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Wieder Zeit für Dokumentation: Der 23. Mai im Bewegtbild

Schon seit dem letzten Wochenende ist deutlich, wie im letzten Jahr wollen die Anhänger des MSV Duisburg vor der Entscheidung des DFB über die Erteilung der Lizenz „Streifen zeigen“. Zunächst war es der Aufruf, schon jetzt die Dauerkarte für die kommende Saison zumindest vorzubestellen, dann wurde weiter überlegt und gehandelt. Zebrakids e.V. ersteht Generationdauerkarten für bedürftige Kinder, indem auf allen Plattformen um zusätzliche Spenden geworben wird. Über das MSVPortal verspricht  User Plato eine Dauerkarte für die nächste Saison einem Fan zu spenden, der sich den Stadionbesuch nicht leisten kann, und er findet Nachahmer. Schließlich wird  vom User Old School die öffentlichkeitswirksame Aktion initiiert, „Fanshop leer kaufen“. Schnell wird die Ankündigung durch die lokale Presse aufgegriffen. Wie die Bewegtbilder unten zeigen war die Aktion ein Erfolg.

Nicht zuletzt bietet diese nun wieder sichtbare Einheit um den MSV Duisburg zögernden Sponsoren Entscheidungshilfen. Um es im PR- und Wirtschaftssprech zu sagen: Die „story“ stimmt. Unternehmen können dabei sein, wenn etwas Gutes bewirkt wird. Sie können Menschen dabei unterstützen mittels des Fußballs sich in sozialen Fragen zu engagieren, sich mit einem Gemeinwesen identisch zu fühlen. Denn auf die Stadt Duisburg färben diese Aktionen wieder ab. Der Geschäftsführer des MSV Duisburg, Peter Mohnhaupt, bekommt immer bessere Argumente an die Hand. Hoffen wir, dass diese Argumente reichen und seht selbst, was gestern vor dem Stadion passiert ist.

Ein kurzer Eindruck mit einem Clip vom Lokal- TV Studio 47

Andre S. erzählt eine längere Geschichte, in denen Ansprachen an Fans nicht fehlen.

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Sommerrückblick mit Bewegtbild-Collage und Zusammenschau

Einer war im Sommer letzten Jahres bei den meisten Fanaktionen für den MSV Duisburg mit seiner Kamera dabei: Frank-M. Fischer von duisburg365.de. Fast täglich stellte er einen Clip ins Netz, der die Geschehnisse seinerzeit dokumentierte. Nun hat er aus Bildern des Sommers eine sehenswerte Collage erstellt. Sie erinnert mit der sichtbaren Verbundenheit der am MSV interessierten Menschen auch daran, warum dem Fußballverein überregional viel Sympathie entgegengebracht wurde. Es war absehbar, dass diese intensive Verbundenheit der Menschen untereinander im Alltag nicht dauerhaft lebbar sein wird. Was an solch einer Verbundenheit als erstrebenswertem Ziel und steter Aufgabe aller nichts ändert.

Die Clips von Frank-M. Fischer waren seinerzeit in meinen Zusammenschauen der Bewegtbilder zu finden gewesen. Ich habe seine Collage nun zum Anlass genommen, diese Zusammenschauen noch einmal zu bündeln und als eine Art Videothek zum Geschehen damals präsent zu halten.

Lesegenuss nicht nur für MSV-Fans: „So lonely“ von Michael Wildberg

Vor Beginn der neuen Saison wird es nun aber Zeit, endlich etwas über „So lonely“ zu schreiben, Michael Wildbergs bereits im Frühjahr erschienenem Buch über „Ein Leben mit dem MSV Duisburg“. Vielleicht ist der Zeitpunkt auch gar nicht so schlecht. Nachdem die erste Welle der Aufmerksamkeit vorübergeschwappt ist, wirkt so ein Text vielleicht als Kauferinnerung aus der zweiten Reihe.

Ohne viel Verlagswerbung und mit nur wenigen Hinweisen in den klassischen Medien fand „So lonely“ in den ersten Wochen nach dem Erscheinen zumindest in Duisburg zahlreiche Käufer. Unter Fans des MSV wirkte die Mundpropaganda. Schließlich ist es interessant zu sehen, wie ein anderer das erlebt, was auch für einen selbst von Bedeutung ist. Wenn das dann auch noch sehr unterhaltsam geschrieben ist, um so besser. Zumal wir Fans vom MSV Duisburg mit medialen Produkten über unseren Verein nicht gerade verwöhnt sind.

