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Das MSV Museum – Die Sammler III

Museums-Verwirklicher         Wolfgang Berndsen, 2. v. r.

Beim Cup der Traditionen gab der MSV Museumsverein einen Eindruck von seinen Aktivitäten. Erste Impressionen von der kleinen Ausstellung zu den vier Pokalfinalen waren im Zebrastreifenblog schon zu sehen.  Nun kommen hier in loser Folge Menschen zu Wort, die sich sich für die Eröffnung eines MSV Museums engagieren. Wolfgang Berndsen gehört zu den Gründungsmitgliedern vom MSV Museumsverein. Er ist einer jener Sammler, die mit ihren Exponaten die Grundlage für eine zukünftige Dauerausstellung bilden. Abschließend wird der Vorsitzende des Museumsvereins Volker Baumann noch über die notwendige Vereinsgründung, Perspektiven und Visionen zu lesen sein. Per Klick geht es zum Interview mit dem Sammler Willi Blomenkamp, sowie zum Interview mit dem Sammler Detlef Luderer.

Zebrastreifenblog: Wann hast du mit dem Sammeln begonnen.

Wolfgang Berndsen: Die ersten Zeitungsausschnitte habe ich schon in den 1970er gesammelt. Richtig gesammelt habe ich dann erst ab 86, als ich hier bei uns Pressesprecher war und das Zebramagazin geschrieben habe. Früher, in den 70er Jahren habe ich auch bei Auswärtsspielen mal ein Programmheft mitgenommen und so ein paar Sachen gesammelt, aber nie so intensiv wie ab 1986.

Dann bist einer der Sammler, die erst im Erwachsenalter ihre Leidenschaft entdeckt haben?

So kann man das auch nicht sagen. Ich habe schon als Kind die ganzen Sammelalben gesammelt, die Bergmann-Alben und Panini. Aber auch früher als Jugendlicher, ich bin in Meiderich zur Schule gegangen, da habe ich Trikots abgestaubt von den Spielern. Die Diebels-Alt-Trikots oder die Trikots mit der Eigenwerbung. Da gab es auch mal die kleinen Bergmann-Bilder, wie Autogrammkarten, die habe ich als Schüler gesammelt. Irgendwann hast du dann die Heimprogramme gesammelt, und wenn du auswärts warst eben die Auswärtsprogramme. Irgendwann hast du natürlich alles gesammelt.

Wo lagerst du die Sachen momentan?

Die sind alle bei mir zu Hause im Dachgeschoss auf 60 m² etwa.

Wie findest du dich in deiner Sammlung zurecht?

Ich habe alles in Excel-Dateien katalogisiert. Ich habe auch die ganzen Spieler archiviert. Jeden Spielbericht seit 1902 habe ich im Original vorliegen. Das sind mittlerweile über 7000 Spiele, die wir aufgelistet haben. Mit allen Freundschaftspielen.

Ich bin sprachlos.

Lückenlose Leidenschaft, ja.

Und diese Spielberichte von 1902, wie hast du die bekommen? Bist du in Archive gegangen?

Die habe ich teilweise von Presseleuten bekommen, die ihre Sachen vererbt haben. Viele Sachen habe ich von Herrn Köppen senior bekommen. Er hat die bekommen von einem Herrn Wende. Der war damals Spielausschussobmann in den MSV-Gründerzeiten. 20 Jahre hat er alles archiviert und festgehalten. Dann hat Herr Köppen das vererbt bekommen, und er hat weitergesammelt. Und dann habe ich das bekommen.
Was anderes sind natürlich Stadionhefte, von Auswärtsspielen, so was, die bekommst du bei ebay für viel Geld.

Die Lücken werden also durch Ankäufe gefüllt?

Genau, da wirst du ein Vermögen los. Aber meine Lücken sind nicht groß.

Ärgern diese Lücken?

Ich sag’ mal, wenn ich der Höchstbietende bin, ist das kein Thema. Da habe ich keine Schmerzgrenze.

Nun warst du als Mitglied der Zebraherde schon lange mit dem Gedanken an ein Museum beschäftigt?

Eigentlich hat das noch früher begonnen. Schon Mitte der 1980er Jahre habe ich zusammen mit Klaus Dings so Ideen gehabt. Später dann mit Holger Glücks bei der Zebraherde. Wie so ein Museum nicht aussehen soll, weiß ich auch. Ich bin jetzt in mehreren Museen gewesen. In Frankfurt war alles wie Kraut und Rüben, ohne zeitliche Einteilung. Auch Bayern München zum Beispiel, die haben zwar ein tolles Museum, aber von der Historie fehlt vieles. In München geht es erst ab 1965/66 richtig los. Oder in Barcelona – da kommst du rein, gehst 150 Meter und hast nur Pokale von den Handballern, dann 200 Meter nur Pokale von Basketballern. Dann gehst du in den goldenen Saal der Fußballer rein, und brauchst eine Sonnenbrille. Aber auch die haben kaum alte Sachen. Die haben zwei, drei Trikots. Von Kubala, Stojkovic, Neeskens und wie sie alle hießen. Eine Lederchronik gibt es noch und  irgendwelche Panini-Bildchen.

Aber das ist keine Ausstellung. Für mich beginnt die Geschichte eines Vereins mit der Gründung, beim MSV eben 1902. Die Geschichte eines Vereins soll auch mit alten Sachen belegt werden. Und viele Vereine haben keine alten Sachen. Es gibt viel Neuzeit. Bayern München etwa mit Multimedia und Räumlichkeiten, die mich natürlich interessieren würden. Aber als ich da rausgekommen bin, habe ich mich totgelacht. Ich denke schon, wenn wir Sammler alle zusammen schmeißen, spielen wir Champions League. Da bin ich sicher.

Wer das MSV Museum unterstützen will, findet auf der Seite des Museum alle nötigen Informationen. 

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Ein Leben lang – Eine kurze Erzählung auch über Fußball

Leicht wankend stand er neben mir in der obersten Reihe der Gegengerade im überfüllten Wedaustadion. Der Regen hatte die Schultern seines Jacketts durchnässt und dunkel gefärbt. Ihm war das nicht wichtig. Ihm war es auch nicht wichtig, ob er genügend vom Spiel sehen konnte. Irgendwann schlurfte er zu einem der Bäume, die außen rundherum auf den Stehplatzrängen vor Jahrzehnten gepflanzt waren und stellte sich unter. Er starrte ins Leere, spürte in seinem Wanken den Baum im Rücken und lehnte sich an. Mühsam holte er etwas aus der Innentasche seines Jacketts hervor. Seinen Kalender? Ein Notizbuch? Das Aufblättern bereitete ihm Schwierigkeiten. Es war alles so nass vom andauernden Regen. Auf dem Rasen schien sich dem zunehmenden Raunen der Zuschauer nach ein erfolgversprechender Angriff vom MSV Duisburg anzubahnen. Ich drehte mich um und sah noch, wie der Ball am Tor vorbei rollte.

Mir missfiel es, ihn nicht an meiner Seite zu wissen. Nachher würden wir uns noch aus den Augen verlieren. Dennoch versuchte ich mich endlich auf das Spiel zu konzentrieren. Auf den Gegenangriff, den Schuss, den vergeblichen Abwehrversuch. Die anderen Zuschauer seufzten erleichtert auf. Auch vorbei. Der Blick zurück zum Baum. Er war weg.

Es war sein Vorschlag gewesen, gemeinsam zu diesem Spiel ins Stadion zu gehen. Nach der letzten Zeit war es das wichtigste. Vor zwei Wochen wusste er das auch noch. Nun war es ihm gleichgültig, wo wir gemeinsam standen. Befürchtet hatte ich das. Schon bei seinem Vorschlag war mir mulmig geworden. Weil wir zu spät gekommen waren, standen die Menschen in der obersten Reihe der Nordkurve schon zu dritt und viert hintereinander. Ich lief die Kurve entlang Richtung Marathontor. Keine Lücke fand ich, um an einem festen Platz das Spielfeld wenigstens halbwegs zu überblicken. Während ich mich umschaute, ob er mir folgen konnte, merkte ich weiter meine eckigen Schritte. Er gestikulierte fahrig, ich könne ruhig vorgehen. Dieses Spiel da unten lief schon, und ich fühlte meinen Körper. Eigentlich hätten meine Schritte alles im Stadion übertönen müssen. Jeder Muskel war angespannt, bereit für etwas, von dem ich nie wusste, was es sein sollte. Ich kannte das Gefühl. Ich kannte es nicht aus dem Stadion.

