Prüfung Halbfinale bewältigt – Cottbus wartet

Das Leben hält für einen manchmal sogar schöne Prüfungen bereit. Schön sind Prüfungen genau dann, wenn sie dich fordern und du dennoch mit spielerischer Leichtigkeit die nötigen Fähigkeiten zeigen kannst. Das Halbfinalspiel im Niederrheinpokal zwischen Rot-Weiß Oberhausen und dem MSV Duisburg war so eine Prüfung. Nicht für beide Mannschaften. Für mich. Am Morgen hatte ich noch geschrieben, eine Niederlage betrachtete ich nicht einmal mit Bedauern, weil meine ganze Aufmerksamkeit dem Aufstieg gilt. Doch ich wusste auch, ich kann mir keinen Mannschaftssport ansehen, um nicht über kurz oder lang für eine der beiden Mannschaften eines Spiels Partei zu ergreifen und mitzufiebern. Wie oft war ich schon enttäuscht, weil irgendeine Zweitligabasketballlmannschaft meine Sympathie gewann und ihr Spiel verlor.

Ein wenig mulmig war mir also, als ich das Stadion betrat. Schon die erwartungsvolle Atmosphäre im Stadion Niederrhein ließ mir das Herz aufgehen. Das war Sport abseits der Unterhaltungsbranche Fußball, auch wenn der MSV Duisburg sich genau auf der Grenze zu dieser Sphäre des Fußballs bewegt. Ich begann, nicht mehr ganz so offen für eine Niederlage zu werden. Mir gefiel es allmählich doch sehr viel besser, wenn der Verein meiner Zuneigung siegte. Und dieser Verein war der MSV Duisburg. Doch Gino Lettieri half mir mit der Aufstellung, mich an meine Worte des Morgens zu erinnern.

2015-04_rwo_msv1Egal, was auch immer er nach dem Spiel zu der Aufstellung sagte, er ließ eine B-Elf beginnen, zum einen wie im Fall Martin Dausch, war das der Schonung nach leichter Verletzung geschuldet. Was vielleicht auch für Steffen Bohl und Branimir Bajic galt, die nicht im Kader waren. Nico Klotz, Zlatko Janjic, Kingsley Onuegbu und Thomas Meißner blieben auf der Bank, genauso wie Michael Ratajczak, den Marcel Lenz sinnvoller Weise ersetzte, um sich für den Samstag Spielpraxis zu holen. Diese Aufstellung war Risikominimierung und -maximierung zugleich. Stammspieler blieben für den Ligabetrieb unversehrt, was man von den Siegchancen nicht sagen konnte.

Diese Aufstellung verhalf mir zurück zur Gelassenheit. Denn eines war klar, Rot-Weiß Oberhausen spielte seit ein paar Wochen in sehr guter Form eine Liga tiefer, bewegte sich im oberen Tabellenviertel, und wir wissen, die Unterschiede der Spielstärke können sich in einem einzigen Spiel sehr schnell verlieren, selbst wenn eine eingespielte höherklassige Mannschaft auf einen klassenniederigeren Gegner trifft.

2015-04_rwo_msv4Die Mannschaft des MSV hingegen war keineswegs eingespielt. Sie war zudem besetzt mit vielen Spielern, die vielleicht sogar nicht ganz frei aufspielen können. Ich kann mir gut vorstellen, dass etwa Pierre De Wit mit seiner momentanen Stellung im Kader nicht ganz zufrieden ist. Es waren Spieler wie Dennis Grote und Sascha Dum, die auf dem Spielfeld manchmal so wirken, als käme etwas ihrem Spielrhythmus quer. Und es waren Spieler wie Fabian Schnellhardt oder Kevin Scheidhauer, die ehrgeizig sind, sich zeigen wollen und bei denen die Gefahr besteht, dass sie gerade deshalb sich selbst im Weg stehen. Dazu kam eine Abwehrreihe, die völlig neu zusammengestellt war und in der ich niemanden erkannte, der das Offensivspiel nach gewonnenen Bällen hätte einleiten können. Ich war bereit für Überraschungen.

2015-04_rwo_msv6Vielleicht vier, fünf Minuten waren gespielt, und ich fand vollends zu meiner morgendlichen Grundentspannung zurück. Schnell war zu erkennen, die Oberhausener hatten mehr als nur den Kampf zu bieten. Ihr Zusammenspiel funktionierte gut, Laufwege waren erkennbar und ein Steilpass in eine Schnittstelle der Defensivreihe war auch schon fast  torgefährlich geworden. Rot-Weiß Oberhausen zeigte sich sofort als gleichwertiger Gegner, der hervorragend verteidigte und blitzschnell umschaltete.

