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Gastbeitrag: Klaus Hansen hat den Meiderich-Blues

Seit der ersten Bundesliga-Saison kommt der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen zu den Spielen des MSV. Er reiste aus der Eifel an und kommt inzwischen aus Pulheim. Schon mehrere Male war er in diesen Räumen  zu Gast. In seinen Beiträgen erinnerte er an „Spitzenereignisse vom MSV“, er machte sich Gedanken über das WM-Endspiel 1966 und den Fußball der Gegenwart oder die postsaisonale Melancholie hatte ihn überfallen.

Gestern erreichte mich eine E-Mail von Klaus Hansen. Die 0:5-Niederlage gegen den 1. FC Magdeburg war auch für ihn nur schwer zu ertragen gewessen. Er hatte den „Meiderich-Blues“, und er versuchte ihn mit einem Text zu ergründen.

Mein Meiderich-Blues
Von Klaus Hansen

Ich will, dass es aufhört. Aber es hört nicht auf. Meine Nervosität, meine Dünnhäutigkeit, meine zum Glück nur verbale Aggressivität. Für die Dauer, wenn mein Verein spielt, bin ich für nichts zu gebrauchen.

Obwohl ich die 70 überschritten habe, verfolge ich die Spiele meines Vereins mit dem Herzen eines Elfjährigen. Davon will ich weg. Ich will kein Sklave mehr sein. Aber es gelingt nicht. Erst dachte ich, es genügt, die Spiele meines meines Vereins nicht mehr zu besuchen, wie ich es seit Jahrzehnten mit größter Regelmäßigkeit tue. Die Corona-Epidemie kam mir entgegen. Plötzlich war das Stadion geschlossen. Niemand durfte mehr rein. Auch ich nicht. Das entlastete mein Gewissen. Aber mein Verein spielte ja trotzdem. Es folgten zwei furchtbare Stunden des kalten Entzugs. Waren sie um, musste ich allen Mut zusammen nehmen, um mit viel Herzklopfen und zitternden Fingern im Internet nach dem Ergebnis zu suchen. Hatte ich es gefunden, war ich für meine Umgebung schwer auszuhalten, sei es, dass ich die Kontrolle über mich verlor, nach einem Sieg, oder, bei einer Niederlage, depressiv erschlaffte. Und immer wieder fand sich ein wohlmeinender Geist, der mir den Rest gab: “Aber es ist doch nur ein Spiel, Klaus.”

So viel steht fest: An Tagen, an denen mein Verein spielt, werde ich zum Asozialen. Davon habe ich die Nase voll. Zumal mein Verein, dem ich 1962 nach vierjährigem Verlöbnis mein Ja-Wort gab und den ich 1964 zur deutschen Vizemeisterschaft führte, in letzter Zeit nur noch Scheiße baut. Man sitzt als geborener Erstligist im Tabellenkeller der dritten Liga fest. Und nach einer Niederlage folgt eine noch höhere Niederlage.

Dem Siebzigjährigen reicht es, aber der Elfjährige lässt nicht locker.

Wie krieg ich bloß den unreifen Halbwüchsigen aus mir raus? Gut, mein Verein könnte mir entgegenkommen und sich anlässlich seines bevorstehenden 120. Geburtstages auflösen. “Genug ist genug.” Aber das tut er ja nicht.

Ich muss mich wohl damit abfinden, bis zu meinem Tod ein Elfjähriger zu sein, wenn es um den Meidericher Spielverein geht.

Auf andere mag das lächerlich wirken. Für mich ist das alles andere als lächerlich.

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Weiter so! Dann gelingt der Klassenerhalt

Auf den ersten Blick mag die 0:5-Niederlage des MSV gegen den 1. FC Magdeburg wie ein weiterer Schritt Richtung Abstieg aussehen. Doch Fußball ist ein komplexer Sport, und mit dieser taktischen Überraschung der sportlich Verantwortlichen am gestrigen Spieltag lässt sich bis zum Saisonende noch viel erreichen.

In der Mannschaft sind überall die Stellschrauben zur Leistungsverbesserung zwar deutlich zu erkennen, doch wenn es darauf ankommt, ist ein Spieler zur Stelle und schießt ein entscheidendes Tor. Richard Sukuta-Pasu hatte den richtigen Riecher und schob unbedrängt zum 1:0-Sieg des SV Meppen gegen den SC Verl ein. So blieb der Konkurrent des MSV im Abstiegskampf ohne Punkte.

Kicker online, abgerufen 27. 1. 2022

Der MSV gehört zu Vorreitern bei den immer komplexer angelegten Versuchen, den Erfolg im Fußball zu kontrollieren. Strategische Spielerverkäufe als Teil einer Mannschaftstaktik, die über den eigenen Rasen hinausweist, gibt es in der 3. Liga bei keinem anderen Verein. Allenfalls die Schwergewichte des deutschen Fußballs hatten bislang in geheimen Strategierunden über diese innovativen Maßnahmen nachgedacht. In der 3. Liga aber haben diesen vorausschauend angelegten taktischen Finessen des MSV die Konkurrenten im Abstiegskampf bislang noch nichts entgegen zu setzen.

Klasse halten, MSV, nur durch Glück oder vielleicht auch Glück und allenfalls noch durch viel mehr Glück

Der MSV schlittert auf einem Steilhang in den Höhenlagen eines 2000ers den Berg runter. Er trägt Sandalen, kurze Hose und leichtes T-Shirt. Der Himmel ist zugezogen. Die Temperaturen sind unter zehn Grad. Manchmal versucht er sich aufzurichten, doch Böen wehen ihn dann um. Wie er verdammt noch mal in diese Lage geraten ist, weiß er nicht. Im Tal hatten doch nur ein paar Wolken die Sonne hin und wieder verdeckt. Das Handy hat schon lange keinen Empfang mehr. Verzweifelt versucht er den Weg zurückkommen auf den Pfad in sichere Gefilde. Halb gebückt rutscht er dennoch auf dem Geröll aus. Es geht ein Schritt vor und vier zurück. Der Abgrund ist so deutlich sichtbar. Mit jedem Ausrutschen kommt er näher.