Ich war angereist aus Köln. Nicht einen Moment hatte ich mich an diesem Tag an der Uni konzentrieren können. Nach zwei Jahren in der Zweiten Liga gab es für den MSV Duisburg eine kleine Chance, wieder aufzusteigen. Dritter war der Verein geworden und spielte nun das erste von zwei Relegationsspielen gegen Eintracht Frankfurt, um in jene Erste Liga zurückzukehren, die für uns das normale Leben gewesen ist.

Sein Vorschlag hatte mich überrascht. Ich wollte natürlich ins Stadion. Aber mit ihm?

„Ja, klar. Doch!“

Das hatte ich wohl gesagt. Wie immer störte mich mein so kontrollierter Ton in solchen Momenten. Gewichte verteilten sich auf meinen Schultern. Sonst gingen wir nicht gemeinsam ins Stadion. Es hatte Ausnahmen gegeben. Drei Auswärtsspiele. Fast zehn Jahre war das Pokalendspiel her. Nach Hannover im Bus. Ein älterer Junge zwischen älteren Männern. Der Regen auch während dieses Spiels. Sein Jackett, das er schützend über mich hielt, als es losprasselte. Kurz hielten wir in der unüberdachten Kurve noch aus – in der Hoffnung, es bliebe bei einem leichten Schauer.

Immer noch nicht war er wieder da. Unruhig schaute ich Richtung Schwimmstadion, wo sich Toiletten befanden. Konnte er dorthin gegangen sein? Die Kurve gehörte doch den Frankfurtern. Dann sah ich ihn. Er hatte keinen Bierbecher in der Hand. An solch einem Gedanken hielt ich mich fest, obwohl ich wusste, dass das nichts bedeutete. Es ging immer weiter. Nur sein Schlaf würde heute nicht wie früher die Rettung für uns bringen. Bis zum Schlusspfiff waren es noch etwa 70 Minuten.

Eigentlich ging er niemals mehr ins Stadion. Lange Zeit wusste ich gar nicht, dass ihn etwas mit dem MSV Duisburg verband. Dann hatte er einmal von Heimspielen an der Westender Straße erzählt. In den 1950er Jahren, den Zeiten der Oberliga West. Damals sind sie sogar mit dem Fahrrad zu den Auswärtsspielen gefahren. Einmal bis nach Münster. In Erkenschwick waren sie. In Oberhausen sowieso. Immer mit dem Fahrrad. Ich versuchte manchmal ihn mir als Jugendlichen vorzustellen. Unbekümmert. Lachend. Zusammen mit Freunden. Ein Leben mit Zukunft. Er erzählte fast nie über diese Zeit.

Vielleicht half uns Kampf? Das war immer das Einfachste.

Spielerisch war die Eintracht besser. Schon wieder bahnte sich einer der schon vorher so gefährlichen Spielzüge an, und wenig später stand es 0:1. Die Chance auf den Aufstieg für den MSV war nicht sehr groß. Umso schöner war der Heimsieg, den ich mir ausgemalt hatte. Nun empfing ich die Enttäuschung als erwarteten ungebetenen Gast. Ich wies auf einen unbequemen Stuhl in der Ecke und hoffte, sie blieb kürzer, als ich es kannte. Irgendetwas kann immer geschehen. Das wusste ich durch jede gute Geschichte, die ich jemals gelesen hatte. Das fühlte ich im tiefsten Inneren. Ganz anders konnte es immer noch werden. Für uns alle.

Er stellte sich wieder neben mich und grinste. Ein arroganter Mund in einem harten Gesicht. Er fühlte sich lächeln. Ich wusste das. Innig verbunden fühlte er sich. Mein hölzerner Körper. Meine verschwundene Nähe. Mein Ringen, ein wenig lebendig zu bleiben. Als Ausweg versuchen, ins Spiel zu kommen. Das Scheitern. Meine Schuld. Ich starrte hinunter und musste nicht sprechen.

„Wird’s noch was?“, fragte er. Ich kannte seinen Blick, wenn nichts ihm anhaben konnte. Er spuckte auf die Welt und traf mich immer mit. Ich sah nur kurz zur Seite und zuckte die Schultern. Ein Angriffsversuch des MSV lenkte mich von der Qual ab, so abweisend gewesen zu sein.

Zu wenig gelang.

„EM-ES-VAU…“ Noch einmal wenigstens rufen, ehe der Chor schon wieder erstarb. Es war ein Aufbäumen in aller vertrauten Ohnmacht. Immer weiter. Immer weiter. Ein Leben lang. Fürs erste kam ich bis zum Halbzeitpfiff.

„Was zu trinken?“

Eine Frage, die ich schon immer fürchtete, wenn wir unterwegs waren.

„Oder ’ne Bratwurst?“

„Nein, nein. Keinen Hunger. Nein, nichts. Lass uns lieber hier bleiben. Wir stehen so gut.“

Väterfragen als spezielle Vaterfrage. Meine Antworten darauf gefielen mir nie. Ich wusste keine bessere. Ich wusste schon als kleines Kind, mir blieb alleine eine Möglichkeit. Das Wichtigste hatte ich immer im Blick. Ich hörte niemals auf zu hoffen, und manchmal waren wir früher tatsächlich an der Kneipentür vorbeigegangen, wenn ich nichts wollte. Ich, danach, fühlte mich erleichtert und schuldig, ihn betrogen zu haben. Nie hatte ich Durst oder Hunger in der Nähe von Bier. Mit überzeugenden Worten. Ich verheimlichte mich ihm. Nur so konnte ich das Schicksal manchmal zwingen. Das rettende Bild im Kopf, wie er bald einschläft und aufwacht als der andere Mensch.

„Wenn wir Glück haben, bleibt es dabei“, sagte ich. „Vielleicht gibt’s eine Überraschung im Rückspiel?“

„Nicht verlieren, geht noch“, sagte er und klang für einen Moment fast wieder nüchtern. Doch schon mit dem nächsten Satz war die Klarheit aus seiner Stimme wieder verschwunden.

„Was Neues in Köln?“

Kurz rieb er an seiner Wange. Dort hatte er sich beim Rasieren geschnitten – wie damals manchmal in Ruhrort, als ich ihm oft zusah. Auf meinem Schemel neben dem Waschbecken hatte ich ängstlich auf den Bluttropfen an seiner Wange gestarrt. Beruhigend lächelte er zu mir herunter. Dann riss er ein Fitzelchen Papier von einer Zeitungsseite ab und legte es auf die Wunde. Mitsamt Schemel zog er mich später vor das Waschbecken, gab mir den Rasierpinsel und die Seife für den Schaum. Ich mochte es, diesen Schaum zu verteilen. Wie Sahne im Gesicht. Behaglich. Den Rasierer legte er für mich bereit.

Er blieb nicht, wenn ich mir sorgsam den Schaum von meinen Wangen zog. Ich mochte diese erste deutliche Spur, die mir gelang. Ein breiter, genau sichtbarer Pfad Haut kam zum Vorschein. Nur dieses kratzende Geräusch vermisste ich. Wenn mein Vater sich rasierte, war es immer zu hören. Ohne Klinge kein Kratzen. Zu meiner großen Erleichterung war der Rasierer nie scharf, und doch hörte ich nicht auf, das Kratzen zu vermissen.

Während wir zum Rasen sahen, wo die Mannschaften wieder aufliefen, begann ich von Joseph Roth zu erzählen. Warum hatte ich mich ausgerechnet mit ihm beschäftigten müssen? Nichts hatte ich über ihn gewusst. Mühsam suchte ich nach Worten zu seinen Romanen, zur „Kapuzinergruft“, zu Österreich. Immer wieder geriet ich in diese lähmende Nähe des Unaussprechlichen. „Der heilige Trinker“. Joseph Roth, ein versinkender Mensch im Pariser Exil. Auf Fotografien aus dieser Zeit wirkte er wie ein Greis, ein hutzeliges Männchen von Anfang 40, immer ein Glas zur Hand. Anstoß. Endlich konnte ich wieder schweigen. Fußball. Deshalb waren wir da.

