Wer mit einem Spiel genügend Anschauungsmaterial dafür haben möchte, warum der MSV diese Saison absteigen wird, kann sich das 2:2-Unentschieden gegen Arminia Bielefeld ansehen. Ich schreibe absteigen. Abstieg, das denke ich, wie wahrscheinlich nahezu alle von uns, und ich schreibe das eine der Absteigerlieblingsworte drei Wochen vor Saisonende hier nicht. Wenn man Zahlen der Tabelle mit möglichen anderen Zahlen nach mathematischen Regeln kombiniert, kommt immer irgendwas bei raus. Solche Verfahren kennen Astrophysiker ja auch bei ihren Formeln für mögliche Parallelwelten, die aber für das Leben dann doch nur eine theoretische Rolle spielen.
Ich habe keine Lust, die Enttäuschung des gestrigen Abends noch einmal mit Worten lebendig werden zu lassen. Deshalb belasse ich es bei einigen kurzen Anmerkungen. Der MSV kann die Klasse nicht halten, weil Gegentore so fallen wie das der Bielefelder nach bereits sieben Minuten. Scheinbar wird die Defensive des MSV durch einen perfekten Konter der Bielefelder überwunden. Doch sah man schon zuvor und für mindestens 20 Minuten danach, wieviel Raum die Bielefelder Spieler jeweils besaßen, um den Ball zu führen.
Dieser freie Raum von Gegenspielern war ein Grundproblem die gesamte Saison über. Ballführende Spieler des Gegners hatten auch in Strafraumnähe zu oft genügend Zeit, etwas sinnvolles mit dem Ball anzustellen. Dabei war es gleichgültig, ob der Gegner schnell in die Tiefe spielte oder der Ball mit überschaubarem Tempo um den 16-Meter-Raum herum gespielt oder gedribbelt wurde. Erschwerend kamen regelmäßig Abspielfehler in der Vorwärtsbewegung hinzu, die gestern allerdins nicht direkt zu Torgefahr der Bielefelder führten.
Bezeichnend für die Offensive dieser Mannschaft waren die letzten 15 Minuten des Spiels. Die Mannschaft weiß, es gibt nichts zu verlieren. Sie muss das Spiel gewinnen und erarbeitet sich drei große Chancen. Der Torwart hält sehr gut oder der Ball geht am Tor vorbei. An diesem Geschehen lässt sich erkennen, dass die Mannschaft offensichtlich erst dann ausreichendes Risiko des Offensivspiels eingehen kann, wenn sie nichts mehr zu verlieren hat. Erst dann kann die Mannschaft so viel Druck auf das gegnerische Tor ausüben, dass sie zu klaren Chancen kommt. Einige klare Chancen reichen aber nicht aus, um ein Tor zu erzielen. Die Mannschaft braucht sehr viele klare Chancen, um einen Torerfolg wahrscheinlich zu machen. Eigentlich braucht sie keine klaren Chancen, sondern todsichere Chancen und davon am besten mindestens drei, damit wenigstens ein Tor erzielt werden kann. Wahlweise genügt auch eine Freistoßsituation, zentral in Strafraumnähe oder ein Elfmeter. Wenigstens dafür gibt es mit Kevin Wolze einen Spieler mit sicherem Abschluss.
Bezeichnend für das Zusammenwirken beider Qualitätsmängel ist das zweite Tor der Bielefelder. Ein gut vorgetragenen Angriff des MSV endet mit einem Pass in den freien Rückraum, in dem normalerweise ein Spieler wartet, um abzuschließen. Stattdessen liegt dort Kevin Wolze den ganzen Angriff über am Boden. Vielleicht war es das klassische ich-habe-Schmerzen-nach-dem-nicht-gepfiffenen-Foul-Wälzen, vielleicht schmerzte wirklich was. Unabhängig davon fehlte beim Querpass die Übersicht. Der Querpass wird von einem Bielefelder Defensivspieler leicht aufgenommen. Dem weiten Ball in die Spitze folgt ein Zweikampf im Strafraum mit dem in dieser Saison oft gehörten Elfmeterpfiff. Im Zweifel wurden die Elfmeter gegen den MSV gegeben und für den MSV nicht.
Dieses zweite Tor der Bielefelder ist ein Sinnbild für die gesamte Saison mit seiner Mischung aus eigenem Versagen, falschem Gespür für die Entwicklung des Angriffs, mangelndem Spielglück, dem Hoffen auf den Schiedsrichterpfiff für den MSV vorne und enttäuscht werden vom Schiedsrichterpfiff gegen den MSV hinten. Über allem steht nun die Frage, wie geht es in Liga 3 angesichts der Finanzen weiter?
Ich weiß nicht mehr, wann ich das letzte Mal so früh in der Saison das Gefühl hatte, die Mannschaft ist chancenlos in der Liga. Ich kann mich nicht daran erinnern, es in der Form überhaupt schon einmal gehabt zu haben. Aber früher war ich auch jünger und noch optimistischer als heute. Heute bin ich noch immer unfassbar optimistisch. So will es was heißen, wenn ich einer Mannschaft so früh zu wenig zutraue. Aber es ist, wie es ist. Ich brauche noch was, um über den Rückschlag auf dem Weg des MSV wegzukommen.
Nur der MSV! Das kann ich aber schon wieder selbstbewusst beim Blick nach vorne sagen.
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