Wenn Hoffnungen sich erfüllen, beginnt ein Tag mit guter Laune. Vorhin habe ich die Pressekonferenz des MSV vor dem Spiel gegen den Halleschen FC gesehen, und Torsten Ziegners Worte erleichtern mich sehr. Er ordnet seine Anklage an die Mannschaft nach der Niederlage gegen RWO ein. Aus der Enttäuschung heraus habe er bewertet. Da könne man auch mal falsch liegen. Einsatz hätten die Spieler gezeigt. Solche Worte hatte ich mir erhofft, weil mich Ziegners erste Reaktion nach der Niederlage sehr sorgte. Aus zwei Gründen: zum einen hatte ich die Mannschaft nicht so leidenschaftslos erlebt wie ihr Trainer. Zum anderen hoffe ich immer auf Kontinuität der Arbeit im Verein, die nur mit Ruhe und Geduld entsteht. Letzteres ist im Ruhrgebiet immer schwierig zu gewährleisten. Die Publikumskultur beim MSV lässt sich nur über einen langen Zeitraum beeinflussen, wenn überhaupt. Die Arbeit für die Ruhe und Geduld muss im Verein selbst beginnen. Auch mit den geeigneten Worten an besagtes Publikum.
Hansi Flick hatte am selben Tag nach einem ähnlich enttäuschenden Erlebnis ein gutes Vorbild gegeben. Wir Anhänger und die Spieler lernen Torsten Ziegner nun also näher kennen. Er scheint ein emotionaler Mensch zu sein mit der Fähigkeit, die Worte von gestern sachlich auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen. Einen weiteren Hinweis auf diese Eigenschaften ergeben sich durch die Fragen der Journalisten aus Halle auf der Spieltags-PK. Sie fragten Torsten Ziegner und den ebenfalls anwesenden Ralf Heskamp auch nach rückblickenden Bewertungen auf ihre gemeinsame Zeit in Halle. Was hätte damals besser sein können, fragten sie Ziegner sinngemäß. Der antwortete, er sei zu ungeduldig gewesen im Moment des Erfolgs, er hätte von seiner Mannschaft zu viel verlangt.
So eine offene Bewertung schafft Energie für Entwicklung. Großer Ehrgeiz als Grund für solche Ambitionen liegt nahe. Dieser große Ehrgeiz ist weiter vorhanden, wie die RWO-PK beweist. Dass Torsten Ziegner mit dieser Eigenschaft inzwischen anders umgeht, zeigt die PK vor dem Spiel gegen Halle. Im offenen Austausch mit den Spieler zu sein, die eigenen emotionalen Bewertungen mit Abstand neu zu betrachten, das stärkt den Zusammenhalt zwischen Kader und Trainer – die grundlegende Voraussetzung für Erfolg.
Natürlich gibt es jetzt auch MSV-Anhänger, die Ziegners Worte als Zurückrudern bewerten. Sie sind enttäuscht, dass mit den Spieler nun doch nicht Tacheles geredet wurde. Leicht zu finden sind sie im MSVportal. Mit diesen Stimmen klingt die Sehnsucht nach dem „harten Hund“ als Trainer an. Im Ruhrgebiets-Alltag begegnen sich Menschen rau und direkt, doch mit Herz. So sehen wir uns gerne. In Konflikten verwandeln sich diese als positiv empfundenen Umgangsformen schnell in Mittel der Macht. Dann wird direktes Sprechen mit dem Zwang zur Unterordnung verwechselt. Dann wird dem Gegenüber Druck gemacht. Dann muss einer durch Worte spüren, er soll parieren. Auch solche Unterordnung ist tief in der patriachalischen Kultur des Ruhrgebiets verankert. Dabei wird vergessen, mit der Demonstration von Macht, mit autoritärem Gehabe wurden oft Hilflosigkeit und Schwäche verdeckt.
Ich bin froh, dass Torsten Ziegner so eine Form von Autorität anscheinend nicht braucht. Ich bin froh, dass er auch den Austausch mit Spielern als Teil seiner Arbeit ansieht, und ich bin froh, dass er um seine fehlerbelasteten Bewertungen in emotionalen Situationen weiß. Ich hoffe, er überzeugt mit seinen offenen Worten zur Sachlichkeit als Grundlage für seine Arbeit einen möglichst großen Teil des Duisburger Publikums. Der MSV und wir Anhänger brauchen Geduld für die mittelfristigen Ziele des Vereins. Dass ein kurzfristiger Sieg am Samstag dabei sehr helfen würde, versteht sich von selbst.
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