Noch hatte ein Ausgleichstor die Tür zum Aufstieg noch einmal öffnen können. Bald schon tauchte wieder Roland Wohlfahrt im Strafraum auf. Ich werde wohl auf Zehenspitzen gestanden haben. Der Ball hinter der Linie, doch nicht das ganze Stadion in Freude. Der Abseitspfiff schaffte Klarheit. Kam er mir zur Hilfe? Wie hätte ich Jubeln können? Offen sein für diese Freude und offen werden für alles andere? Unter Menschen, die mich nicht bemerkten. Nicht sie. Nicht er. Niemand war da. Und doch war ich enttäuscht. Ich wäre über den Ausgleich glücklich gewesen. Mich fürs erste zu retten, damit kannte ich mich aus.

Er berührte mich am Arm. „Ich bin gleich wieder da.“

„Muss das …?“, begann ich leise und sprach nicht weiter. Er lächelte schief, ganz kurz, gemeint als Beruhigung. So redete ich es mir ein. Auf dem Spielfeld ein Freistoß von halbrechts, gefährlich. Ich ahnte, was nun geschah. Das Frankfurter Freistoßtor sah ich ohne Enttäuschung. Keine Zeit war geblieben zu bangen. Fakten geschaffen. Der Rest des Spiels blieb noch auszuhalten. Ich ging nie vor dem Schlusspfiff. Eine Chance hatte der MSV nun nicht mehr. Als das dritte Tor für Frankfurt fiel, bemerkte ich den Selbstbetrug. Niemals finde ich mich ab. Immerzu hoffe ich weiter. Immerzu, ein Leben lang.

Er kam zurück. Winzigste Regungen in seinem Gesicht wahrnehmen, ohne zu beobachten. Dann beobachten und darauf warten, wie er was sagte, Tonfall studieren. Wie viel ist hinzugekommen. Fiel sein Verhalten jemand auf?

Möglichkeiten der Eintracht, mehr als genug. Jedes weitere Tor nahm ich gefasst hin. Starr. Schicht um Schicht sickerte alles Lebendige ins Innerste. Zurück blieb die Fassung, ein steinerner Körper. Der blickte auf das Spielfeld. Ein letzter hilfloser Schuss aus dritter Reihe von einem Duisburger Spieler. Der Schlusspfiff. Verloren mit fünf zu null Toren. Enttäuschung auf dem Spielfeld. Bei mir hatte sie keine Chance mehr.

Ich sah ihn an. Er nickte, und wir liefen mit der Menge Richtung Ausgang.

Kein Aufstieg. Das Rückspiel würde daran nichts mehr ändern. Für diesen Tag hörte ich auf zu hoffen. Bald aber sahen wir uns wieder. Ganz von alleine erschien mir jede Hoffnung dann wieder völlig vernünftig. In Ruhe zu Hause malte ich mir immer die Zukunft aus. Für mich, für uns alle, die wir im Stadion waren. Morgen kann es schließlich doch wieder anders werden. Das wusste ich durch jede gute Geschichte, die ich jemals gelesen hatte. Immer weiter. Immer weiter. Ein Leben lang.

Akzente inoffiziell: Wie Fußball Teil der Ruhrstadt-Heimat ist

Wenn ich an die Ruhrstadt denke, gilt für mich seit jeher, wer das Herz dieser Ruhrstadt sucht, wird unweigerlich auch den Fußball finden.  Ein ähnlicher Satz fand seinen Platz im Vorwort von „111 Fußballorten im Ruhrgebiet, die man gesehen haben muss“. In dem Buch erzählen wir eher Geschichten, die man gehört haben muss. Doch als das Buch 2012 erschien, war der Verlag noch nicht dazu übergegangen, den Titel der Reihe zu variieren. Heute gibt es diese Titel-Variation, und keine falsche Erwartung wäre geweckt worden.

Natürlich ist etwa ein unscheinbares Haus mit Nagelstudio im Ergeschoss in Mülheim-Speldorf nicht unbedingt ein Ort, den man gesehen haben muss. Aber von dort aus ging nun einmal in den 1930ern Fritz Buchloh die noch unbefestigte Landstraße zur „Blötte“, dem Stadion am Blötter Weg, um im Tor des VfB Speldorf so gut zu halten, dass er es in die Nationalmannschaft schaffte. Mit so einer Geschichte ließ sich der Blick weiten auf grundlegende Lebensverhältnisse im Ruhrgebiet in den unterschiedlichen Zeiten.

Am Lehmbruck-Museum als sehenswertem Fußballort im Buch war weniger auszusetzen, obwohl  dieser Ort nicht im engen Sinn ein Fußballort ist. Mit der Geschichte über eine Werbekampagne für das Museum in den 1970er Jahren ließ sich aber erzählen, wie Fußball und Bildende Kunst gleichzeitig für die Identität der Stadt von Bedeutung sind. Damit ihr euch einen Eindruck machen könnt, stelle ich diesen einen von „111 Fußballorten, die man gesehen haben muss“ als heutigen Programmbeitrag der „Akzente Duisburg inoffiziell“ einmal online.

Kniebeugen für die Kunst

Unter kunstinteressierten Fußballfreunden sei für Duisburg folgender Vergleich erlaubt: Im Werk des 1881 in Meiderich geborenen Bildhauers Wilhelm Lehmbruck ist die »Kniende« wie das Spiel der Spiele von Bernard Dietz, der 1977 fast im Alleingang für den 6:3-Sieg des MSV Duisburg gegen den FC Bayern München sorgte. Anstrengung, das Ringen um das Ergebnis und die Zweifel am Erfolg sieht man dem Endstand genauso wenig mehr an wie der lang gestreckten Skulptur in Überlebensgröße. 1911 entstand ein erster Bronzeguss, und ein weiterer präsentiert sich rechts vom Weg zum Museumseingang, während die Steinskulptur in dessen Räumen betrachtet werden kann.
Ein Werk von solcher Bedeutung für Künstler und Kunstgeschichte wird dann genutzt, wenn wie 1976 das Museum eine Werbekampagne startet. Beauftragt war der Fotograf Gerd Jansen, dem ein doppeldeutiger Slogan einfiel, Zustandsbeschreibung und selbstbewusstes Statement zugleich: »An der Knienden kommt keiner vorbei«. Für die Fotos zum Slogan ließ Gerd Jansen Duisburger aller Gesellschaftsbereiche sich niederknien. Eine Ballerina etwa gab sich anmutsvoll, ein Müllmann massig, und der damals 25-jährige Klaus Thies vom MSV Duisburg zeigte sich an der Seitenlinie im Wedaustadion fußballerisch.
Vielleicht waren es seine glatten, etwas längeren Haare und sein eher hagerer Körperbau, die ihn als Lookalike der »Knienden« geeignet machten. Die Zeit hat die Erinnerung verwischt. Deutlicher konturiert sie sich für MSV-Fans der älteren Jahrgänge beim Namen Thies, obwohl er in der Historie des MSV Duisburg kein bedeutender Spieler wurde. Ihnen fällt sofort das Pokalfinale 1974 1975 gegen Eintracht Frankfurt samt der einen großen Chance zum Führungstreffer ein, die Klaus Thies vergab. Vergessen ist dabei, dass sich der Spieler mit einem Sololauf über das halbe Spielfeld die Chance selbst erarbeitet hatte.

 

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Der Duisburger Gerd Hennig – Vom Straßenfußballer zum FIFA-Schiedsrichter – Folge 10

Vor einiger Zeit habe ich begonnen, die Erinnerungen von FIFA-Schiedsrichter Gerd Hennig zu sichten. “Vom Straßenfußballer zum FIFA-Schiedsrichter” hat Gerd Hennig diese Erinnerungen genannt, die ich nach und nach bearbeite und hier in loser Folge veröffentliche.

Heute geht es um das, was ein Schiedsrichter neben dem eigentlichen Fußballspiel in Berlin noch so erlebt.