Der 1981 geborene Michael Wildberg besitzt eine klassische Fan-Biografie. Vater nimmt jungen Sohn mit zum Fußball, Sohn ist begeistert, kommt nicht mehr vom MSV Duisburg los und geht schon bald den eigenen Fan-Weg mit den Kumpels. Von diesem Weg erzählt Michael Wildberg mit Selbstironie und großer Pointensicherheit. Gerade der MSV Duisburg bietet als Erzählgegenstand auch genügend Anlässe, diesen ironischen Ton anzuschlagen. Denn wir wissen, ein Fan des MSV Duisburg macht einiges mit, und wer dennoch diesem Verein treu  bleibt, braucht Mittel, seine emotionale Grundbefindlichkeit einzupegeln. Besonders in den letzten Jahren der Ära Hellmich.

Nun könnte ich es dabei belassen und sagen, ein Anhänger des MSV Duisburg  wird an dieser biographisch inspirierten Geschichte  seinen Spaß haben. Michael Wildberg weiß lebendig zu schreiben, er arbeitet die wichtigsten Momente der jüngsten MSV-Vergangenheit ab und er kennt erzählenswerte, originelle Szenen aus dem reichhaltigen Erfahrungsschatz eines Fußballanhängers. Gerade so etwas wie Pointensicherheit und Selbstironie führt aber zu einer weiteren Fährte. Man kann nämlich dieses Buch auch ambitionierter besprechen als mit dem Hinweis auf den Gebrauchswert für den Leser, der seine Leidenschaft mit dem Autor teilt und diese einmal gespiegelt bekommen möchte.

An „So lonely“ lassen sich auch literarische Maßstäbe anlegen. Das Buch gehört zu einer Art Genreliteratur, deren Übervater und Begründer Nick Hornby mit dem 1991 erschienenen Fever Pitch ist. Michael Wildberg erzählt sein „Leben mit dem MSV Duisburg“ eben nicht als sachlichen Tatsachenbericht, er möchte in gestalteter Form von der Wirklichkeit erzählen. Er spitzt Szenen zu, sucht die Komik im Moment und findet in der ersten Hälfte seiner Geschichte Erzählenswertes, was über den Fußball hinausweist. Er holt Meiderich als den Ort seines Aufwachsens in die Geschichte hinein und bietet mit einer idealisierten, rauen Meidericher Wirklichkeit eine Deutung dieser Stadtteil-Welt an. Es lässt sich darüber streiten, ob er diese Meidericher Wirklichkeit nicht zu sehr romantisiert, wenn er der Arbeitslosigkeit im Stadtteil die Lebenstüchtigkeit der Menschen dort mit Schwarzarbeit und Grauzonen-Geschäften entgegenhält. Doch der Wert dieses individuellen Bilds der Meidericher Wirklichkeit besteht darin, dass sein Bild einen Platz in der Öffentlichkeit besetzt und Anlass bietet über diese Meidericher Wirklichkeit zu reden.

In der zweiten Hälfte des Buches habe ich diese literarischen Maßstäbe dann allmählich wieder beiseite gelegt. Nicht weil das Buch stilistisch abfällt, sondern weil in dieser zweiten Hälfte nichts anderes mehr Thema wurde als der Fußball selbst in der Ära Hellmich. Diese zweite Hälfte bleibt meist bei dem, was wir alle erlebt haben und wenn der Blick über den MSV Duisburg hinausgeht, handelt es sich um ein weiteres Fußballspiel ohne Beteiligung des MSV Duisburg. Michael Wildberg erzählt dann wenig, was Leser ohne Verbindung zum MSV interessant finden könnten. Andererseits ließe sich natürlich sagen, selber schuld, wenn da einer kein Interesse am MSV Duisburg hat. Demjenigen entgeht eben die Gelegenheit mit „So lonely“ eine unterhaltsame Zeit zu verbringen.

