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Gastbeitrag: Klaus Hansen über den gegenwärtigen Fußball und seine Kultur

Klaus Hansen war schon mehrere Male in diesen Räumen hier zu Gast. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst. Mit etwas Abstand zur Fußball-WM dachte er darüber nach, was sich aus dem dort zu erlebenden Geschehen über die Entwicklung des Fußballs sagen lässt. Einmal mehr der Dank an Klaus Hansen für seine Gedanken über den Fußball.

Bitte schön!

Additional Time als Teil der Kommodifizierung des Fußballspiels

Einige Erkenntnisse nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2022

Von Klaus Hansen

Schlagzeile vom 23. 11. 22: „Tor für die Niederlande in der 99. Minute und Elfmeter für den Iran in der 13. Minute nach Ablauf der regulären Spielzeit.“ – Fußball ist seit der WM in Katar ein Spiel, das aus zwei Halbzeiten und einer Nachspielzeit besteht. Wenn man von „regulärer Spielzeit“ spricht, so muss man bei der „Additional Time“ von „irregulärer Nachspielzeit“ sprechen. Die Kommentatoren tun es nicht. Dieser Regelbruch ist nun zur Gewohnheit geworden und auf dem Weg, zur Norm zu werden.

Bei vielen Wettkampfspielen diktiert das Geschehen die Zeit; bei Spielunterbrechungen wird auch die Uhr angehalten. Ein 60-minütiges Eishockeyspiel kann 110 Minuten dauern. Beim Hand- und Basketball ist es nicht anders. Anders ist es beim Fußball. Hier diktiert die Zeit das Geschehen. Nach 90 Minuten hat Schluss zu sein, auch wenn die „Nettospielzeit“ nur 60 Minuten betragen hat; auch wenn die seit der 70. Minute in Führung liegende Mannschaft die Kunst der „Zeitschinderei“ pflegt, um mit Lug und Trug das Ergebnis „über die Zeit zu retten“. Nach 90 Minuten hat Schluss zu sein. Das ist die Regel.

Seit die Regelwut uns den „Videobeweis“ beschert hat, gibt es nun in jedem Fußballspiel unverschuldete Unterbrechungen, die man nach Sekunden und Minuten messen und am Ende der Spielzeit draufsatteln kann. Nun hat die FIFA in Katar weitere Zeitvorgaben gemacht: Ein Torerfolg mit anschließendem Torjubel schlägt nun mit 90 Sekunden zu Buche; für die Auswechslung eines Spielers werden 30 Sekunden veranschlagt. Für Verletzungspausen hat man noch keine Pauschale festgelegt, hier verlässt man sich auf das Feingefühl des Referees. Vom Pferdekuss bis zum Herzstillstand: Alles hat seine Nachspielzeit. „Das Publikum bekommt nun mehr für sein Geld“, kommentiert lapidar die FAZ. Die Zeitung hat Recht. Darum geht es.

Seit man entdeckt hat, dass die Zeit zwischen dem Ende der 90. Minute und dem endgültigen Abpfiff für den Fußballkonsumenten eine besondere Zeit mit einem besonderen Zauber ist, arbeitet man an der Ausdehnung dieser Spanne. Das Ziel der Fußballvermarkter ist es, den Zuschauern „das größtmögliche Spektakel zu bieten“ (Luigi Collina, Chef der FIFA-Schiedsrichterkommission). Das ohnehin attraktive Spiel soll noch attraktiver, sprich: geldwerter werden.

Als in Katar die Vorrunde vorüber war, begann eine Zwischenbilanz mit dem Satz: „48 von 64 Spielen sind gespielt.“ Aber stimmt das? 48? Wenn man genau hinschaut, sind es fast 54 Spiele, die absolviert worden sind. Denn auf 525 Minuten addierte sich die Nachspielzeit aller 48 Begegnungen, also fast sechsmal 90 Minuten.

Eine Frage der Spannung

Was verkauft die FIFA eigentlich, wenn sie Fußballspiele verkauft? Sie verkauft eine eigentümliche Spannung, die es so bei anderen Spielen nicht gibt. (Warum ist der Kunde so spannungsbedürftig, könnte man fragen. Aber das ist eine andere Frage, die man auch den Millionen von täglichen Krimi-Zuschauern stellen kann, die ohne den am Mord- und Totschlag aufgehängten Thrill nicht auszukommen scheinen.)

Welche Spannung ist es, die das Fußballspiel für Abermillionen so anziehend macht?

Eine Leistungsspannung, wie sie die Leichtathletik auszeichnet, ist es nicht. Eine solche Spannung liegt vor, wenn ein Springer, Werfer oder Läufer versucht, einen bestehenden Rekord zu brechen. Die Zuschauer kennen die Marke und sind gespannt, ob der Athlet sie übertreffen kann oder nicht. Aber auch jeder gewöhnliche Wettlauf wird am Ende durch eine messbare Leistungsüberlegenheit entschieden, nicht durch Zufall oder einen Maulwurfshügel in der Laufbahn.

Eine hollywoodreife Suspense-Spannung ist es auch nicht: Man sieht die brennende Lunte, die unter den Tisch führt, an dem viele Menschen sitzen, weiß aber nicht, wann und ob überhaupt etwas passieren wird.

Die Dramatik des Fußballspiels beruht auf einer anderen Art von Spannung, der so genannten Zufallsspannung. Unvorhergesehenes und Überraschendes ist jederzeit möglich und nicht berechenbar, weder durch die vorausplanenden Trainer noch durch die agierenden Spieler. Einem Fußballspiel zuzusehen bedeutet, nie zu wissen, bis zum Schlusspfiff nicht, ob der Höhepunkt schon da war oder erst noch kommen wird. Diese Zufallsspannung haben wir auch bei anderen Ballsportarten, aber beim Fußball ist sie am größten, weil er der einzige Sport ist, der die Beherrschung elastischer Kugeln nicht den Händen, sondern den Füßen anvertraut. Füße aber können viel weniger als Hände. Darum misslingen Zuspiele auf engstem Raum, leere Tore werden verfehlt, Elfmeter gehen in den Himmel und statt den Ball zu treffen, tritt man ein Loch in die Luft oder bleibt mit dem Fuß im Boden stecken. Selbst den Meisterspielern unterlaufen solche Böcke. Wetter und Bodenbeschaffenheit tun ein Übriges, um den Fußball unberechenbarer als alle Sportarten zu machen, die auf Parkett und mit der Hand gespielt werden. Zufall, Glück und Pech führen im Fußball ein einzigartiges Eigenleben. Dieses spezifische Spannungspotenzial des Fußballspiels ist sein Alleinstellungsmerkmal und größtes Kapital. Damit macht die FIFA ihre Profite.

Kommodifizierung

Die künstliche Verlängerung des Spiels durch die Additional Time ist Teil einer Entwicklung, auf die der Begriff der „Kommodifizierung“ zutrifft. Mit Kommodifizierung soll der Prozess des Zur-Ware-werdens eines Dinges, einer Sache oder eines Menschen bezeichnet werden. Im Bereich des Fußballspielermarktes werden Fußballer wie Waren bepreist, gekauft, verkauft und verliehen. Das ist offensichtlich. Nicht ganz so offensichtlich ist die Kommodifizierung des Spiels selbst: Wie verändert sich das Fußballspiel unter dem Einfluss seiner Kommerzialisierung? Was wird aus dem Spiel, wenn es immer mehr zur fernsehtauglichen Ware wird?

Die Additional Time mit der nun in Katar erreichten Ausführlichkeit ist der vorläufige Schlusspunkt einer seit den 1990er Jahren forcierten Kommodifizierungswelle und gehört in eine Reihe mit mindestens fünf Änderungen in den letzten 30 Jahren:

1992 wurde die „Rückpassregel“ verändert:

Um weniger Leerlauf und mehr Action ins Spiel zu bringen, denn auf dem Bildschirm des Fernsehfußballs muss immer etwas los sein, hat man 1992 die „Rückpassregel“ novelliert. Bis dahin durfte man 100 Jahre lang den Ball zum eigenen Torwart zurückspielen, und der durfte die Kugel dann mit den Händen aufnehmen, sie vor sich hin wiegen, einige Male auftippen und dann in aller Seelenruhe abschlagen. Jetzt darf der Goalie den Rückpass nur noch mit dem Fuß berühren und weiterkicken. Das geht schneller und ist, bei der fußballerischen Unbeholfenheit so mancher Ballfänger, riskanter, – und schon sind ein paar Minuten an „Nettospielzeit“ plus Spannung hinzugewonnen. Die Ware Fußball ist wertvoller geworden.

1995 wurde die „Dreipunkteregel“ eingeführt:

Statt zwei Punkte für einen Sieg, gibt es seit 1995 nunmehr drei. Bei einem Unentschieden erhalten beide Teams je einen Punkt; man „lässt also zwei Punkte liegen“, wen man nur remis spielt. Der torreiche Angriffsfußball soll animiert werden. Der im Netz zappelnde Ball ist fernsehgerecht, nicht die vor dem Strafraum aufgebaute Mauer. Eine Mannschaft, die von den 34 Spielen einer Saison keines verliert, steigt dennoch ab, wenn sie 34mal remis gespielt hat, denn mit 34 Punkten schafft man in der Regel nicht den Klassenverbleib. – Das Unentschieden und die Moral der Punkteteilung haben seit 1995 an Wert verloren und damit die Ware Fußball wertvoller gemacht.