Ich hatte nichts mehr über ein Spiel schreiben wollen. Heute muss ich es mir mit Worten besser gehen lassen. Heute brauche ich Ablenkung von meinem Entsetzen über das Spiel des MSV gegen Magdeburg. Ich konnte mir das Spiel nicht wirklich ansehen. Immer wieder habe ich nur vereinzelt Blicke geworfen. Zu sehr hat mich das Spiel aufgeregt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich jemals diesen so oft gehörten Fan-Gedanken gehabt habe, die sind so schlecht, da könnten wir noch aushelfen. Gestern war es so weit. Ich habe tatsächlich bei manchen Szenen gedacht, es würde keinen Unterschied machen, ob ich den Ball am Fuß habe oder einer der bezahlten Profis. Ich könnte genauso sinnlos zwanzig Meter nach vorne rennen in die dort stehenden Gegenspieler hinein. Ich könnt genauso hilflos stochernd versuchen den Ball zu behaupten, wenn gleich drei Magdeburger mich attackieren. Ich konnte mir das Spiel nach der Magdeburger Führung nicht weiter ansehen.

Der Vierzeiler zum Spiel gegen Meppen über die Aussichten der Mannschaft angesichts der miserablen Konterfähigkeiten hat sich bewahrheitet. Wenn die grundlegende Taktik durch mangelnde Fähigkeiten zum Torabschluss beim Konter scheitert, bleibt nur das Glück, um ein Spiel zu gewinnen. Gerät die Mannschaft gar in Rückstand, wird die komplette Hilflosigkeit der Spieler deutlich. Dann steht keine Mannschaft auf dem Rasen, dann stehen Einzelspieler auf dem Rasen, die verzweifelt versuchen Mannschaftsteile herzustellen. Ich wage gar nicht von einer Mannschaft mit elf Mann zu sprechen.

Was für ein Schrecken ist diese Saison. Der Abstieg wäre schon ein Desaster. Wie dieser Abstieg zustande käme, wäre eine Katastrophe. Gemeinsam hieß es zu Beginn der Saison. Im sportlichen Bereich ist davon nichts zu sehen. Nichts! Es gibt keinen gemeinsamen Geist. Gibt es Versuche, ihn zumindest herbei zu reden? Wenn ich im MSVPortal über Gino Lettieris Umgang mit der Mannschaft in den letzten Minuten lese, weiß ich, diese Gemeinsamkeit wird nur durch Erfolge entstehen. Er selbst trägt dazu nichts bei. Überraschend ist das für die meisten Anhänger dieses MSV nicht. Denn es war kein Geheimnis, Misserfolg verarbeitet die sportliche Leitung gerne durch Distanzierung. Wie sollen Spieler mit dieser zusätzlichen Last der Distanzierung ihre gesamte Kraft für das Spiel aufbringen können? Einen Teil werden sie für sich selber brauchen. Sicher, es gibt sie, die Spieler, die den Widerstand für Höchstleistung nutzen, Spieler, die es ihrem Trainer dann zeigen wollen, wenn sie gereizt sind. Beim MSV sehe ich solche Spieler nicht im Kader. Da sehe ich Spieler, die eher stur und resigniert werden oder solche, die in Vereinen mit erklärender Ausbildungskultur ihre Jugend verbrachten.

Wie dieser MSV den Abstieg verhindern will? Aus eigener Kraft wird das nicht klappen. Die Mannschaft braucht Glück. Im Spiel gegen Meppen hatte sie das, gegen Magdeburg nicht. Die Mannschaft braucht also mehr Glück und davon am besten sicherheitshalber noch mehr.

Sollte diese Mannschaft nicht absteigen, gebührt aller Dank dem Schicksal. Trainer und Sportdirektor haben damit eher wenig zu tun.

Ein 1:0 als romantisches Liebesdrama

Vorfreude vor dem Spiel

Welch romantische Liebesgeschichte haben wir alle am Freitag erlebt. Natürlich wird ein erster Kuss von einem man der eine woman zunächst hoffnunglos geliebt hat und sie dann doch irgendwann in den Armen hält nicht so ekstatisch bejubelt wie ein Siegtor in der Nachspielzeit. Aber dieser Jubel beim Kuss vor Publikum, den kenne ich aus amerikanischen Romantic Dramas, nachdem die Geschichte so erzählt wurde, wie das Spiel zwischen dem MSV und dem 1. FC Magdeburg sich entwickelte. Ich habe sofort sowohl Struktur als auch Bilder vor Augen. Zwei glückselige Gesichter nach dem einen so lange erwarteten Kuss. Die Kamera zieht in die Totale zurück. Wir sehen eine Menschenmenge, die erst erwartungsvoll zugeschaut hat und dann in Jubel ausbricht.

Wir auf den Rängen haben dem Ringen des MSV mit dem 1. FC Magdeburg um die große Liebe, den Sieg, nie ganz still zugeschaut. Wir haben geschrieen und die Zebras angefeuert, schon in der ersten Halbzeit, besonders aber als es Mitte der zweiten Halbzeit so schien, der MSV könne dauerhaften Druck auf das Magdeburg Tor entwickeln. Diese Illusion war nach etwa zehn Minuten vorbei. Von da an waren wir aus Sorge immer auch zur rumorenden Menge geworden. Von da an gab es nur noch zwischendurch vereinzeltes Aufbäumen auf den Rängen gegen das torlose Unentschieden, das wieder ein halbgares Ergebnis gewesen wäre. Nichts, aus dem sich hätte Hoffnung ergeben können, aber auch kein kräftiger Zug Richtung Abstieg.

Die Zebras hatten den Sieg dieses Spieltags vor einer Woche nur aus der Ferne einmal kurz gesehen. Das reichte für die schönsten Träume. Wenn es mit diesem Sieg etwas werden könnte, so dachten alle, ließe sich wieder vorsichtig in die Zukunft sehen. Enttäuschte Hoffnungen der letzten Wochen könnten endlich ganz vergessen werden. Doch kaum malte sich jeder dieses wunderbare Zusammenkommen von MSV und Sieg in den schönsten Farben aus, betrat der 1. FC Magdeburg die Spielfläche. Nach dem Anpfiff des Films, war eines sofort klar: Die Magdeburger hatten sich in Schale geworfen und wollten auch ein erstes Date mit diesem so besonderen Sieg.

