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Preview – Ronald Reng: Spieltage – Ein erster Blick ins Buch mit Zebra-Brille

Heinz Höher beim MSV Duisburg, das war für mich vor allem der wenig erfolgreiche Trainer der Saison 1979/80. Als Spieler des Vereins in den ersten beiden Bundesligajahren habe ich ihn noch nicht erlebt. Ich wartete damals noch auf meinen ersten Stadionbesuch. So überdeckte der Heinz Höher beim VfL Bochum jegliches Halbwissen von mir  zu seiner frühen Duisburger Vergangenheit als Spieler, versteckte sich sein Teil der Heldengeschichte über den Vizemeister meist doch hinter dem von Eia Krämer, Helmut Rahn oder Günter Preuß.

Wer aber wie Ronald Reng ein Buch über Heinz Höher schreibt, erzählt auch seine Duisburger Zeit als Spieler aus dessen Blickwinkel. Und zu erzählen findet sich genug. Heinz Höher war zusammen mit Manfred Manglitz unter Vertrag genommen worden. Beide kamen von Bayer 04 Leverkusen, und die gemeinsame Verpflichtung war ein früher Trick die finanziellen Forderungen von Bayer zu bedienen, ohne die Statuten des DFB zu verletzen. Denn die Einführung der Bundesliga war nur einem Kompromiss zu verdanken zwischen Streben nach Professionalität und Bewahren des Amateurwesens. Um diese allgemeine Historie geht es Ronald Reng neben Heinz Höhers Geschichte ebenfalls. Er erzählt die Biografie von Heinz Höher und stattet sie – wie der Untertitel des Buches verrät – als „Die andere Geschichte der Bundesliga“ aus.  Wannimmer etwas erzählt wird, entfaltet es seinen Sinn als Teil einer übergeordneten Historie des deutschen Fußballs. So zeigt er etwa Rudi Gutendorf als eine Art visionären Marketingmann des Meidericher SV, der Helmut Rahn vor allem wegen dessen Ruhm verpflichtet haben wollte. Damit der unbekannte Meiderichericher SV mehr Strahlkraft gewinnt. Das war die gelungene Variante dessen, woran Walter Hellmich mit Ailtons Verpflichtung Jahre später aus mangelndem Fußballverstand scheiterte.

Ronald Reng erzählt aber auch die Geschichte abseits des Fußballplatzes, die von Meidericher Fußballern in Duisburger Bars. Pils und Schnaps gehörten zum damaligen Fußballer-Alltag wie die Arbeit im Stahlwerk oder auf der Zeche. Er erweckt die Atmosphäre in Stadien und auf dem Trainingsplatz zum Leben. Als souveräner Stilist macht er den Alltag der 1960er Jahre mit vielen Details erfahrbar und behält die unterschiedlichen Ebenen seines Buches gekonnt im Blick. Muss ich betonen, dass ich „Spieltage“ von Ronald Reng kaum aus der Hand legen konnte? Noch freue ich mich auf gut ein Drittel Buch, auf den Trainer Heinz Höher in Nürnberg, auf all seine Macken und Fehler, die das Arbeiten mit ihm ebenso schwierig gemacht haben wie das gemeinsame Leben mit ihm in einer Ehe. Wie man Ronald Reng für dieses Buch nur applaudieren kann, so muss man Heinz Höher bewundern für seine Offenheit und für seinen Mut, sich seiner Lebensgeschichte auch in den unangenehmen Momenten zu stellen.

Ich schreibe euch auch noch eine Besprechung in klassischer Manier, vielleicht schreibe ich sie aber auch vor allem für Ronald Reng, weil in dieser Buchbranche der klassische Stil einer Besprechung auch über die Wahrnehmung von deren Seriösität bestimmt. Und Ronald Reng gebührt der Beifall auf allen Ebenen des Betriebs. Lest Spieltage! In diesem Buch verweist jede Anekdote über sich hinaus und erzählt euch entweder Historie des Bundesligafußballs oder etwas über die Persönlichkeit eines sehr eigenen Menschen.

