Als ich vor ein paar Wochen das erste Mal über die Biografie von Peter Neururer schrieb, wurde das zur Preview über das Kapitel „MSV Duisburg“. Schon damals deutete ich an, von einer Biografie erwarte ich mehr, zumal der Preis von € 19.90 bei 192 schnell zu lesenden Seiten nicht gerade günstig ist. Heute nun nachgeholt: die begründetere Kritik.
Die Art und Weise, wie das Buch in der Öffentlichkeit im Oktober vorgestellt wurde, gibt einen ersten Hinweis auf den Inhalt. Zeitungen war es allemal eine Nachricht wert, dass Peter Neururer seine Biografie vorstellte. Wohlgemerkt, Peter Neururer stellte sie vor, der Autor Thomas Lötz verschwand völlig hinter dem Namen des Trainers. Das wird bei der Lektüre der ersten Seiten des Buches sofort verständlich. Denn dieses Buch ist keine Biografie im eigentlichen Sinn. Thomas Lötz ist nicht mehr als der namentlich genannte Ghostwriter einer Autobiografie. Sie wird nur in der Dritten Person Singular erzählt, doch verschwindet diese Differenz zum Ich von Peter Neururer mit den ersten Sätzen im Buch.
Peter Neururers Biografie beginnt mit einem kurzen zusammenfassenden Abschnitt über Kindheit und Jugend, um sofort zum Wesentlichen zu kommen, dem anekdotenhaften Erzählen über seine Tätigkeit als Trainer. Begonnen hat er seine Karriere als Co-Trainer von Horst Hrubesch bei Rot-Weiß Essen. Sie kannten sich vom gemeinsamen Trainer-Lehrgang an der Sporthochschule Köln. Damit ist die Richtung dieser Biografie vorgebeben. Harmlose Anekdoten aus der Fußballwelt, kombiniert mit ein paar Fakten der Trainerkarriere und immer wieder eingestreut, damit das Ganze lebendiger wird, Dialogpassagen von Neururer mit Personen, denen er während seiner Karriere begegnet ist.
Wer also Peter Neururer bei seinen Anekdoten sonst gerne zuhört, wird gut bedient. Wem Peter Neururer mit seinem flapsigen Reden schon immer auf die Nerven gegangen ist, wird auch das Buch schreiend in die Ecke werfen. Der Biografie fehlt jegliche reflektierende Distanz zum vergangenen Geschehen. Eine weiterführende Einsicht gibt es nicht. Wir gleiten über die Oberfläche vom Geschehen hinweg. Dieses Geschehen kann man glauben und es auch sein lassen, denn eins ist gewiss, bei allem was geschah, kommt Peter Neururer immer gut weg.
Ganz selten klingt ein allgemein gehaltener, etwas nachdenlicher Ton an. Krisen können eben nicht ganz geleugnet werden, doch im Grunde bügelt „uns Peter“ die Widersprüche seines Lebens vor allem mit einer das Buch durchziehenden Standardselbstbeschreibung glatt: Peter Neururer steht zu seinem Wort.
Wie sehr er zu seinem Wort steht, lässt ein kurzes Gespräch erahnen das Peter Neururer zu seiner Zeit beim 1. FC Köln mit dem damaligen Präsidenten Klaus Hartmann angesichts der anstehenden Verpflichtung von Karl-Heinz Rühl als Sportdirektor geführt haben will. Wir wissen vor dem Gespräch schon, Peter Neururer hält Karl-Heinz Rühl wegen befürchteter Illoyalität für keinen geeigneten Sportdirektor:
„Herr Präsident, wenn Calli Rühl hier Sportdirektor wird, dann können sie meinen gerade verlängerten Vertrag sofort zerreißen.“
„Herr Neururer, ich bitte Sie“, sagt Hartmann, „arbeiten Sie mit Herrn Rühl vertrauensvoll zusammen. Stellen Sie Ihre persönliche Abneigung hintenan. Hier zählt an allererster Stelle der 1. FC Köln.“
„Einverstanden“, sagt Neururer.
Hier fallen Oberflächlichkeit der Selbstdarstellung und handwerkliches Ungeschick des Biografen zusammen. Diese kurze Stelle wirkt wie eine der Anekdoten, wie sie Eckhard Henscheid zu seinen Titanic-Zeiten häufig verfasste. Ein Geschehen mit einer prominenten Person wird erzählt, das vorgibt auf etwas Allgemeines zu verweisen. Bei näherem Betrachten aber fällt alles in sich zusammen. Mit dem Unterschied, in Peter Neururers Biografie ist das alles ganz ernst gemeint ist. Denn eigentlich kollidiert hier das Bild von Peter Neururer, dem Geradlinigen, mit jenem Peter Neururer, der für die große Sache die eigenen Interessen zurücksteckt. Aus dem Konflikt zwischen zwei vorgeblich so starken Lebensprinzipien wird mit einem einzigen Wort die Luft rausgelassen. Da gibt es kein Zweifeln, da gibt es keine Irritation. Da gibt es nichts außer der Behauptung, dass alles so war, wie es gewesen ist, und das ist banal.
Wenn Peter Neururer dann mal von sich selbst wegrückt und etwas erzählen könnte, was einen wirklichen Blick hinter die Kulissen gewährte, will er es sich mit niemanden verscherzen. So erwähnt er das schwierige Verhältnis des 1. FC Köln zu den lokalen Printmedien. Auch Peter Neururer, so empfand er es, wurde die Arbeit schwer gemacht, weil im Express etwas stand, was nicht stimmte. Nun ließe sich allerlei Interessantes dazu erfahren, wenn Peter Neururer seine eigene Rolle in dem Mediengeschehen mitbedenken würde. Das geschieht natürlich nicht. Wir erfahren nur, es gibt Studienfreunde, die nun beim Express arbeiten, die er mal eben anrufen kann, um zu hören, wie die Stimmung so ist. Das sind also schon mal nicht die Bösen. Dann gibt es den altgedienten Haus-und-Hof-Journalisten des Express beim FC, den Neururer wegen dessen Arbeit respektiert. Der habe nie irgendwelche Behauptungen in die Welt gesetzt, die nicht recherchiert gewesen wären. Der gehört also auch nicht zu den Bösen. All diese Boulevard-Journalisten sind also eigentlich ganz nette Kerle. Nur komisch, dass im Express dennoch die Sachen stehen, die einfach nicht stimmen. Da staune ich natürlich, ob der menschenunabhängigen Intelligenz und Schaffenskraft der Boulevardzeitung. Die Biografie gerät da zum Science-Fiction-Roman. Peter Neururer als Opfer von Maschinenintelligenz?
Wie gesagt, solche Ungereimtheiten werden den Anekdotenfreund nicht stören. Man darf eben nur nichts wirklich Erhellendes aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers erwarten. Nebenbei bemerkt, ich sehe auf dem Schutzumschlag das „11 Freunde“-Gütesiegel „empfohlen von“ und staune, auf welchen Büchern das inzwischen überall zu finden ist.
Thomas Lötz: Peter Neururer. Aus dem Leben eines Bundesliga-Trainers. Delius Klasing Verlag, Bielefeld 2012. 192 Seiten. € 19,90.
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