Doch die Zebras ließen sich zunächst nicht von den Absichten der Magdeburger beeindrucken. Kühl ließen sie jedes frühe Pressing dieses Nebenbuhlers ins Leere laufen. Vielleicht waren Andreas Wiegel und Ahmet Engin in der eigenen Hälfte manchmal etwas nervöser, wenn sie im Ballbesitz waren. Im Großen und Ganzen aber wirkten die Zebras überraschend stabil, wenn sie den Ball im Kurzpassspiel nach vorne bringen wollten. Den Ball sicher behalten und geordnet in den Angriff kommen. Die Defensive nie vernachlässigen. Das war die Devise. Bis zur Strafraumgrenze der Magdeburger gelang dieser Ballvortrag auch. Danach war allerdings Schluss. Weder Pass noch Flanke kamen gefährlich vor das Magdeburger Tor. Einen Ertrag aus der erst bestehenden Spielkontrolle gab es nicht.

Das überrascht nicht, wenn wir uns das Romantic Drama ansehen. Der Liebende kommt an die Angebete trotz allen Mühens nicht ran. Im Gegenteil, irgendwann trifft sich die Angebete sogar mit einem anderen. Wir hätten also wissen können, dass die Magdeburger noch vor der Pause mit dem Sieg fast so weit schienen, dass sie sich nicht nur das erste Mal geküsst hätten. Die wären gleich zusammen ins Bett gehüpft, und der Heiratstermin hätte binnen weniger Minuten festgestanden. Doch Felix Wiedwald hatte etwas dagegen. Er wollte dieses Ende nicht sehen. Er hielt, was zu halten war. Einen besonders gefährlichen Schuss lenkte er an die Latte. Wir hätten also eigentlich gleich beruhigt sein müssen. Welches Romantic Drama endet schon nach 45 Minuten mit einer Hochzeit? Im Stadion hat man das so allerdings nicht parat. Ich war ganz drin in diesem Film. Ich verzweifelte allmählich. Sollten etwa gar nicht meine Helden des Romantic Dramas zusammenkommen?

Die Magdeburger hatten bei ihrem Kampf um das Herz des Sieges eine schwere Verletzung zu beklagen. Christian Beck war mit Enis Hajri bei einem Kopfballduell zusammengestoßen. Wie sich später herausstellte, hatte Beck einen Jochbeinbruch erlitten. Enis Hajri konnte nach dem Tackern seiner Platzwunde weiterspielen.

Nach der Pause setzte sich das Spiel erst einmal ereignislos fort. Auch das kennen wir aus aus dem Romantic Drama. Die Zeit nach dem ersten Höhepunkt ist besonders schwer zu gestalten. Vielen Filmen mangelt es in diesen Szenen an Spannung und Emotion. Irgendwie muss die Zeit gefüllt werden und den schlechten Geschichten fehlt die Tiefe für etwas Neues. Man sieht immer dasselbe. Dann bleibt Raum für Nachdenken und Fragen. Etwa: Tim Albutat macht aus dem Stand heraus ein sehr gutes Spiel. Oder: Schafft Moritz Stoppelkamp zumindest Räume für seine Mitspieler, wenn er nicht in Ballbesitz ist? Läuft er so viel und zieht Gegenspieler auf sich, dass die Flügel frei werden? Sobald er den Ball hat, wirkt er wie ein Schatten seiner selbst. Einmal habe ich sogar gedacht, Pässe auf ihn sind Pässe zum Gegner. Ich war in dem Moment aber auch komplett ohne Hoffnung. Ich sah nicht, wie die Mannschaft torgefährlich werden könnte. Flanken gingen weiterhin ins Leere. Schöne Kombinationen endeten dort, wo es wirklich gefährlich wurde.

Zu meiner Beruhigung hielten die Magdeburger aber auch ihre Anstrengungen wieder in Grenzen. Wäre mir das Romantic Drama bewusst gewesen, hätte ich gewusst, im letzten Drittel des Films geht unser Held noch einmal aufs Ganze. Der MSV verstärkte den Druck. Das Stadion nahm diese Energie auf. Für wenige Minuten wollten auch wir den Ball ins Tor schreien. Den Schlusspunkt dieser kurzen Drangphase setzte ein Freistoß, der kläglich vergeben wurde. Danach schien die Mannschaft erst einmal wieder ohne Energie zu sein. Wenigstens den Ball in den eigenen Reihen halten. Kontrolliert sein, kein Gegentor einfangen. Aber wie sollte auf diese Weise der Sieg jemals einen erhören?

Ekstase nach dem Spiel

Es lag eigentlich auf der Hand. Kurz vor Ende des Films sollte jene Situation sich wiederholen, an der unser Held beim ersten Mal so kläglich gescheitert war. Die Zebras kamen noch einmal in jene Situation, die der beginnenden Drangphase ein jähes Ende gesetzt hatte. Ein Freistoß natürlich. Dieser von Kevin Wolze getretene Freistoß flog dieses Mal in den freien Raum des Magdeburger Strafraums. Enis Hajri lief perfekt hinein und köpfte die Zebras zum Sieg. Das Romantic Drama hatte sein Happy End für die Zebras. Oft folgt diesem Kuss des Paares am Ende noch ein kurzer Epilog – ein paar Monate später: Hochzeit, Schwangerschaft oder eine andere Zukunftsaussicht. Uns gefiele das natürlich auch gut. Das Insert: Drei Monate später. Dann nur noch Bilder, und ihr wisst, welche Bilder ich nach diesem Insert sehen möchte.