Und noch eins: An einer Stelle des Buches musste ich sofort an den nächsten Samstag denken. Der Auslöser war eigentlich nur ein Satz zum ersten Spiel des Meidericher SV in der Bundesliga, das legendäre Auswärtsspiel beim Karlsruher SC. Ich will euch diesen Satz und ein paar folgende nicht vorenthalten.

Niemand konnte die Stärke von Karlsruhe und Meiderich realistisch einschätzen, die, getrennt in Süd und West, sich nie begegnet waren. Der Ahnungsloseste konnte schon nach wenigen Minuten erkennen, dass der vorgebliche Abstiegskandidat Nummer eins eine Nummer zu groß für den KSC war. Meiderich stürmte. Die Halbstürmer, Werner Krämer rechts und Heinz Höher links, schlugen Haken, passten auf die Flügel, boten sich postwendend für den Flachpass in den freien Raum an, nahmen den Ball auf und dribbelten dem Tor entgegen. Ließen sich Krämer und Höher einmal zurückfallen, glaubte das Publikum, nun ruhten sie sich einmal aus. Da spielten sie plötzlich einen Steilpass aus der Tiefe, der Karlsruhes Abwehr zerschnitt. Nach 37 Minuten stand es 0:3.

4:1 gewannen die Zebras, und vielleicht geht es euch auch so, dass trotz aller Unterschiede zur Gegenwart, dieser erste Satz euch bis zum Samstag begleiten wird. Niemand kann die Stärke des MSV Duisburg im Moment realistisch einschätzen. Und gerade in einem Auftaktspiel der Saison trifft diese Prognoseungewissheit vielleicht sogar auf einen Aufstiegsaspiranten wie den 1. FC Heidenheim zu. Mit der Wiederholung eines überraschendenden Leistungsunterschiedes samt entsprechenden Endergebnisses könnte ich gut leben. Ein Unentschieden machte mich aber auch schon mehr als zufrieden.

Spieltage

Ronald Reng: Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga. Piper Verlag, München 2013. 480 Seiten. € 15,99. ISBN: 978-3-492-96426-5

Was einem auf dem Weg nach Erfurt noch so einfällt

Fast bin ich schon aus dem Haus. Ich war früh wach. Mit Zuversicht und Vorfreude. Keine Aufregung. Denn ich bin mir sicher, besser vorbereitet können die Mannschaft und wir auf den Rängen in Erfurt nicht antreten. Allenfalls kribbelt jetzt Lampenfieber, eine konzentrierte Gespanntheit. Du gehst das ein oder andere noch mal durch und dann fällt dir ein, bei Rot Weiss Erfurt spielt ja Juri Judt. Für mich ist er zu so einer Art Sohn-von-Fußballer geworden. Seit ich Ronald Rengs wunderbare Biografie von Heinz Höher gelesen habe, denke ich nicht mehr nur an ihn, wenn ich seinen Namen höre. Ich denke, das ist doch der Jugendspieler, den Heinz Höher zu seinem persönlichen Projekt gemacht hat.  Seine Qualitäten zeigen sich anscheinend auch bei Rot Weiß Erfurt, weil er in der Mannschaft sehr variabel einsetzbar ist.Ich denke, in Erfurt spielt also der Spieler, mit dessen Lebensweg Heinz Höher seinem Trainerleben noch einmal einen besonderen Sinn gegeben hat. Zumindest erzählt Ronald Reng das auf diese Weise. Biografie ist ja immer auch Deutung. Nicht nur an der Stelle eine sehr gelungene Deutung von Ronald Reng. Eine schöne Biografie, die einem auch etwas über Lebenswege im Allgemeinen erzählt. Über Fußball ja sowieso. Und mit Bezug zum MSV Duisburg. Heinz Höher, ein Spieler der ersten Bundesligasaison des MSV. Und nun spielt Juri Judt bei Rot-Weiß Erfurt. Hat das eine Bedeutung für das Spiel? Ihr wisst ja, alles hängt mit allem zusammen, nur wie ist immer wieder eine neue Frage. Der Weg nach Erfurt ist lang. Da lässt sich viel drüber nachdenken. Ob sich Kreise irgendwie schließen? Oder auch in der Biografie lesen, wenn noch nicht geschehen. So viele Kilometer bis Erfurt. So viel Zeit noch bis zum Anstoß.