Vom Straßenfußballer zum FIFA-Schiedsrichter – Folge 10
Von Gerd Hennig
Herausgegeben und bearbeitet von Kees Jaratz

Im April 1979 waren mein Team und ich angesetzt, das Bundesligaspiel zwischen Hertha BSC und Eintracht Frankfurt zu leiten. Meine Linienrichter waren Dieter Pauly aus Rheydt und Heinz-Theo Heymann aus Krefeld. Im Berliner Olympia-Stadion gewann die Hertha dieses Spiel 4:1.

Der DFB hatte uns zur Übernachtung den renommierten „Schweizer Hof“ angewiesen. Als wir freitags im Hotel eincheckten, stellten wir fest, dass im selben Domizil auch Dieter-Thomas Heck samt Familie weilte. Den Jüngeren muss man vielleicht sagen, Dieter-Thomas Heck moderierte die ZDF-Hitparade. Das war damals eine sehr populäre Musiksendung, die am frühen Samstagabend gesendet wurde und in der deutsche Schlager präsentiert wurden. Alle in der Hitparade auftretenden Künstler übernachteten ebenfalls in unserem Hotel.

Mein Linienrichter Dieter Pauly war trotz der Bedenken von uns beiden anderen erpicht darauf,  uns noch drei Eintrittskarten für die Abendveranstaltung zu beschaffen. Er schrieb einen kurzen Brief und ließ seine Bitte um Karten am Samstagmorgen im Schlüsselfach von Dieter-Thomas Heck hinterlegen. Zu unserer Überraschung erhielten wir nach unserem gemeinsamen Stadtbummel eine positive Antwort. Zudem bat mich der Moderator, in seine Suite zu kommen. Wir begrüßten uns und er versicherte mir, wir könnten gerne kommen. Zu seiner Ehefrau Ranghild gewandt sagte er noch: „Wir haben eigentlich keine Plätze mehr frei, aber daraus machen wir einen Gag.“

Dann wandte er sich wieder mir zu: „Das wird das erste Mal sein, dass eine meiner Sendungen mit einem Schiedsrichterpfiff eröffnet wird. Kommen Sie mit ihren Kollegen pünktlich in die UNION-Filmstudios. Da halte ich drei Plätze im Künstlerbereich für sie reserviert.“

Sofort nach dem Spiel im Olympia-Stadion fuhren wir mit dem Taxi zu den Studios. Dort bat mich Dieter-Thomas Heck auf die Sekunde genau auf eine Treppe zwischen den Zuschauern, damit ich mit einem unüberhörbaren Pfiff die allseits beliebte Sendung des ZDF startete. An diesem Abend traten in der Sendung unter anderem Heino, Gaby Baginsky sowie Tina York auf. Letztere ist die Schwester von Mary Roos.

Nach dem Ende der Show waren wir noch zu einem Bankett an Stehtischen im Forum des Studios eingeladen. So lernten wir beim amüsanten Plausch einige der Schlagerstars kennen. Gekrönt wurde dieser Tag, als ich zur mitternächtlichen Stunde im Foyer unseres Hotels noch zufällig Tina York begegnete. Schon als Jugendlicher hatte ich von ihr geschwärmt. Kurz wechselten wir ein paar Worte, und ich erhielt zu meiner großen Freude ein Autogramm.

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Der Duisburger Gerd Hennig – Vom Straßenfußballer zum FIFA-Schiedsrichter – Folge 2

Unlängst habe ich begonnen, die Erinnerungen von FIFA-Schiedsrichter Gerd Hennig zu sichten. “Vom Straßenfußballer zum FIFA-Schiedsrichter” hat Gerd Hennig seine Erinnerungen genannt. Ein großer Packen Papier liegt nun bei mir zu Hause – Handschriftliches und Ausdrucke. Nur nach und nach werde ich diese Erinnerungen bearbeiten können und hier in loser Folge veröffentlichen. Heute geht es um Bundesligaalltag der 1970er Jahre aus Sicht des Schiedsrichters.

Vom Straßenfußballer zum FIFA-Schiedsrichter – Folge 2
Von Gerd Hennig

Wenn ich heute die Art und Weise meiner Spielleitung charakterisieren müsste, würde ich mich als äußerst konsequenten, aber großzügigen Unparteiischen bezeichnen. Ich ließ das Spiel gerne laufen, bevorzugte die Vorteilsregelung, um dadurch den Ablauf flüssiger zu gestalten. Sowohl bei den Spielern als auch bei den Zuschauern kam das gut an. Niemand möchte ein Spiel ständig unterbrochen sehen. Meine Stärke war mein Laufvermögen, denn selbst falsche Entscheidungen werden aus unmittelbare Nähe eher akzeptiert als richtige Entscheidungen, die aus der Distanz getroffen werden. Ein Pfiff auf große Entfernung stößt meist auf Kritik. Oft wird gesagt: „Wie will der das aus der Ferne überhaupt gesehen haben.“ Deshalb werden die Wahrnehmungen in der Nähe von Spielern und Zuschauern besser aufgenommen.

Um in der Nähe zu sein, bedarf es einer vorzüglichen Kondition, die man sich selbst erarbeiten muss. Wer mich näher kennt, weiß, dass ich nie einen Trainingsabend der Schiedsrichter versäumt habe und dazu noch zwei- bis dreimal in der Woche bei Wind und Wetter ein intensives Lauftraining absolviert habe. Der innere „Schweinehund“ musste halt besiegt werden. Das wirkte sich sowohl bei der Spielleitung als auch bei den jährlichen Leistungsüberprüfungen äußerst positiv aus.

In diesen Zusammenhang passt auch, dass ich sehr wenige persönliche Strafen ausgesprochen habe. In 161 Spielen der Bundesliga habe ich nur drei Platzverweise aussprechen müssen. Die betroffenen Spieler waren Gerd Regitz von Borussia Neukirchen, Gert Trinklein von Eintracht Frankfurt und Jupp Kapellmann vom FC Bayern München. Während bei den ersten beiden Feldverweisen Foulspiel der Grund war, lag bei Jupp Kapellmann klares Nachtreten im mittleren Bereich des Spielfelds vor. So kam es zu einer Sportgerichtsverhandlung beim DFB in Frankfurt, wo Robert Schwan und Uli Hoeneß als Vertreter der Münchner zugegen waren.

Bei der geschätzten Zahl von etwa 200 Verwarnungen und späteren gelben Karten sind mir ein paar Spieler besonders in Erinnerung geblieben. Zunächst fällt mir Horst-Dieter Höttges von Werder Bremen ein, der sich zu Beginn eines jeden Spiels durch übermäßiges Foulspiel beim jeweiligen Gegenspieler Respekt verschaffen wollte. Nach der erfolgten Verwarnung spielte er dann lammfromm weiter und ließ sich nichts mehr zuschulden kommen, so dass wir nach dem Spiel gemeinsam ein Bier mit  Aquavit trinken konnten und uns friedlich voneinander trennten. Jürgen Grabowski von Eintracht Frankfurt und Paul Breitner vom FC Bayern München gehörten zu den Spielern, die ständig neben oder hinter einem herliefen, um durch Meckereien und Kritisieren den normalen Ablauf zu stören. Erst nach einer gelben Karte herrschte Ruhe, aber ohne diese unliebsamen Gegebenheiten ging es bei diesen Akteuren nicht.

Die schönsten Fußballtorten der Welt – Folge XVII – Eintracht Frankfurt

Mit freundlicher Unterstützung von „111 Fußballorte im Ruhrgebiet, die man gesehen haben musspräsentiert der Zebrastreifenblog  in loser Reihe die schönsten Fußballtorten der Welt.

Gestern wurde das Viertel in Bordeaux rund um das Stadion Chaban-Delmas zu einer Frankfurter Exklave. In dem mit der Heimatstadt durch den Fußball eng verbundenen Viertel lebten für kurze Zeit 12.000 Frankfurter.  Sie sahen im Stadion den 1:0-Sieg von Eintracht Frankfurt bei Girodons Bordeaux. Damit erreichte die Mannschaft die Zwischenrunde, und man kann sich vorstellen, dass die mitgereisten Fans ihre neue Heimat gar nicht mehr verlassen wollten, um den Moment des Glücks festzuhalten. So ein Sieg verdient am Tag danach eine besondere Würdigung, nicht zuletzt weil die alte Fanfreundschaft zwischen dem MSV Duisburg und der Eintracht seit dem Sommer dieses Jahres wieder frisch aufgeblüht ist. Diese Würdigung gelingt mit drei Backkunstwerken, die eben jenem Verein gewidmet sind, der gestern so eindrucksvoll die Gruppenphase der Europa League hinter sich gelassen hat.

