Archive for the 'Halbzeitpausengespräch' Category

Halbzeitpausengespräch: Kurzer Roman über Hooligan Til

Roman, so steht es im Titel des jüngsten Buches von Ralph Hammerthaler. Muss man von diesem Buch mehr wissen als den Titel? Wenn man sich für Subkulturen im Fußball interessiert, wahrscheinlich nicht. Wenn man sehr konkrete Vortellungen von in Romanen erzählten handlungsreichen Geschichten hat vielleicht doch. Meint Roman in dem Fall doch weniger eine in sich geschlossene Erzählung mit langem Spannungsbogen als eine biografische Skizze zur Hauptfigur, die aus vielen kleinen, gleichgewichtigen Szenen besteht.

In Duisburg könnte das Buch durch zusätzliches Wissen weitere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Til ist nämlich Anhänger des MSV. Er lebt in Meiderich, arbeitet in Düsseldorf und spielte als Torwart ambitioniert in der Jugend der Zebras, ohne sich beim Übergang in den Seniorenbereich durchsetzen zu können. Auch der Umweg über die Amateure beim MSV blieb verschlossen. Stattdessen ging er zu Adler Osterfeld in der Verbandsliga. Sein Ehrgeiz war dahin. Der verlagerte sich schließlich zu dem einen speziellen Kampfsport. Eine Schlägerei in einer Diskothek führte ihn über die Türsteherszene in die in Teilen identische Hooliganszene. So ein daneben recht normales Leben mit geregeltem Berufsalltag und Freundin, kennt die Welt aus vielen Hooligan-Biografien Westdeutschlands.

Ralph Hammerthaler gibt einen tiefen biografischen Einblick in den Werdegang eines Mannes von etwa 40 Jahren aus dem Ruhrgebiet. Er erzählt von Zufällen auf dem Lebensweg, von Hoffnungen und Sehnsüchten, von Konflikten mit der Ursprungsfamilie, vom dennoch vorhandenen, zwiespältigen Zusammenhalt dort. Vor allem erzählt er immer wieder von der Anerkennung und dem intensiven Gefühl der Zugehörigkeit, die die Hooliganszene diesem Mann bot und bietet. Von Geborgenheit zu sprechen, verbietet sich eigentlich angesichts der erlittenen Verletzungen durch Kämpfe und der schließlich eintretenden größten Gefahr, der Til begegnet. Nicht zuletzt auch, weil in der gezeigten Männerwelt offen angesprochene Gefühle nur in begrenzten Ausschnitten erlaubt sind. Dennoch kam mir dieses Wort in den Sinn.

Das liegt auch an Ralph Hammerthalers literarischen Fähigkeiten. Er macht Menschen in ihrem sehr indivuellen Alltag verstehbar und hält deren grundlegende Bedürfnisse durch den erzählerischen Zusammenhang wach. Die Romanfigur Til kennen seine Leser schon aus seinem Ruhrgebietsroman „Die fünfte Nacht“. Dort trat er als Nebenfigur auf. Er gehörte zu einem durch eine feindliche Liebe verbundenen Bruderpaar, das der Held des Romans, ein Straßenbahnfahrer der DVG, während seiner Fahrten kennenlernte. Auch in diesem in großen Teilen in Oberhausen spielenden Roman fängt Ralph Hammerthaler ganz unspektakulär den Alltag des westlichen Ruhrgebiets ein. Weil er in diesem Roman sehr viel mehr Personen näher betrachtet, wird die Geschichte eine Art gesellschaftliche Panoptikum. Nicht die Biografien seiner Figuren interessieren ihn hier besonders, sondern deren Zusammenwirken als Stadtgesellschaft. Nicht die Vergangenheit ist wichtig in diesem Roman, sondern die Gegenwart des Ruhrgebiets.

