Posts Tagged 'Etymologie'

Wenn der Zufall mich auch noch zum volley führt

Es gibt nicht viele Möglichkeiten, einen Sturz mit dem Gesicht auf einem armdicken, kegelförmigen Betonpoller in Kniehöhe abzufangen, ohne sich schwer zu verletzen. Nennt mich Glückskind, ich habe das geschafft. Vorübergehend ist nun mein Gesicht deutlich asymetrischer, als es für uns Menschen sonst ohnehin der Fall ist. Andererseits gibt es auch nicht viele Möglichkeiten, den Betonpoller davor im Dunkeln so genau anzulaufen, dass er als Hebel wirkte und mich nicht als Stolperfalle irritierte. Der Poller hat mich gleichsam emporgehoben, ohne dass ich merkte, was geschah. Das nun lässt sich doch nicht Glück nennen.

Die Verbindung zum Fußball ist der Zufall. Was hatte alles zusammen kommen müssen, dass sowohl das eine als auch das andere geschah. Das Leben ist nicht kontrollierbar, so sehr wir es uns auch wünschen, ein Fußballspiel auch nicht. Ich weiß das eigentlich. Das eine und auch das andere. Daran erinnern muss ich mich dennoch ständig.

Zufällig habe ich mich dann gestern im Netz von einer Seite zur anderen Seite führen lassen. Seitdem weiß ich nun, was ich vermutete hatte. Der Begriff „volley“ wurde in der Sportsprache zum ersten Mal in England im Tennis benutzt. Das Online Etymology Dictionary verzeichnet für 1819 die erste Quelle eines Verbs und 1851 die eine, wo das Wort als Substantiv genutzt wurde. Über das Tennis ist es in die anderen Sportarten eingewandert. Den Tennissinn hat es beibehalten, den Ball im Flug treffen. Ins Englische gelangte das Wort in den 1570ern aus dem Mittelfranzösischen „volee“, der Flug. Es bezeichnete das Entladen von mehreren Kanonen zurselben Zeit. Der metaphorische Sinn im Sport ist sofort einsichtig. Ein volley genommener Ball besitzt besondere Angriffskraft. Mit irgendwas muss man sich ja die Zeit vertreiben, bis man sich wieder rasieren kann.

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Leser fragen – Kees Jaratz antwortet: Was bedeutet der Name Ennatz?

Die Tage vor den letzten Spielen der Saison fühlen sich leichter an, seitdem der MSV Duisburg sich an einem Mittelfeldplatz orientiert und auch in der nächsten Saison die 2. Liga unser Wettbewerb sein wird.  In dieser Zeit der Leichtigkeit lässt sich auch wieder der Blick auf all die Fragen werfen, die überdauern und die mir von Google regelmäßig ins Haus gespült werden. Ein Klassiker unter diesen Fragen gilt Bernard Dietz. Und ihr wisst: Wer Google um Antworten auf drängende Fragen bittet und hier landet, soll nicht vergeblich gekommen sein. Wenn ich helfen kann, mache ich das. Wer seine Fragen lieber genauer stellen möchte, als es die Google-Gepflogenheiten erlauben, kann natürlich auch direkt Kontakt mit mir aufnehmen.

Anonyme Nutzer der Suchmaschine Google: Was bedeutet der Name Ennatz?

In einem lesenswerten RevierSport-Interview mit Bernard Dietz aus dem Jahr 2008 wird im Vorspann zum Interview noch einmal die Anekdote zur Herkunft des ungewöhnlichen Spitznahmens erzählt.

Als im Alter von ungefähr sechs Jahren der junge Bernard mit seinen Freunden aus der Nachbarschaft auf der Straße kickte, schaute auch die kleine Schwester eines Freundes zu. Ihr Name: Erika. Ihr Problem: Sie konnte noch nicht richtig sprechen. In der Hektik des Spiels wurde da aus Bernard schon mal ein durch die Zähne gepresstes „Bennatz“. Sie verstand nur „Ennatz“. Und immer wenn Bernard zu Besuch war, rief sie „Ennatz kommt, Ennatz kommt.

Ergänzend sei noch hinzugefügt, eine einheitliche Schreibweise des Spitznamens setzte sich erst durch, als der MSV Duisburg für das neu geborene Maskottchen einen Namen per Internet-Voting suchte. Wir wissen, welcher Name es wurde, und Näheres zur Schreibweise erläuterte seinerzeit der Verein:

Liebe MSV-Fans, die Resonanz für die Namensvergabe des neuen Zebra-Maskottchens ist enorm hoch. Dafür schon vorab herzlichen Dank. In den ersten Stunden erhielten wir einige Proteste, dass der Vorschlag „Enatz“ doch falsch geschrieben sei. Richtig ist, dass der Spitzname von Bernard Dietz in seinem Buch „Ennatz“ geschrieben wurde. In der offiziellen MSV-Chronik wird dagegen „Enatz“ aufgeführt. Nach Rücksprache mit Bernard Dietz persönlich, versicherte er: „Da gibt es eigentlich keine feste Regel. Manche betonen meinen Spitznamen so, andere wieder so. Deshalb kann ich es selbst nicht genau sagen. Es ist für mich jedenfalls eine große Ehre vorgeschlagen zu sein.“ Auf vielfachen Wunsch der Fans führen wir jetzt in der Online-Abstimmung „Ennatz“ auf. Viel Spaß weiterhin beim voten