  • 2005 wurde das „passive Abseits“ beschlossen:

Obwohl ein Spieler im Abseits stand, kann das Tor dennoch zählen, wenn es sich um eine „passive“ Abseitsstellung gehandelt hat. Wieder geht es darum, mehr Tore ins Spiel zu bringen, weil mehr Tore mehr Attraktivität bedeuten, so die herrschende, aber nicht von allen Fans geteilte Meinung. Der Preis: Für den Schiedsrichter wird die Entscheidungsfindung schwerer. Technische Hilfsmittel drohen unverzichtbar zu werden. Fußball war einmal ein einfaches Spiel. Nun wird es für alle Beteiligten, auch für die Zuschauer, immer komplizierter.

  • Seit 2006 pflegt man das „Mehrballsystem“:

Über 100 Jahre war es Gesetz, dass nur mit einem Ball gespielt werden durfte, dem, mit dem der Anstoß ausgeführt wurde. Nur wenn der kaputt ging, konnte er ersetzt werden. Landete der Ball im Aus, hatten die Balljungen oft lange Wege, um ihn wieder zu besorgen. Das dauerte. Heute gilt das „Mehrballsystem“. Rund ums Spielfeld stehen Bälle zur Verfügung, die blitzschnell den Ausball ersetzen, so dass ein Einwurf kaum mehr eine Unterbrechung bedeutet, sondern, im Gegenteil, zum Beschleunigungsfaktor wird. Heute kann es passieren, dass in einem Spiel 15 Bälle zum Einsatz kommen.

  • 2022 wurde die „Auswechslungsregel“ novelliert:

Bis 1967 waren Auswechslungen im Fußball nicht möglich. Auch ein verletzter Spieler durfte nicht ersetzt werden. Dann änderte man die Regel aus „humanitären Gründen“. Erst war es ein verletzter Feldspieler pro Mannschaft, der kompensiert werden durfte, dann wurden es zwei. Das galt bis 1994. Ab 1995 wurde die Zahl auf drei erhöht und die Restriktion „verletzungsbedingt“ gestrichen. Seit 2022 sind nun fünf Feldspieler-Auswechslungen pro Spiel möglich. Ein Trainer kann also während eines Spiels die Hälfte seiner Mannschaft nach Gutdünken austauschen. Dadurch soll das Spiel, so die Hoffnung, seine hohe Intensität bis zur immer weiter hinausgezögerten Schlussminute beibehalten, was der Spannung zu Gute kommt.

Die Kommodifizierung des „Rahmens“, in dem Fußballspiele stattfinden, ist ebenfalls seit langem im Gange. Man denke an die Stadionarchitektur: Heranrücken der Zuschauertribünen ans Spielfeld durch Wegfall der Laufbahnen; Überdachung und Versitzplatzung; Gastronomie und Hygiene etc. Was „Stadion“ hieß, heißt jetzt „Arena“, die „Kampfbahn“ ist zum „Wohnzimmer“ geworden.

Das je einzelne Spiel ist eingebettet in eine „Show“, bestehend aus „Cheerleaders“, „Einlaufkindern“, „Hymnen“, „Countdowns“ etc. Katar hat gezeigt, wie man gekaufte Claqueure als „Fans“ verkleidet und auf die Pauke hauen lässt. Dass die im Stadion herrschende „Bombenstimmung“ eine natürliche und authentische ist, kann nicht mehr vorausgesetzt werden.

Ausblick

Eine nächste Maßnahme der Kommodifizierung könnte die Abschaffung des Unentschiedens sein, so dass in jedem Spiel ein Sieger ermittelt werden muss. Zur regulären Spielzeit und irregulären Nachspielzeit kommen dann noch „Verlängerung“ (2 x 15 Minuten) und „Elfmeterschießen“ (ca. 20 Minuten) als Bestandteile eines jeden Spiels hinzu. Fußballspiele werden zu zweieinhalbstündigen Abenteuern.

Auch eine grundsätzliche Änderung des Zeitmanagements wird wahrscheinlich: Zukünftig könnte im Fußball, wie in den anderen großen Ballsportarten auch, das Spiel die Zeit bestimmen und nicht umgekehrt. Dann würde sich das Überwachungswesen um mindestens noch um ein bis drei Personen erhöhen: Neben die drei Regelhüter auf dem Platz, dem „Vierten Offiziellen“ zwischen den Trainerbänken, dem Video-Referee und seinen drei Assistenten vor den Monitoren kämen dann noch ein bis drei „Zeitrichter“ hinzu, so dass die Mannschaft der Regelhüter die Elfzahl der aktiven Spieler erreicht. Fußball wäre dann endgültig zu einem Spiel geworden, das nicht mehr von zwei, sondern von drei Mannschaften gespielt wird. Er hätte dann nur noch wenig mit dem Fußball der Anfangsjahre zu tun, bei dem es überhaupt keinen Schiedsrichter gab, weil die Mannschafskapitäne beider Teams alle Konflikte untereinander regelten.

Die Kommodifizierung des Fußballs setzt alle Hebel in Bewegung, um das nachgefragte Gut „Zufallsspannung“ noch besser zur Geltung zu bringen, damit noch mehr „Kunden“ gewonnen werden. Und die bereits vorhandenen Kunden, die nicht eigens geworben werden mussten? Werden sie dieses Marketing mitmachen? Wohl eher nicht. Ihr „Reclaim the Game“ wird verhallen und sie werden den Weg alles Irdischen gehen und aussterben.

Einem Fußballspiel beizuwohnen heißt nicht nur Spannung zu genießen. Der wahre Fußball-Fan mag nicht nur den Fußball als Spiel, er mag viel mehr noch den Verein, der es spielt und mit dem er durch dick und dünn zu gehen verspricht. Fußball heißt Identifikation, Anteilnahme und Idolisierung: Mitfiebern mit einer Mannschaft und Vergöttern von Spielern. Wird diese „Liebe“ schon im Kindesalter begründet, hält sie oft ein Leben lang. Die Spannung, die sich aus der Ungewissheit des Ausgangs eines jeden Spiels ergibt, ist also verbunden mit der Hingabe an ein „Liebesobjekt“, das man nicht verlieren und leiden sehen will. Daher die oft an Hysterie grenzende Leidenschaft der Fans, die das Bild des Fußballs in der Öffentlichkeit prägt. Aber braucht die Ware Fußballspiel diese Hingabe fanatischer Anhänger?

Die Befürchtung, dass die gewachsene, „echte“ Leidenschaft der Fans auch der Kommodifizierung unterliegen könnte, ist nicht unberechtigt. Bei den „Geisterspielen“ während der Corona-Phase ersetzte man das leidenschaftliche Publikum im Stadion durch Pappkameraden auf den Plätzen und Gejohle aus der Ton-Konserve. Auch „Stimmung“ kann zur Ware werden. Die „Geisterspiele“ waren spielerisch und kämpferisch nicht schlechter als die Spiele mit Publikum. Das Fußballspiel selbst bedarf also nicht unbedingt des Supports leibhaftiger Fans. Aber der Fernsehzuschauer und Großfinanzier des Profitfußballs möchte stimmungsvolle Stadion-Bilder sehen. Und die können heute auch ohne Fans hergestellt werden.

Die alten Fans werden überflüssig, zumal sie unzuverlässiger und widerborstiger sind als gehorsame Pappkameraden und Beifallsstürme vom Band. Die neuen Fans des kommodifizierten Fußballs werden andere sein als „Kutten“, „Hools“ und „Ultras“, die wir heute kennen. Andere Namen werden auftauchen, „Event-Hopper“ und „Huhu-Macher“ vielleicht, „Selfie-Selfisher“ und „Adabeis“. Semi-professionelle Stimmungs-Komparsen sorgen auf den Tribünen für das, wofür die Cheerleaders auf dem Rasen zuständig sind: gute Laune und das Vergessen der Welt da draußen. „Eskapismus!“ wird man rufen, „was denn sonst“, wird man antworten und sich an Enzensberger erinnern, „bei diesem miserablen Zustand der Welt!“

Das war Katar

Wetter tadellos und für alle gleich. Optimaler Hybridrasen in allen Spielstätten. Kurze Wege. An-und Abfahrten zu den Arenen reibungslos. Keine Hools. Keine Schlägereien. Kaum Alkohol. Und sauber, alles klinisch sauber. Selbst die Spieler blieben sauber wie nie: Nur ein Platzverweis in 64 Spielen. – „Katar“ war ein Ausblick in die Brave New World des rundum kommodifizierten Fußballs, eines spieltechnisch guten, aber leidenschaftsarmen Spiels.

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Gastbeitrag: Klaus Hansen mit seinem WM-Tagebuch – V – Finalspiele und Fazit

Vor der WM war mit Klaus Hansen ein alter Bekannter aus der MSV-Welt mit seiner WM-Prognose hier zu Gast. Schon mehrere Male waren in diesen Räumen Beiträge von ihm zu lesen. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst, so auch in dem Fall die Weltmeisterschaft. „Der Scheich tritt auf“ hat er seine „WM-Notizen November / Dezember 2022“ genannt. Mit der letzten Folge endet heute die Serie. Nochmals der Dank an Klaus Hansen für die bereichernde Lektüre in der Zeit zwischen den Jahren.

Bitte schön!

17. 12. 22

Modric lacht. Hakimi weint.