20 Anmerkungen zum MSV-Spiel gegen den 1. FC Magdeburg, die die Welt noch nicht gesehen hat

  1. Am Donnerstag in einer englischen Woche muss ein Text schneller als an einem Montag nach einem Wochenendspiel entstehen. Deshalb gibt es keine Rücksicht auf stilistische Feinheiten.
  2. Das 3:3-Unentschieden des MSV gegen gegen den 1. FC Magdeburg hat mich an den Rand der mir erträglichen Verzweifelung gebracht. Verzweifelung über den Lauf der Dinge. Verzweifelung über kurz unaufmerksame Spieler des MSV. Verzweifelung über eine Schiedsrichterentscheidung.
  3. Nach dem 2:1-Rückstand dachte ich kurz, ich könne mir das Spiel im Neudorfer Ostende nicht weiter ansehen. Im Stadion ertrage ich jegliche Spielverläufe. Vor dem Fernseher geht das nicht. Dort komme ich an gesundheitsgefährdende Grenzen. Als durch den Freistoß das zweite Tor für Magdeburg fiel, wurde die Ohnmacht unerträglich, einer erneuten Niederlage des MSV ausgesetzt zu sein. Ich merkte, jegliche Hoffnung meines Lebens war in diesem Moment auf den MSV gerichtet. Das war zu viel Hoffnung an der falschen Stelle. Ich wollte aus dem Ostende fliehen. Kevin Wolzes schnell folgendes Freistoßtor zum Ausgleich war ein betäubendes Schmerzmittel. Ich konnte es nicht bejubeln. Die Ohnmacht war einer gefühllosen Beruhigung gewichen.
  4. In der ersten Halbzeit hat der MSV gut gespielt. Die Magdeburger wurden früh bei ihrem Aufbauspiel gestört. So konnte immer wieder schnell umgeschaltet werden. Der MSV wirkte auf mich für Phasen spielbestimmend.
  5. Diese Wahrheit gab es aber auch: Das einer Balleroberung folgende Umschaltspiel führte auch hin und wieder zu spekulierenden Pässen ins Nichts. Es waren hilflose Pässe im Wissen darum, auf diese Weise bleibt der Ball nicht im Spiel. Auf diese Weise unterbindet man einen Konter der Magdeburger. Solche Pässe sind dann weniger ein Instrument der Offensive als der Defensive. Besser geht es in dem Moment nicht. Das müssen wir akzeptieren.
  6. Vier sehr gute Torchancen ohne Torerfolg für Magdeburg in der ersten Halbzeit belegen nicht das Glück für den MSV sondern die Tatsache, dass es in der Liga Mannschaften gibt, die mit denselben Schwierigkeiten umgehen müssen wie der MSV. Diese vier Torchancen sind eigentlich ein Beleg dafür, wie schwer es für den MSV in dieser Saison ist und wie wenig ein anderer Trainer als Ilia Gruev an der Situation ändern können wird.
  7. Die Mannschaft des MSV spielt offensiv so gut, wie sie es kann. Sie spielen inzwischen gut genug, um ein Spiel zu gewinnen.
  8. Die Führung des MSV war verdient. Nach einem schlechten Versuch zu flanken, verlor Kevin Wolze den Ball und eroberte ihn sofort zurück. Der Flankenversuch zwei in den Lauf von Stanislav Iljutcenko gelang. Der Raum für den Stürmer war da und souverän schob er den Ball ins Tor.
  9. Zuvor schon hatte der MSV mit variablem Spiel die Defensive von Magdeburg unter Druck gesetzt – zum einen über die Flügel, gefahrvoll oft durch Andreas Wiegel; zum anderen durch Mittelfeldläufe von Cauly Souza und Fabian Schnellhardt mit folgendem Pass ins Zentrum auf Tashchy oder Iljutcenko.
  10. Die Spieler des MSV sind defensiv bei Spielunterbrechungen immer wieder nicht präsent. Der Ausgleich zum 1:1 fiel auf dieselbe Weise wie in Dresden das Tor zur Niederlage. Das Tor wäre einfach zu verhindern gewesen, wenn Sebastian Neumann den Ball die ganze Zeit im Blick gehalten hätte und der Einwurfsituation nicht den Rücken gekehrt hätte. Die Spieler des MSV versuchen bei Spielunterbrechungen aber oft als erstes, ihre Position in der Defensivformation einzunehmen und verlieren den Blick dafür, dass das Spiel unterdessen weitergeht. Grundsätzlich muss beides zugleich beachtet werden, wo ist der Ball und wo bin ich im Verhältnis zu meinen Mitspielern. Das geschieht immer wieder einmal nicht. Das führt zu Toren vom Gegner. Das führt zu Wut und Verzweifelung bei mir, weil ich schon vor der Ballberührung des Gegners sehe, dass Gefahr droht. Ich kenne das aus dem Basketball. Dort ist es am Spielfeldrand oder auf dem Spielfeld einfacher. Spieler reagieren, wenn ich schreie. Sebastian Neumann hat mich in Magdeburg nicht gehört.
  11. Schon der Klärungsversuch von Sebastian Neuman, der zum Ausball führte, war der Anfang der Fehlerkette. Er hatte sich nicht entscheiden können zwischen präzisem steilen Pass und Ballwegschlagen. Es wurde irgendwas dazwischen, so dass der Ball zu nah am eigenen Tor ins Aus flog.
  12. Kurz darauf folgt ein Freistoß für Magdeburg nahe der Strafraumgrenze. Die Mauer bei diesem Freistoß stand nicht gut. Der Ball brauchte nicht viel Effet, um rechts dran vorbei zu fliegen. Magdeburg führte 2:1.
  13. Die Anforderungen an Kevin Wolzes Schusstechnik bei dem Freistoß zum 2:2-Ausgleich waren größer. Solche Freistoßtore kennen wir von ihm.
  14. Nach dem 2:2 entwickelte sich ein offenes Spiel. Ist meine Vereinsbrille der Grund dafür, dass ich den MSV mit leichten Vorteilen sah? Auf mich wirkten die Zebras spielerisch variabler als Magdeburg, sicherer im Ballbesitz, bissiger beim Stören der Gegenspieler.
  15. Jeder ruhende Ball für die Magdeburger machte mir Sorgen. Deshalb verzweifelte ich schon vor dem Eckstoß, der zum 3:2 führte über die Fehlentscheidung des Schiedsrichters. In welchem Winkel stand der Schiedsrichter zu Kevin Wolze und dessen Gegenspieler? Der Gegenspieler sprang nicht nur höher, sondern befand sich auch zwischen Wolze und der Torauslinie. Unabhängig vom TV-Bild schien es mir unmöglich zu sein, dass ein von Wolze berührter Ball auf direktem Weg ins Aus hat gehen können. Quasi überall um ihn herum war sein Gegenspieler, der von einem über Wolze kommenden Ball danach berührt werden musste.
  16. Ich habe keine Erinnerung an eine solche dichte Abfolge von Fehlentscheidungen der Schiedsrichter, die so spielbeeinflussend gewesen sind. Denkt nur nicht, dass ich damit die Niederlagen erklären will. Dennoch sind diese Fehlentscheidungen Mühlsteine angesichts der momentanen spielerischen Möglichkeiten des MSV.
  17. Die Ecke war die klassische Gegentor-Ecke der Zebras. Die erneute Führung der Magdeburger erschöpfte mich. Ich fügte mich ins Schicksal der Niederlage.
  18. Die Spieler des MSV fügten sich nicht in die Niederlage. Sie hielten an ihrem Plan fest. Die Mannschaft brach nicht in sich zusammen.
  19. Der Ausgleich zum 3:3 war verdient und gerecht. Im Moment des Ausgleichs kam ein wenig Glück hinzu. Denn Lukas Daschner drückte einen eroberten Ball ins Netz, der zuvor im Magdeburg Strafraum einmal herumgeflippert war. Das Glück hatte aber erarbeitet und erspielt müssen. Dem Glück zuvor gingen Glaube der Mannschaft an die Mischung von spielerischer Lösung und hohem Ball in den Strafraum sowie Gedankenschnelle von Lukas Daschner. Daschner musste erst einmal im rechten Moment am rechten Ort sein. Das ist Können und kein Glück.
  20. Im Stadion beim notwendigen Sieg gegen Regensburg werde ich die Anspannung leichter ertragen als vor dem Fernseher.