Straßenbahnfahrer sind selten Hauptfiguren in einem Roman der Gegenwart. Schon diese Besonderheit macht neugierig auf das Buch. Einige Wochen aus seinem sehr alltäglichen Leben reichen für eine eindrucksvolle Erzählung. Dazu braucht es keine Handlung voller Wendungen. Denn Ralph Hammerthaler erfasst und beschreibt die Menschen dieses westlichen Ruhrgebiets sehr genau und mit viel Sympathie für jedes einzelne geschilderte Leben.

Das Schicksal des Ruhrgebiets brachte es mit sich, dass immer wieder von überall her aus Deutschland Menschen für einige Zeit in diese Städtelandschaft reisten, um sich eine Meinung zu erlauben. Manche glaubten dann, wahrhaftige Geschichten über die hier lebenden Menschen schreiben zu können. Meist hatten sie die Menschen nicht verstanden, geschweige denn ein Gespür für ihre Sprache entwickelt.

Dem in Berlin lebenden und in Bayern aufgewachsenen Ralph Hammerthaler dagegen gelingt beides auf beeindruckende Weise. Man hört das Ruhrgebiet in den Dialogen sprechen. Man sieht seine Figuren lebendig vor sich. Noch im kleinen Detail ihres Alltags nimmt Ralph Hammerthaler seine Figuren ernst. „Die fünfte Nacht“ lässt seine literarische Qualität deutlicher erkennen als sein „Kurzer Roman über Hooligan Til“. Auch wenn ein Leserkommentar bei Amazon zum „Til“ bestätigt, so begegne er „Til“ seit Jahren. Denn hinter allen Figuren in Ralph Hammerthalers zwei Ruhrgebiets-Romanen verbergen sich wirkliche Menschen. Er leiht sich ihre Geschichten aus, um etwas eigenes zu erzählen. Ralph Hammerthalter schreibt besondere Geschichten über Menschen, die im Kulturbetrieb meist wenig Aufmerksamkeit erhalten.

Ralph Hammerthaler
Kurzer Roman über Hooligan Til
Quintus Verlag
Hardcover
119 Seiten

20,00 €

Ralph Hammerthaler
Die fünfte Nacht
Quintus Verlag
Hardcover
304 Seiten

24,00 €

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In eigener Sache: Mit Bier und Korn in seinem Kopf – Lesung Duisburger Akzente

Am Donnerstag um 19 Uhr lese ich im Rahmen der Duisburger Akzente aus zum Teil unveröffentlichten literarischen Texten, in denen ich mich mit den Auswirkungen von Alkolismus in einer Familie beschäftige. Das Ganze findet im Ruhrorter Plus am Neumarkt statt.

Im Programmheft wird die Veranstaltung wie folgt angekündigt:

Er sei nicht betrunken, er wisse nicht, wovon die Rede sei. Fragt man die Nachbarn, sagt der Sohn die Wahrheit. Sie kennen den älteren Mann betrunken. Seit Jahren, immer wieder. So kannte ihn seine geschiedene Frau. Den Sohn interessieren diese anderen Stimmen nicht. Zu seiner Geschichte kann nur einer ja sagen. Damit das geschieht, müsste ein Wunder geschehen. Das weiß der Sohn selbst. Er glaubt nicht an Wunder und kann dennoch nicht aufhören zu hoffen.
„Mit Bier und Korn in seinem Kopf“ ist eine Erzählung über scheiterndes Verstehen im Spiegel von Sucht und Alkohol. Ralf Koss liest Auszüge daraus und andere Texte, mit denen er der Sucht und ihren Auswirkungen auf das Miteinander auf die Spur kommt.

Ein Teil dieser Erzählung spielt in den 1960er Jahren. Damals machte die Werbung für Wicküler Bier auf spielende Kinder großen Eindruck. Sie regte nicht nur zu manchen Degengefechten an. Als begeisterter Leser stand ich auch bald vor der Frage, wieso es einerseits manchmal vier Musketiere in Abenteuerwelten gab und andererseits nur drei für Bier Werbung machten. Nicht nur diese Ungereimtheit der Wirklichkeit ließ ein grundsätzliches Misstrauen in die Behauptungen von Erwachsenen entstehen.

