Das Leben als Anhänger des MSV Duisburg ist auch deshalb so schön, weil wir mit dem Verein unserer Zuneigung seit etwas mehr als einem Jahr immer wieder tiefere Einsichten über diese Welt im Allgemeinen gewinnen können. Seit gestern lässt sich mit dem anstehenden Streit vor Gericht zwischen dem SV Darmstadt 98 und dem MSV Duisburg trefflich über Gerechtigkeit nachdenken.
Kosta Runjaic konnte nur deshalb im Verlauf der Saison 2013/2014 Trainer beim MSV Duisburg werden, weil der Verein seinem damaligen Arbeitgeber SV Darmstadt 98 eine Ablösesumme zahlte. Sie war mit einer Erfolgsprämie gekoppelt. Nun verklagt der SV Darmstadt 98 den MSV Duisburg wegen der ausgebliebenen Zahlung dieser Erfolgsprämie. Die Tatsache als solche ist ungangenehmer Alltagskram. So oder so kostet diese Klage Geld. Höhere Kosten entstehen, wenn die 35.000 Euro tatsächlich gezahlt werden müssen; wenn nicht, bleiben doch Anwaltskosten. Hinzu kommt dieser Beiklang, den der Vorgang mit sich bringt, wenn es heißt, der MSV werde verklagt. Im ersten Moment schwingt nicht selten bei der sachlichen Information vom Verklagen das fehlerhafte Verhalten des Beklagten mit – selbst wenn man schon mal gehört hat, dass Gerichte auch dazu da sind, einfache Meinungsverschiedenheiten zu klären. Denn eigentlich geht es um Streit.
Es gibt eine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Vertragspartnern, was das Wort „Nichtabstieg“ im konkreten Fall bedeutet. Ist damit alleine die Leistung von Kosta Runjaic bei seiner Arbeit mit der Fußballmanschaft des MSV Duisburg in der Saison 2013/2014 gemeint? Mit ihm erreichte der MSV Duisburg den 11. Platz. Kosta Runjaic stieg mit der Mannschaft des Vereins nicht ab. Bonuszahlung also für den ehemaligen Arbeitgeber. Oder bezieht sich das Wort „Nichtabstieg“ auf das Wirtschaftsunternehmen MSV Duisburg, das bekanntermaßen keine Lizenz für Liga 2 erhielt und daraufhin in Liga 3 abstieg? Ebenso klarer Fall, keine Bonuszahlung.
Ich denke, mit neutralem Blick auf die Ausgangslage wird man beide Seiten verstehen. Beide Seiten haben je nach Perspektive recht, und wahrscheinlich ist dieser konkrete Fall eines Abstiegs im Vertrag nicht ausdrücklich benannt. Das Gericht wird sich also in das Vertragswerk vertiefen und etwas entscheiden, was niemals in vollständiger Zufriedenheit aller Beteiligten enden kann. Eine Partei wird Abstriche machen müssen, weil etwas geschehen ist, was von den Vertragsparteien nicht bedacht war.
Egal, wie das Urteil also ausfällt, mich kitzelt das Gefühl von Ungerechtigkeit, weil beide Vertragspartner auf gewisse Weise „recht haben“. Denke ich weiter nach, komme ich zu dem Schluss, eigentlich müsste sich der SV Darmstadt 98 einer Klage des MSV Duisburg gegenüber Roland Kentsch anschließen. Bislang deuten die veröffentlichten Informationen darauf hin, dass er der Hauptverantwortliche für die fehlerhaft eingereichten Lizenzunterlagen ist, die zum Zwangsabstieg führten. Ich denke, fragten wir Roland Kentsch, würde er weiter ausholen und auf die Vorgeschichte für den Zeitdruck beim Erstellen der Lizenzunterlagen verweisen und auf die heikle Finanzlage, die er schon bei seinem Arbeitsbeginn als Geschäftsführer vorfand. Die Zeit vor ihm weist Walter Hellmich als Hauptakteur auf. Der wiederum könnte auf das drohende Aus des Vereins verweisen, mit dem er zu tun hatte. Alles hat also eine Vorgeschichte, und schon sind wir beim Nachdenken über Wertungen der Geschichtsschreibung und der Einsicht, dass sich das Gericht im anfänglichen Streitfall aus gutem Grund nur um ein konkretes Vertragswerk kümmern wird.
Im Vorbeigehen werden wir mit dem Streitfall Darmstadt 98 gegen MSV Duisburg aber auch noch auf etwas gestoßen, was zwischenmenschliche Beziehungen verstehen hilft. Denn mit diesem Streitfall lässt sich leicht erkennen, dass beide Parteien wenig Verantwortung für die mit dem Streit verbundene Unzufriedenheit tragen. Im konkreten Handeln vertreten aber konkrete Menschen die jeweiligen Positionen. Unzufriedenheit, durch Vorwurf und Ablehnung ausgedrückt, gelten diesen Menschen. Unzufriedenheit, die entstanden ist, weil etwas geschah, was niemand der jetzt Beteiligten selbst zu verantworten hat. Schwierig, so ein menschliches Miteinander.
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