Manchmal bleibt die Welt mit einem mal für einen Moment stehen. Plötzlich und unerwartet, so wird später eine ritualisierte, formelhafte Sprache für diesen Moment angeboten. Mich traf die Nachricht vom Tod Holger Glücks zudem mit einer Wucht, die ich nicht erwartet hätte. Unbemerkt von mir war meine Verbindung mit ihm durch den MSV als gemeinsames Zentrum über Jahre entstanden. Obwohl wir uns nicht näher kannten, war er mir seit nunmehr über zehn Jahren stets präsent. Immer wenn ich über die mögliche Bedeutung des MSV schrieb und mehr als den Fußball meinte, hatte ich auch ihn vor Augen mit seinen Aktivitäten abseits des Stadions sowie seinen Meinungen zum MSV-Geschehen, die ich im MSVportal las.
Im MSVportal schrieb er als Deepsky. Er meinte nichts, ohne es mit klaren Argumenten zu begründen. Er suchte den Austausch und seinen Worten war das Suchen nach der Wahrheit eines Geschehens jederzeit anzumerken. Er war klar in seiner Sprache und legte großen Wert darauf, Mensch und zu diskutierende Sache auseinander zu halten. Ich erzähle das so genau, weil darin eine Lebenshaltung erkennbar wird, die auch durch Handeln deutliche Spuren hinterließ.
Für Holger Glücks ergab sich aus der Freude am Stadionbesuch selbstverständlich das Engangement mit anderen MSV-Fans für etwas Gemeinsames, das Menschen dauerhafter zueinander bringt als nur für die Zeit eines Fußballspiels. Kennengelernt habe ich Holger Glücks in der krisenhaften Zeit zum Ende der Hellmich-Präsidentschaft. Vor dem Zwangsabstieg war er für mich ein prägendes Gesicht der Zebraherde mit all ihren Aktivitäten, die so spürbar von zutiefst demokratischen Ideen durchdrungen waren. Transparenz und Aufklärung stand damals angesichts der finanziellen Lage des MSV im Vordergrund. Minutiös wurden Zusammenhänge mit großer Geduld erklärt. Aber auch Teilhabe, Debatte und Gemeinschaft spielten wie beim Engangement für das MSVportal eine große Rolle.
Später begann die Zebraherde Kinder und Jugendliche in Tansania zu unterstützen. Dass Holger Glücks stets über Strukturen nachdachte, um für anstehende Aufgaben beste Gelingensbedingungen zu schaffen, zeigte sich auch, als diese Aktivitäten in Tansania in dem eigens gegründeten Verein ZAC – Zebras active community e.V. ausgegliedert wurden. Er wurde dessen Vorsitzender und konnte regelmäßig über den Erfolg dieses Projekts berichten. Immer wieder suchte er für die gute Sache die Verbindung mit anderen Fanclubs und Anhängern des MSV. Dass auch die Strukturen beim MSV ein wiederkehrendes Debattenthema für ihn waren, versteht sich in dem Zusammenhang von selbst.
Alle meine Eindrücke erhielt ich bei zufälligen Begegnungen und im MSVportal. Holger Glücks lebte seinen MSV und sein Engagement im (halb)öffentlichen Raum. Sein plötzlicher Tod im Alter von 69 Jahren erschüttert viele Anhänger des MSV. Seit Freitag ringen sie im MSVportal im Thread Ruhe in Frieden Deepsky um Worte für ihre Trauer und versuchen den Menschen Holger Glücks kenntlich zu machen. Viele kannten ihn näher als ich und so zeigt neben vielen anderen lesenswerten Beiträgen etwa die Würdigung des Portalisten mit dem Nick JimPanse weitere Facetten seiner Persönlichkeit.
Über den Tag mit vielen Erinnerungen an Gespräche, Diskussionen, Streits, Versöhnungen und einfach launigen Blödeleien, habe ich viel über Holgers einzigartige Fähigkeit des Ausgleiches nachgedacht.
Holger war ein ziemlicher Anker dieser Fanszene, ein Kitt der das brüchige Mauerwerk wenigstens etwas zusammenhalten konnte.
Ich kann mich da nur aus unserer intensiveren, gemeinsamen Zeit rund um die ganze Hellmich-Rebellion, den Anfangsjahren des Zebraherde e.V., die vielen schönen AGC-Turniere, das Museums-Wochenende, der Fan-Sonderzug zum Pokalfinale erinnern.
Die MSV-Fanszene trägt, wie wir ja alle wissen, teilweise tiefe Gräben in sich.
Es gibt wenige Personen die in viele Richtungen dieser Szene wirken können.
Eine davon war definitiv Holger.
Er konnte Brücke sein für Aktionen um Kutten, Hools, Ultras und Normalos zusammenzubringen.
Er war streitbar und ehrlich, vertrauenswürdig und verlässlich.
Er war Argumenten niemals verschlossen und konnte ( was eine unglaubliche Stärke ist) seine Meinung auch ändern.
Er konnte seine Meinung aber ebenso gut verteidigen und wiederum andere überzeugen.
Er war unglaublich fleißig und akribisch, konnte begeistern und anfeuern.
Seine weitere große Stärke war Ideen zu entwickeln, sie zu analysieren und dann in eine umsetzbare Form zu bringen.
Dies war ihm dann durch sein umfangreiches Netzwerk möglich, welches ihm vertraute und sich oftmals anstecken ließ von seiner Begeisterung.
Er war MSV durch und durch.
Ich muss mich wiederholen, wir haben hier einen ganz wichtigen Baustein der Fanszene verloren.
Ruhe nun zwischen deinen geliebten Sternen.
MSVportal
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