Alles Gute für 2018 mit Big Data von 2017!

Der Stig ist gestern aus Aarhus wieder zurückgekommen. Anders als in den letzten Jahren wollte er Silvester in Duisburg feiern. So sind Ralf, Der Stig und ich hier im Zebrastreifenblog zum ersten Mal gemeinsam vor Ort, um euch alles Gute für das neue Jahr zu wünschen. Es hat sich bewährt, den Fußballern und den Verantwortlichen im Verein unserer Zuneigung von diesen Wünschen einen großen Sack abzupacken und mit auf deren Weg zu geben. Im letzten Jahr hat der große Wünscheverwalter das sehr wohlwollend in Erfolge des Vereins umgewandelt.

Wie in den Jahren zuvor verbindet sich mit den Wünschen für das neue Jahr der Blick zurück auf die meistgelesenen Texte des letzten Jahres. Allerdings habe ich von nun an die Regeln geändert. Im Zebrastreifenblog gibt es nun zwei Beiträge außer Konkurrenz. Der Stig ist ja immer leicht erregbar und hatte schon rumgeschrien, ich soll die zwei Beiträge endlich löschen. Der Zebrastreifenblog sei ein modernes Medium mit  journalistischem Anspruch. So Katzenbilder könnten sich alle sonstwo hinstecken. Er meinte die BVB-Torten. Sie sind so was wie die Katzenbilder des Zebrastreifenblogs. Populärer als diese BVB-Fußballtorten waren wie in den hundert Jahren zuvor keine anderen Beiträge. Von nun an erhalten Die schönsten Fußballtorten der Welt Folge VI – Borussia Dortmund“ und Die schönsten Fußballtorten der Welt Folge XXV – Borussia Dortmund Teil 2″ nur noch eine namentliche Erwähnung. So können sie bei der Party dabei sein, aber still in der Ecke sitzend.

Der Stig hatte natürlich komplett vergessen, dass diese Tortenbilder auch einen nicht zu verachtenden Werbeeffekt haben. Der Mensch will visuell eingefangen werden, um ihn dann mit neuen Reizen so lange wie möglich auf der Plattform zu halten. Alles, was Facebook kann, kann ich viel besser. Denn ich mache es für den guten Zweck. Vielleicht findet der ein oder andere Leser von den Torten zu Worten mit Gewicht über den wirklich wichtigen Verein etwa in diesen Räumen hier.

Gerade dieses Mal gibt es unter den meistgeklickten Texten des letzten Jahres zwei, die vom eigentlich Sport hin zu grundlegenden Fragen unserer Gesellschaft führen.  Platz 5 belegt:  Mit welcher Botschaft weht eine türkische Fahne? Den Text habe ich nach dem letzten Drittligaspiel geschrieben. Die Spieler feierten Aufstieg und Drittligameisterschaft auf dem Rasen. Tugrul Erat legte sich dabei zunächst eine Fahne der Türkei um. Was für mich in Ordnung gewesen wäre, wenn die Fahne in jenen Wochen damals in Deutschland nicht von den Erdogan-Unterstützernn okupiert worden wäre. Sie war für mich nicht mehr das Staatssymbol. Das ließ sich natürlich auch anders sehen. Mein Text stieß leider nur bei Facebook eine Debatte an, und um diese Debatte ging es mir eigentlich. Öffentliche Debatte heißt Austauch von Argumenten und nicht Gegenüberstellen von Meinungen mit anschließendem Krakelen. Diese Argumente wurden damals ausgetauscht.

Für den drittplatzierten Beitrag des Vorjahres hoffte ich sehr auf Konstanz in der Klickhäufigkeit. Tatsächlich findet sich dieser Beitrag 2017 erneut in meiner Bestenliste, auf Platz 4, wieder. Über die Zeit habe ich den Text zweimal angepasst, denn das Buch über die Rettung des MSV im Sommer 2013 und die anschließende Zeit bis zum Wiederaufstieg zwei Jahre ist nun ein Jahr in Duisburger Buchhandlungen, beim Online-Oligarchen und eben mir weiterhin erhältlich. Also, erneut auf Wiederholung gehofft für: Jetzt bestellen – Mehr als Fußball. Das Buch über Duisburg im Sommer 2013 und den Wiederaufstieg des MSV. Und natürlich auch gerne noch bestellt, denn die zweite Auflage liegt weiterhin bereit.

