Vor Beginn der neuen Saison wird es nun aber Zeit, endlich etwas über „So lonely“ zu schreiben, Michael Wildbergs bereits im Frühjahr erschienenem Buch über „Ein Leben mit dem MSV Duisburg“. Vielleicht ist der Zeitpunkt auch gar nicht so schlecht. Nachdem die erste Welle der Aufmerksamkeit vorübergeschwappt ist, wirkt so ein Text vielleicht als Kauferinnerung aus der zweiten Reihe.
Ohne viel Verlagswerbung und mit nur wenigen Hinweisen in den klassischen Medien fand „So lonely“ in den ersten Wochen nach dem Erscheinen zumindest in Duisburg zahlreiche Käufer. Unter Fans des MSV wirkte die Mundpropaganda. Schließlich ist es interessant zu sehen, wie ein anderer das erlebt, was auch für einen selbst von Bedeutung ist. Wenn das dann auch noch sehr unterhaltsam geschrieben ist, um so besser. Zumal wir Fans vom MSV Duisburg mit medialen Produkten über unseren Verein nicht gerade verwöhnt sind.
Der 1981 geborene Michael Wildberg besitzt eine klassische Fan-Biografie. Vater nimmt jungen Sohn mit zum Fußball, Sohn ist begeistert, kommt nicht mehr vom MSV Duisburg los und geht schon bald den eigenen Fan-Weg mit den Kumpels. Von diesem Weg erzählt Michael Wildberg mit Selbstironie und großer Pointensicherheit. Gerade der MSV Duisburg bietet als Erzählgegenstand auch genügend Anlässe, diesen ironischen Ton anzuschlagen. Denn wir wissen, ein Fan des MSV Duisburg macht einiges mit, und wer dennoch diesem Verein treu bleibt, braucht Mittel, seine emotionale Grundbefindlichkeit einzupegeln. Besonders in den letzten Jahren der Ära Hellmich.
Nun könnte ich es dabei belassen und sagen, ein Anhänger des MSV Duisburg wird an dieser biographisch inspirierten Geschichte seinen Spaß haben. Michael Wildberg weiß lebendig zu schreiben, er arbeitet die wichtigsten Momente der jüngsten MSV-Vergangenheit ab und er kennt erzählenswerte, originelle Szenen aus dem reichhaltigen Erfahrungsschatz eines Fußballanhängers. Gerade so etwas wie Pointensicherheit und Selbstironie führt aber zu einer weiteren Fährte. Man kann nämlich dieses Buch auch ambitionierter besprechen als mit dem Hinweis auf den Gebrauchswert für den Leser, der seine Leidenschaft mit dem Autor teilt und diese einmal gespiegelt bekommen möchte.
An „So lonely“ lassen sich auch literarische Maßstäbe anlegen. Das Buch gehört zu einer Art Genreliteratur, deren Übervater und Begründer Nick Hornby mit dem 1991 erschienenen Fever Pitch ist. Michael Wildberg erzählt sein „Leben mit dem MSV Duisburg“ eben nicht als sachlichen Tatsachenbericht, er möchte in gestalteter Form von der Wirklichkeit erzählen. Er spitzt Szenen zu, sucht die Komik im Moment und findet in der ersten Hälfte seiner Geschichte Erzählenswertes, was über den Fußball hinausweist. Er holt Meiderich als den Ort seines Aufwachsens in die Geschichte hinein und bietet mit einer idealisierten, rauen Meidericher Wirklichkeit eine Deutung dieser Stadtteil-Welt an. Es lässt sich darüber streiten, ob er diese Meidericher Wirklichkeit nicht zu sehr romantisiert, wenn er der Arbeitslosigkeit im Stadtteil die Lebenstüchtigkeit der Menschen dort mit Schwarzarbeit und Grauzonen-Geschäften entgegenhält. Doch der Wert dieses individuellen Bilds der Meidericher Wirklichkeit besteht darin, dass sein Bild einen Platz in der Öffentlichkeit besetzt und Anlass bietet über diese Meidericher Wirklichkeit zu reden.
In der zweiten Hälfte des Buches habe ich diese literarischen Maßstäbe dann allmählich wieder beiseite gelegt. Nicht weil das Buch stilistisch abfällt, sondern weil in dieser zweiten Hälfte nichts anderes mehr Thema wurde als der Fußball selbst in der Ära Hellmich. Diese zweite Hälfte bleibt meist bei dem, was wir alle erlebt haben und wenn der Blick über den MSV Duisburg hinausgeht, handelt es sich um ein weiteres Fußballspiel ohne Beteiligung des MSV Duisburg. Michael Wildberg erzählt dann wenig, was Leser ohne Verbindung zum MSV interessant finden könnten. Andererseits ließe sich natürlich sagen, selber schuld, wenn da einer kein Interesse am MSV Duisburg hat. Demjenigen entgeht eben die Gelegenheit mit „So lonely“ eine unterhaltsame Zeit zu verbringen.
Michael Wildberg hat im Duisburger Bürgerhof sein Buch nach dem Erscheinen bei einer Lesung vorgestellt. Bei youtube findet sich in mehreren Teilen der Mitschnitt von dieser Lesung, bei der auch Joachim Hopp und Milan Sasic anwesend waren. Den vom eigenen Arbeiter-Pathos ergriffenen Joachim Hopp sollte sich niemand entgehen lassen.
Bei Facebook gibt es zum Buch eine Seite, die Michael Wildberg regelmäßig mit Fußballhinweisen befüllt. Und nun, da ich den Link zu Facebook gesucht habe, sehe ich errötend, dass er mich ebenfalls mit kürzlich hier erschienenen Beiträgen und großem Lob verlinkt hat. Für die Verschwörungstheoretiker unter den Lesern hier möchte ich betonen, Michael Wildberg und ich pflegen keine der im sonstigen Kulturbetrieb oft üblichen Gefälligkeitsbesprechungs-Freundschaft. Könnte natürlich noch kommen. Ich werde ihm gleich mal mailen.
Michael Wildberg: So lonely. Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2001. 192 Seiten. € 9,90.
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