Vereinspräsidenten-Traditionen

Ronald Rengs „Spieltage“ habe ich zu Ende gelesen.  Spannend bis zur letzten Seite. Ausführlicher begründe ich das noch. Vorher kurz etwas hoffentlich Erheiterndes aus dem nächsten Buch, das ich gerade begonnen habe zu lesen: „Samstags um halb 4“ von Nils Havemann. Der Historiker hat sich wissenschaftlich der Bundesligageschichte genähert. So klingt im Ton des Buchs der Wissenschaftsbetrieb manchmal deutlich an.

Nils Havemann wirft in seiner Geschichte immer wieder den Blick auf die ökonomischen Verhältnisse in den Vereinen und bei Akteuren des Fußballs, bei den Spielern, aber auch bei den Funktionären. Und weil mir momentan die Tradition anscheinend zum Leitmotiv meiner Beschäftigung mit dem Fußball wurde, musste ich doch grinsen, als ich Nils Havemanns Anmerkungen zu den Vereinspräsidenten in den 1960ern und 1970ern las. Ich habe es ja schon im Gespräch mit Michael Wildberg gesagt, auch Walter Hellmlich hat beim MSV Duisburg Traditionen fortgeschrieben und wenn ich Nils Havemann lese, nicht nur die des Amateurfußballs und dessen regelmäßiges Vergessen von engagierten Vereinsmitgliedern.

Hinter dem Engagement auf höchster Vereinsebene stand in vielen Fällen das Kalkül, neue Kontakte zu wichtigen Anlaufstellen im eigenen Einzugsgebiet knüpfen und einen priveligierten Platz bei der Vergabe lukrativer Aufträge ergattern zu können. … Wer sich die Liste der Gönner anschaut, die sich in den fünfziger und sechziger Jahren in großen Clubs zusammenfanden, wird die Relevanz solcher Überlegungen rasch erkennen. […] Es waren zumeist kleine und mittelständische Unternehmen, die von Familien betrieben wurden und in der Region verwurzelt waren. […] Dass einige hochrangige Mitglieder dabei gelegentlich die Belange des Vereins zu stark mit den Interessen ihres Geschäfts vermengten, wird in den folgenden Kapiteln ebenfalls thematisiert werden.

Nils Havemann: Samstags um halb 4. Die Geschichte der Fußballbundesliga. Siedler, München 2013. Seite 86.

„Tradition ist nicht das Anbeten der Asche“ – Wildberg und Jaratz im Gespräch – Teil 1

„Tradition ist nicht das Anbeten der Asche“ . Das Zitat von Thomas Morus greift Michael Wildberg  auf in seinem Vorwort zu „Der Kapitän der Zebras“, den Erinnerungen von Günter Preuß. Während der Fanaktionen nach der Lizenzverweigerung hörte ich das erste Mal von dem Projekt, dieses Buch neu aufzulegen. Ich wollte darüber schreiben und  fragte Michael Wildberg nach dem geplanten Veröffentlichungsdatum. Daraufhin schlug er mir statt einer der üblichen Besprechungen ein Gespräch vor. Der Vorschlag gefiel mir. Wir sprachen also über das Buch, die 64er Vizemeister und  die Bedeutung der viel gerühmten Tradition. Wir kamen auf so viele Dinge zu sprechen, dass ich dieses Gespräch in zwei Teilen veröffentliche. Heute geht es vor allem um das Buch und die Zebras der ersten Bundesligasaison, morgen steht die Tradition im Mittelpunkt.

