Vier Tage war ich aus der Welt gefallen. Zur einzigen Verbindung mit dem, was diese Welt interessiert, wurde auch bei mir am Samstagabend das Finale der Champions League. Nun bin ich wieder in der Welt, vernetzt und muss mal eben im Gefühl des sicheren Abstands ein paar Worte zu den Reaktionen auf die Niederlage des FC Bayern München gegen den Chelsea FC los werden.
Natürlich ist so eine Niederlage bitter, wenn eine Mannschaft überlegen gespielt hat. Natürlich wird sie bitterer, wenn ein Sieg ein gewisser Ausgleich für zuvor erlittene Niederlagen in Bundesliga und DFB-Pokal gewesen wäre. Und natürlich ist es bitter, diese Niederlage bei einem Finalspiel im eigenen Stadion hinnehmen zu müssen. Aber wenn ich von Karl-Heinz Rummenigges Worten bei der Bankettrede lese, diese Niederlage sei bitterer als die im Finale des Jahres 1999 gegen Manchester United, bin ich erstaunt. Mich hätte diese Niederlage von 1999 in einem Doppelschlag nach der regulären Spielzeit fassungsloser gemacht als jene in diesem Jahr, bei der schon recht schnell deutlich wurde, es kann für den FC Bayern München ganz schlecht laufen. Das Finale erinnerte doch schon nach wenigen Minuten an das Halbfinale von Chelsea gegen den FC Barcelona.
Gefühle sind Gefühle. Karl-Heinz Rummenigge kann niemand sein Empfinden wegreden. Für mich ist dieses Empfinden aber ein Zeichen, wie Karl-Heinz Rummenigge und die Führung dieses Vereins diese Niederlage mittragen. Ich glaube, sie fühlen sich weniger verantwortlich, als sie sich fühlen müssten. Sie tun ja alles aus ihrer Sicht. Sie kaufen gute Fußballer, entlassen und verpflichten Trainer zur rechten Zeit. Mehr können sie ja gar nicht tun. Glauben sie wahrscheinlich. Und liegen falsch.
Wer die Niederlage des FC Bayern München gegen Chelsea tatsächlich als bitterer empfindet, muss blind gewesen sein für die Möglichkeit dieser Niederlage. Unerwartete Niederlagen können im Fußball immer geschehen. Auf mich macht es den Eindruck, als gebe es beim FC Bayern München durch die Haltung der sportlichen Verwaltung vorgegeben keinen produktiven Umgang mit negativen Gefühlen bei Niederlagen. Diese Niederlage hat deshalb auch etwas mit den zweiten Plätzen in Bundesliga und DFB-Pokal zu tun.
Wieso sollte der FC Bayern nicht eine ungerechten Niederlage im Finale erleiden? Wieso klingt die Trauer in München nun nach Aufbäumen gegen die Wirklichkeit und nach Nicht-Wahr-Haben-Wollen? Das ist für mich der Knackpunkt dieses in München so empfundenen Komplettversagens in dieser Saison. Dieser Verein hätte gemeinsam mit den Fans am nächsten Tag auf dem Marienplatz trauern müssen. Doch dieser Verein war längst zu sehr mit dem Gewinn dieser Champions Leaque beschäftigt, als dass an so ein gemeinsames Trauern – und damit bewältigen – anscheinend überhaupt gedacht wurde.
Dieser auf Bewältigungsstrategien und damit auf die Psyche des Vereins bezogene Gedanke lässt sich aber noch in einer anderen Perspektive wiederfinden. Fußball ist ja ein schillerndes Phänomen der Gegenwart, Teil der Unterhaltungsindustrie und Kulturgut zugleich. Und in dieser Richtung weiter nachgedacht, erweist sich der Fußball des FC Bayern München trotz aller emotionalen Bedürfnisse nach Erfolg von Uli Hoeness als reines Unterhaltungsangebot. Und so ein Unterhaltungsgebot kennt kein Scheitern. Wer scheitert, versagt am Markt. Das ist die wahre Botschaft hinter dieser Niederlage.
Ich bedauer all die Anhänger dieses Vereins, die dort tatsächlich auch das Kulturgut Fußball suchen. Wir wissen alle, man kann sich die Anhängerschaft nicht unbedingt aussuchen. Aber nach der Niederlage wäre es am Sonntag ein würdiges gemeinsames Trauern auf dem Marienplatz geworden. Da bin ich mir sicher. Es hätten nicht einmal alle Spieler dabei sein müssen. Der Verein hätte nur da sein müssen. Diese Trauer um die Niederlage hätte einfach nur einen Ausdruck gebraucht. Sie hat sie nicht gefunden. Ich glaube, diese Haltung gegenüber Niederlagen im Verein hat bei dieser letzten Möglichkeit des allein gültigen Erfolgs zur Niederlage beitragen. In so einem Fall versagen schon mal die Nerven. Wenn einfach alles, aber auch alles von einem einzigen Torschuss abhängen soll.
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