Politikum

Erfreuliches Desinteresse des Gastgeberlandes an seiner eigenen Mannschaft: Sang- und klanglose schied Katar schon nach der Vorrunde aus, null Punkte, ein Tor. Keinen Katarer, so scheint es, hat’s gejuckt. Dabei behaupten sie alle, „Patrioten“ zu sein, doch den Fußball brauchen sie dafür nicht. Den Sieg der Saudis über die Gauchos hat man unbändig gefeiert. Über das Weiterkommen Marokkos ist man schier aus dem Häuschen geraten. Beide Triumphe hat man den Palästinensern gewidmet. Ist ein neuer Panarabismus im Entstehen? Wird die ganze WM am Ende eine große Demonstration gegen den Staat Israel gewesen sein? Und das alles angestoßen durch den Fußball, der boykottiert wird, weil er doch so unpolitisch sei? Die Boygroup der Boykotteure verliert langsam den Überblick.

974

46 Tausend Plätze hat das Stadion „974“. Sechs Vorrundenspiele und ein Achtelfinale fanden in ihm statt. Direkt danach begann man mit dem Abbau der Arena.

Das Stadion ist nach der internationalen Telefonvorwahl von Katar benannt, 974; außerdem besteht es aus 974 Containern. Es ist darauf angelegt, nach Gebrauch ab- und anderswo wieder aufgebaut zu werden. Der Kosovo und Uruguay sollen interessiert sein.

Einst waren Stadien mythische Orte. Generationen von Deutschen sind ins Wankdorf-Stadion gepilgert, um am „Wunder von Bern“ zu schnuppern. Heute ist aus der Immobilie Stadion ein weltweit bewegliches Modul geworden. Das ist zwar „nachhaltig“, aber wer sich erinnern will, findet keinen Lieu de Mémoire mehr.

Schönheitspreise

Die Überlegenheit des brasilianischen Spielzugs, der zum Einszunull gegen Kroatien durch Neymar führte, erinnert an ein Foto aus der Frühzeit der Leichtathletik: Der Hürdensprinter Smithson rennt mit einem aufgeschlagenem Buch in der linken Hand über die Hindernisse und gewinnt deutlich. Eine Demütigung für seine Gegner, unter denen keiner war, der Zeit genug gehabt hätte, um unterwegs noch ein Buch zu lesen.

Der äußerst selten zu sehende Seehund-Trick gegen Südkorea: Mit dem Ball, der auf dem Kopf auf und ab hüpft, dreht sich Richarlison um den Gegner, lässt die Pille über die Brust abtropfen, spielt mit dem Fuß weiter, sprintet los, erhält den Ball zurück und schlenzt ein. Tiki-Taka mit Pirouette. – Nach gelungenen Kombinationen wie diesen ist immer auch zu sehen, dass die Spieler auf dem Platz sich nicht weniger darüber wundern wie die begeisterten Zuschauer auf den Rängen. Auch sie gestehen sich in diesem Moment ein, dass es nicht sie allein waren, die das geschafft haben und bedanken sich gestenreich höheren Orts.

Das Seitfallzieher-Tor des gleichen Stürmers Richarlison im Spiel gegen Serbien: So schön wie der Abgang des Olympiasiegers vom Pauschpferd!

Wo alle, nicht nur die Zuschauer, auch die Spieler, nichts als ein Gestrüpp aus Spielerbeinen sehen, erkennt Messi eine Gasse, durch die er den Ball auf seinen Kollegen Molina passt, der nur noch den Fuß hinzuhalten braucht.

Kein Freistoßtrick, ein Riesenfreistoßbluff: das Tor der Holländer zum 2:2 gegen Argentinien.

Das Dreizunull durch Álvarez nach Solo von Messi gegen Kroatien: Was tumbe menschliche Füße auch gegen meisterlichen Widerstand mit einer hochelastischen Kugel, die immer, wie es die Regel will, „frei“ bleiben muss, anzustellen vermögen! Lecko mio!

Faits divers

Beim us-amerikanischen Fußballreporter Grant Wahl hat es im Halbfinale Argentinien gegen Niederlande nicht bis zum Ende gereicht. Herzinfarkt!

Zweiter tödlicher Unfall bei der WM. Ein Wachmann aus Kenia ist vom achten Stock der Lusail-Arena gestürzt. Die Hinterbliebenen erwarten jetzt Bares.

Im englischen WM-Quartier ist „Dave the Cat“, eine herumstreunende Katze, von der Mannschaft adoptiert worden. Jetzt streiten sich die Abwehrspieler Kyle Walker und John Stones darum, wer das Tier mitnehmen darf.

Der Fußball hat überall seine Lobby

Hongkong, hört man, ist überhaupt nicht gut in Fußball, interessiert sich aber sehr dafür. Weil Fußball ein Versprechen auf schnellen Reichtum ist. In Hongkong sind Glücksspiele generell verboten. Mit Ausnahme der Wetten auf Pferderennen und Fußball.

Alter Einzelkönner

Messi mit Ball: besser als Pelé.

Messi ohne Ball: schlechter als Pelé.

Messi als Goalgetter: wie Pelé.

Messi als Vorbereiter: besser als Pelé.

Messi als Kumpel: schlechter als Pelé.

Messi als Paket: „Einer der Besten. Zumindest das wird man wohl sagen dürfen.“ (F.-W. Steinmeier, Bundespräsident) „Und wo bleibt Maradona?“, fragt Altkanzler Schröder.

Junger Einzelkönner

Nicht aus der Tiefe des Raumes, sondern mit Macht von links in die Mitte: Mbappé! Schon 2018 in Russland wurde er mit dem jungen Pelé von 1958 in Schweden verglichen. Jetzt ist er noch besser geworden und immer noch jung, 23. Und freundlich, wie vor vier Jahren in Russland, ist er geblieben: Den ins Aus gedroschenen Ball bringt er zurück zum Gegenspieler, damit der einwerfen kann.

Retro

Bei einer Fußball-WM wird nicht der beste Fußball geboten. Den besseren Fußball spielt man in der Champions-League; die Vereine sind Weltauswahlen und bestens eingespielt. Nationalmannschaften sind beides nicht. Manchester City spielt besser als England, Real Madrid besser als Spanien, Bayern München besser als Deutschland. Aber nur Nationalmannschaften spüren die Begeisterung einer ganzen Nation hinter sich, nicht nur den Lokalpatriotismus einer Stadt oder Region. Sie aktivieren Gefühle von gestern, „Nationalstolz“, in einer Welt, die längst zum Global Village geworden ist. – Die Fußball-WM als Gottesdienst für Zurückgebliebene? Abgehängte? Ewiggestrige?

Es war nicht alles schlecht

Dass die beiden japanischen Tore gegen Deutschland, die den „Untergang“ eingeleitet haben, von Bundesligaspielern geschossen wurden, Asano aus Bochum und Doan aus Freiburg, ist das Beste, was man über den deutschen Fußball bei dieser WM sagen kann. Meint Platthaus in der FAZ. Schön zwiespältig, der Witz!

Und nun?

Unter welchem Namen soll der neue Titelträger in die Annalen eingehen? „FIFA Champion 2022“? „Weltmeister der Schande“? „Gipfel der Korruption“? Oder einfach „Fußballweltmeister“? Diejenigen, die es einfach haben wollen, haben es schwer.

Selbstbestätigung

Infantino wusste schon vorher, dass es die beste WM aller Zeiten wird. Jetzt fühlt er sich bestätigt: „Die Menschen sind in Katar zusammengekommen, um die Probleme zu vergessen und Spaß zu haben.“ Genau! Augen zu und Sau raus, dafür ist Fußball da. Damit macht er den Blindenhunden um Infantino die Taschen voll.

Bilanz

Das Jahr geht zu Ende. Nun wird ein Strich gemacht und zusammengezählt. Auch bei Google. Das Wort „Ukraine“ führt die Liste der “Suchbegriffe des Jahres 2022“ an. Gleich dahinter, auf Platz zwei: „WM 2022“. Von wegen Boykott!

Folge I

Folge II

Folge III

Folge IV

Gastbeitrag: Klaus Hansen mit seinem WM-Tagebuch – IV – Zwischenrunden

Vor der WM war mit Klaus Hansen ein alter Bekannter aus der MSV-Welt mit seiner WM-Prognose hier zu Gast. Schon mehrere Male waren in diesen Räumen Beiträge von ihm zu lesen. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst, so auch in dem Fall die Weltmeisterschaft. „Der Scheich tritt auf“ hat er seine „WM-Notizen November / Dezember 2022“ genannt. Dankenswerter Weise hat er sie mir zur Veröffentlichung geschickt. In mehreren Folgen könnt ihr sie nun lesen.

Bitte schön!

5. 12. 22

Beim Umschlagen des Wochenkalenders fällt der Blick auf einen berühmten Satz von Jean-Paul Sartre: „Beim Fußballspiel verkompliziert sich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft.“

Zu viele Kopfbälle abbekommen, Meister? Ein beknackter Satz! Mit der Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft fängt das Fußballspiel überhaupt erst an. Natürlich nicht aus der Sicht des kleinen Jungen, der für sich und mit dem Garagentor spielt. Aber der spielt ja auch kein Fußball.

Maßgeblich is auf’m Platz?

Gefragt, wo sich das Spiel entscheidet, antworten wir wie selbstverständlich: Auf dem Platz! Einen anderen Ort kennen wir nicht. Bei dieser WM konnten wir lernen, dass es da sehr wohl noch einen anderen Ort gibt: die Kabine. Nach dem kurzfristigen Ausfall seines Weltklasse-Spielers Benzema, verzichtete der französische Trainer darauf, einen Spieler nachzunominieren, was möglich gewesen wäre. Lieber fuhr er mit reduziertem Kader statt mit voller Kapelle zur WM. Beobachter fanden, die Chancen der Franzosen seien damit erheblich gesunken. In Wahrheit waren die Chancen gestiegen. Denn in der Kabine herrschte plötzlich eine andere, positive Stimmung. Benzema galt intern als „schwierig“ und „Stinkstiefel“. Befreit von diesem Kameraden, entstand einer neuer Geist des Zusammenhalts, den der Trainer nicht durch die Nachnominierung eines Ersatzspielers gefährden wollte. – Wer hätte das vorher in dieser Klarheit gedacht: Die Kabine ist ein nicht minder wichtiger Ort als der Platz!