Kees Jaratz: Nachdem die DFL dem MSV Duisburg die Lizenz für die 2. Liga verweigert hatte, kamen neben den Fans des MSV Duisburg auch ehemalige Spieler der Zebras zum Stadion. Als einer der ersten stand der Kapitän der 1960er Jahre Günter Preuß auf dem Stadionvorplatz. Ein Videoclip mit einem Interview mit ihm machte schnell die Runde. Vor Trauer und Sorge um den Verein kämpfte er mit den Tränen. Wäre der MSV Duisburg dahingesiecht, wäre auch ein Teil von Günter Preuß gestorben. Seine Geschichte mit dem MSV Duisburg hatte er bereits in seinem 2002 im Selbstverlag erschienenem Buch „Der Kapitän der Zebras“ geschildert. Lange Zeit war es vergriffen, nun ist es dank der Initiative mehrerer Fans und der Zebraherde e.V. bald wieder erhältlich. Geplant war es sicher nicht, das Buch just in der Zeit neu aufzulegen, in der alte Werte von Vereinstreue und Gemeinschaftlichkeit dazu beigetragen haben, dem MSV Duisburg eine Zukunft zu ermöglichen. Wie kam es zu dem Plan der Neuveröffentlichung und was war dafür notwendig?

 

Michael Wildberg: Der Plan schwelte schon seit zwei Jahren. Von meiner Seite aus und um mal meine Intention zu schildern: Ich hatte mir seinerzeit – kurz nach der Veröffentlichung von „So Lonely“ – vorgenommen, all die alten Helden aufzusuchen und mir ihre Geschichten anzuhören, also Bella, Preuß und so weiter. Mir war es immer suspekt, dass der MSV sich als Traditionsverein ausgab, wir aber im Gegensatz zu anderen Vereinen offenkundig unter einem Mangel an Folklore und Oral History litten, was auch kein Wunder war, der Verein hatte schließlich all jene verjagt, die hätten persönlich Zeugnis ablegen können. Es gab auch keine Literatur oder Filme, die Zeitdokumente waren sehr rar, übrig blieb die gähnende Leere der Geschichtslosigkeit. Ich wollte die Spieler der Vergangenheit aufsuchen, um für mich diese Leere mit Leben zu füllen. Als ich Preuß dann das erste Mal in Meiderich traf, merkte man sehr schnell, dass er persönlich verletzt war aufgrund der Ignoranz, die ihm seitens des Vereins entgegenschlug. Er hatte insgesamt dreißig Jahre für den MSV in unterschiedlichen Funktionen gearbeitet, hatte 1985 in Zeiten höchster Not ein Benefizspiel auf die Beine gestellt, war Kapitän der Vizemeistermannschaft gewesen, zwischendrin Trainer, Manager und Mädchen für alles in Personalunion und war von Kindesbeinen an ein Zebra. Das Ende vom Lied war, dass zu jener Zeit, als ich ihn besuchte, keine 10% der Stadionbesucher was mit seinem Namen anfangen konnten, obwohl er eigentlich – wenn alles glatt gelaufen wäre – unser Franz Beckenbauer hätte sein müssen. Schon bei unserem ersten Treffen gab mir Preuß sein Buch und erzählte mir alle Geschichten daraus, sagte aber, dass das Buch nicht mehr erhältlich sei. Nachdem Preuß dann beim Lese-Talk Anfang 2013  wieder mehr in die MSV-Öffentlichkeit rückte, taten wir uns mit dem Zebraherde e.V. – der mittlerweile auch mit der Idee einer Neuauflage schwanger ging – zusammen und fassten den Plan, seine Erinnerungen neu aufzulegen, um ihm und der damaligen Mannschaft für ihre Erfolge zu danken und gleichzeitig den Fans ein Zeitdokument zugänglich zu machen. Insgesamt haben wir mit sechs bis acht Leuten an die sechs Monate an dem Buch gearbeitet, aber dass die Neuveröffentlichung just in diese verrückte Zeit fällt und er dann mit seinen Tränen eines der vielen Sinnbilder des Lizenzentzugs wurde, ist natürlich ein äußerst gemeiner Treppenwitz des Fußballgottes. Es zeigt aber auch, dass er wieder im Verein angekommen ist. Er konnte stellvertretend für viele andere weinen, weil er wahrgenommen und in seiner Bedeutung für den Verein anerkannt wurde. Das war – bei aller Trauer und allem Mitgefühl in diesem Moment – eine sehr schöne Nachricht.

