Seit letzten Dienstagabend weiß die Öffentlichkeit, für den MSV Duisburg geht es ums Überleben. Zuvorderst geht es um das Weiterbestehen von Fußball auf professionellem Niveau in Duisburg. Es geht aber auch um ein Kulturgut der Stadt. Es geht um das Zugehörigkeitsgefühl vieler Menschen. Es geht für die Stadt und für die Anhänger um Identität. Außerdem geht es um Geld, das Investoren verlieren können. Es geht um Arbeitsplätze rund um den eigentlichen Sport. Die drohende Insolvenz ist also ein vielschichtiges Thema, über das man sich besser nicht in den lokalen Printmedien informiert.
Halt, ich will genauer sein, weil mich auch die fehlende Genauigkeit in den seit Dienstag erschienenen Artikeln zur Finanzsituation ärgert. Genauer sein, das heißt in dem Fall, ich empfehle die Berichterstattung in der Rheinischen Post als einigermaßen neutral und faktenbasiert. Dort ist das Bemühen bemerkbar, ein komplexes Thema zunächst mit Fakten angereichert darzustellen. Selbst wenn direkt nach dem Rücktritt von Andreas Rüttgers auch dort Sätze in den Artikel eingestreut wurden, die Stimmung machen, weil sie nur vermeintlich argumentativ unterfüttert sind. Als es etwa anfänglich um die Forderung nach mehr Unabhängigkeit für die Kapitalgesellschaft gegenüber dem eingetragenen Verein ging, hieß es: „Die Bundesligavereine machen es vor. Dort hat kein Verein eines Klubs derart viel Mitsprache gegenüber der KGaA.“
Ich nehme nicht an, dass die Journalistin sämtliche Verträge jener Vereine nachgeprüft hat, die diese Organisationsform in der Bundesliga aufweisen. Da hätte sie tief in die Materie einsteigen müssen, ohne Zeit dafür zu haben. Hinzu kommt, nicht alle Bundesligavereine haben diese Organisationsform. Es gibt tatsächlich auch noch Bundesligavereine, in denen der gemeinnützige Verein auch das geschäftsführende Organ für den Profibetrieb ist. Bei Wikipedia findet sich in dem Artikel zur „50+1-Regelung“ eine Auflistung der unterschiedlichen Organisationformen der Bundesligaklubs. Das Argument nirgendwo sonst ist es so wie in Duisburg, entpuppt sich also als heiße Luft. Solche Sätze wie der zur reformbedürftigen Organisationsstruktur folgen der von der Investorengruppe gesteuerten Deutung des Geschehens. Und um diese Deutung dreht sich im Kern die Berichterstattung. Wie ist zu bewerten, was da gewollt wird?
Ich stelle mir vor, eigentlich müsste man die Berichterstattung über das Geschehen so beginnen: Es gibt Finanzprobleme beim MSV Duisburg, weil die laufenden Kosten schon seit langer Zeit höher sind als die Einnahmen. Nun kommt eine Investorengruppe und bietet Geld an. Damit die Investorengruppe Kontrolle über die Verwendung des Geldes hat, ist die Bedingung, Einfluss auf die Geschicke des ausgelagerten Profibetriebs. Dazu soll der Verein auf Einfluss verzichten. So weit, so verständlich.
Nun wäre es die Aufgabe des Lokaljournalismus auf ein paar weitere Fakten hinzuweisen, die nicht ganz so offensichtlich sind, die aber wichtig für die Bewertung des Geschehens sind. Zuvorderst wäre anzumerken, da gibt es besagte 50+1-Regel, die seitens des DFB den Einfluss des Vereins auf den Profibetrieb sichern soll. Dagegen darf nicht verstoßen werden. Darüber hinaus wäre der Hinweis nicht schlecht gewesen, wenn die Investorengruppe mehr Einfluss möchte, gehört mit Walter Hellmich jener Mann dazu, dessen strategische Entscheidungen zu dem Defizit des MSV Duisburg beigetragen haben. Die gerade im Reviersport so deutlich inszenierte Wirklichkeit von professionellen Wirtschaftsfachleuten gegenüber eitlen amateurhaften Vereinsfunkionären erweist sich bei näherem Hinsehen also als Karikatur der Wirklichkeit. Ich will zugunsten des Journalisten sogar annehmen, dass es diese Eitelkeiten auf Vereinsseite tatsächlich hin und wieder gibt, aber wo wurde Profibetrieb durch den Verein behindert? Das ist interessant zu wissen, gesagt wird es nicht.