Sinnfragen

Marokkos Spieler, die allermeisten im Ausland geboren und aufgewachsen, sind bereit, „für Marokko zu sterben“, sagen sie. Es ist immer leichter zu sterben, wenn man weiß, wofür. Vom deutschen Spieler Gnabry weiß man nicht, wofür er zu sterben bereit ist. Vielleicht eher für seinen Friseur als für Deutschland? Denn zu jedem seiner drei Spiele trat er mit einer neuen Frisur an. Dann durfte er nach Hause fahren.

9. 12. 22

Der Fußball stellt immer wieder die Verhältnisse auf den Kopf. Der Schwächere (8 Torschüsse, 1 Tor) besiegt den Stärkeren (20 Torschüsse, 1 Tor). Aber nicht im Spiel, sondern im Elfmeterschießen, was ein eigener Wettbewerb ist. Plötzlich wird der einzige Handballer unter den Fußballern, der Torwart, zum Held und sichert das Weiterkommen in einem Sport, der immer noch Fußball heißt. „Fußball ist auch das, was er nicht ist“, hat Giovanni Arpino geschrieben. Die Partie Kroatien gegen Brasilien hat es bewiesen.

Sauberman’s World

Und immer wieder das viele Geld im Profitfußball.

„Geld stinkt!“, rufen besonders gern die Deutschen.

„Aber wenn der Geruch nicht stört?“, fragt die Welt.

10. 12. 22

Ronaldo weint. Neymar weint. Messi lacht. Modric schweigt.

13. 12. 22

Messi lacht noch immer. Jetzt weint auch Modric.

Mama

Wie man hört, leben im Quartier der marokkanischen Mannschaft auch die Mütter der Spieler. Nach dem Weiterkommen gegen Portugal herzten und küssten einige Spieler ihre mit dem Hidschap bekleideten Mamas sogar auf dem Platz. Was für ein Kontrast zu den deutschen Spielern, die sich mit ihren Designer-Freundinnen ablichten ließen, junge Frauen, die sich als Influencerinnen betätigen und Hunderttausende von Followern haben, die sie liken und dissen. Dagegen ist ein Kuss deiner Mama ein Vogelschiss!

14. 12 22

Die Kolonialmacht ist im Finale. Die Kolonie ist nicht weniger stolz. Frankreich will noch Weltmeister werden, Marokko ist es schon. Weltmeister der Herzen. Und noch ein Sieger steht schon fest: Katar: Die Stars beider Final-Teams, Messi und Mbappé, spielen bei Paris St. Germain, dem Club des Emirs.

Folge I

Folge II

Folge III

Gastbeitrag: Klaus Hansen mit seinem WM-Tagebuch – III – Ende der Vorrunde

Vor der WM war mit Klaus Hansen ein alter Bekannter aus der MSV-Welt mit seiner WM-Prognose hier zu Gast. Schon mehrere Male waren in diesen Räumen Beiträge von ihm zu lesen. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst, so auch in dem Fall die Weltmeisterschaft. „Der Scheich tritt auf“ hat er seine „WM-Notizen November / Dezember 2022“ genannt. Dankenswerter Weise hat er sie mir zur Veröffentlichung geschickt. In mehreren Folgen könnt ihr sie nun lesen.

Bitte schön!

1. 12. 22

Deutschland ist raus!Deutschland? Die Auswahlmannschaft eines eingetragenen Vereins namens „Deutscher Fußball-Bund e. V.“ ist ausgeschieden. Mit einem Vereinstrainer, der sich die Aura des Bundeskanzlers erschleicht, wenn er sich „Bundestrainer“ nennt. Dass er sich „Hansi“ rufen lässt, beschädigt allerdings die Aura. Andererseits reiht er sich ein in die i-Tüpfelchen-Dynastie der Rudelführer: Rudi, Klinsi, Jogi – Hansi. Dabei ist alles so einfach. 2014, in Brasilien, hatte man mehr Glück als Pech, heute, in Katar, hatte man mehr Pech als Glück. Mit Können (Willen, Einstellung, Motivation, papperlapapp) hatte das nichts zu tun. Das ist ja das Schöne am Fußball: Er dreht dem Leistungsgedanken immer wieder eine lange Nase. Da strengen sich die Athleten an wie doof – und was bringt’s, Bruda? Oft ist eine Unebenheit in der Wiese entscheidender als die 13 Kilometer, die jeder Spieler geschrubbt hat. Trainer Perelman muss das alles im Sinn gehabt haben, als er seine Truppe mit den Worten aufs Feld schickte: „Macht’s Beste draus, Männer, wird schon nichts Gutes werden!“ Das ist Fußball! Das macht ihn so liebenswert!

2. 12. 22

Deutsche Fans klagen über das Wetter in Katar. „Dauersonne“, jeden Tag. „Auch wenn deine Mannschaft am Abend verloren hat, brettert am Morgen der Lorenz vom Himmel.“ Kein Wunder, dass hier alles Wüste ist. Man sehnt ich zurück ins Hohe Venn, in den Hunsrück, ins Tecklenburger Land.

Diversity wins

Vielfalt gewinnt. Steht in Riesenlettern auf der Lufthansamaschine, mit der die deutsche Mannschaft nach Katar reiste. Und es war drin, was draufstand: eine vielfältig zusammengestellte Truppe. Spieler mit türkischem, senegalesischem, ivorischem und sierra-leonischem Hintergrund. Natürlich auch indigene Oberbayern, Westfalen und Schwaben. Vielleicht war es nicht genug Diversity, um den Pokal zu gewinnen. Vielleicht fehlte etwas Queeres. War ein Coronaleugner dabei?

Fahnenwörter

Leitparolen, unter denen die deutsche Fußballnationalmannschaft bei den letzten Weltmeisterschaften angetreten ist: BEREIT WIE NIE (2014), BEST NEVER REST“ (2018), DIVERSITY WINS (2022). – „Mehr Mittelstürmer, weniger Marketing!“, ruft das Fachmagazin den DFB-Funktionären zu. Leitparole für 2026?

Scharmützel

„Deutschland ist wie sein Fußball“, schreibt die Neue Zürcher Zeitung, „ziemlich weit unten angekommen.“ Und die Schweiz? Hat ein Spiel mehr gebraucht, um nicht viel höher anzukommen.

Unverdiente Häme

„Generation Schneeflocke“ (FAZ), „Generation Blech“ (kicker). Intelligenzblatt und Fachmagazin ziehen über die deutschen Spieler her. Dabei war es das Beste, was Deutschland zu bieten hat. Und man war ja auch nach der Vorrunde die Beste von allen 32 Mannschaften. Mit 10,4 Expected Goals („xGoals“, in der Fachidiotensprache) liegt man mit weitem Abstand auf Platz 1: Über zehn hundertprozentige Torchancen, aber Pfosten, Latte oder der schwache Moment, aus fünf Metern das leere Tor nicht zu treffen, machten aus alledem nichts. Das Verhältnis von todsicheren Chancen zu tatsächlichen Treffern lag bei 10,4 : 6. Frankreich kommt auf 7,4 : 6, England auf 5,3 :9. Keine Mannschaft schoss so oft aufs Tor wie die deutsche, keine war so häufig so nahe dran. Dann ist es gekommen, wie es kommen musste: Zuerst fehlte das Glück, dann kam auch noch Pech dazu. Wer jetzt „Rücktritt!“ ruft und nicht den Fußballgott meint, der hat nichts verstanden.

Gedankenspiele

1990. Deutschland war Weltmeister geworden. Teamchef Beckenbauer erklärte, man werde nun auf Jahre hinaus unschlagbar sein. Denn der weltmeisterliche Kader werde durch die bevorstehende „Wiedervereinigung“ noch viel besser, weil die Top-Spieler aus der DDR hinzukommen. Aber es dauerte 24 Jahre, bis es wieder mit dem WM-Titel klappte, 2014 in Rio. Wiederum sah man darin den Beginn eines glorreichen Jahrzehnts, in dem der schnelle deutsche „Präzisionsfußball“ mit einem Torwart als elftem Feldspieler und „Libero“ die Fußballwelt dominieren werde. Aber 2018 schied man erstmals schon nach der Vorrunde aus. 2022 dasselbe. – Kann es also sein, dass das, was man für den Beginn einer Ära hält, bereits ihr Höhepunkt ist? Kann es also sein, dass man immer im Erfolg die größten Fehler macht? Erst wer gelernt hat, den Erfolg zu verkraften, ist fähig, ihn zu wiederholen? Läuft so der Hase, im Fußball wie im Leben?

Die Gutmütigen

Können besteht aus Begabung und Übung. Wer Talent hat und fleißig ist, bringt es zu was. An Begabung und Übung fehlt es den deutschen Spielern nicht. „Wille“, „Gier“, „Härte“ sind es, die angeblich fehlen. „Das Unbedingte“, meint ein Beobachter aus dem Springer-Hochhaus. Also etwas Hitlerisches? Das wäre ein angenehmes Defizit. Damit könnte man in der Welt bestehen, auch ohne zu siegen.