Und hier der Ausflug in die Werbung der 1960er Jahre.

Halbzeitpausengespräch – Begeisternde zwei Herren von Real Madrid am Theater Oberhausen

Der grüne Bühnenboden verweist auf den Rasen der Fußballplätze. Zudem sitzt das Publikum wie auf einer Sitzplatztribüne an der lang gestreckten Spielfläche. Fünf Nischen als stilisierte Handlungsorte wirken wie Seitenaltäre in einer Kirche. Während das Publikum Platz nimmt, warten in drei der Nischen die Schauspielerinnen und Schauspieler statuengleich auf den Einsatz. Fußball als Religionsersatz – diese Assoziation liegt nahe. Am Ende wissen wir, das war leicht dahingetupft, denn das Stück selbst vertieft solche Deutungen des Fußballs nicht. Vielmehr deutet sich damit an, wie umfassend die Wirklichkeit des Fußballs am Theater Oberhausen auf allen gestalterischen Ebenen künstlerisch anverwandelt wird. Die Uraufführung des Theaterstücks von Leo Meier „Die zwei Herren von Real Madrid“ beginnt. Es wird ein unterhaltsamer Abend, voller Spielfreude und Komik, inszeniert und ausgestattet mit viel Liebe zum Detail.

Der Anfang: Zwei Männer begegnen sich in einem Wald. Der eine flitscht Steine. Eine absurd surreale Welt entfaltete sich. In dieser Welt stellen die Männer ohne weiteres Erstaunen fest, sie spielen als Fußballprofis in derselben Mannschaft. Sie gehören zu den Topspielern bei Real Madrid. Realismus zeigt sich anderes, ein atmosphärischer Ton ist gesetzt, der in der förmlichen Sprache ihrer Unterhaltung sich fortsetzt. Sie bleiben beim Sie, obgleich die gegenseitige Anziehung, das Begehren im Spiel der beiden Schauspieler sofort miterzählt wird.

Foto: Axel J. Scherer

Tim Weckenbrock und Khalil Fahed Aassy spielen die zwei Herren mit wunderbarem Gespür für die Komik von klischierten Fußballergesten, ohne die Figuren als Karrikaturen zu verraten. Diese zwei Herren sind mehr als komisch, sie berühren mit ihrer Sehnsucht nach Liebe, mit ihrer Scheu, sich zu öffnen, mit ihren Versuchen, sich trotz Schüchternheit stark zu geben.

Foto: Axel J. Scherer

Leo Meier greift für die Dialoge dieser zwei Herren den Sound des Fußballbetriebs auf und erschafft ein eigentümlich poetisches, oft zärtliches Sprechen. Währenddessen hängt Elias Baumann als Jesus am Kreuz und macht sich beim Szenenwechsel pantomimisch bemerkbar. Überhaupt gehören zur wunderbaren Inszenierung von Maike Bouschen tänzerische Elemente. Das Körperliche des Sports Fußball findet sich im schauspielerischen Ausdruck auch immer wieder.

Die Annäherung der beiden Herren führt bald ins Elternhaus des einen. Samia Dauenhauer und Franziska Roth als Eltern lassen nicht nur in der ersten von drei ihrer Nebenrollen der komödiantischen Lust am Spiel freien Lauf. Gleichzeitig macht sich in der absurd-surrealen Welt das Utopische zum ersten Mal leise bemerkbar. Ganz selbstverständlich ermuntert die Mutter augenzwinkernd ihren Sohn, sich zu der anbahnenden Liebe zu bekennen. Auch das Unglück kommt als absurde Note mit dem tödlichen Allergieschock der Mutter durch den mitgebrachten Kuchen vom Spielerkollegen des Sohns. Im Spiegel der Beerdigung wird das Leben mit der vereinten Liebe beider Fußballer gefeiert. So kann sich das Utopische mit Wucht zurückmelden, als Elias Baumann, nun als Real-Star Sergio Ramos, beim gemeinsamen Training das nun öffentlich bekannte Paar gelassen als gewöhnliche Neuigkeit betrachtet. Der Fußball ohne Homophobie, was für eine Zukunft. Die ironische Botschaft dabei lautet, selbst ein Mann alten Schlages, ein überaus hart spielender Innenverteidiger, achtet in dieser Welt alle Menschen gleich, egal, wen sie lieben.

