Manchmal möchte ich den Lauf der Dinge aufhalten – schon die Niederlagen des MSV und nun die Entlassung von Ilia Gruev. Realistisch sein, heißt es allerorten. Der Verein muss handeln. Kein Sieg in acht Spielen ist zu wenig. Ist das Schicksal ungerecht? Ja! Diese Niederlagenserie ist ungerecht und nicht alleine der Arbeit von Ilia Gruev anzurechnen. Viele von euch sind anderer Meinung und glauben, Argumente geben zu können. Bei näherer Betrachtung bleibt in meinen Augen nur der Glauben.
So erinnern mich die Diskussionen um die Arbeit von Fußballtrainern oft an die Religionen. Der Glauben bestimmt dann den Blick auf die Wirklichkeit. Ein Trainer hätte das und das machen sollen, dann wäre es besser geworden. Zu belegen ist das nicht. Es zählt allein der Glauben. Aber die Menschen sind sich ihres Glaubens immer sicher. Sie sind so sicher, dass sie ihren Glauben als Wirklichkeit fühlen. Anders lassen sich viele öffentliche Worte zu Ilia Gruev nicht erklären. Niederlagen sind ja keine Fakten, aus denen sich die Bewertung eines Trainers alleine ableiten lässt. Sie sind das Ergebnis eines Wettbewerbs, bei dem der Zufall eine große Rolle spielt. Nicht alles hat ein Trainer in diesem Wettbewerb unter Kontrolle. Zur Bewertung seiner Arbeit müsste sich um Spielsituationen gekümmert werden. Man müsste über taktische Grundausrichtungen bezogen auf das Können der einzelnen Spieler reden. Man müsste genau wissen, wie Mannschaft und Trainer zusammen arbeiten. Ich selbst habe für all das keine Zeit. Ich kann auch nur glauben.
In der Diskussion um die Arbeit Ilia Gruevs wird meist einem diffusen Unwohlsein Ausdruck verliehen. Denn Niederlagen stimmen nicht froh. Fehler werden gesucht. Aber hinterher scheint immer etwas anderes besser gewesen zu sein, wenn das gewünschte Ziel nicht erreicht wird. Schließlich wird auf die Mechanismen des Geschäfts verwiesen, und es werden Zirkelschlüsse betrieben. Weil man selbst so schlechter Stimmung ist, gab es keinen Rückhalt mehr für Ilila Gruev. Dieser Art Begründung findet sich sogar in der Zeitung, in einem Text von Pascal Biedenweg in der Rheinischen Post. Analyse wird das genannt. Ein großes Wort für eine beliebige Meinung. Ich hoffe, Ilia Gruev belastet sich nicht mit solchen Worten, wie sie hier ausschnittsweise zu lesen sind.
Dieser Meinung nach gilt also folgendes: Hätte Gruev der Jugend eine Chance gegeben, wäre es unnötig gewesen, die spielerische Qualität der Mannschft mit einem neuen taktischen System weiter zu entwickeln, das ihr mehr Kontrolle über das Spielgeschehen gibt. Der sportliche Misserfolg mit dem einen System führt zu Anpassung. Das ist aber auch wieder nicht richtig, weil dazu ja ein Spieler fehlt. Was aber wäre die taktische Alternative gewesen? Das ist die analytische Schärfe mit der sich Ilia Gruev in der Öffentlichkeit auseinandersetzen muss, mit der sich auch der MSV Duisburg bei seiner Entscheidung zum Trainer auseinandersetzen muss. Diese Stimme ist beispielhaft für die analytische Schärfe in der Diskussion. Denn da spricht einer nicht anders als aus einer Fanperspektive mit dem Gestus eines objektiven Analytikers.
Aber es geht ja Gott sei Dank nur um Fußball. Da bleiben die Glaubensgegner unter sich und haben nicht den Anspruch, in die Gesellschaft hinzuwirken. Das nächste Spiel macht die Vergangenheit vergessen. Noch aber bin ich melancholisch. Ilia Gruev gehört für mich zu meinem Verein, und wenn selbst mit ihm auf der Trainerposition trotz Misserfolg keine Weiterarbeit geschehen kann, wird das mit keinem Trainer in Duisburg geschehen.
Ilia Gruevs Verbundenheit mit Duisburg ist groß. Sein Respekt vor den Zuschauern und ihrer Verbundenheit mit dem MSV war immer zu spüren. Das wissen viele dieser Zuschauer nicht einmal zu schätzen. Wir haben Ilia Gruev für seine Arbeit zu danken. Er hat den notwendigen direkten Wiederaufstieg geschafft. Er hat mit der Mannschaft in ihrem ersten Zweitligajahr die Klasse gehalten. In diesem zweiten Jahr sollte es besser werden. Vielleicht haben wir und die sportlich Verantwortlichen die Möglichkeiten der Mannschaft überschätzt. Morgen geht es aber erst um die Zukunft. Heute heißt es: Vielen Dank, Ilia Gruev! Vielen Dank, Yontcho Arsov! Vielen Dank dafür, dass eure Arbeit dem MSV eine Perspektive gegeben hat.
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