Auf  Platz 3 findet sich der Spielbericht zum Heimspiel des MSV gegen Magdeburg: Wenn das Versprechen auf ein Spitzenspiel gehalten wird. Die Klickzahl ist auch mit Hilfe der Auswärtsfans erreicht worden. Sie hatten schon in Duisburg die Süd beeindruckend gefüllt und ihre Mannschaft so supportet, wie es bis dahin an der Wedau in den letzten Jahren meiner Erinnerung nach nicht geschehen war. Das Spiel endete Unentschieden, und wir dachten seinerzeit noch, wir hätten zwei mögliche Aufsteiger gesehen. Aufgestiegen ist dann ja doch nur die uns nächste Mannschaft unserer Zuneigung.

Platz 2 belegt: Der TSV 1860 München als Gegenbild vom MSV.  Auch hier spielte das Interesse der Fans aus München bei der Klickzahl eine Rolle. Für mich zeigten Insolvenz und Folgen bei 1860 noch einmal, welch besonderes Geschehen der Zusammenhalt im Sommer 2013 rund um den MSV in Duisburg gewesen ist. Denn Fans, die für ihren Verein einstehen, sind das eine. Das reicht aber nicht, um einen bedrohten Verein zu retten. Ohne all diejenigen, die mit dem MSV finanziell verbunden waren und sich ebenfalls für den Verein und Duisburg verantwortlich fühlten, wäre dieser Zusammenhalt ins Leere gelaufen.

Auf Platz 1 befindet sich ein Text, der uns hilft, den Zufall als Erfolgsprinzip im Leben zu akzeptieren. Nicht wegen seines Inhalts, wegen des besonderen Grunds für die Klickzahl. Die meisten Klicks des Jahres galten: Das ist mal eine Anekdote über die Bielefelder Alm. Den Text habe ich schon 2010 geschrieben. Populär wurde dieser Text sieben Jahre später, als im Forum der Frauenzeitschrift Brigitte die Frage aller Bielefeld-Fragen aufkam, warum die Alm wohl Alm heißt. So kam der Text zu später Popularität. 2010 hatte auch ich mal nachgesehen und mich über die  langweilige, recht beliebig wirkende Alm-Geschichte auf der Arminia-Seite amüsiert und gedacht, so eine Anekdote als Erklärung anzuführen, das kann ich unterhaltsamer. Gedacht, geschrieben und nun ist eine zweite Erklärung in der Welt, die manche Brigitte-Leserinnen und -Leser nun vielleicht für genauso wahr halten können wie jede andere Anekdote. Fake-News sind übrigens etwas ganz anderes.

Und nun der Blick nach vorne. 2018, wir im Zebrastreifenblog, wir sind bereit. Der Stig, Ralf und ich, wir werden auch in diesem Jahr einen Teil unserer Arbeitszeit in diesen Räumen hier verbringen und weiter vom neuen MSV-Gefühl schwärmen. Meine Art über den Fußball zu schreiben hat mich in dieser Saison immer wieder auch zu anderen Textformen geführt, weil ich viel von dem, was in einem Spiel über den Fußball hinausgeht, schon einmal gedacht und in Worte gebracht hatte. Die Spieltagslyrik als andere Form meines Schreibens machte mir große Freude, und manchmal stelle ich mir einen Mäzen vor, der es mir ermöglichte, eine Saison lang nach jedem Spiel ein Spieltagsgedicht zu verfassen; ein Spieltagsgedicht, das nicht schnell geschrieben werden muss, bei dem ich mir Zeit lassen kann, um formal und sprachlich noch anspruchsvoller zu sein, um jene Kunst zu schaffen, die so leicht daher kommt, dass sie den besten spielerischen Momenten des MSV entspricht. Mal sehen, wir auf den Rängen dürfen auch manchmal träumen.

Also, 2018, wir gehen ins Stadion, wir sehen uns, wir lesen uns. Klingt verdammt gut, 2018, so kann es weitergehen.

Wenn das Versprechen auf ein Spitzenspiel gehalten wird

20170224_174242_resizedFreitagsspiele der Dritten Liga beginnen üblicherweise um 19 Uhr. Das Spiel des MSV Duisburg gegen den 1. FC Magdeburg war für 18.30 Uhr angesetzt. Die Spiele der Zweiten Liga werden zu dieser Zeit angepfiffen. War der Karneval der Grund? Ein Drittligaspiel im Zweitliga-Kostüm? Letztlich führten die Einlasskontrollen bei den Gästefans zu Schlangen vor den Stadiontoren, und das Spiel begann erst um 18.45 Uhr – genau die Hälfte Strecke zwischen den beiden Anstoßzeiten der Ligen. Die Dritte Liga lugte im Zweitligagewand hervor.

Ich mag solch zufälligen Begebenheiten, die symbolisch aufladbar sind. Wahrscheinlich haben sich Drehbuchautor und Regisseur des Weltenlaufs gedacht, wir müssen an diesem Abend etwas ganz besonders deutlich machen. So viel wies bei diesem Spiel schon auf eine kommende Saison in der höheren Liga hin und gleichzeitig wurde die Gegenwart immer in Erinnerung gehalten. Auch das Spiel selbst blieb nicht durchweg auf dem hohen Niveau der ersten Halbzeit. In der zweiten Halbzeit wirkte das Zweitligakostüm etwas derangiert. Etwas, wohlgemerkt.

20170224_184428_resizedIn dieser ersten Halbzeit hingegen habe ich nach etwa 15 Minuten auf die Spielzeituhr gesehen und konnte es nicht glauben, wie kurz erst gespielt war. Das Spiel fühlte sich nach mindestens zehn Minuten mehr Spielzeit an, so hoch war das Tempo, so viel geschah auf beiden Seiten. Der MSV kombinierte sich Angriff um Angriff Richtung Magdeburger Tor, während die Magdeburger ihre Offensivaktionen meist mit schnellem Umschalten und anschließendem langen Ball für den Flügelwechsel versuchten. Diese Magdeburger Angriffe sahen zunächst gefährlich aus, weil die Spieler auf der anderen Seite manchmal recht lange unbedrängt Richtung Strafraum ziehen konnten. Torchancen ergaben sich dennoch nicht. Entweder störten die Zebras erfolgreich oder der Abschluss war zu ungenau.