In letzten Wendungen des Stücks macht sich bei aller Surrealität die wirkliche Fußballwelt deutlicher bemerkbar. Vereinswechsel sind auch für Stars die Regel und damit ergeben sich Trennungen auch für die besagten zwei Herren. Wie schwer das fällt, bleibt offen. Der Premierenapplaus wollte kein Ende nehmen. Zurecht. „Die zwei Männer von Real Madrid“ begeistert.

Foto: Axel J. Scherer

Im wirklichen Fußball hieße das Resümee, ein solcher Erfolg gelingt dank einer geschlossenen Mannschaftsleistung und durch die hervorragende Arbeit sämtlicher Teile des Vereins. Wer so auftritt, darf den Blick auch auf die Plätze ganz oben in der Tabelle richten.

Weitere Termine

Halbzeitpausengespräch – Duisburg-Trilogie von Fakir Baykurt endlich übersetzt

Eva Lacour und Hartwig Mau

2011 erschien „Halbes Brot“, der erste übersetzte Roman von dreien, in denen Fakir Baykurt (1929 – 1999) in den 1980er Jahren von der Lebenswelt Duisburgs erzählte. Am Dienstag nun wurden mit „Vater Rhein“ und „Hochöfen“, die zwei weiteren seiner in Duisburg spielenden Romane, in der Stadtbibliothek Duisburg im Rahmen einer Lesung durch die Übersetzerin Eva Lacour und den Übersetzer Hartwig Mau vorgestellt.

Der in der Provinz Burdur aufgewachsene Fakir Baykurt war schon in der Türkei als Schriftssteller erfolgreich gewesen, als er 1979 mit einem Stipendium nach Deutschland kam. Er schrieb realistische Romane über die bäuerliche Wirklichkeit seine Heimatlandes und erhielt Literaturpreise. Sein literarischer Stil wurde durch die mündlichen Erzähltradtionen der Landbevölkerung bestimmt. Sein realistischer Blick auf Menschen und Verhältnisse machte seine Literatur zur Sozialkritik.

Wahrscheinlich führte auch der Militärputsch in der Türkei 1980 dazu, dass der politisch engagierte Fakir Baykurt in Deutschland blieb. Statt mit dem bäuerlichen Leben beschäftigte er sich nun dauerhaft mit der Wirklichkeit der Migranten als Industriearbeiter. Doch Fakir Baykurt blickte über das Migranten-Milieu hinaus. Mit seinem Personal erzählte er allgemeine Geschichten über die Ruhrgebietswelt mit ihren Menschen aus verschiedenen Herkünften. Er nahm die Erzählhaltung jener deutschen Autorinnen und Autoren der Gegenwart vorweg, deren Großeltern oder Eltern aus der Türkei gekommen waren. Fakir Baykurt empfand sich als zugehörig zur deutschen Gesellschaft. Er beschrieb nicht von außen, sondern erzählte aus ihrem Inneren heraus. Institutionen und öffentliche Personen Duisburgs in den 80ern tauchen ebenso auf wie historische Erklärungen für Teilgeschehen der Romane. Für Fakir Baykurt war das migrantische Milieu Teil der Stadtgesellschaft. Es gehörte dazu. Seine Romane zeigen mit einem sozialkritischen Realismus ein Ruhrgebiet, das es in den 1980er Jahren im Literaturbetrieb schwer hatte. Diese Literatur, auch von deutschen Autoren geschrieben, wurde von der Kritik kaum wahrgenommen, geschweige denn öffentlich wertgeschätzt. Der bundesweite Erfolg Max von der Grüns in den Jahren davor war nur die Ausnahme von der Regel.