Kees Jaratz: Nur um „Der Kapitän der Zebras“ noch etwas einzuordnen: Günter Preuß’ Buch ist eine Art verschriftlichte Oral History, erzählte persönliche Geschichte. Es geht um Erinnerungen, um die eigene Wahrheit. In einem einfachen Stil ist es geschrieben. Günter Preuß erzählt seine um den Fußball zentrierten Erlebnisse von den Kindheitstagen kurz nach dem Krieg, vom Straßenfußball rund um den Gerhardsplatz bis hin zu seinem Abschied vom MSV Duisburg als Manager und Trainer im Jahr 1986. Vor allem für die 1960er Jahre deutet er aber auch den Fußball beim MSV Duisburg innerhalb der Geschichte von Oberliga West und Bundesliga. Lass mich auch noch erwähnen, für die Neuausgabe hast du ein Vorwort geschrieben. Du hast es am Stadion während einer der Fan-Aktionen gelesen. Mit dem Vorwort hast du nicht nur Günter Preuß gewürdigt sondern dieser gesamten Mannschaft der ersten Bundesligasaison ein Denkmal gesetzt. Wo wird das Buch denn erhältlich sein und wie teuer wird es?

Michael Wildberg: Dazu muss ich etwas ausholen und erklären, wie die Nummer funktioniert. Vorneweg: Es ist Günter Preuß ausdrücklicher Wunsch, dass der Gesamterlös des Werkes dem MSV Duisburg zur Verfügung gestellt wird, die Ursprungsidee war eine Spende an das Nachwuchsleistungszentrum. Auch keiner der Leute, die an dem Buch gearbeitet haben, wollte nur einen Cent für seine Arbeit sehen. Als wir unseren Plan in die Tat umsetzen wollten, traten die ersten Fragen auf: Kriegen wir einen Verlag, wie viel Erlös könnte erzielt werden, wie soll die Nummer generell ablaufen und so weiter. Das Verlags-Problem war schnell gelöst, da die Herausgabe von Büchern mit dem digitalen „Book-on-demand“-Verfahren mittlerweile ziemlich einfach und zugleich billig geworden ist, sofern man bescheuert genug ist, die ganzen Nebenkriegsschauplätze zu übernehmen, also Layout, Cover, Textkorrektur etc. Dazu braucht man dann eine Menge ehrenamtliches Engagement gepaart mit Fachwissen, aber glücklicherweise wurden diese Schauplätze dann von ein paar Zebras beackert, die verrückt genug waren, sich an dieser Odyssee zu beteiligen. Dr. Sabine Freyling tippte das komplette Manuskript ab, Harald Steffen setzte den Text und Yvonne Dörfer gestaltete das Cover. Bei der Frage, wie wir das Buch dann an den Mann bringen, wird ein Aspekt wichtig: Am meisten Geld macht man, wenn man das Buch selber als Autor oder Herausgeber ankauft und anschließend zum Buchhandelspreis auch selber verkauft. Die Zebraherde erklärte sich dann umgehend bereit, das Geld für eine Auflage von 200 Stück vorzustrecken und das finanzielle Risiko auf sich zu nehmen, gleichzeitig konnten im MSV-Portal Vorbestellungen abgegeben werden. Daraus ergibt sich jetzt folgender Ablauf: In einer ersten Phase werden die 200 vorbestellten Exemplare verteilt, daran anschließend wird das Buch für den Buchhandel und Online-Versandhandel freigeschaltet, so dass man es wie jedes andere Buch auch über den örtlichen Buchhändler oder Amazon beziehen kann. Wann das genau sein wird, weiß ich nicht, aber ich denke, dass wir spätestens im Herbst und auf jeden Fall vor Weihnachten das Buch jedem zugänglich machen werden. Das Hardcover-Buch hat insgesamt 164 Seiten und wird 20 Euro kosten.

