Posts Tagged 'FC Bayern München'

Fundstück – Kees Jaratz kommentiert 1974 Aussichten des MSV

An meine ersten Kolumnen zum MSV konnte ich mich bis gerade eben nicht erinnern. Nun stellte ich gerade bei den Recherchen für ein neues Buch fest, früher war mein hoffnungsvoller Blick in die Zukuft des MSV sehr viel deutlicher von einem pragmatischen Realismus gezeichnet als heute. Solche Sätze wie meinem jüngeren Ich damals kämen mir heute nicht mehr über die Lippen. DFB-Pokal auswärts in München, da ist doch alles drin. Und wenn dann verloren wird, nun ja. Vielleicht hat sich damals aber auch der Kees Jaratz im Ralf noch nicht wirklich zeigen können.

Damit mein Vater beim MSV und meinem Leben in Udenbreth auf dem Laufenden blieb, habe ich am 29. 10. 1974 bei einem Schullandheimaufenthalt mal schnell eine Postkarte geschrieben. Ob ich mit meinen Vermutungen richtig lag, werde ich dann demnächst in einer Geschichtskolumne schreiben. Oder ihr macht das sofort in den Kommentaren.

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Die Superleague, MSV-Gemeinsinn und die Causa Flick

Momentan bekommen wir in unseren unterschiedlichen Rollen im und um den MSV Duisburg den Spagat einigermaßen hin zwischen den idealistischen Vorstellungen von Unterstützung und Mitbestimmung in einem Verein sowie der unternehmerischen Arbeit für wirtschaftliche Solidität und sportlichen Erfolg. Um im Bild zu bleiben: Eine Gruppe von MSV-Anhägern versucht sich seit jüngstem an einer Turmkonstruktion von Anhängern im Spagat. Sie haben mit den Zebra-Genossen eine Genossenschaft gegründet und sich damit in eine lange Tradition von wirtschaftlichen Solidargemeinschaften gestellt, die in der Arbeiterbewegung ihre Wurzeln hat.

In Genossenschaften ist ökonomisches Handeln gebunden an Ziele, die vom Gemeinsinn getragen werden. Ihr könnt euch vorstellen, dass mir diese Genossenschaftsgründung sehr gefällt. Was nichts damit zu tun hat, dass Gründungsmitglieder der Genossenschaft Bekannte von mir sind und wir zum Teil denselben Fanclubs angehören.

Das schreibe ich nur der Transparenz wegen. Das Ringen um Erkenntnis in dieser Gesellschaft braucht mehr Wissen über die sozialen Verbindungen derjenigen, die sich über ein Thema äußern. Es geht dabei nicht ums Skandalisieren sondern um Einordnen. Das ist idealistisch gedacht, ich weiß. Aber wenn ich mich schon mal für dieses Bewusstsein einsetzen kann, dann mache ich das nun mal. Demnächst also in diesen Räumen etwas mehr Hintergrund zu der Genossenschaft. Ich denke an ein Gespräch mit einem der Vordenker der Genossenschaft.

Das ist der Fußball in Duisburg. Der Fußball in Europa erlebt gerade den sich doll drehenden Turbokapitalismus. Zwölf Vereine aus England, Spanien und Italiene haben die Katze aus dem Sack gelassen. Seit langer Zeit ist die Superleague im Gespräch, der feuchte Traum von Geldanlegern im Fußballgeschäft. Verlustrobust im Niederlagenfall durch ewige Zugehörigkeit. Natürlich ist so eine Entwicklung konsequent in diesen Corona-Tagen. Die leeren Stadien haben gezeigt, Fußball funktioniert auch ohne Anhänger. Nun ist sogar niemand präsent, der den Plänen laut in die Quere kommen kann. Die Gründung ist auch die konsequente Fortschreibung der ökonomischen Leitgedanken der letzten 20 Jahre. The winner takes it eben all.

Dass deutsche Vereine nicht dabei sind, zeigt für mich einerseits, dass handelnde Protagonisten bei Bayern München und auch Borussia Dortmund sich trotz gegenteiligem Eindruck im deutschen Binnenmarkt mit der deutschen Wirtschaftskultur des Ausgleichs identifizieren. Andererseits ist die kulturelle Kraft des Vereinsgedanken und der Mitbestimmung in Deutschland offensichtlich sehr viel mächtiger als in den anderen europäischen großen Fußballnationen. Was dann wiederum einigen Druck auf Fußballunternehmen und deren leitende Mitarbeiter ausübt. Ob das so bleiibt, ist mir völlig egal. Letzte Woche im Podcast habe ich noch gesagt, sollen sie ihre Superleague doch gründen. Damit meinte ich auch die Bayern und den BVB. Mein Fußball wird dadurch nicht schlechter. Mein Fußball wird dadurch nicht gefährdet. Mich interessiert dieser Fußball nicht mehr. So eine Superleague wird wie jeder schlechte Hollywoodfilm sein weltweites Publikum finden. Kulturelle Kraft hat so ein Fußball nicht mehr. Besorgnis erregend finde ich das nicht.