Neue Sucht

Spanien ist der spanischen Krankheit erlegen. „Passsucht“ heißt die spanische Krankheit. Erbsenzähler haben 1019 (in Worten: ein-tausend-neun-zehn) gelungene Pässe von Spieler zu Mitspieler gezählt. Im Spiel gegen Marokko. Weltrekord! Dass man versäumt hat, ein Tor zu schießen und das Turnier verlassen musste, ist im Jubel über die imposante Zahl untergegangen.

Regelbruch

Ende der Vorrunde. Das Gros der Spiele ist gespielt. 48 von 64 Partien. Stimmt das? 48? Wenn man genauer hinschaut, waren es fast 54. Denn auf 525 Minuten addiert sich die Nachspielzeit aller 48 Begegnungen, also fast sechsmal 90 Minuten. In der Reportersprache ist mit der 90. Minute die „reguläre Spielzeit“ beendet. Was jetzt folgt, ist die „Nachspielzeit“; das Adjektiv „irregulär“ unterschlägt man. Fußball ist ein Sport, in dem die Zeit das Spiel bestimmt, anders als im Handball oder Eishockey. Nach 90 Minuten auf der Uhr hat Schluss zu sei, egal, was bis dahin an Unterbrechungen und Zeitschinderei geschehen ist. So will es die Regel.

Nun sind wir in einer Phase angelangt, wo auf 48 reguläre sechs irreguläre Spiele kommen. – Legal, illegal, scheißegal? Unser „wertebasierter“ Fußball!

Folge I

Folge II

Gastbeitrag: Klaus Hansen mit seinem WM-Tagebuch – II – Vorrunde

Vor der WM war mit Klaus Hansen ein alter Bekannter aus der MSV-Welt mit seiner WM-Prognose hier zu Gast. Schon mehrere Male waren in diesen Räumen Beiträge von ihm zu lesen. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst, so auch in dem Fall die Weltmeisterschaft. „Der Scheich tritt auf“ hat er seine „WM-Notizen November / Dezember 2022“ genannt. Dankenswerter Weise hat er sie mir zur Veröffentlichung geschickt. In mehreren Folgen könnt ihr sie nun lesen.

Bitte schön!

22. 11.

Nach dem Sieg der Saudis über den zweifachen Weltmeister Argentinien am Dienstag, erklärt der König von Saudi-Arabien den Mittwoch zum Feiertag. Hätten die Argentinier eine One-Love-Binde getragen, wäre auch noch der Donnerstag zum Festtag ausgerufen worden.

23. 11.22

Deutschland verliert das Auftaktspiel gegen Japan. Drei Punkte waren eingeplant, ein Punkt sollte es mindestens sein. Null Punkte sind es geworden. Die Selbsteinschätzung der Deutschen, „Titelkandidat“, droht sich als Selbsttäuschung zu erweisen. „Noch ist nichts passiert“, sagt der Trainer. Gelassenheit oder Arroganz? Zu befürchten ist, dass er beides nicht kann.

26:12 = 1:2

Das ist Fußball! Wer eins und eins zusammenzählen kann, kommt nicht weit. Das Spiel ist viel zu komplex für Logik und Mathematik. Gegen Japan schoss die deutsche Elf 26mal aufs japanische, Japan 12mal aufs deutsche Tor. Herausgekommen ist ein Zweizueins für Japan. „Manchmal gewinnt im Fußball sogar der Bessere“, hat Prinz Poldi gesagt. Manchmal, also eher selten. Wehe, es wäre anders! Wir würden nicht mehr hingehen.

Vieldeutig

Auf dem Mannschaftsfoto unmittelbar vor dem Anpfiff halten sich alle elf Spieler die Hand vor den Mund. Sie dürfen die einfältige One-Love-Binde, eine grafisch und farblich verwässerte Form des LGBTQI-Regenbogens, nicht tragen. Und nun verbietet man ihnen auch noch den Mund? Oder: Den Mund verbieten wir uns schon selbst! Oder: Den Mund halten, wenn’s drauf ankommt? Oder: Ich kotz gleich! Man weiß nicht, was das bedeuten soll. Eine schlechte Aufteilung ist das Ganze in jedem Fall. Ein 4-4-3 wäre besser gewesen: Vier Spieler halten sich den Mund zu, vier die Augen und drei die Ohren. Allein aus Respekt vor dem Gegner Japan!

Gratismut

Peinlichkeiten wetteifern um Sicht- und Hörbarkeit. Auf der Tribüne sitzt die Bundesinnenministerin mit der „verbotenen Binde“ am linken Oberarm. Eine Valentiniade vor den Augen der Welt: „Mögen hätten wir schon gewollt, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.“ Auf einem anderen Bild zeigt Infantino, der tags zuvor erklärt hatte, er sei außer FIFA-Boss auch schwul, Frau, Araber und indischer Wanderarbeiter, mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Binde der Ministerin und lacht: „Seht her, das blonde Dummchen!“

Bekennerschreiben

Man bekennt sich seit 40 Jahren zum Klimaschutz, steigert aber in diesem Zeitraum den CO-2-Ausstoß um 50 Prozent. Bekenntnisse sind wohlfeil, wenn ihnen keine Taten folgen.

Auch der Fußball bekennt sich gern und folgenlos. Jetzt hat man die Kapitänsbinde als Bekenntnisorgan entdeckt: „Regenbogenbinde“, „One-Love-Binde“. Nette Versuche, sagt die FIFA – und macht es gründlich. Von der Vorrunde bis zum Endspiel stellt der Weltfußballverband den Mannschaftsführern aller Vereine folgende Motto-Binden zur Verfügung:

„No Discrimination“

„Save The Planet“

„Share The Meal“

„Protect Children“

„Education For All“

Moralisch einwandfreie Forderungen! Dagegen ist das „One-Love-Herzchen“ Kita-Kitsch! Doch die Spieler glauben ans Herzchen. Den guten Parolen ihres eigenen Verbandes trauen sie nicht. Die „One-Love-Binde“ ist also ein Misstrauensvotum von sieben mächtigen europäischen Fußballverbänden gegen den korrupten und autokratischen Weltfußballverband. Das macht sie interessant und wichtig. Wenn jetzt noch der Austritt der sieben Landesverbände aus der FIFA erfolgen würde, wäre der erste Schritt zu einem neuen Weltfußballverband gemacht. Aber leider bekennt man sich lieber laut und gestenreich als den Worten auch Taten folgen zu lassen.

Ausverkauft

Glaubt man den Veranstaltern, sind die acht großen Stadien dauernd „ausverkauft“. Aber der Fernsehzuschauer sieht immer wieder viele leere Plätze. Manchmal sind es so viele, dass die Kameras nur selten auf die Tribünen gelenkt werden. Sollten viele Karteninhaber gar nicht erschienen sein? Unter Katarern durchaus üblich, wie man hört. Vielleicht war Wichtigeres dazwischengekommen, ein Kamelrennen zum Beispiel? Oder hat „ausverkauft“ den Sinn von „vollbeschäftigt“ angenommen? In einem Land herrscht „Vollbeschäftigung“, wenn die Arbeitslosenquote nicht höher als drei Prozent ist. Also dürfen im ausverkauften Stadion ruhig drei Prozent der Plätze leer bleiben? Gilt dann ein bis auf den letzten Platz besetztes Stadion als „überfüllt“? – Das sind Fragen, die sich stellen, wenn sich auf dem Spielfeld nicht viel tut, weil das Gastgeberland spielt und nichts auf die Reihe kriegt, was die Einheimischen nicht weiter kümmert.

Reportersprech

„Türöffner“ und „Brustlöser“ heißt in der Reportersprache das erste Tor nach langem Anlauf, wenn es endlich in der 70. Minute fällt. Dann lassen die Treffer zwei und drei nicht mehr lange auf sich warten, „Diarröh“, wenn man im Bild bleiben wollte. Aber man bleibt nicht im Bild, weil es unappetitlich wäre.

Der Scheich tritt auf

Wann fing das an? Wann betrat zum ersten Mal der Scheich den Platz? Der Scheich, der in Katar alles beherrscht? Vor vierzig Jahren vielleicht? Fußball-WM in Spanien, 21. Juni 1982, Frankreich gegen Kuwait. Beim vierten Tor für Frankreich verließ Scheich Fahd al-Ahmad al-Dschabir al-Sabah, Präsident des kuwaitischen Fußballverbandes, seinen Tribünenplatz, stürmte aufs Spielfeld und stellte den Schiedsrichter zur Rede. Daraufhin nahm der sowjetische Referee das Tor zurück.

Bei Weltmeisterschaften wurden schon Tore gegeben, obwohl der Ball nicht hinter der Linie war; es wurden schon Tore nicht gegeben, obwohl der Ball hinter der Linie war. Aber ein gegebenes Tor, das der Schiedsrichter zurücknimmt, weil ein Spross des Herrscherhauses vom Persischen Golf danach verlangt, das hatte es noch nicht gegeben.

In Katar diktiert der Scheich nun alles. Welche Flagge man zeigen darf und wann man Bier trinken darf. Nur eines hat er trotz 12jähriger Vorbereitung und aberwitzigen Dollarmillionen nicht geschafft: eine Mannschaft auf den Platz zu schicken, die mehr als eine Schießbude ist.

Schiedsrichter mögen sich dem Scheich beugen, der Fußball beugt sich ihm nicht. – Diese dem Spiel innewohnende Widerstandskraft gilt es zu stärken und nicht zu boykottieren!

Heldenverehrung

In Argentinien verehrt man Messi wie einen Gott.

In Portugal verehrt man Ronaldo wie einen König.