Kees Jaratz: Dann werde ich also nochmals gesondert drauf hinweisen. Um aber auf das Werk an sich zurückzukommen: Die Erinnerungen von Günter Preuß sind ja nicht einfach nur ein Zeitdokument. Sie sind ja in Teilen auch ein Gegenbild zu klischierten Bildern über den MSV Duisburg. In diesen Teilen waren die Erinnerungen für mich besonders eindrucksvoll.  Für den MSV der ersten Bundesliga-Saison wurde ja Rudi Gutendorf als Trainer zu einer Art Sinnbild und zwar deshalb, weil sein Spitzname Riegel-Rudi auch die Spielweise des MSV Duisburg damals beschreiben sollte. Es setzte sich das Bild einer defensiv ausgerichteten Duisburger Mannschaft fest. Dabei stellte der Riegel nichts anderes dar als eine frühe Form der Raumverteidigung. Diese Mannschaft besaß eine unglaublich starke Offensive.

Michael Wildberg: Das ist wirklich eine der größten Legenden rund um diese Mannschaft, also dieser deutsche Catenaccio, der dem Team immer unterstellt wird. Das Schlimme ist, dass – wie du sagst – genau das Gegenteil zutrifft. Das Erfolgsrezept war zum einen, dass die Meidericher die ersten offensiven Außenverteidiger ihrer Zeit hatten, die dazu auch noch ausgebildete Stürmer waren und sich – damals gegen jegliche Konvention – mit in die Offensive einschalteten. Das sorgte eine ganze Zeit lang in jedem gegnerischen Strafraum für Chaos und war der Vorläufer des Fußballs, der heute so viele moderne Mannschaften stark macht. Sobald einer der Außenverteidiger mit nach vorne ging, verschob sich dann das defensive Gefüge so, dass die Position auf den Außen wieder besetzt war, erst ein paar Jahre später sollte Rinus Michels dieses Verschieben im „total voetbal“ mit dem gesamten Team perfektionieren. So abwegig es klingt: Der Fußball der Duisburger damals war revolutionär. Dazu kam, dass man mit „Eia“ Krämer das größte Talent seiner Zeit auf dem Feld stehen hatte, dazu Helmut Rahn, den Helden von Bern, und mit Manglitz und Heidemann kommende Nationalspieler, da steckte eine Menge Talent im Kader. Ein weiterer großer Vorteil: Die Truppe war ein homogener Haufen, der sich größtenteils von Kindesbeinen an kannte, drei der Spieler wuchsen zum Beispiel auf derselben Straße auf und hatten schon als Kinder auf den Bolzplätzen und Kopfsteinpflastern Meiderichs miteinander gekickt.

Kees Jaratz: Aus Meiderich kamen zwar die meisten Spieler dieser ersten Bundesligasaison, dennoch gab es auch damals schon die Suche nach Verstärkung außerhalb der Stadtgrenzen. Manfred Manglitz und Heinz Höher von Bayer 04 Leverkusen wurden verpflichtet. Der Heinz Höher, der gerade sein mediales Comeback durch Ronald Rengs Buch „Spieltage“ feiert.

Michael Wildberg: Und Helmut Rahn, der vielleicht berühmteste deutsche Spieler zu  dieser Zeit. Wobei ich die „Zugezogenen“ nicht betonen würde. Das Alleinstellungsmerkmal dieser Mannschaft, etwas, was sie von allen anderen Teams unterschied, war die Tatsache, dass dort neun Meidericher auf dem Feld standen. Rudi Gutendorf, der ja ziemlich weit rumgekommen ist, hat so etwas nie wieder auf der Welt gesehen, selbst Athletic Bilbao hat mit dem Baskenland ein größeres Einzugsgebiet. Nirgendwo auf der Welt gab es eine Mannschaft, deren Spieler auf so engem Raum miteinander groß geworden waren und die gleichzeitig derart erfolgreich zu Werke ging.