Den Wimpel schuf „Tante Kaethe“. Das Foto stammt von der Kuchenbäckerin, und es ist bei TolleTorten.com zu finden. Ob die Kuchenbäckerin zudem in einer Friedensmission unterwegs ist, war heute Morgen noch nicht zu erfahren. Zumindest deutet der Nick darauf hin. Wenn im Spitznamen Rudi Völlers, der bei Kickers Offenbach seine Laufbahn begann, ein Kuchen für einen Fan Eintracht Frankfurts entsteht, werden die Glocken rund um den Bieberer Berg wohl feierlich geläutet haben und weiße Tauben flogen am Himmel über dem Commerzbank-Arena genannten Stadion in der Nachbarstadt.

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Folgende klassischen Fußballkuchen in Trikotform hat Sandra für einen Geburtstag geschaffen. Es ist ihr Foto und sie hat es bei  Torten-Talk.de online gestellt.

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Auch die hier schon öfter vertretene Mia von Mias Tortenwelt war für den Geburtstag eines jungen Fan Eintracht Frankfurts aktiv. Sie variierte eines ihrer Fußballtorten-Grundmotive, das wir auch schon für den VfB Stuttgart bewundern konnten. Ein größeres Foto ihres Konditorenwerks findet ihr auf ihrer Seite.

Applaus für die Konditorinnen und Dank für die Bilder, die ihre Werke so gut zum Ruhm und zur Ehre der in Bordeaux siegreichen Mannschaft Eintracht Frankfurts zur Geltung bringen.

Die Klatschkolumnen der Sportpresse

Mit der einstigen Fan-Freundschaft zwischen Duisburgern und Frankfurtern wird die lang erwartete Nachricht aus dem Eintracht-Haus nichts zu tun gehabt haben. Armin Veh verlängerte seinen Vertrag bei Eintracht Frankfurt. Sämtliche Sätze über Kosta Runjaic und seine wie-auch-immer-Beziehung zu Bruno Hübner mit Ablösesummen fordernden Folgen für den MSV Duisburg  wurden zu jener heißen Luft, die einem von Anfang an um die Ohren wehte, als in der  Frankfurter Rundschau in einem abschließenden Absatz zum Veh-Vertragspoker mal kurz überlegt wurde, wer denn so als Nachfolger in Frage käme.

Aus dieser Überlegung wurde dann fast schon die Verpflichtung. Was für ein Wahnsinn! Der Zug fährt los und jeder will mit, obwohl keiner weiß, wohin er überhaupt fährt. Hauptsache Bewegung.  Kosta Runjaic muss also irgendwas dementieren, während eigentlich ganz andere Dinge seine Zeit erfordern, wie noch ein Tag zuvor breit berichtet wird. Die neue Saison will vorbereitet werden. Als ich von diesen durchdachten Vorbereitungen las, war ich begeistert. Was mich mich hingegen nicht interessiert, sind  Spekulationen. Unterschriften unter Verträge zählen, alles andere nervt. Solche Pseudo-Meldungen wie die zu Runjaic und Frankfurt kommen mir inzwischen vor wie die Sport-Entsprechung zum Yellow-Press-Celebrity-Klatsch. Wer wurde neulich mit wem gerade hinter dem Rücken seines Partners beim Knutschen gesichtet oder kam es etwa schon zum Äußersten? Von den einen lässt sich dann später die gerettete Ehe erzählen. Die anderen sind mehr der Typ one-night-stand mit der Endlosgeschichte von der heißen neuen nächsten Liebe. Da wird das Melodrama gegeben – mit den Standardzutaten großes Gefühl und  Geld. Aus einer etwas anderen Perspektive stellte Fokus Fußball den Informationsgehalt von Sportnachrichten in Frage. Es gibt keine verlässlichen Informationen mehr.  Da bleibt als Konsequenz doch nur, konzentrieren wir uns auf den Sport.

Doch selbstverständlich gibt es auch Graubereiche des Interesses, wenn es um die Zusammenstellung des Spielerkaders in der neuen Saison geht. Da gibt es ja Fakten durch bestehende Verträge. Allerdings muss auch  im Fall Julian Koch erst einmal die marktschreierische Beklemmung beiseite geschoben werden. Wenn ein Spieler einen Leihvertrag für ein Jahr besitzt, kann es schon mal sein, dass er in der nächsten Saison bei einem anderen Verein spielt. Auch wenn Zeitungsseiten gefüllt werden müssen, es gibt keine Geschichte zu erzählen über Julian Koch. Es geschieht das, was erwartet werden konnte. Die Geschichte wäre zu erzählen, wenn Julian Koch auch in der nächsten Saison für einen MSV Duisburg spielt, dessen Liga-Budget im unteren Drittel der Zweiten Liga angesiedelt ist. Dagegegen ist Dustin Bomheuer tatsächlich eine kleine Geschichte wert. Aber auch in dem Fall fehlt mir jeglicher Sinn für Spekulationen. Es gibt alleine die Geschichte vom schnellen Aufstieg, und ob da jetzt tatsächlich Bundesligavereine Interesse an der Verpflichtung haben, gehört bereits zur Vertragsverhandlung. Der Rahmen der Zukunft ist in meinen Augen klar gesteckt. Ein vernünftiger Spielerberater würde ihm einen Vertrag mit dem MSV Duisburg aushandeln, der einen Ausstieg mit festgelegter Ablösesumme beinhaltet. Er würde Kosta Runjaics Worte vom zu früh kommenden Wechsel in Liga 1  ernst nehmen. Bleiben Dustin Bomheuers Leistungen stabil, könnte er in der nächsten Saison den André Hoffmann geben. Und dann ist da noch Jürgen Gjasula, für den der MSV Duisburg auch mal eine recht attraktive Braut abgibt. Über seine Zukunft wird noch gar nicht spekuliert. Man sieht, Geschichten sind auch ohne große Gerüchte zu erzählen.

Und nun zu etwas ganz anderem: Etwas unverbunden und leicht verspätet komme ich nochmals auf den Geburtstag von Bernard Dietz zu sprechen. Maurice Exslager wurde von den Medienleuten des MSV ein Mikro in die Hand gedrückt, um mit Bernard Dietz ein Gespräch zu führen. So entspannt wie Ennatz wirkt er zwar nicht, aber wer auch immer den Clip noch nicht gesehen hat, sollte ihn sich ansehen. Selten habe ich Ennatz bei einem öffentlichen Auftritt vor einer Kamera derart unbeschwert gesehen. Da ist eine halbprivate Atmosphäre entstanden. Sehr, sehr schön!

Das Fangedächtnis des MSV Duisburg – Zu meiner Zeit. Teil 3: Fußballweltmeisterschaften und Tipp-Kick –

Nach der Veröffentlichung von „111 Fussballorte im Ruhrgebiet, die man gesehen haben muss“ nahm Manfred „Manni“ Wiegandt, ein alter Meidericher, heute in den USA lebend, Kontakt mit mir auf. Wir besuchten dieselbe Schule. Auch wenn er ein paar Klassen über mir war, kamen wir in dem Mail-hin-und-her ins Erinnern. So fragte ich ihn, ob ich diese Erinnerungen zusammenfassen könnte. Tatsächlich waren die Mails dann nur der Anfang eines neuen, sehr umfangreichen Beitrags für das „Fan-Gedächtnis des MSV Duisburg“, den Manfred Wiegandt schrieb. Er ist so lang gewordne, dass ich ihn in mehreren Teilen veröffentliche.

Heute geht es ums Fanwerden, zwei Fußballweltmeisterschaften, das Tipp-Kick-Spiel und Fritz Walter, der Anekdoten erzählt, während ein Jugendlicher unter vielen Männern sich ein Pils greift.


