Als ich die Fahrkarte für den ICE nach Berlin gekauft habe, hatte ich es mir so ausgemalt. Niederlage gegen den FC längst abgehakt. Das eine entscheidende Spiel gegen Ingolstadt gewonnen. Ich fahre zwischendurch mal nach Berlin, höre mir was an, damit ich Jugendlichen irgendwelche Zertifikate ausstellen kann, die ihnen irgendwelche Chancen eröffnen sollen im Wettlauf mit der Konkurrenz, die ebenfalls mit irgendwelchen Zertifikaten bei Arbeitgebern auf der Matte stehen. Das Zertifikatspatt. Samstag dann Unentschieden beim Lieblingsauswärtsgegner Paderborn. Die Welt sah gut aus.
Jetzt werde ich gleich im ICE sitzen. Ich werde auch das Nachholspiel gegen den FC nicht sehen können und ich kann nicht glauben, dass sich an den Möglichkeiten der Zebras in einem Spiel ein Tor zu erzielen, etwas ändern wird. Allenfalls glaube ich daran, es ändert sich an den Möglichkeiten ein Tor zu verhindern mit der Rückkehr von Gerrit Nauber wieder etwas. Doch selbst dazu braucht es gegen einen Gegner wie den 1. FC Köln zusätzliches Glück. So viel Glück benötigt der MSV für den Erfolg. Ich seufze.
Eine weitere Hürde sei aufgetaucht. so nennt Thorsten Lieberknecht zudem den Sieg der Magdeburger gegen Hamburg. Wenn man dieses Bild genau weiterdenkt, gibt es ja nicht mal die Möglichkeit, sich an dieser Hürde zu versuchen. Genau das ist das Problem des MSV. Es tauchen immer mehr Hürden auf, die nicht mal mehr eingerissen werden können. Die stehen einfach da, als seien sie vorsichtshalber aufgestellt.
Dennoch kann ich einen Abstieg noch nicht akzeptieren. Ich suche nach Hoffnung, nach Ablenkung und habe die Bläck Fööss mit einem ihrer nicht so bekannten Lieder gefunden. Ein Stück aus dem Jahr 1993, ein schönes tröstendes Stück für einen FC in der Niederlage. Beim Gedanken daran komme ich mir vor wie auf einer Wallfahrt nach Lourdes. Ich glaube nicht an Wunderheilung. Aber da ich gerade dran vorbeikomme, es schadet ja auch nichts, wenn man nicht dran glaubt, sich alles ansieht und versucht, die verbleibende Zeit auf angenehme Weise zu verbringen. Und wenn das Wunder doch passiert, um so besser. Es wäre schön, wenn die Kölner heute so im Tag wären wie Tommy Engel, der in so einem Fall dann in die Badewanne geht. Für den Tross aus Köln würde ich alle Badewannen sogar höchstselbst einlaufen lassen.
Im Netz findet sich eine erste Sammlung von Clips, die nach meinem persönlichen Eindruck vom Montag weitere Eindrücke von Birlikte 2015 vermitteln. Meist wurden die auftretenden Musiker kurz gefilmt, zwei reportageartige Impressionen habe ich aber auch gefunden. Die Clips mit den Musikern habe ich ungefähr in der zeitlichen Abfolge der Auftritte auf all den Bühnen geordnet. Nach und nach werden sicher noch mehr Clips hochgeladen. Wer immer auch hier vorbeikommt und einen weiteren Clip kennt, ist eingeladen, einen Hinweis im Kommentar zu geben.
In meiner ganz eigenen Heimatstadt grenzt das rechtsrheinische Köln direkt an Duisburg. Der Weg von einem Viertel ins andere ist kurz für mich. Ich bin ein kölscher Duisburger, ein Duisburger Kölner. Ich bewege mich in zwei Vierteln, deren Lebensweisen in vielen Dingen von unterschiedlicher Kultur geprägt sind. Weil dieses Duisburg und das Ruhrgebiet mir viel bedeuten, sieht jeder der mich näher kennenlernt, aber vor allem den Duisburger in mir. In Köln frozzeln mich Freunde an, wenn es um den Pott geht und um Duisburg im Speziellen. Ich stehe als Mensch für die Region. Wenn Duisburg überregional Schlagzeilen macht, bin ich sofort angesprochen und meine Meinung ist gefragt. Wenn der MSV Duisburg verliert, bekomme ich milden Spott ab. Wenn die Loveparade immer noch nicht juristisch aufbereitet ist, wird von mir weitergehende Information erwartet.
Den türkischstämmigen Deutschen wird so etwas bekannt vorkommen. Sie stehen als Deutsche auch noch für etwas anderes. Dabei kommt es mir beim Blick auf mein eigenes Umfeld – auf Freunde, Nachbarn und Bekannte – so vor, trotz aller Probleme geht es vielen Deutschen mit türkischen Wurzeln längst schon so wie mir in Köln. Vielleicht verlagern sich Schwierigkeiten seit einiger Zeit auf Menschen anderer Herkunftsländer, dennoch halte ich es für wichtig, den Blick auch auf dieses Gelingen von Zusammenleben zu werfen bei allem Bewahren von Unterschiedlichkeit.