Kees Jaratz: Wenn du diesen Erfolg der Vergangenheit ins Feld führst: Was drückt sich für dich in dieser Betonung der Tradition des Vereins aus? Stichwort Gegenmodell in der Fußballindustrie? Mal provokant gefragt: Ist die Betonung von Tradition nicht längst schon ein vom Unterhaltungsbetrieb gern genommener Werbeclaim, um die Kundenbindung zu erhöhen? Wo gibt es Trennschärfe zwischen dem, was wir Anhänger uns ersehnen und dem, was die Fußballunternehmen als leere Hülle anbieten?

Die Fortsetzung folgt morgen …

Spielte Dirk Bremser weiter Klavier?

Zwischendurch möchte ich eine kurze Anekdote über Herrmann Gerland zitieren, die eigentlich beispielhaft dessen Mentalität darstellen soll. Natürlich erzähle ich sie nur, weil es auch um den MSV Duisburg geht. Sie stammt aus Spieltage, dem so lesenswerten Buch von Ronald Reng über Heinz Höher und den Wandel des Bundesligafußballs von den Anfängen bis in die Gegenwart. Die Nebenrolle dieser Anekdote nun ist mit dem ehemaligen Spieler vom MSV Duisburg, Dirk Bremser, besetzt.

Dirk Bremser, der in der Jugend des VfL Bochum mit dem Fußball begann, spielte zwei Jahre für den MSV. Er kam in der Saison 1990/1991 und wurde Teil jener Mannschaft, die den Aufschwung nach den langen Jahren der Niederklassigkeit mit dem Aufstieg in die Bundesliga vollendete. Nach dem erneuten Abstieg des MSV Duisburg in der nächsten Saison wechselte er zu dem damaligen Bundesligaaufsteiger Bayer 05 Uerdingen, wie der KFC Uerdingen in seinen glorreichen Sponsorentagen noch hieß. Dirk Bremser wollte erstklassig bleiben, was aber auch wieder nur eine Saison gelang. Den weiteren Verlauf seiner Karriere bis hin zu seiner Arbeit als Co-Trainer von Dieter Hecking entnehmt ihr bitte dem Wikipedia-Artikel über ihn.

Als ich die Anekdote las, stellte sich mir die Frage, ob Dirk Bremser nicht doch hin und wieder Klavier gespielt hat während seiner Karriere im Fußball.

Hermann Gerland, am Ball nicht der Feinste, sah am eigenen Beispiel, dass Arbeit und Ehrgeiz viel Mängel ausgleichen konnte. Er spielte auch verletzt. Er erwartete von allen denselben absoluten Einsatz. Mit 29, als etablierter Bochumer Bundesligafußballer, lief ihm einmal ein VfL-Jugendspieler über den Weg, Dirk Bremser.

Bremser, ich habe gehört, du hast in der Rolandshalle Klavier gespielt.

Jawohl, Herr Gerland.

Dirk Bremser konnte am Klavier einen ganzen Saal zur andächtigen Stille bewegen, deshalb hatte ihn der Jugendleiter gebeten, etwas bei der Weihnachtsfeier vorzuspielen. Alle hatten Bremser dafür gelobt. Hermann Gerland sagte: Du musst dich entscheiden, ob du Klavier oder Fußball spielen willst.

Die Anekdote gibt euch als Appetithäppchen gleichzeitig natürlich einen schönen Eindruck vom stilistischen Können Ronald Rengs. Mit wenigen Sätzen schafft er Atmosphäre, macht er Menschen in ihren Beziehungen lebendig und gegenwärtig. Für die längere Besprechung muss ich euch noch einmal etwas vertrösten. Hier mit einem Klick weiter die Preview in der MSV-Perspektive, die ich vor ein paar Tagen vorgenommen habe.


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