Dass im deutschen Fußball trotz momentaner Abwesenheit in der Superleague bei den Großvereinen auch Gepflogenheiten von Großunternehmen herrschen, versteht sich von selbst. Schmunzelnd lese ich, dass der FC Bayern Hansi Flicks Stellungnahme am Samstag missbilligt. Als versierter Offensivtaktiker hatte er verkündet, er beende seine Arbeit bei den Bayern am Saisonende. So eine Geschichte steht normalerweise auf den Wirtschaftseiten, wenn über Machtkämpfe in Großunternehmen berichtet wird.

In Deutschland redet die Fußballbranche aber seit Wochen über die Bayern so, als ginge es dort um Meinungsverschiedenheiten über Kaderstärken, die zu persönlichen Animositäten wurden. Dabei zeigt sich in diesem Konflikt einmal mehr nur der immerselbe Widerspruch. Ein Unternehmen handelt nach unternehmerischen Prinzipien. Im Geschäftsfeld Sport zählt zwar Erfolg, aber in Deutschland nun auch die Sportkultur. In dem Fall vertritt Hasan Salihamidzic das Unternehmen FC Bayern München gegenüber dem leitenden Mitarbeiter Hansi Flick. Das Unternehmen sieht nun unternehmerische Prinzipien verletzt, muss aber klein beigeben. In dem Fall ist nicht das Unternehmen FC Bayern bedeutender als Hansi Flick. Denn dessen Erfolge sind in der öffentlichen Wahrnehmung Vereinserfolge. Sie machen ihn unabhängig vom Unternehmen. Selbst beim FC Bayern wirkt noch immer die kulturelle Kraft von Vereinen, auch wenn die nur im Konflikt bemerkbar wurde.

Fußballlyrik – Melancholische Hymne auf gedrehte Spiele

Melancholische Hymne auf gedrehte Spiele

Gedrehte Spiele sind die besten.
Ein Stehplatzspruch vom Stehplatzfreund.
So oft gehört in all den Jahren,
manchmal gefolgt von der Enttäuschung.
Doch wahr bleibt wahr. Das 6 zu 3.
Die Bayern, siebensiebzig,
den Rückstand gab es gleich zweimal.
Als Ennatz Tor um Tor erzielte
und Rummenigge kalt düppierte.

Gedrehte Spiele sind die besten.
Burghausen, Mai, Zweitausendfünf.
Der Druck zu groß? Zwei Tore hinten.
Der Aufstieg schien schon abgehakt.
Doch als Ahanfouf anfing vorn
zu wirbeln, machten alle mit.
Zwei Tore von ihm, eins mit Macht
erzwungen. Ausgleich. Siegtor Kurth.
Das 4 zu 3 zerstörte Zweifel.

Gedrehte Spiele sind die besten.
Sie lassen uns den Tod erleben,
gefolgt von Wiederauferstehung
und sehr paradiesischen Gefühlen.
Wir brauchen nicht ein Leben lang
nur glauben und zu hoffen, bis erst
gestorben die Erfahrung folgt.
Vielleicht, eventuell. Man weiß es nicht.
Und wer es weiß, ist richtig tot.

Da lob ich mir gedrehte Spiele.
Mit ihnen lebt sich’s deutlich länger.
Auch zwanzigeinundzwanzig noch.
Das 3:2, Türkgüncü München,
im März. So wichtig für das Ziel,
die Abstiegszone zu verlassen. 
Zwei Tore waren aufzuholen.
Das Siegtor fällt dann kurz vor Schluss
nach erstem Ballkontakt Ademis.

Die Stille aber auf den Rängen
statt Feier der Unsterblichkeit.
Corona offenbart uns Leere.
Vereinzelt jubeln führt nicht weit.
Erinnert das sogleich ans Hoffen
auf weltliche Unsterblichkeit,
wenn eine Menge Körper wird.
Gedrehte Spiele sind die besten.
Zum weiteren erst bei Gelegenheit.








Ein Muss: Der Mann fürs Planen unter Druck

Seit Sonntag können wir die berechtigte Hoffnung auf bessere Zeiten haben. Seit Sonntag brauchen wir nicht mehr nur auf das Glück zu hoffen. Seit Sonntag wächst mein Vertrauen, dass es dem Verein MSV Duisburg und seiner momentanen Mannschaft in den nächsten Wochen gelingt, wieder in ruhige Fahrwasser zu kommen.