Zu meiner Zeit – Teil 3 –

von Manfred Wiegandt

Das erste Mal, dass ich etwas vom Profi-Fußball hörte, muss wohl in der ersten Bundesliga-Saison 1963/64 gewesen sein. Ich erinnere mich, dass mein Vater mir sagte, dass Köln Tabellenführer sei, Meiderich sei Zweiter und Borussia Dortmund Dritter. Wenn ich heute darüber nachdenke, ist es schon lustig, dass es für mich gar nichts besonderes war, dass Meiderich, also der Stadtteil, in dem wir wohnten, eines der besten Teams hatte. Ich kannte die Vereinsanlage des MSV wohl noch gar nicht richtig, obwohl sie nur etwa tausende Meter von unserem Haus entfernt war. Mehr beeindruckte mich der Name der Dortmunder. Ich glaube, ich assoziierte Borussia damals mit Russen. Als ich dann etwa zur gleichen Zeit anfing, in meiner Freizeit, also jeden Nachmittag und samstags den ganzen Tag (sonntags durften wir uns nie schmutzig machen), Fußball zu spielen, war das Fernsehen noch nicht so wichtig.

Im Prinzip gab es für uns „Ullige“, was Fußball betrifft, ja ohnehin nur die samstägliche Sportschau mit Ernst Huberty, Dieter Adler oder Adolf Furler (das ZDF-Sportstudio war zu spät), vielleicht mal ein Länderspiel, das übertragen wurde. Probleme gab es bei uns zu Hause, als die Serie Daktari aufkam, die im ZDF zur gleichen Zeit wie die Sportschau im Ersten ausgestrahlt wurde. Meine Brüder und ich wollten Sportschau sehen, aber meine kleine Schwester den schielenden Löwen Clarence und den Affen Cheetah. Es gab regelmäßig riesigen Krach und viel Geschrei. Unfairer Weise entschieden meine Eltern, dass eine Woche Sportschau, die andere Daktari geguckt würde. Von wegen Gleichberechtigung! Meine Schwester hatte genauso viel Gewicht wie ihre drei Brüder zusammen. Am Ende bekamen wir einen kleinen Fernseher, auf dem wir die Sportschau gucken durften, wenn auf dem großen Daktari angesagt war. Leider war der Empfang immer so schlecht, dass es absolut keinen Spaß machte.

Das erste Mal ins Wedau-Stadion kam ich in der Saison 1965/66, als mich der Vater eines Klassenkameraden mitnahm. Wir standen in der Kurve; ich konnte kaum etwas sehen. Ich erinnere mich nur, dass ich Peter Kunter, den Torwart von Eintracht Frankfurt, erkennen konnte. Das Spiel endete 0:0, und ich war vorerst nicht interessiert an einem weiteren Stadion-Besuch.

Das erste Länderspiel im Fernsehen, an das ich mich erinnern kann, war ein Freundschaftsspiel gegen Italien (1:1) im März 1965. Das Datum hätte ich nicht mehr gewusst; ich habe es im kicker-Almanach nachgeschlagen. Wahrscheinlich habe ich das Spiel noch deshalb in Erinnerung, weil der in der zweiten Halbzeit eingewechselte Torhüter ein Meidericher war: Manfred Manglitz. Leider wurde ich erst MSV-Fan, als er schon nicht mehr in Duisburg spielte, und habe daher seine regelmäßigen Eskapaden im Stadion verpasst. Lebhaft in Erinnerung habe ich noch, wie ich an einem Samstag Nachmittag schmutzig und verschwitzt vom Bolzplatz auf der Stolzestraße nach Hause kam und ein neuer Fernseher im Wohnzimmer stand, schwarz-weiß natürlich; Farbe gab es erst 1972 bei der Olympiade in München. Es lief die Sportschau mit den Aufstiegsspielen zur Bundesliga. Mönchengladbach, auch für mich so ein komischer Name damals, servierte gerade Wormatia Worms mit 5:1 ab. Der Gladbacher Spieler Netzer blieb mir wegen seines ungewöhnlichen Namens gleich im Gedächtnis. Das erste Länderspiel, bei dem ich so richtig mit Leib und Seele am Fernseher hing, war das entscheidende Qualifikationsspiel zur WM 1966 in Stockholm gegen Schweden, das die deutsche Mannschaft – auch Dank eines Treffers des Meiderichers Eia Krämer – mit 2:1 gewann. Die WM in England habe ich dann als Neunjähriger intensiv miterlebt. Ich hatte ein kleines Heftchen, das vom World Cup Willy, dem WM-Maskottchen, geschmückt war und in dem ich alle Ergebnisse fein säuberlich notierte. Ich weiß noch wie heute, dass die Urus im Eröffnungsspiel gegen England, das ich trotz des 0:0 äußert aufregend fand, mit Schuhen spielten, die eine weiße oder zumindest helle Sohle hatten. Dann das 5:0 unserer Mannschaft gegen die Schweiz und Emmas Traumtor aus unmöglich spitzem Winkel gegen Spanien („mit der linken Klebe“), die uruguayische Ohrfeige gegen Uwe Seeler im Viertelfinale, last not least das Endspiel. Ich weiß noch, dass ich am Anfang allein vor dem Fernseher hockte und meinen Vater über das 1:0 von Haller informierte. Da ich damals gerne Torhüter spielte, sind mir besonders einige von ihnen im Gedächtnis geblieben: Hans Tilkowski natürlich, der legendäre Lew Jaschin oder auch Gordon Banks. Ich habe immer versucht, sie zu imitieren, mich in die Ecken zu „fletschen“, wie wir es nannten, um die Fingerspitzen noch an den Ball zu kriegen. Bei der WM in Mexiko, als ich schon nicht mehr Torwart spielte, waren meine Torwarthelden Kawasaschwili aus der Sowjetunion und Mazurkiewicz aus Uruguay. Mein Lieblingsspieler bei der WM in England war Siggi Held, in Mexiko, weil es eher meiner Position entsprach, dann Karl-Heinz Schnellinger, von dem ich auch einen kicker-Starschnitt über meinem Bett hängen hatte.

Ach ja, kicker-Leser wurde ich durch einen Ferienaufenthalt auf einem Bauernhof im Bayerischen Wald, als ich zehn war. Der Sohn des Bauern, der aufs Gymnasium ging, zog sich montags immer auf sein Zimmer zurück, um den kicker zu „studieren“. Die Zeitschrift erschien damals kurz vor dem Zusammenschluss mit dem Sportmagazin noch in einem riesigen DIN A 3-Format. Obwohl sie keineswegs billig war für einen Schuljungen, kaufte ich das kicker-sportmagazin, wie die Zeitschrift nach dem Zusammenschluss hieß, jede Woche sowohl am Montag als auch am Donnerstag. Ich hatte für die ersten Jahre sogar Sammelmappen mit den Heften über die Olympiade 1968 und dann auch die WM 1970 in Mexiko. Weil der Platz in unserem Keller eng wurde, haben meine Eltern – ihre wohl größte Sünde gegenüber ihrem Sohn – diese aber irgendwann zusammen mit meinen Bundesliga-Alben weg gegeben. Ich würde einiges dafür geben, besonders die Alben noch zu besitzen.