In Brasilien wünscht man Neymar, dass er sich das Bein bricht. Allein für ihn hat man die Leistungskategorie „Nettoliegezeit“ eingeführt. „14 Minuten in den letzten drei Spielen“, hat einer ausgerechnet. Unbeliebter Simulant. „Schon bei die kleinste Tatsch geht er liegen“, hat ein holländischer Gegenspieler gesagt. Ein Flachmann, der mehr auf dem Rasen liegt als steht.

„Das Volk“ (vulgo: „die Leute“) weiß zu unterscheiden, wer es wert ist, in den Himmel gehoben zu werden und wer nicht.

In Deutschland gibt es keine Heldenverehrung. Mangels Angebot.

Gut so, sagt der Kopf.

Das ist armselig, sagt das Herz.

Verballhornungen

Katarsis, Reinigung durch kalten Entzug, bei 35 Grad Celsius. Die Fans sind in Not. „Es gibt kein Bier in Katar“, hat schon Paul Kuhn 1963 gesungen, „und nur vom Mullah-Mullah geht der Durst nicht weg“. Aber Budweiser darf Bandenwerbung im Stadion machen. Das ist doch Sadismus! Katarstimmung auch ohne Kater, das ist eine Katarstrophe! Im englischen Fan-Block ist eine neue Kapitäns-Binde aufgetaucht: „Beer for all!“, schwarz auf weiß. Kein Regenbogen, der daran erinnert, dass auch Schwule und Nonbinäre das Anliegen teilen könnten. Erst kommt das Saufen, noch vor dem Fressen, und dann noch lange nicht die Moral.

Folge 1

Gastbeitrag: Klaus Hansen mit seinem WM-Tagebuch – I –

Vor der WM war mit Klaus Hansen ein alter Bekannter aus der MSV-Welt mit seiner WM-Prognose hier zu Gast. Schon mehrere Male waren in diesen Räumen Beiträge von ihm zu lesen. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst, so auch in dem Fall die Weltmeisterschaft. „Der Scheich tritt auf“ hat er seine „WM-Notizen November / Dezember 2022“ genannt. Dankenswerter Weise hat er sie mir zur Veröffentlichung geschickt. In den nächsten Tagen könnt ihr sie in mehreren Folgen lesen.

Bitte schön!

Bevor es losgeht
Silvio, der italienische Wirt des „Caldo dal Forno“ kündigt an, alle Spiele der italienischen Mannschaft in seinem Lokal zu zeigen. Stefan glaubt, dass Deutschland schon im Achtelfinale an Argentinien scheitern wird. Georg meint, mit Kolumbien sei zu rechnen.

Silvio, Stefan und Georg sind Fußballfreaks, die immer „alles“ über Fußball wussten, stupend informierte und extrem leidenschaftliche Fans. Jetzt kokettieren sie damit, dass sie völlig unbeleckt sind, was die WM in Katar angeht und zum Beweis dafür schwätzen sie dummes Zeugs. Sie wissen ganz genau, dass Italien und Kolumbien gar nicht dabei sind. Und dass vom Turniermodus her Deutschland gar nicht im Achtelfinale auf Messi und die Gauchos treffen kann.

Wenn kleine Kinder wollen, dass man sie nicht sieht, schließen sie die Augen. Wie sollen mich die anderen sehen, wenn ich selbst nichts sehe! Kleinen Kindern nimmt man das ab. Erwachsenen Männern nicht. Sie möchten sich auf eine witzige Weise unwissend und desinteressiert geben, aber jeder merkt, dass sie sich künstlich dumm stellen. Und uns glauben machen wollen, das sei Protest, Boykott, Widerstand. Wogegen? Gegen den Austragungsort Katar, der seit zwölf Jahren feststeht und den man seit zwölf Jahren hätte verhindern können.

Prognosen
Dass die deutsche Fußballnationalmannschaft im Jahr 2006 Weltmeister werden würde, war zuvor statistisch exakt ermittelt worden. Man multiplizierte ’54 (1. WM-Titel) mit ’74 (2. WM-Titel) und subtrahierte 1990 (3. WM-Titel) und siehe da, „2006“ kam zum Vorschein. Ein gutes Omen! Leider ging die Rechnung mit den drei Bekannten nicht auf. Die Kaffeesatzleser störte das nicht. Sie erfanden flugs ein neues Kalkül: 1990 + 1974 – 1954 = 2010. Also wird man es in Südafrika richten! Das Kap der Guten Hoffnung stirbt zuletzt, oder so ähnlich. Es wurde wieder nichts. Dann hatte man die Nase voll und schwieg im Hinblick auf das Turnier 2014 in Brasilien. Und siehe da, es hat geholfen: Deutschland wurde Champion! Damit war man „automatisch“ Favorit für 2018. Aber das Ende kam schon nach dem dritten Spiel. Für 2022 haben sich die Erwartungen verändert. Erstmals wünschen viele der deutschen Mannschaft ein frühes Ausscheiden aus der „WM der Schande“. Erstmals erkennt man in der deutschen Nationalmannschaft eine Gruppe abgehobener Dumpfbacken, die nicht „Deutschland und seine Werte“ repräsentiert. Befreit von diesem Ballast – „Ist der Ruf erst ruiniert, spielt es sich ganz ungeniert“ -, kann es die deutsche Mannschaft sehr weit bringen. – Aber halt! Schon wieder eine Prognose! Das muss ja in die Hose gehen.

5. 11.
„Wir fahren nach Katar, um den Titel zu holen“, Oliver Bierhoff, DFB. Der Mann ist also bereits beim siebten Spiel, obwohl man noch nicht das erste gespielt hat. Sepp Herberger wäre das nicht passiert: „Das nächste Spiel ist immer das schwerste.“

Kulturelle Ödnis
In den letzten Jahrzehnten waren Fußball-Weltmeisterschaften immer auch ein Anlass, um das Fußballspiel künstlerisch zu reflektieren und kulturell zu überhöhen. Erzähler und Lyriker machten sich ebenso ans Werk wie Maler und Bildhauer. Der Fußball wurde besungen, getanzt und sonstwie performt. Ein wilder Ritt durch Jahrhunderte und Epochen, vom Steißball der Mayas, über den Calcio fiorentino bis zum Hornussen in der Schweiz des 19. Jahrhunderts. Großes Theater! Nichts von alledem aus Anlass der 22. Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Nicht einmal eine Sonderbriefmarke der Post. Nur Werte-Geschwurbel und Boykott-Gelaber.

Naming
„Campeonato Mondial De Football“
Offizielles Plakat zur 1. Fußball-WM 1930 in Uruguay

„Campionate mondiale di calcio“
Offizielles Plakat zur 2. Fußball-WM 1934 in Italien

„Copa Del Mundo De Futbol“
Offizielles Plakat zur 12. Fußball-WM 1982 in Spanien

Mit der 14. Fußball-WM fing es an:
„FIFA World Cup 1990“

Aber erst zwölf Jahre später wurde es notorisch: „FIFA World Cup 2002“ / „FIFA World Cup 2006“ / „FIFA World Cup 2010“ / „FIFA World Cup 2014“ / „FIFA World Cup 2018“ -„FIFA World Cup 2022“.

Ist das diesjährige Konzert der Rolling Stones in Deutschland so angekündigt worden:
„KKP SCORPIO / CTS EVENTIM: The Rolling Stones 2022“?

Nein, so nicht. Der Veranstalter hält sich im Kleingedruckten. Die Großbuchstaben gehören dem Angebot, nicht dem Anbieter. Nicht so bei der FIFA.
Sie hält sich für wichtiger als der Fußball.

Fundstück: Was ist Erfolg bei Standards der Nationalmannschaft?

Manchmal geben mir Interviews wie das in der Süddeutschen Zeiung am 1. Dezember mit dem Standardtrainer des DFB, Mads Buttgereit, Anlass zur Kulturbetrachtung. Diese Betrachtung heute ist zugegebenermaßen sehr spekulativ. Dennoch lässt sich durch den Zwang zur zugepitzten Antwort im Interview eine Denkweise erkennen, mit der sich auf die Kultur rückschließen lässt.

Vordergründung macht sich durch das Interview die Verwissenschaftlichung des Fußballs und seine veränderten Grundlagen der Bewertung durch gesammelte Daten bemerkbar. Allein die besondere Aufmerksamkeit für diesen spezialisierten Trainer über zwei Drittel der Seite illustriert die Gegenwartskultur im Fußball mit seiner immer differenzierten arbeitsteiligen Trainingsstruktur aufgrund von Statistiken. Einerseits führt das zu immer besseren Leistungen in den jeweiligen Teilaspekten des Fußballs, andererseits müssen solche Veränderungen Nebenwirkungen mit sich bringen. Das ist immer so in Systemen. Nebenwirkungen sind allerdings schwieriger zu fassen als das angestrebte Ziel der Veränderung.

Und nun folgt mir zur Spekulation mit folgender Antwort, die mich an eine Wesensbeschreibung des Kölners durch Jürgen Becker erinnerte. Sinngemäß hat der mal über die Kölner gesagt, sie seien tief in ihrem Herzen Perfektionisten, man würde es ihnen nur nicht anmerken. Alles in der Stadt sei in gewisser Weise unfertig, aber der Kölner wisse immer, wie es im besten Fall auszusehen hätte. Mads Buttgereit geht es beim Blick auf die Standards genauso:

Natürlich reduziert diese Antwort den komplexen Sinnzusammenhang eines Trainings. Auf zur Spekulation: Für mich lauert im „Eigentlich passt der Plan, aber der Ball kommt nicht an“ eine unerwartete Nebenwirkung von spezialisiertem Training und Datenabgleich mit der Wirklichkeit. Neben dem einzig zählbaren Erfolg des Siegs in einem einzigen Spiel gibt es in dieser Fußballgegenwart weitere kleinere Erfolge, deren Beiträge zum angestrebten Erfolg Tor statistisch begründet ist, also emotional nicht erfahrbar sind.

