Ein Muss: Der Mann fürs Planen unter Druck

Seit Sonntag können wir die berechtigte Hoffnung auf bessere Zeiten haben. Seit Sonntag brauchen wir nicht mehr nur auf das Glück zu hoffen. Seit Sonntag wächst mein Vertrauen, dass es dem Verein MSV Duisburg und seiner momentanen Mannschaft in den nächsten Wochen gelingt, wieder in ruhige Fahrwasser zu kommen.

Zunächst zeigte Ingo Wald mit seinem offenen Brief an die „MSV-Familie“ , wie man Zusammenhalt vorlebt. Ihm war klar geworden, dass er sich bei der Pressekonferenz zuvor in den Worten vergriffen hatte und entschuldigte sich. Angesichts des eigentlich zentralen Inhalts der Pressekonferenz hatte ich sogar verstehen können, wie es zu den für ihn ungewöhnlichen Worten der Distanzierung gegenüber MSV-Anhängern kommen konnte. Schließlich beschäftigte sich Ingo Wald in den letzten Wochen damit, die Existenz des MSV abzusichern. Die Übernahme der KG-Anteile durch Capelli garantiert das Überleben des MSV auch für den schlimmsten Fall, den Abstieg. Darüber hinaus drückte dieses Geld Vertrauen in die Arbeit beim MSV aus. Die Bedeutung dieses frischen Geldes wurde angesichts der Abstiegsgefahr und des Unfriedens um Gino Lettierie kaum mehr wahrgenommen. Damit wurde auch die zuvor geleistete Arbeit des Vorstands kaum gewürdigt. Wie lange haben wir im letzten Jahr schon über nötige Investoren gesprochen? In anderen Zeiten hätte diese Pressekonferenz als eine Erfolgsgeschichte erzählt werden können. Diese Möglichkeit gab es nicht mehr.

Zudem birgt schnelles öffentliches Antworten immer die Gefahr pauschaler Sätze. Ein wenig ging mir das im Gespräch mit Studio 47 ebenso, als ich am Freitag unter anderem zu den Aussichten für den MSV in einer möglichen Regionalligasaison befragt wurde. Das Gespräch beginnt bei Minute 1.00.

Ich greife dieses Gespräch deshalb auf, weil ich meinen Blick auf den Verein MSV Duisburg klarer fassen möchte. Oben habe ich zwischen Verein und Mannschaft aus guten Gründen unterschieden. Beim Blick auf die Mannschaft geht es um die mittelfristige Perspektive Klassenerhalt. Hoffnung gibt hier die Verpflichtung der neuen Spieler und des neuen Trainers. Für den Verein aber geht es um langfristige Strukturen. Die Hoffnung hier braucht allerdings noch ein paar Signale aus dem Verein, selbst wenn der offene Brief von Ingol Wald deutlich macht, wie er den MSV in der Stadtgesellschaft verortet sieht. Nicht nur ich denke bei den Signalen an die Arbeit von Ivo Grlic.

Den von Ingo Wald angesprochenen Zusammenhalt braucht der MSV mehr als die Unterhaltungsbetriebe in Bundesliga und Liga 2. Dieses Wort Zusammenhalt aber kommt aus den kulturellen Wurzeln des Vereinslebens. Bei solcher Bedeutung eines ideellen Werts für den Erfolg des Vereins wird es unweigerlich zu Widersprüchen in einem Sport kommen, der sich als Wirtschaftssegment Fußballunterhaltung etabliert hat. Wegen solcher Bedeutung ideeller Werte habe ich den MSV im Gespräch mit Studio 47 in einem Atemzug mit den Spitzenvereinen in der Regionalliga genannt.

Dieser Teil der Identität des MSV kann einerseits in Widerspruch zur angestrebten Professionalität geraten. Andererseits bedingt er die Möglichkeiten der Professionalität. Warum? Weil die immense Bedeutung zugleich ein Symptom des Geldmangels ist. Für das erhoffte Professionalitäts-Niveau auf sportlicher Ebene fehlt Geld, denn Strukturen brauchen Mitarbeiter, die bezahlt werden müssen. Mir geht seit Tagen ein Beispiel aus der Glitzer-Erfolgswelt des Fußballs nicht aus dem Kopf. Neulich habe ich gelesen, beim FC Bayern München gibt es eine Abteilung, die für Datenauswertung und Statistik verantwortlich ist. Diese Abteilung hat 20 festangestellte Mitarbeiter. 20! Diese Mitarbeiter analysieren Spiele und Spieler. Sie stellen Ranglisten auf. Sie arbeiten an Bewertungsgrundlagen und Entscheidungshilfen.

Zwar werden auch Ivo Grlic und das Trainerteam mit Statistiken arbeiten. Die Wahrscheinlichkeit, die falschen Spieler zu verpflichten, ist dennoch größer als beim FC Bayern München, und selbst beim FC Bayern schlagen nicht alle Spieler ein. Mir geht es dabei um den realistischen Blick auf die Mängel von Ivo Grlics Arbeit. Für mich offenbarte die Verpflichtung von Gino Lettieri vor allem den fehlenden konzeptionellem Blick. Die einzelnen Spielerverpflichtungen für sich genommen sehe ich angesichts der Bewertungsmöglichkeiten des MSV gar nicht so kritisch.

Deshalb halte ich es für besser, Ivo Grlic einen Mann für das Konzeptionelle beiseite zu stellen und ihn für die organisatorische Arbeit der Einzelverpflichtung zu behalten als mit einem völlig neun Mitarbeiter komplett neu anzufangen. Sportlich erfolgreich möchte jeder Verein sein. Schwierig wird es, wenn der sportliche Erfolg der Zukunft zugleich den Kredit für die Kostenstruktur der Gegenwart bedeutet. Diesen Zwang zum Erfolg hatte es für den MSV gegeben. Die Zufälligkeit des Fußballs macht Erfolg für Vereine wie den MSV weniger planbar als für Vereine aus der Bundesliga, selbst wenn das Personal keine Fehler macht. Ein Nachfolger von Ivo Grlic wird vor demselben Erfolgsdruck stehen. All die kleinen nun erfolgreichen Vereine sind kein Gegenbeispiel, weil sie in ihren Regionen meist die einzigen Profivereine sind. Ohne die große Konkurrenz in der Nachbarschaft ist es einfacher, erfolgreich zu sein. Mit einem neuen Mann würde es anders werden, ob es besser würde, weiß man vorher nicht. Wir wissen aber, dass Ivo Grlic bei der Verpflichtung einzelner Spieler schon oft richtig lag. Mein Schluss, auch angesichts der Vertragslage: Gebt Ivo Grlic einen Mann für das konzeptionelle Denken an seine Seite. Lasst ihn nicht alleine für die Planungen der nächsten Saison verantwortlich sein. Dann sehen wir weiter.

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