Auch der MSV blieb ohne Tor, obwohl ich bei vier Angriffsaktionen die Arme schon halb hochgerissen hatte. Die größte dieser Chancen ergab sich aus einer schnellen Kombination über den rechten Flügel bei einem Konterspiel. Die Defensive der Magdeburger wurde stehen gelassen, als sei sie nicht vorhanden. Die Flanke kam hoch in den Lauf von Kingsley Onuegbu, der frei köpfen konne und es nicht schaffte, den Ball nach unten zu drücken.

Dieser Angriff war lehrbuchmäßig vorgetragen und die Enttäuschung war größer als bei den Aluminiumtreffern zuvor und später, weil von unserer rechten Stehplatzecke auf der Köpi aus die freien Räume in der anderen rechten Spielfeldhälfte so genau zu erkennen sind. Diese freien Bahnen liegen genau vor uns. Wenn dann die Spieler des MSV auf dem rechten Flügel das machen, was wir von unserer Stehplatzecke aus als Möglichkeit zur großen Chance erkennen, wächst die Hoffnung auf den Erfolg mit jeder Sekunde sehr viel mächtiger als bei jeder Spielaktion an einer anderen Stelle des Spielfelds. Im Grunde bin ich bei solchen Spielzügen der realen Spielzeit voraus. In meinem Kopf gibt es schon das flüchtige Bild des erfolgreichen Kopfballs, das erst durch den Ball zerstört wird, der über die Latte fliegt.

20170224_184655_burst01_resizedIn dieser ersten Halbzeit habe ich nicht nur auf ein Tor des MSV gehofft, ich habe den Fußball auf dem Rasen als gelingenden Sport genossen. Das können wir nicht oft über Spiele in der MSV-Arena sagen. Ich kann mich nicht daran erinnern, nach einem torlosen Unentschieden schon einmal derart zufrieden aus dem Stadion gegangen zu sein. Der klare Vorsprung als Tabellenerster trägt diese Zufriedenheit natürlich zusätzlich. Wir alle, die wir oft fast unser ganzes Leben mit dem MSV verbracht haben, machen in dieser Saison  immer wieder neue, ungewöhnliche Erfahrungen mit unserem Verein.

Diese erste Halbzeit fühlte sich sehr nach einer Zweitliga-Welt an. Nicht nur die spielerische Qualität beider Mannschaften war der Grund, der Gästeblock trug mit seinem Support dazu maßgeblich bei. Was dort auf der anderen Seite variantenreich und in großer Geschlossenheit zu sehen und zu hören war, zählt sicher zu den beeindruckendsten Auftritten von Gästefans in Duisburg.

20170224_194942_burst01_resizedIn der zweiten Halbzeit konnte der MSV das Spiel nicht mehr so bestimmen wie in den ersten 45 Minuten. Das Spiel war ausgeglichener. Zwar versuchten beide Mannschaften weiter, das Tempo hoch zu halten, doch kam es auf beiden Seiten nicht mehr zu wirklicher Torgefahr. Durch das höhere Tempo als in anderen Spielen erwarteten wir dennoch immer wieder eine Möglichkeit für den Torschuss auf beiden Seiten. Aber scheingefährlich war das Spiel nur in der zweiten Halbzeit.

Erst in den letzten fünf Minuten konnte der MSV noch einmal kontinuierlich die Magdeburger in die Defensive drücken. Gerade als wir uns auf die obligatorische Nachspielminute einrichten wollten, pfiff der Schiedsrichter ab. Dieser Pfiff kam plötzlich und unerwartet. Eingerichtet hatte ich mich noch nicht mit dem Ende des Spiels. So hing ich kurze Zeit in der Luft, ehe wieder diese Zufriedenheit zurück kam. Ein Spitzenspiel hatten wir gesehen. Manchmal stimmen Fußballsprachenstandards im wahrsten Sinn des Wortes.

Lesenswerte Worte aus Magdeburger Perspektive zu Anfahrt der Fans, Erfahrungen mit dem Sicherheitskonzept und natürlich zum Spiel selbst finden sich beim Blog Nur der FCM! – mit einem Klick.

Nur bis Donnerstagabend Karten für das Spiel gegen Magdeburg erhältlich

Gestern bin ich wieder mit jemandem ins Gespräch gekommen, der es noch nicht wusste: Eintrittskarten für das Heimspiel des MSV Duisburg gegen den 1. FC Magdeburg sind nur an den Vorverkaufsstellen bis Geschäftsschluss Donnerstagabend erhältlich. Online gibt es keine Karten. Die Tageskassen machen am Freitag nicht auf. Dieses Sicherheitskonzept wurde beschlossen, weil es Hinweise auf einen Hooligan-Zusammenschluss aus unterschiedlichen Städten Deutschlands gibt, der zusammen mit den Magdeburgern anreist. Mir geht es hier nur darum, diese Nachricht möglichst weit zu verbreiten. Die Vorverkaufsstellen finden sich mit einem Klick, weiter auf der Seite des MSV. Sie befinden sich über Duisburg verteilt, in Mülheim, Wesel, Moers, Voerde und Dinslaken.

Der FCM bringt Quote, während Zebras siegen

Wenn Fußballspiele uns die Welt erklären, freut sich der Sportsfreund. Denn eines hat uns dieser Spieltag gezeigt, der MDR berücksichtigt bei einer Konferenzübertragung die Popularitätswerte der beteiligten Ostvereine bei der Entscheidung, welches Spiel gerade gezeigt wird. Nicht die Spannung des Spiels gab der Senderegie das Signal zum Umschalten. Gerade in der zweiten Halbzeit war die hohe Führung des 1. FC Magdeburg in Wiesbaden von größerer Bedeutung als der knappe Rückstand von Rot-Weiß Erfurt gegen den MSV. Entsprechend wenig war vom Spiel der Zebras zu sehen. Erst zum Spielende hin konnten wir an den Bildschirmen uns einmal mehr die Gewissheit verschaffen, bei knapper Führung mal ein Tor nachzulegen, davon halten die Zebras nicht viel. Ein Urteil über die Spielqualität lässt sich aus dieser Übertragung aber kaum gewinnen.