Zunächst zeigte Ingo Wald mit seinem offenen Brief an die „MSV-Familie“ , wie man Zusammenhalt vorlebt. Ihm war klar geworden, dass er sich bei der Pressekonferenz zuvor in den Worten vergriffen hatte und entschuldigte sich. Angesichts des eigentlich zentralen Inhalts der Pressekonferenz hatte ich sogar verstehen können, wie es zu den für ihn ungewöhnlichen Worten der Distanzierung gegenüber MSV-Anhängern kommen konnte. Schließlich beschäftigte sich Ingo Wald in den letzten Wochen damit, die Existenz des MSV abzusichern. Die Übernahme der KG-Anteile durch Capelli garantiert das Überleben des MSV auch für den schlimmsten Fall, den Abstieg. Darüber hinaus drückte dieses Geld Vertrauen in die Arbeit beim MSV aus. Die Bedeutung dieses frischen Geldes wurde angesichts der Abstiegsgefahr und des Unfriedens um Gino Lettierie kaum mehr wahrgenommen. Damit wurde auch die zuvor geleistete Arbeit des Vorstands kaum gewürdigt. Wie lange haben wir im letzten Jahr schon über nötige Investoren gesprochen? In anderen Zeiten hätte diese Pressekonferenz als eine Erfolgsgeschichte erzählt werden können. Diese Möglichkeit gab es nicht mehr.

Zudem birgt schnelles öffentliches Antworten immer die Gefahr pauschaler Sätze. Ein wenig ging mir das im Gespräch mit Studio 47 ebenso, als ich am Freitag unter anderem zu den Aussichten für den MSV in einer möglichen Regionalligasaison befragt wurde. Das Gespräch beginnt bei Minute 1.00.

Ich greife dieses Gespräch deshalb auf, weil ich meinen Blick auf den Verein MSV Duisburg klarer fassen möchte. Oben habe ich zwischen Verein und Mannschaft aus guten Gründen unterschieden. Beim Blick auf die Mannschaft geht es um die mittelfristige Perspektive Klassenerhalt. Hoffnung gibt hier die Verpflichtung der neuen Spieler und des neuen Trainers. Für den Verein aber geht es um langfristige Strukturen. Die Hoffnung hier braucht allerdings noch ein paar Signale aus dem Verein, selbst wenn der offene Brief von Ingol Wald deutlich macht, wie er den MSV in der Stadtgesellschaft verortet sieht. Nicht nur ich denke bei den Signalen an die Arbeit von Ivo Grlic.

Den von Ingo Wald angesprochenen Zusammenhalt braucht der MSV mehr als die Unterhaltungsbetriebe in Bundesliga und Liga 2. Dieses Wort Zusammenhalt aber kommt aus den kulturellen Wurzeln des Vereinslebens. Bei solcher Bedeutung eines ideellen Werts für den Erfolg des Vereins wird es unweigerlich zu Widersprüchen in einem Sport kommen, der sich als Wirtschaftssegment Fußballunterhaltung etabliert hat. Wegen solcher Bedeutung ideeller Werte habe ich den MSV im Gespräch mit Studio 47 in einem Atemzug mit den Spitzenvereinen in der Regionalliga genannt.

Dieser Teil der Identität des MSV kann einerseits in Widerspruch zur angestrebten Professionalität geraten. Andererseits bedingt er die Möglichkeiten der Professionalität. Warum? Weil die immense Bedeutung zugleich ein Symptom des Geldmangels ist. Für das erhoffte Professionalitäts-Niveau auf sportlicher Ebene fehlt Geld, denn Strukturen brauchen Mitarbeiter, die bezahlt werden müssen. Mir geht seit Tagen ein Beispiel aus der Glitzer-Erfolgswelt des Fußballs nicht aus dem Kopf. Neulich habe ich gelesen, beim FC Bayern München gibt es eine Abteilung, die für Datenauswertung und Statistik verantwortlich ist. Diese Abteilung hat 20 festangestellte Mitarbeiter. 20! Diese Mitarbeiter analysieren Spiele und Spieler. Sie stellen Ranglisten auf. Sie arbeiten an Bewertungsgrundlagen und Entscheidungshilfen.

Zwar werden auch Ivo Grlic und das Trainerteam mit Statistiken arbeiten. Die Wahrscheinlichkeit, die falschen Spieler zu verpflichten, ist dennoch größer als beim FC Bayern München, und selbst beim FC Bayern schlagen nicht alle Spieler ein. Mir geht es dabei um den realistischen Blick auf die Mängel von Ivo Grlics Arbeit. Für mich offenbarte die Verpflichtung von Gino Lettieri vor allem den fehlenden konzeptionellem Blick. Die einzelnen Spielerverpflichtungen für sich genommen sehe ich angesichts der Bewertungsmöglichkeiten des MSV gar nicht so kritisch.