In der 11. Minute fiel das Führungstor für RWO. Nach einem Eckstoß gab es im Strafraum ähnlich viel Platz für die Oberhausener Spieler wie zuvor beim schnellen Steilpass in die Spitze. Aus dem gleichwertigen Gegner war schnell ein überlegener Gegner geworden. Der MSV mühte sich zwar. Das Angriffsspiel blieb aber zu einfallslos, um die gut gestaffelte Defensive der Oberhausener zu überwinden. Einmal gab es die Chance zum Ausgleich. Nach schnellem Kurzpassspiel kam Fabian Schnellhardt an der Strafraumgrenze zum Abschluss und traf die Latte. Die Oberhausener blieben gefährlicher, weil ihrem Spiel mehr Raum gelassen wurde. Das 2:0 fiel kurz vor der Pause, und sein Entstehen bahnte sich ebenfalls durch einen präzise vorgetragenen Angriff an.

Für einen kurzen Moment spürte ich in der Halbzeitpause so etwas wie einen Phantomschmerz über diesen Rückstand. Das Gegenmittel war kurz aufflackernde Hoffnung, es könne noch der Ausgleich fallen, weil die Oberhausener Mannschaft  mehr in das Spiel investiert hatte. Vielleicht wären die Spieler nicht lange genug so konzentriert wie nötig, weil sie zu früh müde wurden. Dem war nicht so. RWO spielte auf dem Niveau weiter, und auch wenn der MSV nun deutlich mehr Ballbesitz hatte, klare Chancen konnte sich die Mannschaft nicht erspielen. Für mich war das Spiel entschieden, und als in der 71. Minute Kingsley Onuegbu, Zlatko Janjic und Nico Klotz eingewechselt wurden, hoffte ich vor allem auf deren Unversehtheit und glaubte nicht eine Minute, sie könnten an diesem Abend durch Einzelleistungen noch irgendetwas an der Niederlage ändern.

Einen Lichtblick hatte dieser Abend auch auf Seiten des MSV für mich. Dieser Lichtblick war trotz der beiden Gegentore Marcel Lenz. Er wirkte sicher im Strafraum, zeigte einmal auf der Linie einen großartigen Reflex und seine weiten Bälle auf die Flügel waren präzise Vorlagen. Er schießt dorthin, wo er den Ball auf dem Spielfeld platzieren möchte. Fast wäre ich nach dem zweiten dieser Pässe auf Dennis Grote aufgesprungen, um Marcel Lenz begeistert zu feiern. Das wäre aber des Guten etwas zu viel gewesen, auch wenn für uns in Duisburg solche Pässe seltene Schmuckstücke sind.

2015-04_rwo_msvx4Der nochmalige Einzug ins Finale des Niederrheinpokals wäre schön gewesen. Eine bessere Leistung der Mannschaft wäre ebenfalls schön gewesen. Doch ich halte es für völlig unrealistisch zu glauben, dass eine derart aufgestellte Mannschaft des MSV eine gute Viertligamannschaft mal eben besiegen kann. Insofern gefallen mir auch Gino Lettieris „harte Worte“ nicht gut, wie sie Im Reviersport zu lesen sind. Das eine ist die schlechte Leistung der eigenen Spieler, das andere ist der realistische Blick auf die Qualität des Gegners, den wohl der Trainer selbst zu verantworten hat. So ist es vor allem schön gewesen, dass ich meine persönliche Prüfung in diesem Spiel bewältigt habe. Tatsächlich kann ich von mir sagen, ich bedauere diese Niederlage des MSV Duisburg kaum. Allerdings befürchte ich, diese Gelassenheit setzt auf die Zukunft. Sie setzt darauf, dass Samstag das Spiel gegen den FC Energie Cottbus so ausgeht, wie wir es uns wünschen.

Vielleicht stimmt mich außerdem die besondere Atmosphäre im Stadion Niederrhein nachsichtiger mit dem MSV Duisburg,  dieser Charme des Ortes, der sich durch die besondere Mischung von Tradition und Moderne dort ergibt. Wenn der MSV schon ausscheiden muss, dann soll es wenigstens dort gewesen sein. Rot-Weiss Oberhausen hat den Einzug ins Finale verdient. Wie sagt der Kölner, man muss auch jönne könne. Und wo er recht hat, hat er recht.

Ein paar Impressionen vom gestrigen Abend habe ich auch noch.

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