Wer heute die drei Romane von Fakir Baykurt liest, lernt Duisburger Wirklichkeit detailreich kennen. Diese Stadt steht aber stellvertretend für sämtliche Großstädte Deutschlands mit migrantischer Kultur. Fakir Baykurt erzählt von Rassismus ebenso wie von der Umweltverschmutzung durch die Industrie und den schlechten Arbeitsbedingungen dort. Er erzählt aber auch von gelingenden Begegnungen zwischen den Kulturen, von Irrtümern und Annäherungen. Fakir Baykurt muss bei aller Kritik an den Verhältnissen seiner Gegenwart ein optimistischer Mensch gewesen sein. In seinen Geschichten folgen Figuren oft einem kulturübergreifenden Humanismus. Gelingendes Zusammenleben in Verschiedenheit gibt es in seinen Romanen, ohne dass er ein träumerischer Idealist gewesen wäre. Er kennt hemmende Befindlichkeiten ebenso wie die um des lieben Friedens Willen verschwiegenen Vorurteile.

Die „Duisburg-Trilogie“ von Fakir Baykurt – das lässt sich leicht merken, um in Buchhandlungen danach zu fragen. Die Trilogie kostet nur 50 Euro. Dem Verlag Dialog-Edition sei viel Nachfrage gewünscht. Das große Publikum am Dienstag bei der Veranstaltung vom Verein für Literatur Duisburg bewies, wie tief Fakir Baykurt sowohl in die türkische Comunitiy als auch in die Mehrheitsgesellschaft Duisburgs hinein gewirkt hat. Seine Romane gehören in den Kanon einer Literatur des Ruhrgebiets.

Halbzeitpausengespräch: Jetzt erschienen – Duisburg auf den zweiten Blick

Zwischen März und Juni war der Martin Wedau in mir wieder gefragt. Ihn, den Kollegen Koss – und mich nur am Rande – beschäftigte der sprichwörtliche zweite Blick, in dem Fall auf Duisburg.

Unsere Autoren-Arbeitsgemeinshaft wollte übersehene Details im Bekannten entdecken und sich in den weniger besuchten Ecken der Stadt umschauen. Sie fragte Duisburger nach Orten, denen sie mehr Aufmerksamkeit wünschten. Wir spazierten mit einem anderen Bewusstsein durch die Stadt. All das führte zu interessanten Geschichten und manchem auch uns neuen historischen Wissen über Duisburg.

Nun ist das Buch erschienen. Die Fotos geben einen ersten Eindruck.

 

 

Martin Wedau
Duisburg auf den zweiten Blick. Der besondere Stadtführer zu den verborgenen Schätzen.
Taschenbuch, ‏ 160 Seiten
ISBN: ‎ ‎ 978-3837524680
€ 18,95

Briefe aus Westende – Von Fußball-Wanderarbeitern und erster Trikotwerbung

Geschichten über gescheiterte Karrieren von Jugendfußballern kommen mir inzwischen wie ein Subgenre der Fußballberichterstattung vor. Besonders geeignet dafür sind solche Jugendnationalspieler, die als Senioren etwa in der der Oberliga landen. So ein Werdegang hat die passende Fallhöhe für Geschichten, die einerseits berühren, aber auch nicht allzu sehr beunruhigen. Denn natürlich hören wir von all den Anstrengungen der Jugendleistungszentren, für die jungen Menschen auch den Lebensweg ohne die Bundesligakarriere zu ermöglichen.

So bekommen wir bestätigt, wie hart die Auslese in der Profiwelt ist, während der Spieler selbst mit seinem unerfüllt gebliebenen Traum berührt. Zugleich bleibt der soziale Zusammenhang unangetastet. So ist nun mal die Welt. Nicht jeder kann zu den Allerbesten gehörten. Im versöhnlichen Ende gewinnt der Fußball in der Spielerbiografie seine Kraft zurück, weil bei Ausbildung oder Studium mit der Unterstützung durchs verdiente Geld mit Oberliga-Fußball alles einfacher wird.