Meine zwei nicht wesentlich jüngeren Brüder und ich bolzten bei Regen zum Leidwesen meiner Mutter sogar in unserer kleinen Wohnung mit einem Tennisball. Es muss im ganzen Haus zu hören gewesen sein. Manchmal musste sogar meine kleine Schwester mitspielen. Sie trat meinen Brüdern in die Schienbeine und ich schoss die Tore. Unser Wohnungsflur, in dem wir spielten, war schmal. Die Schlafzimmertür auf der einen Seite war ein Tor, die kleine Lücke zwischen den Beinen des Schuhschränkchens unter dem großen Spiegel das andere Tor. Unerklärlicher Weise ging der Spiegel aber nie kaputt, anders als eines der Kirchenfenster der evangelischen Kirche Auf dem Damm, auf deren Kirchplatz ein, zwei Klassenkameraden und ich stets den Nachhause-Weg vom MPG durch ein Spielchen verlängerten. Zu Hause haben wir oft stundenlang Tipp-Kick gespielt. Wir spielten die ganzen Europa-Pokale, den DFB-Pokal, die Bundesliga und sogar den Liga-Pokal durch. Damals waren wir Meister im Tipp-Kick und konnten manchmal sogar Ecken direkt verwandeln. Jeder Ball wurde angeschnibbelt, um eine größere Wahrscheinlichkeit zu haben, dass er auf der eigenen Farbe blieb. Die Spiele mit meinen Brüdern waren so torreich, dass die Resultate eher wie Handballergebnisse erschienen, was wir natürlich nicht mochten, weil es für Fußball eben nicht realistisch wirkte. Deshalb verkürzten wir die eigentliche Spielzeit von 2×10 zunächst auf 2×5 und dann sogar auf 2×3 Minuten, und dennoch gab es oft genug ein 6:5 oder 5:5. Ich als Ältester hatte den MSV als erste Mannschaft, und so kam es, dass die Zebras die Tabelle anführten – ohne einen einzigen Punktverlust auswärts. Zu Hause verlor ich gegen den HSV und musste mich ausgerechnet gegen RWO (meinen kleinen Bruder) mit einem 0:0 zufrieden geben. Ich habe die Kladde mit den Spielergebnissen heute noch. Leider gab es immer viel Nachholspiele, weil mein kleiner Bruder nicht verlieren konnten und daher manchmal die Spieler oder gar das gesamte Spielfeld ins Zimmer warf und nicht weiter machte, angeblich weil der Schiri – das war dann immer der Dritte im Bunde, und wir brauchten immer einen Schiri, wenn er mitspielte – angeblich zu Unrecht auf Tor gegen ihn erkannt hatte. Als wir klein waren, hatten wir alle eine Lieblingsmannschaft; mein kleiner Bruder war für Köln und weinte immer bitterlich, wenn der FC verlor. Wir hatten auch Lieblingstiere und Lieblingsfarben, jeder seine eigenen.

Nicht zu vergessen ist auch das Fußballbilder-Sammeln und vor allem -Tauschen. Meine Freunde in der Nachbarschaft und ich gaben die letzten Groschen für Fußballbilder-Tütchen aus. Am Kiosk beim dicken Koellken an der Meidericher Post konnte man dann für einen höheren Preis von 10 Pfennig sogar einzelne Bilder aus einem Packen aussuchen. Bei der WM 1966 in England gab Aral ein Fußball-Album heraus. Beim Tanken bekam man immer ein postkartengroßes Bild eines Spielers. Obwohl wir damals noch kein Auto hatten, habe ich trotzdem fast das ganze Album voll bekommen. Ich besitze es noch heute. Bei der WM in Mexiko waren dann Shell-Münzen mit den Portraits der deutschen Spieler der große Hit. Wir spielten immer „Latzen“ mit ihnen (die Münzen möglichst nahe an eine Mauer werfen; wer mit seiner am Nächsten an die Mauer kommt, gewinnt alle anderen gelatzten Münzen). Nach meiner Kommunion war ich Messdiener in der Mittelmeidericher St. Michael-Kirche. Wir hatten eine Messdiener-Mannschaft, in der sogar der Kaplan mitspielte. Ein Jahr lang war ich bei den Pfadfindern, genauer gesagt Wölflingen, bei Maria Königin an der Westender Straße, also unweit des MSV-Geländes. Mein Pfadfindername war Scharfzahn, der Seehund, mein nächstjüngerer Bruder war Rama, der Büffel, und mein kleiner Bruder Mogli, der Frosch. Warum Mogli ein Frosch war, weiß ich beim besten Willen nicht. Das Einzige, was mich dabei wirklich reizte, war, dass wir meist Fußball auf dem Rasen um die Kirche spielten.

Im Verein spielte ich eigentlich nie. Das heißt, mit sechzehn habe ich eine Weile beim MSV in der B-Jugend mittrainiert und zwei Freundschaftsspiele in der B-2 absolviert. Das erste lief ganz gut für mich. Ich wurde in Mündelheim als Außenverteidiger eingesetzt. Der Platz war in einer komischen Grube und hatte den gefährlichsten Schotter, den man sich vorstellen konnte. Ich schlug mir das Knie auf und hatte für eine Woche eine schrecklich eiternde Wunde. Die Narbe ist noch heute sichtbar. Das zweite Spiel war in Rheinhausen und ich stellte mich absolut dämlich an und war so frustriert, dass ich das Vereinsspiel sein ließ. Stattdessen wendete ich mich dem Tischtennis zu. Die Stadt hatte es arrangiert, dass Jugendliche, ohne Vereinsmitglied zu sein, in örtlichen Sportvereinen mittrainieren konnten, um einen Eindruck von dem jeweiligen Sport zu bekommen. Neben der Vereinsanlage des MSV war der Meidericher TTC 47 (in dem Gebäude ist heute der Zebra-Shop und war früher auch die MSV-Geschäftsstelle), der damals fünf Jahre hintereinander Deutscher Mannschaftsvizemeister wurde, meist hinter Borussia Düsseldorf, wo der mehrfache Deutsche Einzel-Meister und sogar Vizeweltmeister Eberhard Schöler spielte. Auch der MTTC brachte einige hervorragende Spieler hervor, u. a. Hanno Deutz und Peter Engel, der 1975 sogar das Ranglistenturnier des deutschen Tischtennisbundes gewann. Zusammen wurden beide 1972 mit dem MTTC 47 deutscher Mannschaftspokalsieger. Hans-Jürgen Oploh war zwei Klassen höher als ich am MPG und war bereits als 16-Jähriger Stammspieler im Bundesliga-Team der Meidericher. Zum Teil wurden die wichtigen Bundesligaspiele und Europapokalbegegnungen in unserer Turnhalle ausgetragen, wofür wir oftmals Freikarten bekamen und dann Tischtennis auf höchstem Niveau sehen konnten. Ich selbst war zwar gut genug als Sparrings-Partner für die anderen Jugend-Spieler. Da ich wie Eberhard Schöler ein ausgesprochener Defensiv-Spieler war und mehrere Meter hinter der Platte stehend die Schmetterbälle meiner Gegner zurück brachte, machte es den Top Spin-Spezialisten Spaß, ihre Fähigkeiten bei mir auszutoben. Letztlich zog ich bei diesen Vergleichen trotz großer Hartnäckigkeit aber stets den Kürzeren und brachte es daher nicht sehr weit.

Mein Vater war kein großer Fußball-Kenner und ging nicht auf den Fußballplatz. Aber die Länderspiele hat er immer mit uns angeguckt. Die Nacht-Spiele bei der WM in Mexiko, die wir zusammen mit einem Gast von den Philippinen, den ein Freund meines Vaters mitgebracht hatte, ansahen, war dabei wohl das beeindruckendste Erlebnis. Erst das England-Spiel mit der seitens der Engländer verfrühten Auswechslung von Bobby Charlton und dem Hinterkopf-Tor von Uwe Seeler. Dann noch eine Steigerung der Dramatik beim Halbfinalspiel gegen Italien, dem Jahrhundert-Spiel. Erst schießt Boninsenga, den alle Deutschen im Jahr darauf wegen seiner Schauspielerei beim legendären Dosenwurf während des 7:1 von Mönchengladbach gegen Inter und auch wegen seines Fouls gegen Lugi Müller kurz vor Ende des Wiederholungsspieles, bei dem er dem Gladbacher das Schien- und Wadenbein brach, intensivst zu lieben begannen, das frühe 1:0 für die Azzurri, die daraufhin für eine gute Stunde Beton anmischen, und dann erzielt ausgerechnet der italienische Legionär Schnellinger in der Nachspielzeit das 1:1. In der Verlängerung überschlugen sich dann die Ereignisse. Was haben wir über den Schiri geflucht! Auch der Filipino, der wohl vorher noch nie ein Fußball-Spiel gesehen hatte, fieberte mit uns bis tief in die Nacht mit und war am Ende des Spiels genauso enttäuscht wie wir.