2016-09-25_webradio_erfurtZumal ich sehr widersprüchliche Reportermeinungen zu hören bekam. Denn neben dem TV-Kommentar mit zunächst beruhigendem Fazit für die Zebras gönnte ich mir in den FCM-Auszeiten der TV-Konferenz das aufgeregt-fatalistische Reporter-Duo vom RWE-Radio. Was zwischenzeitlich sehr an meinen Nerven zerrte, weil die Hoffnung auf den Ausgleich sämtliche Andeutungen einer entstehenden RWE-Chance vor allem den Jüngeren der beiden jeweils in kurzzeitigen Optimismus-Überschwang versetzte. Wieviel Großchancen ich im Entstehen dachte, weil ein RWE-Offensivpass auf den Flügel ankam, weiß ich gar nicht mehr. Aber ich tappte jedes Mal aufs Neue in die Falle. Kurz nach dem dann missratenen Angriff sackte der Kollege in sich zusammen und beklagte die drohende Niederlage mit leisem Wehgesang. Sehr sympathisch, aber für uns in Duisburg gesundheitsgefährdend.

Wer sich vom gesamten Spiel ein Bild machen konnte, kann von keiner überzeugenden Leistung des MSV berichten. Unverdient war der Sieg aber wohl auch nicht. Für uns TV-Zuschauer begann der MSV jedenfalls mit dem deutlichen Willen, das Spiel zu gewinnen. Die Mannschaft übernahm die Spielkontrolle, ohne sich klare Torchancen zu erarbeiten. Wie sich das Spiel dann weiter entwickelte, konnten wir an den Spielzügen des 1. FC Magdeburg leider nicht ablesen. Die Webradio-Reporter waren in dieser ersten Halbzeit mehr um drohende Verletzungsausfälle ihrer RWE-Elf besorgt und dachten fatalistisch an mögliche Niederlagen. Was einen Anhänger des MSV natürlich erst einmal entspannte.

Das Führungstor durch Simon Brandstetter erinnerte uns daran, wie erfolgreich auch Stürmer des MSV im Strafraum sein können. Diese Spielaktion war fürs Fußball-Lehrbuch gemacht. Ein wunderbarer Pass in den Strafraum auf Simon Brandstetter, der, mit dem Rücken zum Tor stehend, den Ball in der Drehung technisch perfekt mitnimmt und dann frei vor dem Torwart steht. Erneut musste ich mich danach den Webradio-Reportern anvertrauen, die mit ihrer Hoffnung auf den Ausgleich meinen Blutdruck in die Höhe trieben.

Als endlich wieder TV-Bilder zu sehen waren, konnte ich die Aufgeregtheit in Erfurt einordnen. Zwar hatte es zuvor einmal einen Pfostenschuss der Erfurter gegeben, doch sah ich nun, die Reporter-Stimmen erhoben sich inzwischen schon bei jedem Steilpass der Erfurter über die Mittellinie. Wirklich gefährdet wurde der MSV nicht mehr. Der Glücksausgleich kann natürlich immer fallen. Deshalb wäre einmal mehr das zweite Tor für die Zebras schön gewesen. Es fiel nicht, selbst als Tim Albutat etwa fünf Minuten vor dem Schlusspfiff noch die Luft hatte, um nach einem Rückpass der Erfurter deren Torwart anzulaufen und ihn unter Druck zu setzen. Der Torwart-Versuch eines Passes missriet, und der Ball landete bei Stanislav Iljutcenko etwa 25-30 Meter vom Tor entfernt. Das Tor war leer, doch der sofortige Schuss von Iljutcenko ging über das Tor. Das Zittern in den letzten Minuten wäre uns erspart geblieben. Davon ab sind wir zurück im Favoriten-Leben.

Vorspiel Rot-Weiß Erfurt vs MSV Duisburg – Historische Bewegtbilder vom Heimverein

Vor dem Auswärtsspiel des MSV in Erfurt habe ich mir zum Zeitvertreib ein paar Clips mit Spielen von Rot-Weiß Erfurt aus der Vorwendezeit angesehen. Für Freunde historischer Bewegtbilder des Fußballs hat rrrstorage eine Menge Schätze aus DDR-Oberliga-Zeiten hochgeladen. Auch auf überraschendem Terrain sich nicht mit dem üblichen Vorgeplänkel von Aufstellung und Vorsätzen zu beschäftigen, sondern das Fremde kennenlernen und sich darin üben, kann ja nicht schaden.

Daten zu den den Spielen habe ich nicht weiter recherchiert. Das überlasse ich den Vereinshistorikern, und wie der Torschütze des 1:0 beim Spiel von Rot-Weiß Erfurt gegen den FC Magdeburg heißt, darauf hätte man bei den Platzverhältnissen selbst kommen können, oder, Herr Winter?

Im nächsten Clip ist die Anmoderation großartig. Diesen Ton aus fernen DDR-TV-Zeiten hören wir noch immer in jeder Morgenandacht gerne, ganz zu schweigen davon, dass in denselben Jahren die Wort-zum-Sonntag-Pfarrer und -Pastöre der BRD das  auch gut drauf hatten: Das beispielhafte Geschehen folgt einem großen Ganzen.

 

Und damit wir in Duisburg eine gute Ausgangslage für den Sonntag haben, will ich mit zwei Heimniederlagen für Rot-Weiß Erfurt enden. Zwar hat der MSV nicht einen solch einflussreichen Gönner wie der BFC Dynamo seinerzeit mit Stasi-Chef Erich Mielke, der Siege der Mannschaft seines Herzens in der DDR wahrscheinlicher machte. Dafür gibt es ja eine schon mehrmals gesehene spielerische Qualität der Mannschaft, zu der sie gegen Erfurt mal wieder zurückfinden könnte.

 


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