Und da ich schon einmal dabei bin. In dem RevierSport-Interview gibt Bernard Dietz selbst zudem die Antwort auf eine zweite hier regelmäßig einlaufende Frage. Anonyme Google-Nutzer: „warum fehlen bernard dietz zwei finger?“

Ich stand an einer Stanz- und Schweißmaschine, wo wir kleine Eisenringe vorarbeiten mussten. Die habe ich sauber gemacht. Unten war so ein kleines Pedal, das zwei backen bediente…da bin ich dann dran gekommen und es machte Batsch. An der rechten Hand waren mein Ring- und Mittelfinger zusammengequetscht. Leider konnten die Ärzte nichts mehr retten. Im ersten Moment geht da mit gerade mal 18 Jahren natürlich die Welt unter. Da hatte ich lange dran zu knabbern.

Isoliertes Wissen ist das eine, ein erzählender Bernard Dietz das andere. Ein Klick weiter, siehe oben.

MSV ahoi!

Ob die Fußballspieler aus Duisburg und Cottbus wissen, dass sie heute Abend während des Montagsspiels vom 13. Zweitliga-Spieltag auf Geheiß ihrer Trainer seemännische Traditionen aufleben lassen? Beide Manschaften werden sich nämlich beim Spiel mit dem Ball intensiv mit dem „stoppen“ beschäftigen. Die einen wollen die MSV-Serie stoppen, und Milan Sasic möchte, dass seine Mannschaft stoppt, was Der Westen in der Überschrift zum Spiel-Vorbericht mit „Energie-Wucht“ zusammenfasst.

Könnte sich also ein Spieler heute Abend auf Vorfahren besinnen, die schon im 18. Jahrhundert die Weltmeere besegelten, hätte er vielleicht einen kleinen Vorteil. Denn wie ich im Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache nachlese, wurde das mittelniederdeutsche Wort „stoppen“ in die Seemannsprache übernommen und ist dort im 18. Jahrhundert das erste Mal bezeugt. Mündlich wird es sehr wahrscheinlich schon länger im Gebrauch gewesen sein. Das Lexikon legt auch nahe, „stoppen“, mit der Bedeutung „verstopfen“, sei über diese Seemannssprache in den neuenglischen  Wortschatz gelangt. Es gibt aber auch eine andere Deutung der Wortgeschichte, die die direkte Übernahme des lateinischen Wortes stuppare (mit Werg verschließen) in mehrere Sprachen nahe legt, und damit hätte auch das Middle English Quelle für Seeleute sein können. Auch wenn mir über die Vorfahren der Duisburger Spieler nichts bekannt ist, unbestritten bleibt, in der Stadt mit dem größten Binnenhafen Europas (der Welt?) gibt es eine engere Verbindung zur Überseefahrt als im binnenländischen Cottbus. Womöglich rief auch im Ruhrorter Hafen mancher Schiffsführer seinen Matrosen „stop“ zu, wenn diese Taue ablaufen ließen. So sehe ich einen kleinen Vorsprung Erfahrung für Duisburg, von dem ich hoffe, er wirkt sich auf die Mannschaft der Binnenschifffahrts-Stadt gegenüber der „Energie-Wucht“ aus.

In Milan Sasics etwas ausführlicheren und farbigeren Worten klingt diese „Energie-Wucht“ aus der Westen-Überschrift so: „Man geht an Front und greift an, ohne über die Verluste nachzudenken.“ Für ihn ist klar, „dass wir müssen diese Wucht und diese Art, von Fußball, was Cottbus treibt, erstmal stoppen und dann zu profitieren von diese Philosophie, Philosophie, was heißt, interessiert mich nicht, was geht nach hinten, ich will nach vorne was tun.“ Demgegenüber beschreibt Milan Sasic die Spielweise des MSV Duisburg mit der Balance zwischen Angriff und Verteidigung. „Verteidigen und Umschalten“, das sind die zwei zentralen Begriffe der Spielphilosophie des MSV Duisburg. Milan Sasic freut sich auf den Abend und hofft, dass viele Zuschauer kommen. Wenn ich an die Diskussion über die Duisburger Zuschauerzahlen in den letzten Tage denke, fühlte  ich mich bei einem Publikum von 13.000  Zuschauern mit meinen Vermutungen über das Erreichen des Stammpublikums bestätigt. In der Rückrunde werden wir häufiger die 20.000er-Marke erreichen. Hoffe ich jedenfalls, weil das voraussetzt, dass der MSV Duisburg weiter oben mitspielt. Wie wir wissen, gibt es im gegenwärtigen Fußball immer wieder Nachbetrachtungen zu Spielen, in denen die Worte „gleichwertig“ und „dieser kleine Unterschied“ eine Rolle spielen. Wenn dieser kleine Unterschied dieses Mal Duisburgs Nähe zur Schifffahrt ist, soll es mir recht sein.


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