Die Gerüchte sind nun bestätigt. Auf der Jahreshauptversammlung des MSV Duisburg werden die Mitglieder eine richtige Wahl besitzen. Es gibt einen Gegenkandidaten für den Vereinsvorsitzenden Ingo Wald. Was grundsätzlich zu begrüßen ist und besagter Ingo Wald in vielen Gesprächen seit langer Zeit wünschte. Eine wirkliche Wahl stärkt die Position eines Vereinspräsidenten, egal wer gewählt wird. Helmut Sandrock kandidiert also als Vereinspräsident gegen den bisherigen Amtsinhaber Ingo Wald.
Als ich die Bestätigung las, kam ich ins Nachdenken. Warum interessiert sich ein Mensch für den Vorsitz des MSV, der seit Jahren mit diesem Verein nicht wirklich etwas im Sinn hatte; ein Mensch, von dem ich nie las oder hörte, dass er zu diesem Verein eine besondere Bindung besitzt – obwohl er ja vor zwanzig Jahren schon einmal Präsident des MSV war.
Nun sind Fußballvereine als Teil der Unterhaltungsindustrie dieses Landes keine normalen Vereine, bei denen sich die Funktionäre immer aus dem Mitgliederkreis rekrutieren und man oft ein Amt auf Lebenszeit einnimmt, falls man vorschnell ja sagt. Insofern muss die Kandidatur von Helmut Sandrock alle am MSV Interessierten optimistisch stimmen. Dem MSV wohnt also weiter jene hoffnungsvolle Zukunft inne, mit einer Position im Verein jene glitzernden Aura der großen Fußballwelt zu erhaschen, die in der 3. Liga doch meist unerreichbar wirkt.
Was anderes als diese Aura erkenne ich momentan nicht als Grund für die Kandidatur. Vermisst ein Mann, in dessen Berufsleben diese Aura immer vorhanden war, etwas im kleinen Fußball des MSV Moers, wo er momentan 1. Vorsitzender ist. Denn was will ein Mann ohne innere Verbindung zum MSV bei diesem Verein der 3. Liga? Natürlich würde er mir antworten, dazu stehe doch alles in der Vorstellung der Opposition, die auf der Seite des MSV veröffentlicht wurde. Die dürftige Gegenwart beschäftigt ihn und viele andere. Deshalb soll also eine Aufbruchstimmung her und die Menschen hier sollen wieder stolz sein können. Aber warum interessiert das ausgerechnet gerade ihn? Und warum jetzt?
Eine wirkliche Antwort darauf gibt es nicht. Also gibt es auch keine Antwort darauf, warum ihn jemand wählen sollte. Als einziges Argument zählte der finanzkräftige Mensch im Hintergrund, der nicht in die erste Reihe will und jemanden suchte, dem er vertraute, der zudem auf den ersten Blick ein Standing in der Branche besitzt. Es wäre für mich der einzige Grund, um über das Risiko eines Führungswechsels überhaupt nachzudenken. Mit allen Folgen der Abhängigkeit von einem Geldgeber im Hintergrund. Sonst finden sich keine wirklichen Argumente für den Führungswechsel. Wieso sollte man einer Mannschaft vertrauen, die im MSV bisher nicht präsent war? Welche Arbeit wurde bislang im Fußball geleistet? Denn da es beim MSV um dieses merkwürdige Zwischending von Verein und Fußballunternehmen geht, braucht es nicht unbedingt eine emotionale Bindung an den MSV, wenn es handfeste andere Argumente für die Wahl gibt.
Wenn ich nur auf Helmut Sandrock schaue, lese ich von einer ansprechenden Karriere in diesem Fußball-Unterhaltungsbetrieb. Da hat sich also das einstige Engagement beim MSV als Eintrittskarte in diese Welt gelohnt. Den eigenen Vorteil scheint er dabei nicht aus den Augen verloren zu haben bei seinen Tätigkeiten, gerade beim DFB in Verbindung mit den TV-Rechten. Ob man solche Vorteile beim MSV wieder suchen kann? Nachdem die finanzielle Situation durch das Wirken von Ingo Wald einigermaßen im Griff ist?
