfeld bei Heilbronn 2012, 214 Seiten, € 18,90.

Auch als E-Book erhältlich für € 8,99.

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6 Antworten to “Halbzeitpausengespräch: Gummitwist in Schalke-Nord von Elke Schleich”


  1. 1 Beatrix Petrikowski 3. September 2014 um 09:44

    Die Beziehungen hat die Autorin auch nicht „ausgelotet“. Die Erlebnisse der Personen stehen für mich auch nicht im Vordergrund, sondern es sind vielmehr die Eindrücke, die man beim Lesen hat. Ich stamme selbst auch aus dieser Zeit und kenne die Gegend. Da kommen so viele Dinge aus den Tiefen des Unterbewusstseins wieder zum Vorschein. Es ist die alte Zeit, die hier wieder lebendig wird.

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  2. 2 Kees Jaratz 3. September 2014 um 10:12

    Dann unterscheidet sich ja nur unsere Wertung. Ich würde das Buch jedenfalls nicht Roman nennen. Dazu fehlt für mich bei den Geschichten eben ein Interesse, das über den historischen Blick hinausreicht.

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    • 3 Beatrix Petrikowski 3. September 2014 um 13:11

      Es ist wohl für die Autoren und Verlage nicht immer einfach, ein Buch einer Kategorie zuzuordnen. Denn ein Sachbuch ist es in diesem Fall ja auch nicht und eine Anthologie besteht aus unterschiedlichen Kurzgeschichten. In diesem Buch zieht sich ja das Leben der Protagonistin wie ein roter Faden durch. Wie hätte es also dann heißen sollen, wenn nicht Roman? Ich stimme zu, dass es nicht ganz passend ist, aber etwas Besseres wüsste ich auch nicht.
      Generell ist es immer (oder fast immer) eine Gratwanderung, über ein Buch zu werten oder zu urteilen. Das eine Buch ist gut, weil es kritisch ist oder weil es Wissen vermittelt, das andere Buch ist nur lustig. Aber warum sollten wir nicht auch einmal nur Spaß an einem Buch haben? Da hat man es als Rezensent nicht immer einfach.

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  3. 4 jovan hamborn 5. September 2014 um 13:30

    nicht, dass es von weitergehender bedeutung ist, geschweige, dass ich hier wichtig scheinen will. aber aus Deiner darstellung, Kees, schließe ich, dass es sich offenbar um einen bericht handelt.
    denke ich.
    bemerkenswert allerdings für mich vor allem, dass so lange nach online-stellung ein solch abseitiger einwand kommt. hinterlässt mich verstört.

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    • 5 Kees Jaratz 5. September 2014 um 16:29

      @jovan das Buch will schon Literatur sein, es fehlt aus meiner Sicht aber ein fiktiver Moment, der über das Wiedergeben eines alltäglichen Geschehens der Vergangenheit hinausgeht.

      Und die positivere Wertung von Beatrix Petrikowski führt tief in eine grundsätzliche Diskussion darüber, was man von Literatur erwartet. Meine Vermutung, die Autorin findet ihr Lesepublikum vor allem bei Menschen mit ähnlichen Erfahrungen im Lokalen und Zeitlichen. Sie stößt ein nostalgisches Erinnern an.

      Und @Beatrix Petrikowski: Ich halte literarisches Werten dann für keine Gratwanderung, wenn ich meine Urteilsgrundlage offen mache. Ich behaupte nicht, eine allgemein gültige Lesart zu haben. Ich versuche nachvollziehbar zu machen, warum dieser Roman in meinen Augen keiner ist und warum er wahrscheinlich nur in begrenztem Raum wirken kann. Ich versuche den Autoren immer auf ihrem von mir vermuteten angesteuerten Niveau gerecht zu werden. Gelingt wahrscheinlich auch nicht immer, aber ich denke, meist gebe ich meinen Lesern ein nachvollziehbares Urteil an die Hand, womit sie dann selbst eine Entscheidung fällen können.

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  4. 6 Beatrix Petrikowski 5. September 2014 um 21:04

    @ Kees: Auch meine Intention ist es, dass sich ein Leser ein eigenes Urteil bilden kann. Dazu sollen ihm meine Rezensionen lediglich eine Hilfe sein, was mir nicht immer leicht fällt.

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