Jetzt, nachdem alles gut ausgegangen ist, werfe ich den Blick auf das mögliche Unentschieden im Spiel vom MSV Duisburg beim FC Energie Cottbus und denke mit wohliger Angst-Lust, eine weitere Enttäuschung wäre bis zum nächsten Spiel nicht zu überwinden gewesen. Ich bin da ziemlich sicher, und um so begeisterterter erlebe ich noch einmal den gestrigen Schlusspfiff, sehe wenige Minuten zuvor den Ball am hechtenden Felix Wiedwald vorbei gegen den Pfosten rollen, erschauer angesichts des nachsprintenden Cottbusser Boubacar Sanogo und jubel über den reaktionsschnell und mutig sich ihm entgegenwerfenden Wiedwald. Er hatte den Ball. Tief durchatmen.
Diese letzten Minuten des Spiels waren kaum auszuhalten, und als die fünf Minuten Nachspielzeit angezeigt wurden, dachte ich sofort wieder nur an die nächste Sekunde und nicht an die zusätzliche gesamte Zeit für die möglichen Chancen von Energie. Verdrängen musste ich das Bild von hohen Bällen in den Strafraum, die irgendeinem Cottbusser hätten duselig vor die Füße fallen können. Wir alle wollten diesen Sieg als Lohn für eine über weite Strecken des Spiels ungeheuer kompakte Mannschaftssleistung. Wenn ich zudem einen Spieler besonders herausnehmen sollte, wäre das Srjdan Baljak, der mit Laufleistung, Schnelligkeit und Präsenz wieder dort anknüpft, wo er sich vor seiner langen Verletztungszeit befand. Natürlich wären auch andere Spieler zu nennen, doch wegen dieses ungeheuren Leistungsanstieg nach den ersten Einsätzen gebe ich ihm heute die Bühne alleine. Die Mannschaft wird es aushalten.
Der Sieg ist schon wunderbar, aber dass dieser Sieg die Folge einer so klar befolgten Taktik ist, gefällt mir noch viel besser. Natürlich hat die Mannschaft noch eine weite Strecke Weg vor sich. Später in der Saison wird sie dann hoffentlich gar nicht mehr so unter Druck geraten wie in der zweiten Halbzeit. Die Spieler wollten nichts mehr riskieren, und ich nehme an, das liegt an weiter vorhandener Unsicherheit, weil die Passgenauigkeit beim schnellen Umschalten von der Defensive in die Offensvie einfach nicht gut genug ist. Deshalb aber wurde der Teufelskreis in Gang gesetzt, der einen Gegner mangels entschlossener Entlastungskonter immer sicherer werden lässt. Doch die Mannschaft hat die Nerven behalten. Sie hat, natürlich mit dem Glück in den letzten Minuten, standgehalten und befolgt, was Kosta Runjaic für sie als Mittel zum Sieg entworfen hat.
Das ist für mich die überdauernde Nachricht vom Sieg gegen den FC Energie Cottbus. Wenn all die Emotionen drumherum schon wieder verblassen, bleibt neben dem Ergebnis, die Mannschaft lebt nicht nur von Einsatz, Kampf und frischem Wind durch neuen Trainer, sondern von einem immer größeren Wissen der einzelnen Spieler, wie sie als Teil der Mannschaft besser werden, wie die Einheit sie zu besseren Spielern macht und ihre individuellen Fähigkeiten stärker zur Geltung bringt.
Milan Sasic etwa berief sich immer wieder vor allem auf die Emotionen in der Mannschaft, um Bedingungen für Erfolg zu umschreiben. Viel war seinerzeit die Rede vom Zusammenstehen füreinander. Natürlich ist die gute Stimmung innerhalb der Mannschaft Teil von Erfolg, aber unter Kosta Runjaic wird so viel deutlicher, dass sie nur Voraussetzung für alles andere ist. Neben der Stimmung entwickelte er in kürzester Zeit auch das Wissen der Spieler von ihrem Zusammenspiel weiter. So deutlich wird erkennbar, in dieser Mannschaft weiß gerade jeder einzelne Spieler immer genauer, wie er sich auf dem Platz verhalten muss, um zum Teil eines größeren Ganzen zu werden und damit besser zu werden als alleine. Milan Sasic hatte auch seine Vorstellungen vom Spiel der Mannschaft, ihm fehlten aber sowohl pädagogische Mittel im Umgang mit Erwachsenen als auch anscheinend wirksame Trainingsübungen, um all den Spielern, die nicht von selbst wussten, wie sie zusammen spielten sollten, zu verbessern. Deshalb ist er gescheitert. Kosta Runjaic hat ganz offensichtlich diese pädagogischen Fähigkeiten. Er hat sehr klare Vorstellungen von den Möglichkeiten der Mannschaft und weiß, wie er den Spielern diese Vorstellungen vermitteln kann.
Er wird das Umschalten vom Defensiv- auf das Offensivspiel weiter verbessern, so dass bei einem immer druckvolleren Gegner wie Cottbus in der zweiten Halbzeit die Momente der Balleroberung tatsächlich zu gefährlichen Kontern werden. Er wird André Hoffmann zur weiterer Raffinesse verhelfen, so dass er den erstrebten Aus- oder Eckball kurz vor einem Spielende nicht mehr nur vergeblich versucht. Und bei Ranisav Jovanović wird er diese Fähigkeit vielleicht auch wieder in Erinnerung rufen.
Für mich sind diese zwei Momente, als beide Spieler den Ball kurz vor dem Abpfiff Richtung Eckfahne trieben und die erhoffte Ballsicherung dort nicht gelang, geradezu symbolisch für das momentane Leistungsvermögen. Beide entscheiden sich in dem Moment grundsätzlich richtig, die allerletzte Aktion aber scheitert und Cottbus kann erneut angreifen, auch wenn der Startpunkt des Angriffs sich möglichst weit entfernt vom Tor der Zebras befand. Die Grundlagen sind nun vorhanden, die aus einer Taktik sich ergebenden Fehler geschehen inzwischen meist so spät, dass sie nicht mehr sofort für die Mannschaft gefährlich werden. Individuelle Aussetzer à la Berberovic in der ersten Halbzeit kommen allerdings hinzu. Deshalb agiert die Mannschaft noch nicht so selbstbewusst, dass sie dauerhaft auf ein zweites Tor spielen kann. Aber es gibt Kosta Runjaic. Die Entwicklung geht weiter. Mit Sicherheit.
Neueste Kommentare