Aus der Saison 1970/71 kann ich eine besondere Anekdote erzählen: Noch bevor ich anfing, regelmäßig zum MSV zu gehen, war ich – wie erwähnt – begeisterter kicker-Leser. In der Tat war zu dem Zeitpunkt mein Lieblingsverein noch Borussia Dortmund, geschürt durch die Fernseherlebnisse um deren Gewinn des Europapokals 1966. In dieser Bundesliga-Skandalsaison (Canellas, Torbruch in Mönchengladbach) veranstaltete der kicker zusammen mit der Schlegel-Brauerei Bochum ein Preisausschreiben: „Wählen Sie den mannschaftsdienlichsten Spieler der Bundesliga“. Fünfzig Einsender konnten den Besuch eines Bundesliga-Spiels in Begleitung von Fritz Walter gewinnen. Ich schickte meinen Vorschlag – Jürgen Grabowski – ein und gewann. So konnte ich einen Samstag nach Bochum fahren, von wo ein Bus die Gewinner und Fritz Walter in die Glückauf-Kampfbahn nach Schalke brachte. Wir sahen das Spiel Schalke–Offenbach. Offenbach gewann überraschend 2:1. Wie sich später rausstellte, war das Spiel verschoben worden. Danach ging es zurück in die Bahnhofs-Gaststätte nach Bochum, wo uns Fritz Walter Schwänke aus seinem Leben erzählte und an jeden ein handsigniertes Buch ausgab. Da es ja auch eine Veranstaltung der Brauerei war, gingen die Kellner mit Tabletts voller gefüllter Pils-Gläser herum. Ich war damals vierzehn und der einzige Minderjährige unter den Anwesenden. Aber außer einem Schmunzeln – wohl auch von Fritz Walter – gab es keine Reaktion darauf, dass ich auch zugriff und mir das kühle Blonde gönnte.

Fortsetzung folgt. Und den schon mal ins Fan-Gedächtnis!

Teil 1 findet sich hier.

Teil 2 findet sich hier.

Warum sich Bruno Soares über Constant Djakpa aufregte – Der Sieg bei Sky

Ausnahmsweise hier einmal der Hinweis auf die Möglichkeit in der Mediathek von Sky, den kurzen Spielbericht zum Sieg vom MSV Duisburg gegen Eintracht Frankfurt in der Endlosschleife sich zu ansehen. Vor allem weil sich für mich erst in diesem Spielbericht bei Minute 2:20 die Frage klärte, warum sich Bruno Soares wenige Minuten nach seinem Tor mit einem Spieler von Eintracht Frankfurt sehr in die Wolle gekriegt hat. Dieser Spieler war Constant Djakpa, und er hat beim Drübersteigen über den am Boden liegenden Bruno Soares mal kurz, aber mit Nachdruck seinen Fuß im Unterleib von Bruno Soares abgesetzt. Hätte mich auch sehr aufgeregt. Der Schiedsrichter und Mitspieler haben die beiden ja schnell voneinander getrennt. Und es hat mich schon im Stadion geärgert, wie Unschuldslamm Djakpa dem Schiedsrichter auf die Schulter geklopft hat, frei nach dem Motto, gut gemacht, Herr Steuer. Aus seiner Sicht natürlich mit der großen Erleichterung erklärbar, nicht erwischt worden zu sein bei seiner groben Unsportlichkeit.

Nachtrag, 11. April: „Das DFB-Sportgericht hat heute Vormittag im Einzelrichterverfahren den Spieler Constant Djakpa wegen eines ‚krass sportwidrigen Verhaltens in Form einer Tätlichkeit gegen den Gegner‘ zu einer Sperre von drei Meisterschaftsspielen verurteilt.“ Offizielle Meldung von Eintracht Frankfurt

Der MSV, der MSV, der MSV ist wieder da!

Wann ist das einmal so gut gegangen? Die Mannschaft des MSV Duisburg zieht sich nach einer Zwei-Tore-Führung zurück, überlässt dem Gegner das Spielfeld und diesem Gegner gelingt nicht einmal ein Anschlusstor? Dieser Gegner spielt wie eine Handballmannschaft immer um den Strafraum herum, und der Mannschaft fällt nichts ein, wie sie gefahrvoll vor das Tor des MSV Duisburg kommen kann. Dieser Mannschaft, Eintracht Frankurt, gelang ein bedrohlicher Schuss auf das Tor von Felix Wiedwald nach der 2:o-Führung. Er kam verdeckt, und der Ball hätte den Weg ins linke untere Eck  finden können. Doch Goran Sukalo bekam einen Fuß in die Schussbahn und lenkte den Ball zur Ecke ab.

Dennoch hatte ich nie die Sicherheit, mit der Oliver Reck nach dem Spiel vor die Presse trat. Er hatte in dieser zweiten Halbzeit nie das Gefühl, die Eintracht könne noch ein Tor erzielen. Das unterscheidet den Trainer vom Zuschauer, der Zuschauer erinnert sich an all die Spiele des MSV Duisburg, in denen in letzten Minuten – sogar gegen alle Wahrscheinlichkeiten – noch etwas schief gegangen ist. Der Trainer befindet sich mit seinen Gedanken nur in dem einen Spiel.

Wir können uns über den 2:0-Sieg gegen den Aufstiegsfavoriten freuen und über den Klassenerhalt. Da lege ich mich jetzt auch in der Öffentlichkeit fest. Mit etwas mulmigem Gefühl hatte ich das schon unter vier Augen Freunden  nach dem Unentschieden in Ingolstadt zugeflüstert. Nach dem Sieg gegen Eintracht Frankfurt bin ich nun doch aber froh, dass tatsächlich niemand aus der Schicksalsagentur, Sparte Rückschläge im Leben, heimlich mitgehört hat.

Natürlich hat man sehen können, dass Eintracht Frankfurts Spielanlage eigentlich der vom MSV Duisburg überlegen war. Der Ball lief besser, die Spieler schienen genauer zu wissen, wo ihre Mitspieler sich gerade befanden. Doch ahnte man immer wieder nur das Potenzial dieser Mannschaft, denn gleichzeitig spürte man auch, diese Eintracht war sich ihrer vermeintlichen spielerischen Überlegenheit zu sicher. Jederzeit zu sehen war sie ja nicht. Dennoch schien die Spieler der Eintracht zu meinen, ihr Spielaufbau werde sich zu überlegenem Spiel entwickeln In der ersten Halbzeit hatte es diese Möglichkeit der Spielentwicklung auch gegeben. Dagegen standen in der Defensive beim MSV Duisburg Einsatz und Laufbereitschaft. Großartig wieder Goran Sukalo, der von der Mitte aus so oft als zweite Absicherung an die Außenlinie ging und dann dort den Stürmer der Eintracht stellte, wenn die Außenverteidiger überspielt waren. Er war immer überall da, wo die Not wuchs.  Großartig war aber auch sein Volleyschuss zur 1:0-Führung.

Im Spiel nach vorne überzeugte wieder der Mut, die Angriffe kontrolliert vorzutragen und spielerische Lösungen zu suchen. Das brachte zwar keine klaren Chancen, erhöhte aber den Druck auf die Eintracht in der ersten Halbzeit. Die Eintracht konnte sich nie sicher sein, ob nicht einer dieser Angriffe sauber zu Ende gespielt werden würde. Zu Ecken hat das dann ja geführt. Und wie wir gesehen haben, entstand aus einer dieser Ecken im zweiten Anlauf die Führung.

Nach der Halbzeitpause warteten wir auf den beginnenden Sturmlauf der Eintracht, doch deren erstes kurzes Aufbäumen von drei, vier Minuten überstand der MSV und war danach wieder gefährlich im Spiel. Eine Doppelchance machte Oka Nikolov noch zunichte. Doch es gab ja wieder eine Ecke mit Gedränge vor dem Tor, in das Bruno Soares hineinrauschte und dabei den Ball irgendwie ins Tor drückte. Wie unbeschwert diese Spieler nun dort auf dem Spielfeld ihre Siege feiern. Welche Entwicklung ist das in den Wochen seit dem Jahresanfang.

Ein wenig Sorgen bereitet mir Jürgen Gjasulas Auswechlung. Schon zum Ende der ersten Halbzeit schien er Schmerzen in der Wade oder am Fuß zu haben. Hoffen wir, da gibt es nur eine Prellung. Die Mannschaft braucht seine Ballsicherheit, seinen Blick und seine Ideen. Da gibt es für mich keine Frage. Der Mut mit jedem Gegner die Augenhöhe zu suchen, hängt mit seiner wieder gewonnen Spielstärke zusammen. Es wäre doch schön, den Rest der Saison von der Siegeslaune der letzten Wochen noch so oft wie möglich begleiten lassen zu können.


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