Senad Jarovic war zwar kein Nationalspieler, aber bis zur U17 bei Fortuna Düsseldorf. Jetzt ist er 24 und spielt wie nebenan ablesbar bei Sloboda Tuzla in Bosnien-Herzegowina, für ihn als Senior bereits sein neunter Verein. Kürzlich las ich in der ZEIT eine längere Geschichte über ihn von Henning Sußebach (hinter der Paywall).

Senad Jarovics Weg geht nicht in einer so leicht zu deutenden Geschichte auf. Sein Traum, Fußballprofi zu werden, mündete in den Beruf des Fußball-Wanderarbeiters. Zu Zweitliga-Zeiten unter Walter Hellmich gab es solche Spieler auch in Duisburg. Deren Namen erinnere ich nicht mal mehr ohne Hilfe aus dem unerschöpflichen Datenschatz des Netzes. So viele Zufälle spielten bei der Karriere eine Rolle, neben Trainerwechseln auch das Vetrauen in Spielerberater, die statt in Deutschland in Südosteuropa ihre Kontakte besitzen. Er verdient nicht viel Geld in Bosnien-Herzegowina. Dennoch übt er den Beruf aus, den er anstrebte. Das ist ein anderer Weg als einer in Deutschland. Er rückt die ökonomischen Hintergründe des Gegenwartsfußballs mehr in den Blick. Er führt zudem zu der Frage nach dem Sinn und was Zufriedenheit mit dem Leben bedeutet.

Davon ab habe ich kurz besonders aufgemerkt, als ein Datenanalyst in Deutschland nach der Spielstärke Senad Jarovics befragt wurde. Der meinte, er könnte zumindest ein Zweitligaspieler sein. Girth war schon verletzt, und es war absehbar, wie schwer es für den MSV in der Offensive wird. Jarovic ist wohl ein spielender Mittelstürmer, technisch sehr gut, aber weniger Kopfballstark, als es sein Größe erwarten lässt. Der braucht nur das passende Umfeld. Ein Portrait als Bewerbungsunterlage – vielleicht sollte ich Ralf Heskamp den Link zum Artikel schicken.

Und nun zu etwas anderem: einmal mehr gilt, jede Geschichte hat eine Vorgeschichte. Bislang dachte ich,  Trikotwerbung habe Günter Mast zuerst in Deutschlands Fußballwelt ausprobiert, als er das Jägermeister-Emblem bei Eintracht Braunschweig einführte. Doch dort blieb Trikotwerbung nur das erste Mal unangetastet. Schon 1967 hatte es einen Versuch bei Wormatia Worms gegeben, Trikots mit Werbung zu versehen. Deutschlandfunk Nova widmete diesem Geschehen Eine Stunde History – als Podcast bei den üblichen Anbietern oder hier abrufbar in der ARD-Mediathek. Allerdings geht es in der zweiten Hälfte kaum mehr um die Historie, sondern um die Gegenwart. Von Grundlagen des Sponsorings erzählt der unvermeidliche Experte aus der Branche. Viel Substanz kommt nicht dabei herum. Dass Verein und Unternehmen zusammen passen müssen, ist kein nur Experten vorbehaltenes Wissen.

Über Trikotsponsoren und über die Halbjahresengagements von längst vergessenen Profis beim MSV können wir übrigens auch persönlich sprechen. Entweder am kommenden Donnerstag nach der Lesung im Gleis 3 um 20 Uhr in Großenbaum oder eine Woche später, am 29., bei gleichem Anlass in Bissingheim, im „Zum Hocker“. Dort beginne ich um 19.02 Uhr mit meinem Programm zur Fußballfibel MSV Duisburg „Bundesliga, ich komm‘ aus dir“ – Geschichten aus einem Leben mit den Zebras.