Gestern gehörte für mich die Neuauflage von Birlikte– Zusammenstehen, Zusammenleben zu solch einem gelingenden Zusammenleben. Im letzten Jahr war das Kunst- und Kulturfest zum 10. Jahrestag des Nagelbomben-Attentat in der Kölner Keupstraße zunächst als einmalige Veranstaltung geplant gewesen. Doch angesichts von Pegida und extremistischem Terror aller Ideologien im letzten Jahr gab es nun eine Wiederholung des Kunst- und Kulturfestes, um gegen „Intoleranz und Fremdenhass, gegen religiösen und nationalistischen Terror jedweder Couleur“ ein Zeichen zu setzen und gemeinsam einzustehen „für eine offene und friedliche Stadtgesellschaft“.
Gemeinsamkeit ist nicht einfach da. Sie wird von uns geschaffen in Momenten zufriedenen Beisammenseins. Wer viele solcher Momente erlebt, wird Konflikte besser aushalten. Er wird wissen, warum es sich lohnt, im Streit unangenehme Gefühle zu erleben, die Menschen für einige Zeit auseinander bringen. Deshalb sind solche Feiern der Gemeinsamkeit für eine Stadtgesellschaft so wichtig. Gestern war diese Gemeinsamkeit auf und vor den vielen Bühnen zu erleben. Es war gut, dort gewesen zu sein. Als Duisburger Kölner unterschied sich mein Vergnügen nicht von dem anderer Kölner, die Wurzeln in so vielen unterschiedlichen Kulturen und Nationen haben.
Teil dieses Vergnügens war die nicht erwartete Begegnung mit der Duisburger Heimat in Person von Peter Bursch und seiner Frau Marita, die als „Fründe“ der drei Bläck Fööss, Bömmel Lückerath, Hartmut Priess und Peter Schütten, auf der Bühne standen.
Das Fööss-Lied „Unser Stammbaum“ hätte gleichsam Motto-Lied des Kulturfestes sein können – zumal es nach der Fassung auf Kölsch auch noch auf türkisch gesungen wurde. Im Netz findet sich dieser Mitschnitt von der kölschen Fassung:
Vorsichtshalber gibt es für alle, die nicht nur beim Türkischen wenig verstehen, auch noch den kölschen Original-Text mit Übersetzung an den schwierigeren Stellen. Bei weiteren Verständnisschwierigkeiten, kläre ich gerne weiter auf.
Ich wor ne stolze Römer, kom met Caesars Legion,
un ich ben ne Franzus, ich kom mem Napoleon.
Ich ben Buur, Schreiner, Fescher, Bettler un Edelmann,
Sänger un Gaukler, su fing alles aan.
Refrain:
Su simmer all he hinjekumme,
mir sprechen hück (heute) all dieselve Sproch.
Mir han dodurch su vill jewonne.
Mir sin wie mer sin, mir Jecke am Rhing (Rhein).
Dat es jet (etwas), wo mer stolz drop sin.
Ich ben us Palermo, braat (brachte) Spaghettis für üch met.
Un ich wor ne Pimock (Flüchtling aus Ostgebieten nach 2. WK),
hück laach ich met üch met.
Ich ben Grieche, Türke, Jude, Moslem un Buddhist,
mir all, mir sin nur Minsche, vür‘m Herjott simmer glich
Su simmer all he hinjekumme,
mir sprechen hück all dieselve Sproch.
Mir han dodurch su vill jewonne.
Mir sin wie mer sin, mir Jecke am Rhing.
Dat es jet, wo mer stolz drop sin.
De janze Welt, su süht (sieht) et us,
es bei uns he zo Besök.
Minsche us alle Länder
ston bei uns hück an de Thek.
M‘r gläuv, m‘r es en Ankara, Tokio oder Madrid,
doch se schwade (sprechen) all wie mir
un söke (suchen) he ihr Glöck.
Su simmer all he hinjekumme,
mir sprechen hück all dieselve Sproch.
Mir han dodurch su vill jewonne.
Mir sin wie mer sin, mir Jecke am Rhing.
Dat es jet, wo mer stolz drop sin.
Su simmer all he hinjekumme,
mir sprechen hück all dieselve Sproch.
Mir han dodurch su vill jewonne.
Mir sin wie mer sin, mir Jecke am Rhing.
Dat es jet, wo mer stolz drop sin.
Die türkische Fassung und auf der Saz gespielt gibt es im Netz (noch) nicht in voller Länge. Zudem habe ich den Namen des Interpreten vergessen. Wer nachreichen kann, gerne!
Der türkische Text kann außerdem gerne unten vervollständigt werden. Und ein paar Fotos habe ich auch noch.
Neueste Kommentare