Michael Wildberg hat im Duisburger Bürgerhof sein Buch nach dem Erscheinen bei einer Lesung vorgestellt. Bei youtube findet sich in mehreren Teilen der Mitschnitt von dieser Lesung, bei der auch Joachim Hopp und Milan Sasic anwesend waren. Den vom eigenen Arbeiter-Pathos ergriffenen Joachim Hopp sollte sich niemand entgehen lassen.

Bei Facebook gibt es zum Buch eine Seite, die Michael Wildberg regelmäßig mit Fußballhinweisen befüllt. Und nun, da ich den Link zu Facebook gesucht habe, sehe ich errötend, dass er mich ebenfalls mit kürzlich hier erschienenen Beiträgen und großem Lob verlinkt hat. Für die Verschwörungstheoretiker unter den Lesern hier möchte ich betonen, Michael Wildberg und ich pflegen keine der im sonstigen Kulturbetrieb oft üblichen Gefälligkeitsbesprechungs-Freundschaft. Könnte natürlich noch kommen. Ich werde ihm gleich mal mailen.

Michael Wildberg: So lonely. Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2001. 192 Seiten. € 9,90.

So fühlt sich also ein Leben ohne Fußballinteresse an

Wie viele Menschen sich für so was Unwichtiges interessieren! Welch hohe Einschaltquote für die TV-Übertragung. Unglaublich! Durchschnittlich 14,69 Millionen Zuschauer sahen zu und brachten der ARD  einen Marktanteil von 49,1 Prozent. Beim jungen Publikum der 14- bis 49-Jährigen reichte es mit 8,38 Millionen sogar für 61,1 Prozent. Vor Großbildleinwänden fanden sich tausende Menschen ein. Die haben ernsthaft mitgebangt und sich später gefreut. Deutschlandfahnen überall. Ein Ausnahmezustand. Woran haben die sich begeistert? An sich selbst oder tatsächlich an Lena Meyer-Landrut und ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest? Fast jede Nachrichtensendung begann am Sonntag mit der Meldung von diesem Sieg. Mich berührt das alles nicht. Ich verstehe nicht, was diese Menschen an so einem Wettbewerb für verwechselbare Popsongs begeistert. Ich staune nur, und fühle mich so alleine. Fast hätte ich nicht ein einziges Wort mitreden können.

Nur weil mein Sohn wissen wollte, wie erfolgreich Lena Meyer-Landrut sein würde, haben wir ab 22.20 Uhr ebenfalls in die TV-Übertragung reingeschaltet. Ich will es nicht beschwören, aber wahrscheinlich war es erst das zweite Mal, dass ich mir für etwas längere Zeit diesen Wettbewerb angesehen habe. Insgeheim sage ich dazu immer noch im ersten Moment „Grand Prix undsoweiter“. Das erste Mal war es jener Wettbewerb, als Abba mit Waterloo gewann.  Warum ich das im Jahr 1974 sah, weiß ich nicht mehr. Eigentlich war das Leben als Jugendlicher damals nämlich noch etwas überschaubarer. Wir wuchsen schließlich in der brennenden Sehnsucht nach so etwas wie Rockpalast-Nächten auf, und Abba spielten ihre Hits für uninteressante Mädchen aus der Parallelklasse.

Das sollte verständlich machen, warum ich auch heute kein Interesse für den Eurovision Song Contest aufbringe. Selbst wenn dieser Samstagabend dann mit der „armenischen Pressbrust“ sprachkreativ in die Familiengeschichte eingeht, verhilft mir der Wettbewerb nicht zu ursprünglichen Emotionen sondern zu so etwas wie abgeleitetem Wissen. Ich habe diesen Samstagabend und den Sonntag erlebt und gedacht, so fühlt es sich also an, wenn man sich nicht für Fußball interessiert und scheinbar alle Welt, während einer Fußballweltmeisterschaft etwa, über nichts anderes mehr redet als dieses Spiel. Noch vierzehn Tage, dann gehöre ich wieder dazu.

Der gedeutete Fan

Der Fan weiß alles, er ist kein Trottel. In seinem Innersten weiß er um die realen Chancen, er sieht lediglich von ihnen ab. Als Fan zu leben bedeutet, ein poetisches Dasein zu führen.

Péter Esterházy, Deutschlandreise im Strafraum, 2006


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