Am Anfang der ansprechenden Karriere aber stand der Niedergang des MSV nach der Funkel-Ära. Meiner Meinung nach begann der mit einer Personalentscheidung zu Zeiten der Präsidenschaft von Hans Spick, die Helmut Sandrock als Vorsitzender des Aufsichtsrates vom MSV vorangetrieben haben soll. Zum Erfolg der Funkel-Ära trug Gerd Merheim mit der Kader-Zusammenstellung entscheidend bei. Als es für ihn um einen Vertrag mit Perspektive ging, wurde ihm der vom Aufsichtsrat des Vereins nicht gewährt. Gerd Merheim ging. Helmut Sandrock übernahm wenig später die Präsidentschaft und hatte offensichtlich mehr Interesse an prominenten Namen. Bernd Cullmann anstelle von Gerd Merheim klang gut, brachte sportlich aber nur den weiteren Abstieg. Muss ich die weitere Geschichte mit den Stichworten Walter Hellmich und Zwangsabstieg nennen? Da stand Helmut Sandrock längst beim DFB unter Vertrag.
Allerdings können Jahreshauptversammlungen von Fußballvereinen ja sehr emotionale Angelegenheiten sein. Wenn die entstandene Unzufriedenheit über den sportlichen Erfolg der letzten Jahre in Wallung gebracht werden könnte, läge rationales Handeln schnell fern. Ich gebe zu, das sorgt mich ein wenig.

Eine letzte Anmerkung, weil ich über eine Stelle in der Verlautbarung der Opposition stolperte. Sie wirft ein Licht auf diese Kandidatur. Das Wörtchen „designiert“ wird genutzt, wenn Menschen für ein Amt schon fest vorgesehen oder bereits gewählt sind, aber es noch nicht bekleiden. Ein sprachlicher Lapsus nur? Oder doch ein Hinweis auf die mehr selbstbezogene Motivation bei dem Ganzen?
Gut geschrieben. Welche Motivation hat gleich Ingo Wald?? Ach ja – da fällt mir auch nichts ein.
Aber endlich mal seit Jahrzehnten wieder eine Wahl zwischen Kandidaten und nicht nur einer wie sonst in Nordkorea. Das nennt man Basisdemokratie.
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Für Ingo Wald liegt für mich die Motivation seit dem Zwangsabstieg offen. Ihm geht es um wirtschaftliche Konsolidierung und das Weiterleben des Vereins. Ich denke, für sein Ego, für irgendwelche persönlichen Interessen über das Engagement hinaus braucht er den Verein nicht.
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Das wirft die grundsätzliche Frage nach Investoren und 50+1auf.
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Da wird ja anscheinend auf DFL-Ebene versucht, Bewegung reinzubringen.
Vielschichtiges Thema.
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Lieber Kees und Kurt,
Ja,es ist vielschichtig und leider auch unerquicklich.Ich habe ein schlechtes Gefühl,was die Entwicklung des gesamten Fussballs angeht,(Kommerz,Selbstdarsteller,VAR,etc…)
Ich bin bald 66Jahre und habe mich ein großes Stück vom Fussball in seiner jetzigen Form entfernt.
Ich bleibe aber MSV Fan(ist in meinem Herz) und hoffe das beste für die nächsten Jahre!!.
P.S
Danke für Deine Beiträge und mach weiter
solang Du Bock hast.
Du bist eine Konstante in einer bröselnden Welt.
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Tut mir leid, dass ich erst jetzt zum Dank für deine Worte komme. Ein Wochenend-Klassiker mit schneller Erkältung, die gestern dann schon fast wieder vorbei war. Was das Schreiben hier betrifft, mache ich weiter, aber du merkst ja, Worte zu Spielen gibt es seltener, weil ich das Gefühl habe, meine Assoziationen übers Spiel hinaus alle schon mal geschrieben zu haben. Dennoch gibt es Stoff immer wieder. Wie es gerade passt.
Und was das Vielschichtige dieses Investoren-Themas betrifft, meine ich ja, diese 50+1-Regel verhindert die Auseinanderbewegung dieser vom Geld angetriebenen Unterhaltungsbranche nicht. Das hat was Ideologisches, ein wenig Opium für die Fans, und natürlich gibt es in Deutschland immer noch eine andere Fußballkultur als in England. Aber vielleicht geht es um die Chancengleichheit ja auch gar nicht. Sehr vielschichtig, wenn man sich diesen Betrieb wahrhaftig anschaut. Dann müsste man allerdings auch mit einen anderen Haltung zum MSV gehen – konsequenterweise. Dann müsste man sich über Niederlagen ärgern, aber innerlich zurückkehren zum Verhältnis gegenüber einem Amateurverein, wo es auch keine Erwartungen an ein funktionierendes Fußballunternehmen gibt. Weites Feld. Ich gerate ins Philosophieren.
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