Heimatlied Sektion Ruhrstadt – Folge 50: Flipstar mit Kein schöner Land

Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich in dieser Reihe mit „Der Ruhrpott ist unendlich“ eine nostalgische Rückbesinnung von Pott-Hiphoppern im mittleren Alter auf ihre Anfangsjahre mit dem Sound in der Ruhrstadt veröffentlicht. Die Reaktion auf den Clip zeigte, eine Generation des Ruhrgebiets erkannte sich wieder. Zu diesen Oldschool Hiphoppern zählten auch Creutzfeld & Jacob.

Das heutige Stück gehört zu diesem Oldschool-Hiphop, und Flipstar damals zu Creutzfeld & Jacob. Solo unterwegs rappte er in „Kein schöner Land“ über eine Städtelandschaft, in der neben den üblichen Ruhrstadt-Stadtteilen auch Wuppertal genannt wurde. Als der Song entstand, war der Raum der Identität noch der graue schwache Wirtschaftsraum, den die Industrie kürzlich zurückgelassen hatte. Wuppertal gehörte ohne Frage zu diesem schwachen Wirtschaftsraum. Darin glich die Zeit den Anfängen der Industrialisierung, zu denen immer vom rheinisch-westfälischen Industriegebiet gesprochen wurde. Selbstverständlich waren das Bergische Land und die Rheinschiene bis Leverkusen mitgemeint.  

Eine Fassung zum Kulturhauptstadt-Jahr 2010 wurde aufwändiger produziert. Bläsersätze kamen hinzu. Der Sound wurde etwas gefälliger. Auch der Text wurde verändert. Mehr Stadtteile sind nun genannt, und Wuppertal gehörte nicht mehr dazu. Die Ruhrstadt fand Identität, begrenzte sich und war sich ihrer starken Stadtteilidentitäten bewusst.

Hinweise auf weitere online zu findende Ruhrstadt-Lieder nehme ich gern entgegen. Helft mit die Sammlung wachsen zu lassen.

Mit einem Klick weiter findet ihr Heimatlied – Sektion Ruhrstadt – Alle Folgen

Halbzeitpausengespräch – Handverlesen Spezial zum Hafenfest mit Marion Basteck, Thomas Frahm und Ralf Koss

Foto: Martin Wedau
Foto: Gernot Schwarz
Foto: Marion Basteck

Wenn in Ruhrort mit Open-Air-Konzerten, Kunstmarkt und anderen Attraktionen auch an die Bedeutung des Hafens für die Stadt erinnert wird, steht die Literatur am Vorabend des Hafenfestes nicht zurück.

In der Reihe „Handverlesen“ geht es in Prosa und Lyrik am Donnerstag, den 18. August, um den Hafen, um Ruhrort und um die Schifffahrt auf dem Rhein. Die Texte der Duisburger Autoren Marion Basteck, Thomas Frahm und Ralf Koss erzählen von den Menschen, die im Hafenstadtteil leben sowie von Vergangenheit und Gegenwart des größten Binnenhafen Europas. Sie zeichnen ein Bild von der inneren Verbindung zum Wasser, wenn man in der Nähe des Rheins aufwächst. Neben den gegenwärtigen Texten der Duisburger Autoren zeigt der Blick auf Romane der Vergangenheit, dass Ruhrort schon immer ein Thema für die Literatur war.

Handverlesen – Literatur am Neumarkt ist eine lose Folge von Veranstaltungen, in denen Literatur und deren Autor_Innen im Vordergrund stehen. Immer frisch, immer handverlesen, immer am Neumarkt.