Das wirft für mich die Frage auf, ob dieser Blick auf die Stastik und auf den Plan, die Intuition der Spieler für den Moment auf dem Platz einschränkt? Hier macht sich auch das ewige menschliche Ringen um den Weg zwischen Grenzen und Freiheit bemerkbar. Das führt tief in die Philosophie. Ohne Freiheit sind Zufälle des Lebens nicht zu bewältigen. Zugleich führt das aber auch zum Wesen des Fußballs. Ohne Zufall lässt sich der Fußball nicht denken für mich. Ohne Zufall verliert er seine Attraktivität.

Wer den Erfolg wie Mads Buttgereit definiert, lenkt zwangsläufig den Blick weg vom Torerfolg auf den Prozess, wie sich Spieler bei einem Eckstoß verhalten. Der Zufall gehört dann nicht zum Fußball, sondern stört in solchen Plänen. Die Sprechweise deutet das an. Zufriedenheit stellt sich auch dann ein, wenn kein Tor fällt. Verändern sich deshalb auch Einstellungen der Spieler? Verändert sich deren Erfolgsorientierung? Verändert sich deren Flexibiltät mit dem Zufall im Spiel umzugehen? Kultur entwickelt sich immer weiter. Nichts bleibt, wie es war.

Gastbeitrag: Klaus Hansen mit einer WM-Prognose

Gestern noch schrieb ich davon, wie belanglos die Weltmeisterschaft für mich ist. Ein satirisches nederslandse liedje war der Soundtrack dazu. Wenig später las ich eine E-Mail von Klaus Hansen. Schon mehrere Male waren in diesen Räumen Beiträge von ihm zu lesen. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst, so auch in dem Fall die Weltmeisterschaft. Klaus Hansen nimmt in seinem Text den Fußball ernst. Wertende Worte zu Katar fehlen dabei nicht. Für einen empirischen Sozialwissenschaftler bedeutet das auch seine Prognose mit von Daten gestützten Argumenten zu belegen. Bei allem Wissen um ihre Fehlbarkeit. Bitte schön!

Wer wird‘ s denn?
Eine Spekulation von Klaus Hansen

Es sind nur noch wenige Tage bis zum Beginn der Fußball-WM. Aber kaum einer fragt, wie sie ausgehen wird. Alle fragen, und das schon seit 12 Jahren, wie konnte es nur Katar werden? Und es ist und bleibt ein Skandal, dass es Katar geworden ist.

Wir aber wollen fragen: Gibt es eine seriöse Methode für eine seriöse Prognose?
Wer wird Fußballweltmeister 2022?
Dass die Frage die Menschen weniger bewegt als noch vor vier, acht oder 16 Jahren, liegt an Katar. Und ist zugleich ein erster Erfolg von Katar: Fußball mag die schönste Nebensache der Welt sein, eine Hauptsache ist er nicht.

Wir Fußballfreunde schauen seit Jahrzehnten dem Fußballspiel zu und lesen die einschlägige Presse. Wir treten selbst gegen die Kugel und wissen, wie es ist, wenn der Ball seine eigenen Wege geht. Es muss sich doch ein Erfahrungswissen angesammelt haben, aus dem man etwas Vernünftiges machen kann, zum Beispiel eine Vorhersage mit Hand und Fuß zu treffen. Versuchen wir es also, Fußballliebhaber, die wir sind, „Amateure“ im Wortsinne.

Und was steht schon auf dem Spiel für uns? Wir haben nichts weiter zu verlieren als den Verdacht der Kennerschaft. Für den Laien ein Malheurchen, für Experten der Tod.

Die Lage
Das Teilnehmerfeld der diesjährigen WM besteht aus 32 Mannschaften.
Betrachtet man die WM-Turniere seit ihrem Anfang, 1930 in Uruguay, müssen wir feststellen, dass 19 von 21 bislang vergebenen WM-Titeln an sechs Länder gegangen sind, drei aus Südamerika und drei aus Europa: Brasilien, Argentinien und Uruguay; Deutschland, Italien und Frankreich.
Da bei der 22. WM in Katar Italien nicht dabei ist, reduziert sich der „geborene“ Favoritenkreis auf 5. Also fügen wir die die Einmal-Weltmeister von 1966 und 2010 noch hinzu, dann kommen wir mit England und Spanien auf einen Favoriten-Kreis von 7 Ländern.

Erfahrungswissen
Jetzt ziehen wir eine Erfahrungsregel hinzu, die besagt: „Spiele werden vorne gewonnen, Meisterschaften hinten.“ Auf eine lange Meisterschaftsperiode wie die Bundesligasaison mit 34 Spielen bezogen, trifft das sehr häufig zu: In der Endabrechnung hat der Meister in jedem Fall die wenigsten Tore kassiert, aber nur selten die meisten Tore geschossen.

Trifft die Regel auch auf ein kurzes Turnier mit maximal nur 7 Partien zu, wie es die WM ist? Als Deutschland 2014 Weltmeister wurde, hatte man ein Torverhältnis von 18:4; der Drittplatzierte, Holland, kam auf 21:11, drei Tore mehr geschossen als der Champion, aber fast dreimal so viele kassiert. Bei der WM 2010 in Südafrika genügten dem Sieger Spanien 8 Tore in 7 Spielen zum Sieg; der Dritte, Deutschland, kam auf fast doppelt so viele, auf 15 Treffer. Aber Spanien hatte nur 2 Gegentore bekommen, Deutschland hingegen 6. – Die Regel „Spiele werden vorne gewonnen, Meisterschaften hinten“ scheint also auch für kurze Turniere zu gelten.

Hinten dicht
Wenn es so ist, entscheidet sich WM 2022 in der Abwehr, nicht im Sturm. Wer von den 7 Mannschaften des Favoritenkreises hat die vermutlich beste Abwehr? Konzentrieren wir uns in der Bewertung auf die Positionen: Torwart, Innenverteidigung, Außenverteidigung und defensives Mittelfeld. Das Ergebnis fällt eindeutig aus:

1 Brasilien
Acht von 14 Spielern des Kaders für die genannten Positionen seien aufgezählt: Alisson – Telles, Marquinhos, Militao, Danilo – Guimares, Fabinho, Casemiro. – Größere individuelle Qualität hat in diesem Bereich keine andere Mannschaft.

2 Frankreich
3 England
4 Argentinien
5 Deutschland
Einzig auf der Torwartposition ist Deutschland besser besetzt als alle anderen Favoriten. Von den Defensivkräften erreichen allenfalls Rüdiger und Kimmich ein internationales Niveau. Von Süle, Schlotterbeck und Co. bleibt zu hoffen, dass sie „überraschen“.

6 Spanien
7 Uruguay

Geld gewinnt“
Nun sagt man in den nationalen Fußballligen zurecht: „Geld schießt Tore“. Man müsste ergänzen: „Geld verhindert auch Tore.“ Die Schlusstabelle einer Bundesliga-Saison ist immer auch eine Geldrangliste: Oben stehen die reichsten Vereine, unten die ärmsten.
Ausnahmen bestätigen die Regel.
Was lässt sich über die Geldrangliste der Nationalmannschaften sagen? Dazu nehmen wir die Spieler der einzelnen WM-Kader und addieren ihre Werte auf dem Transfermarkt. Dann ergibt sich folgendes Bild aus dem Gesindemarkt des Profifußballs:

1 England 1,3 Milliarden
2 Brasilien 1,2 MRD
3 Frankreich 1,1 MRD
4 Spanien 900 Millionen
5 Deutschland 885 MIO
6 Argentinien 633 MIO
7 Uruguay 451 MIO

Ergebnisse zählen
Die Fifa-Weltrangliste bewertet die Leistungen der Nationalmannschaften nach den Ergebnissen in der jüngeren Vergangenheit. In der aktuellen Rangliste (Stand: Oktober 2022) stehen die „geborenen“ WM-Favoriten in folgendem Verhältnis zueinander:

1 Brasilien 1841 Punkte
2 Argentinien 1774 Pkte
3 Frankreich 1760 Pkte
4 England 1728 Pkte
5 Spanien 1715 Pkte
6 Deutschland 1650 Pkte
7 Uruguay 1639 Pkte

Fazit
Berücksichtigt man alle Daten aus den Ranglisten, hat Brasilien die größten Chancen, Weltmeister zu werden, zumal, wenn man bedenkt, dass es die stärkste Defensive (und auch teuerste) besitzt. Aber Vorsicht! Der stille Vorbehalt des Waisen aus Kurpfalz, Josef Herberger, gilt auch hier: „Die besten 11 bilden noch nicht die beste Elf.“
Zugleich muss man sagen, dass für Deutschland spätestens im Viertelfinale Schluss sein wird. Am 11. Dezember fliegt die deutsche Nationalmannschaft nach Hause.
Da wir von den „geborenen“ Favoriten ausgegangen sind, tauchen zwei Mannschaften nicht auf, eben weil sie noch nie einen WM-Titel gewonnen haben, die aber in den genannten Ranglisten weit oben platziert sind: Portugal und Belgien. Sie dürfen darum als „Geheimfavoriten“ gelten, insbesondere Portugal wegen seiner Defensivstärke.

