Gut, es war Karnevalssamstag, aber es hätte genügt, wenn sich um diesen Karneval, wie auf den Fotos zu sehen, nur wir paar Zuschauer gekümmert hätten. Stattdessen lässt sich auch die Mannschaft dazu hinreißen, ein wenig Karnevalstimmung im Spiel gegen den TSV 1860 München zu verbreiten. Da wirken die Spieler fast eine ganze Halbzeit lang wie eine hoffnungsfrohe Unentschieden-Elf, nur um kurz vor der Halbzeitpause daran zu erinnern, es könnte auch alles nur ein Karnevalsspaß sein. Man weiß in dieser Zeit des Straßenkarnevals eben oft nicht, was ist nur Verkleidung und was gehört zum wirklichen Leben. Bei Ranisav Jovanović muss man sich darum im Moment keine Gedanken machen. Er hat sich für dieses Spiel gar nicht erst verkleidet, er ist der Stürmer, der zu sehen ist. Durchsetzungsstark, lauffreudig und dieses Mal mit einer sehr gelungenen Einzelleistung auch Schütze des Führungstreffers vom MSV Duisburg.
Die Spieler legten sich ja in dem Moment sogar für ein paar Minuten ein Superheldensiegercape an, und mir haben sie wirklich gut gefallen, wenn auch für die Defensivabteilung der Zebras das Cape von Anfang an einige Zentimeter zu lang war. Bei den Angriffen des TSV 1860 München war jedenfalls sofort das Kostüm als Kostüm zu erkennen. Benjamin Kern hatte auf seiner Seite einen sehr schlechten Tag. Andreas Ibertsberger passte das Unentschiedenkostüm allerdings schon mal wie angegossen. Er machte einen guten Eindruck. Er wirkte ruhig und sachlich, spielte bis auf seinen Fehlpass in der zweiten Halbzeit solide und war sehr präsent. Gerade seine souveräne Ausstrahlung hilft der Defensive der Zebras weiter, zumal auch die Innenverteidigung zunächst für das Unentschieden gut genug schien.
Meine Zweifel wuchsen allerdings, als sich ausgerechnet Daniel Brosinski in seinem Elfmeterschützenkostüm tatsächlich auch als Elfmeterschütze fühlte. Da glich er all jenen Piraten und Cowboys, die mit ihrer alkoholgedopten Männlichkeit glauben, das weibliche Begehren konzentriere sich für den Rest des Lebens rund um sie. Aber der Alltag ist nah. Die gerade noch wild tanzende Meerjungfrau verschwindet von jetzt auf gleich zu zweijährigem Kind sowie Ehemann, und Daniel Brosinski bleibt der nur manchmal zielsichere Torschütze, selbst wenn er alleine am Elfmeterpunkt frei vor dem Tor steht. Die erneute Chance zur Führung war vergeben. Und dann zerfetzt in der Nachspielzeit dieser ersten Halbzeit der Alltag sogar so richtig das Unentschiedenkostüm.
Das hinterlässt das schale Gefühl, der TSV 1860 München war die bessere Mannschaft und dennoch gab es gute Gründe an den Erfolg des MSV Duisburg zu glauben. Die Münchner kombinierten sicherer, hatten etwa mit Daniel Halfa einen technisch sehr starken Einzelspieler, der, einmal am Ball, kaum zu stoppen war. Frei- und Eckstöße bargen jedes Mal Torgefahr. Und dennoch waren diese Chancen nicht zwingend, dennoch war der MSV Duisburg gut im Spiel. Selbst in der zweiten Halbzeit, als die Zebras die weiter zurück gezogenen Münchner kaum mehr aus ihrem Defensivverband herauslocken konnten, gab es dann doch die eine Riesenchance auf den Ausgleich. Gabor Kiraly wehrte den Torschuss aus kurzer Distanz von Sascha Dum ab. Und es ist bezeichnend, dass im direkten Gegenzug das dritte Tor der Münchner fiel. Alle schon gesehenen Fehler der Zebras in diesem Spiel kamen dabei zusammen. Beim Umschalten war die Mannschaft einen Tick zu langsam. Das machte sich schon vorher in der Defensive immer wieder bemerkbar. Die Spieler empfinden Spielsituationen oft einen Moment zu früh als beendet. Es war schon in Dresden abzusehen, dass eine bessere Mannschaft als die Dresdner, „zweite Bälle“ besser nutzen könnte. Hinzu kam ein Roland Müller, der auch nicht seinen besten Tag hatte und bei diesem Konter die eigene Schnelligkeit beim Herauslaufen über- und die des gegnerischen Stürmers unterschätzte. So machte er unnötigerweise das Tor frei für den Schuss von Moritz Stoppelkamp.
Die Unentschieden-Elf war also am Karnevalssamstag nicht mehr als ein schönes Kostüm der Mannschaft des MSV Duisburg. Aber wir Karnevalsjecken wissen auch, oft steckt in einem Kostüm mehr alltäglicher Mensch als im ersten Moment erkennbar ist. Manchmal ist es nicht das ganz Andere, das in der Verkleidung gesucht wird, sondern nur die ideale Vorstellung von einem selbst. Und so bleibt die Hoffnung, der MSV Duisburg ist auf einem guten Weg. Der Trainer des TSV 1860 München, Alexander Schmidt, ließ sich nach dem gemeinsamen Kostümball jedenfalls zu dem charmanten Kompliment hinreißen, die Mannschaft sei der erwartet schwere Gegner gewesen und es sei kein Vergleich zur Vorrunde, wie gut sie inzwischen spiele. Kosta Runjaic hat es sich gelassen angehört.
Hier also die Pressekonferenz nach dem Spiel, samt Standard-O-Tönen von Jürgen Gjasula, Andreas Ibertsberger, Ranisav Jovanović und Julian Koch.
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