Handverlesen | Hafenfest-Spezial
Das Plus am Neumarkt
Neumarkt 19
47119 Duisburg-Ruhrort
Donnerstag 18. August 2022, 19.00 Uhr
Eintritt frei(willig) – Hutveranstaltung

Zur Veranstaltungsankündigung bei Facebook

Heimatlied – Sektion Ruhrstadt – Folge 49: Muetze feat Kadda und RE mit Mein Ruhrgebiet 2

Der Rapper Muetze kommt aus Gelsenkirchen, hat hier eine Seite bei Facebook und sein Herz hängt am falschen Fußballverein. Sympathischerweise erinnert der Text von „Mein Ruhrgebiet 2“ Raum daran, dass diese Entscheidung für den Verein in der Mitte der Ruhrstadt sehr persönliche Gründe hat.

Muetze widmet sich in einigen seiner Songs der Wirklichkeit des Ruhrgebiets. Seinen Verein und den Fußball hat er betextet, das Schließen der Zechen berappt und nicht zuletzt mit „Mein Ruhrgebiet 2“ ein Liebeslied der Ruhrstadt gewidmet. Die „2“ lässt eine „1“ vermuten, die ich nicht gefunden habe. Eine „3“ wird bei Facebook angekündigt.

Muetzes gerappter Text zeigt seine tiefe Heimatliebe mit vielen bekannten Bildern. Da ist die Vergangenheit mit der Kohle, da sind die abwertenden Blicke von draußen als Ignoranz auf die Spitze getrieben. Da reizen ihn die vermeintlich attraktiven Gegenwelten von Berlin und München, von Frankfurt und Düsseldorf nicht, weil dort nicht das zu finden ist, was die Menschen im Ruhrgebiet ausmacht. Er spürt Stolz und die Liebe zum Ruhrpott, weil diese Städtelandschaft ihr „Herz am rechten Fleck hat“ – bildhaft für die Menschen, die hier leben.

Hinweise auf weitere online zu findende Ruhrstadt-Lieder nehme ich gern entgegen. Helft mit die Sammlung wachsen zu lassen.

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Halbzeitpausengespräch – Besuch bei potentiellem Spielort im Niederrheinpokal

Gestern Abend war ich in ehrenamtlicher Mission für den MSV unterwegs. Kurzentschlossen machte ich eine Terrainbesichtigung bei einem potentiellen Gegner im Niederrheinpokal. Falls die Zebras in dieser Saison tatsächlich vorhaben, den Wettbewerb ein bisschen ernster anzugehen als in den letzten zwei Jahren. Dann könnte ja Rot-Weiß Oberhausen mal wieder einer der letzten Gegner in dem Wettbewerb sein. Das Umfeld und Arbeitsbedingungen konnte ich im Gespräch mit Hajo Sommers checken. Dass er der Präsident von RWO ist, muss ich euch nicht sagen. Die Spielbedingungen brauchen momentan allerdings eine besondere Vorbereitung der Zebras.

Der Spielertunnel verbreitet mit dem Rotlicht eine sonderbar entspannende Atmospäre, die wir aus anderen Zusammenhängen kennen. Zudem laufen die Spieler genau auf einen Bierstand zu. Das sind neue Versuche, den Gegner schon vor dem Spiel psychisch zu schwächen. Vielleicht brauchen einzelne Spieler in dem Fall eine besondere Ansprache.

Am Spielfeldrand wird auch der Linienrichter neue Bedingungen vorfinden. Der Sinn der Tribünenmaßnahme während der Saison erschließt sich für mich gerade nicht. Momentan wird die wohl zwischengenutzt. Gestern Abend stand dort Nito Torres samt Band. Womöglich gehören Bühne und Nito Torres ins Gesamtpacket „RWO zukunftsfähig machen“. Denn auch das von Torres zum Mitsingen einladende Liedgut war textlich angepasst. Wir hören ja immer wieder, wieviel länger zukünftig noch das menschliche Leben wird. So kann auch mancher Altersunterschied bei lustvollen Begegnungen beträchtlich zunehmen. Er war 16 und sie tatsächlich 130. Ich ruf im Falle eines Niederrheinpokalfalles auf jeden Fall mal in der Geschäftstelle des MSV an.


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