Renate K.-K. (*1934)
Vom MSV habe ich das erst Mal gehört, als ich bei Dislich angefangen habe zu arbeiten. Da war ich Anfang 20. Irgendwann habe ich mitbekommen, dass mein Chef Vorsitzender des MSV war. Da wusste ich aber noch gar nicht, was das bedeutet. Den MSV habe ich mir dann erst so vorgestellt, wie die Mannschaft, die wir zu Hause vom Schlafzimmerfenster aus immer sehen konnten, Wacker Meiderich, Männer, die Fußball spielten mit einem Trikot an. Ich hatte ja keine Ahnung, dass es überhaupt Unterschiede in den Spielklassen gab. Weder mein Vater noch sonst einer in der Familie hat sich ja für Fußball interessiert.
Ich habe dagegen mir schon mal öfter vom Fenster aus Spiele von Wacker angeguckt. Das hat mich interessiert. Dann bin ich auch schon mal runter zum Platz gegangen. Ich kannte ja auch einige, die da gespielt haben, aber so richtig begeistert hat mich das nicht. Beim MSV wurde das dann anders. Die haben natürlich auch viel höher gespielt. Wacker, ich schätze mal das war Kreisklasse damals, höher auf keinen Fall, das war nicht schön anzusehen. Ich bin dann auch meist schnell wieder weggegangen. Beim MSV konntest du ja wirklich sehen, wie Fußball gespielt wurde. Das durftest du den Wackeranern aber nicht sagen. Da waren die beleidigt. Aber einen tollen Torwart hatten die, der hat gut gehalten. So viel ich weiß, ist der nachher zu 06 gegangen, Meiderich 06. Das mit Wacker, das muss direkt nach dem Krieg gewesen sein. Der Platz musste da erst von den Trümmern geräumt werden, und dann ist der erst wieder bespielbar gewesen.
Mit dem MSV dann, da bin ich dann mehr oder weniger rein gewachsen. Zu der Zeit war der Herr Kempkes, einer der Chefs von Dislich, erster Vorsitzende vom MSV. Und der hat dann oft über den MSV geredet oder wir haben schon mal Sachen geschrieben, welche Reporter dann zu dem Spiel kamen und wer nach einem Interview fragte. Montags kamen auch oft die Spieler zum Betrieb. Die kamen ins Büro und wir haben mit denen geredet. Es gab Kollegen bei Dislich, die waren auch sehr engagiert beim MSV. Zwei davon hatten die Kasse, die waren die Kassierer. Und dadurch bin ich da reingerutscht. Bevor ich das erste Mal im Stadion war, habe ich das Drumherum kennen gelernt. Die Spieler haben sich mit uns dann unterhalten und letztlich wollten die ja zu Herrn Kempkes. Die Spieler haben ja damals, so wie ich das mitbekommen habe, überhaupt kein Geld gekriegt. Und dann haben die wahrscheinlich Sachen, die Dislich verkauft hat, gekriegt. Wir hatten damals Tonerdeschmelzzement, der unheimlich schnell gebunden war. Den musste man sofort verarbeiten. Und teilweise hatten die ja schon Häuser. Fliesen, Dachziegel normale Platten, alles hatten wir ja. Nachher als ich dann älter war und wusste, wie das alles so lief, da ist mir das dann alles erst zu Bewusstsein gekommen.
Ich habe dann mal einen der Kassierer gefragt, ob man denn einfach so zum Platz gehen könnte. Nee, haben die gesagt, da kannst du nicht einfach so hingehen, da musst du schon Eintritt bezahlen. Ach so, sage ich, ich wollte mal mit meinem Cousin dahin. Der war damals zehn oder zwölf Jahre. Ja, und dann habe ich die Karten immer gekriegt, und wir sind dahin gegangen und haben dann auch immer Tribüne gesessen.
Wir sind von Berg aus gelaufen. Vohwinkelstraße entlang, von-der-Mark-Straße und dann Westender Straße. Vom Meidericher Bahnhof aus wurde es Richtung Stadion immer voller. Das war so, wie wenn ich zur Beecker Kirmes gegangen bin. Wenn ich da von weitem die Kirmesmusik gehört habe, da wurde ich auch immer so nervös, und so nervös wurde ich dann auch, wenn da die ganzen Leute kamen, die dann auch zum Platz wollten. Da wurde ich auch total rabbelig. Vor dem Spiel war dann immer so eine aufgeladene Stimmung. Die Leute sind erregt und haben Freude das Spiel zu sehen und wünschen natürlich, dass der MSV gewinnt. Diese Atmosphäre spürt man. Und wenn die Spieler aufliefen, war die Stimmung schon da.
Das war schön, das muss ich schon sagen. Wir haben dann da gesessen und unten in den vorderen Reihen saß manchmal Kurt Brumme. Den habe ich richtig angehimmelt. Der hatte ja so eine schöne Stimme, so dunkel. Der war nicht bei jedem Spiel, die anderen Reporter haben mich nicht interessiert. Da habe ich auch noch das Bild im Kopf, der Herr Kempkes, das war ein relativ kleiner Mann, und der Kurt Brumme hat den interviewt. Dieser Größenunterschied. Kurt Brumme war ja so ein großer Mann.
Teilweise sind wir auch zu Auswärtsspielen gefahren. Da kann ich mich erinnern, da bin ich mit Kollegen von Vollmer drüben, von dem Kalksandstein-Werk, los. Der zweite Chef, der Herr Dislich, hatte ja auch das Kalksandstein-Werk. Da bin ich mit den zwei Kollegen auf Schalke gewesen. Ich muss sagen, ich hatte ja nur die MSV-Brille auf, und ich wusste nicht, dass Schalke auch blau-weiß war. Und wir stehen zwischen blau-weißen Leuten und ich denke, das sind alles MSV-Anhänger. Und wie ich so war, ich konnte mich nie zurückhalten. Ich war ja wütend, wenn die Spieler gefoult wurden und der Schiedsrichter nicht gepfiffen hat. Als ich das erste Mal da auf die Barrikaden ging, habe ich mich gewundert. Weil ich mich alleine so aufgeregt hatte. Und als das dann das zweite Mal passierte, dann kamen die Kollegen und sagten leise: „Renate, halte bitte deinen Mund, wir stehen mitten im Schalke-Klub.“ Dann habe ich mich dann doch zurück gehalten. Wenn die zwei kräftigen Männer schon Angst hatten, was zu sagen.
Nur der Vollständigkeit halber: Beim Gegenrecherchieren der Fakten bin ich auf einen Fehler in dem Buch „Im Revier der Zebras“ von Gerd Dembowski, Dirk Piesczek und Jörg Riederer gestoßen. In dem Buch wird auf Seite 330 in der Liste der Präsidenten des MSV Duisburg der oben erwähnte Hans Kempkes als Hans Kempers geführt für die Jahre 1949 bis 1955.
Und ab ins Fan-Gedächtnis.
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