Natürlich müssen Hierarchien der Entscheidung vorhanden sein, doch das Ausspielen des Profibetriebs gegen den Verein führt in die falsche Richtung. Gerade Vereine wie der MSV Duisburg leben vom Mythos ihrer Geschichte. Diesen Mythos zapft das Wirtschaftsunternehmen Profibetrieb vom Verein an. Gleichzeitig muss ein professionelles Arbeiten möglich sein. Dazu braucht es Strukturen. Die muss man schaffen, wenn sie nicht vorhanden sind. Ob sie nicht vorhanden sind, kann ich als Leser der Printmedien nicht entscheiden. Deshalb ist auch nicht zu bewerten, was die Forderung nach mehr Einfluss bedeutet. Es ist unlauter, wenn Journalisten diese Bewertung vornehmen, ohne dazu Fakten zu liefern.
Im Grund geht es im Moment auch um die Deutung der Hellmich-Ära und damit um die Verlagerung der Verantwortung für die wirtschaftliche Situation. War er ein erfolgreicher Präsident oder war er es nicht? Dass es darum geht, zeigt auch sein Auftritt gestern Abend in der Lokalzeit Duisburg des WDR. Hier gibt es ihn in der Mediathek noch eine Woche einen Klick weiter, Sendung vom 19.11. Wieso kommt er zum Studiogespräch? Das ist Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache, weil er zum Gesicht der Investorengruppe wurde. Was er sagte, mag im Wortlaut stimmen, die Kritik an ihm lässt das nicht verstummen. Natürlich verdient er am Stadion des MSV Duisburg im Moment kein Geld. Natürlich sind die Mieteinnahmen ein durchlaufender Posten für Zinsen und Tilgung. Aber wenn ich Vertrauen in mein Handeln schaffen will, kann ich die Schwierigkeiten nicht auf die Schultern meiner Nachfolger abladen und behaupten, ich hätte in achteinhalb Jahren erfolgreich gearbeitet.
Diese zwei Nachfolger, Dieter Steffen und Andreas Rüttgers, haben eine Finanzsituation übernommen, die sich in der Verantwortung von Walter Hellmich entwickelt hat. Dafür war die Fehlkalkulation, der MSV wird dauerhaftes Mitglied in der ersten Liga“ verantwortlich. Die Miete für das Stadion ist in der 2. Liga nicht zu erwirtschaften. Warnungen vor dem jetzt eingetretenen Szenario gab es schon lange vor dem Rücktritt von Walter Hellmich. Seine Stellungnahme befeuert nun die Befürchtungen, erneut ginge es nur um das vorübergehende Beheben der Liquidtätsschwierigkeiten, ohne das Grundproblem in den Griff zu bekommen. Vertrauen schaffen für die Investorengruppe sieht also anders aus. Um dieses Vertrauen geht es aber, weil über die Vereinbarungen zwischen den Vertretern der Investorengruppe und dem Aufsichtsrat des eingetragenen Vereins die Vereinsmitglieder entscheiden.
Jetzt hat es mich weggetragen von der anfänglichen Medienkritik zur Zukunft des MSV Duisburg. Die liegt mir anscheinend doch etwas mehr am Herzen.
Nachtrag: Nun rundet es sich doch noch mit der Medienkritik: Mit den unterschiedlichen Meinungen in der Investorengruppe über den Weg zur Rettung gibt es einen weiteren Beleg, wie sehr die anfänglichen Darstellungen von Gut und Böse vor allem in Reviersport und WAZ an der Wirklichkeit vorbei gingen. Die Beteiligten sehen unterschiedliche Wege, und nichts anderes hatte Andreas Rüttgers als Vereinsvertreter auch im Sinn, einen anderen Weg. Wie all diese Wege zu bewerten sind, dazu fehlen letztlich Fakten. Da lässt sich trefflich spekulieren.
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