Alles in allem: Der Weltmeister 2022 spricht vermutlich Portugiesisch.

Katar
Gibt es den Bonus des Heimvorteils für das Ausrichterland? Denn immerhin haben 6 der 7 Favoriten einen Titel zu Hause gewonnen. Wie sieht es also für Katar aus? In den Ranglisten steht man weit hinten. Aber immerhin ist Katar amtierender Asienmeister. Die Mannschaft wird unter Verschluss gehalten. Als Ausrichter war man „gesetzt“ und musste keine Qualifikation bestreiten. Der Kader befindet sich seit langem in Klausur. Nur wenige Vorbereitungsspiele lassen nicht tief blicken. Aber der Vorbereitungsmodus selbst spricht dagegen, dass Katar eine große Rolle spielen kann: Ohne ernsthafte Wettkampfpraxis in den letzten 3 Jahren gewinnt man ein solches Turnier nicht.

Über Katar hinaus
Katar ist unter allen Staaten dieser Erde das Land der „Überfremdung“ schlechthin. Nur 10 Prozent der Einwohner sind auch Staatsbürger. 90 Prozent sind Fremde, eingewanderte „Gastarbeiter“. Der prognostizierte Sieger Brasilien macht aus den Verhältnissen in Katar ein Erfolgsmodell: 90 Prozent der Spieler des Kaders spielen im Ausland, vor allem in Europa, nur 10 Prozent in Brasilien. „Geht hinaus in die Welt und erobert diese“, so könnte das Fanal lauten, das von Katar ausgeht, „das wird die Euren zu Hause stolz machen!“ – Freilich werden nepalesische Gastarbeiter in Katar, die vom Kafala-System vielfach wie Sklaven gehalten werden, das anders hören als millionenschwere Brasilianer in Europa.
Einen „infrastrukturellen Schub“, wie ihn die WM 2010 für Südafrika gebracht hat – Ausbau von Straßen- und Schienennetzen, Modernisierung von Flughäfen – hat Katar nicht nötig.
Eine nachhaltige Veränderung des autoritären Herrschaftssystems, wie sie das Land aus westlicher Perspektive nötig hätte, wird die Fußball-WM nicht bewirken. Das war weder in der argentinischen Militärdiktatur so, 1978, noch in Russland 2018. Warum sollte es diesmal anders sein? Es fehlen die Anzeichen.
Katar wird zu einem Beweis der Widerstandskraft werden, die dem Fußballspiel innewohnt. Auch bestechliche Funktionäre werden diese Resilienz nicht korrumpieren können.
Dazu folgende Erinnerung: 2015 trug Katar die Weltmeisterschaft im Handball aus. Bis dahin war man über den 16. Platz bei einer WM (2003) nicht hinausgekommen; meistens war man jenseits der 20 gelandet. Durch Einbürgerung fremder (Alt-)Stars kaufte man sich eine Mannschaft zusammen, die es bis ins Endspiel schaffte und 2015 Vizeweltmeister wurde.
Aus dem Nichts zum Vize- oder gar Weltmeister, das wird es im Fußball nicht geben. Allein deshalb, weil der Ball etwas dagegen hat. Der Handballer spielt den Ball, aber der Fußballer spielt mit dem Ball. Das ist ein Unterschied ums Ganze. Ihn ausführlich zu erklären, würde hier zu weit führen, mitten hinein ins Herz des Fußballspiels.
Dem Staat Katar, eine islamistische Monarchie, genügt es, das Turnier auszurichten; es zu gewinnen, steht nicht auf dem Plan des Emirs. Fußball ist ein Instrument des „Nation Branding“. Katar will weltbekannt und in aller Munde sein, weil darin ein Schutz der eigenen Souveränität vor nicht allzu wohlmeinenden Nachbarn gesehen wird. Das „größte Sportereignis der Welt“ (Fifa über Fifa-WM) als Existenzsicherung für ein Ländchen, halb so groß wie Hessen! – Dieser Coup ist dem autoritären Zwergstaat gelungen. Und die Fifa hat es mit sich machen lassen. Der Verlierer dieser WM ist der Weltfußballverband.

Vorhersagerei
Natürlich wissen wir nicht, wer sich während des Turniers verletzt und ob ein unbekannter Youngster dabei ist, dessen Stern in der Wüste aufgehen wird, so wie der des 17jährigen Pelé 1958 in Schweden. Natürlich spielt die Tagesform des einzelnen Spielers und das Funktionieren des Kollektivs die größte Rolle. Natürlich kann eine Unebenheit im ach so gepflegten Rasen dazu beitragen, dass der Ball verspringt und im Tor landet. Wie sind die Schiedsrichter in Form? Sie bilden inzwischen ein technologiebewehrtes Konsortium in Mannschaftsstärke. – Die Unwägbarkeiten sind zahllos. Keine Expertise der Welt kann sie alle berücksichtigen. Eine Unwägbarkeit fällt allerdings weg: das Wetter. Es wird die erste Fußball-WM sein, bei der das Wetter für alle gleich ist, gleich sonnig, trocken und klimatisiert, an allen Tagen, an allen Orten. Der Beitrag zum Ökozid, der damit geleistet wird, ist bekannt.
Fußball ist der Sport, der am häufigsten alle Prognosen über den Haufen wirft. Das macht seine besondere Faszination aus. Darum sollte es uns nicht wundern, wenn am Ende unsere ganze Vorhersagerei das Papier nicht wert war, auf der sie stand. – Und die Söhne Nippons sich feiern lassen.

Verspäteter Interview-Dialog zu zwei MSV-Gegentoren letzter Saison

In der Süddeutschen Zeitung erschien am Samstag ein Interview mit dem französischen ehemaligen Spieler vom FC Bayern, Bixente Lizarazu, der heute in Frankreich den Fußball in verschiedenen Medien kommentierend begleitet. Gestern folgte ein Interview mit dem argentinischen ehemaligen Fußballer und Trainer Jorge Valdano, der klug über Fußball nachdenkt und heute auch als Kommentator arbeitet. In beiden Interviews ging es hauptsächlich um die Champions League.

Auch wenn ich eigentlich immer schnell nach vorne schaue, geben zwei Antworten in den Interviews einen derart passenden späten Dialog-Kommentar zur letzten Saison vom MSV, dass ich sie euch nicht vorenthalten will. Beide Beobachter des Fußballs kamen auch auf die bevorzugte Spielweise im Fußball der Gegenwart zu sprechen. Im Grunde reden dann beide über Leo Weinkauf und seine zwei Fehler in den Spielen gegen gegen Uerdingen und Köln, die dem MSV drei Punkte gekostet haben.

Der ehemalige Defensivspieler Bixente Lizarazu hält die bevorzugte Taktik der Gegenwart oft für zu risikoreich.

Jorge Valdano spielte als Mittelstürmer. Seine Antwort zeigt einerseits Verständnis, andererseit lese ich darin auch die Befürwortung der Entwicklung.

Wir in Duisburg könnten Bixente Lizarazu jedenfalls Anschauungsmaterial für seinen Kommentar, solche Fehler zahle man teuer, zur Verfügung stellen.

Und wieder auch das: Wenn ihr noch nicht an der Abstimmung teilgenommen habt, mit welchem Vereinslied der MSV beim Grand Prix de la Vereinslieder, organisiert und durchgeführt vom millernton.de, teilnehmen soll, bitte einmal weiterklicken und abstimmen.

 

Gerhard Heinze, Argentinien bei der WM 78 und Ángel Kappa

Welch schöner Zufall, wenn sich der MSV Duisburg, internationaler Fußball und kluge Gedanken über die Gegenwart in einem Text verbinden lassen. Der Journalist und Buchautor Javier Cáceres gibt dazu die Gelegenheit. Letzte Woche fragte er bei Twitter, was Ubaldo Fillol, den Torwart der argentinischen Fußballweltmeistermannschaft von 1978, und die Zebras verbindet.

Die Lösung brachte der retweete Thread. Ubaldo Fillol trug bei der Weltmeisterschaft Handschuhe einer Marke mit dem Namen des MSV-Torwarts von 1975-1983, Gerhard Heinze. Nur zu Beginn seiner Karriere beim VfB Stuttgart war seine für eine Torwart geringe Größe von 1,76m Kritikern ein Anlass, seinen möglichen Leistungen zu misstrauen. Beim MSV war davon keine Rede mehr.

Und nun zu den Bemerkungen der Gegenwart. Zwei Tage zuvor war in der Süddeutschen Zeitung ein großartiges Interview erschienen, das Javier Cáceres mit dem argentinischen Trainer Ángel Cappa geführt hat.

Der in Deutschland nicht sehr bekannte Trainer muss im Untertitel als Assistent von César Luis Menotti eingeführt. Obwohl er bezogen auf seine Karriere nur kurz mit ihm zusammen gearbeitet hat. Doch Menotti kennt man in Deutschland. Wahrscheinlich sollte das Interview schmackhaft gemacht werden. Gut so, denn kluge Gedanken sollten so viel Verbreitung wie möglich finden.

Im englischen Wikipedia findet sich ein kürzerer Text zu Ángel Cappa. Ausführlicheres gibt es im spanischen Wikipedia. Im Interview spricht er über die Entwicklung des Fußballs, bei der der Sport zur Ware wurde. Er spricht über die Bedeutung von Statistiken zur Qualitätsbeurteilung eines Spiels und weiß, dass er in dem Widerspruch lebt, Teil eines Systems zu sein, das er kritisiert.

Begnügt euch nicht mit den Zitaten unten, klickt weiter zum ganzen Interview.


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