Deshalb halte ich es für besser, Ivo Grlic einen Mann für das Konzeptionelle beiseite zu stellen und ihn für die organisatorische Arbeit der Einzelverpflichtung zu behalten als mit einem völlig neun Mitarbeiter komplett neu anzufangen. Sportlich erfolgreich möchte jeder Verein sein. Schwierig wird es, wenn der sportliche Erfolg der Zukunft zugleich den Kredit für die Kostenstruktur der Gegenwart bedeutet. Diesen Zwang zum Erfolg hatte es für den MSV gegeben. Die Zufälligkeit des Fußballs macht Erfolg für Vereine wie den MSV weniger planbar als für Vereine aus der Bundesliga, selbst wenn das Personal keine Fehler macht. Ein Nachfolger von Ivo Grlic wird vor demselben Erfolgsdruck stehen. All die kleinen nun erfolgreichen Vereine sind kein Gegenbeispiel, weil sie in ihren Regionen meist die einzigen Profivereine sind. Ohne die große Konkurrenz in der Nachbarschaft ist es einfacher, erfolgreich zu sein. Mit einem neuen Mann würde es anders werden, ob es besser würde, weiß man vorher nicht. Wir wissen aber, dass Ivo Grlic bei der Verpflichtung einzelner Spieler schon oft richtig lag. Mein Schluss, auch angesichts der Vertragslage: Gebt Ivo Grlic einen Mann für das konzeptionelle Denken an seine Seite. Lasst ihn nicht alleine für die Planungen der nächsten Saison verantwortlich sein. Dann sehen wir weiter.

Das Debut von Franz Beckenbauer bei New York Cosmos

Neulich, schon vor dem jetzt nötigen Corona-Zeitvertreib, bin ich beim Rumsuchen nach historischen Fußball-Clips bei Youtube auf Franz Beckenbauers Debut bei New York Cosmos gestoßen. Es war ein Auswärtsspiel von Cosmos bei den Tampa Bay Rowdies. Das hatte ich mir nur ausschnittsweise angesehen. Die USA waren damals Vorreiter. Das Spektakel aus dem Mai 1977 unterscheidet sich doch nur unwesentlich von der heute üblichen Weise, den Sport als Unterhaltungsware Fußball zu inszenieren. Die Spiele im Wedau-Stadion damals hatten doch einen deutlich anderen Charme.

1977 war er zu New York Cosmos gewechselt. Eine Ablösesumme von 2 Millionen Mark erhielt der FC Bayern München damals. Bis 1980 spielte Beckenbauer das erste Mal in den USA, um nach zwei Spielzeiten beim Hamburger SV 1983 ein zweites mal für eine Saison nach New York zurückzukehren. Er spielte mit Pelé, der schon länger bei Cosmos unter Vertrag stand. Carlos Alberto gehörte zu dem Team und Giorgio Chinaglia. Die Clubs in der North American Soccer League organisierten die Mannschaften rund um Stars des internationalen Fußballs in deren letzten Karrierejahren.

Das Video ist nicht sehr gut digitalisiert, dennoch macht es Spaß hineinzuschauen. Es hatte beim zweiten Mal in diesen Zeiten etwas meditatives, zumal der Spielausgang ja völlig uninteressant ist.

Fundstück: Klaus Wunders Aufgabe bei Bayern München

Für den Abschiedstext am Samstag über Arjen Robben und Frank Ribery in der Süddeutschen Zeitung hat Christof Kneer ein Interview mit Gerd Müller aus dem Archiv hervorgeholt. Die Interview-Reminiszenz sollte verdeutlichen, wie sehr sich das Bayern-Flügelspiel der Gegenwart mit Robben und Ribery vom immer während erfolgreichen Bayern-Spiel der Vergangenheit über die Sturmmitte unterschied.

Nach den Worten von Gerd Müller wurde Klaus Wunder vom MSV Duisburg nur deshalb gekauft, um die Spannung unter den etablierten Spielern hoch zu halten. So wie Gerd Müller es erzählte, gab es für Klaus Wunder nie eine wirkliche Chance, um sich bei den Bayern durchzusetzen. Es gab keine Absicht, die übliche Bayern-Taktik zu verändern. Klaus Wunder musste nur im Kader vorhanden sein, um ein Drohszenario zu inszenieren.

Natürlich ist diese Erinnerung nicht mehr als eine Anekdote. Die endgültige Wahrheit dieser Verpflichtung gibt es nicht. Wahrscheinlich hätte Robert Schwan was ganz anderes erzählt, geschweige denn der Trainer. Dennoch bestätigt die Anekdote in dieser Perspektive von Gerd Müller ein Muster bei Spielerverpflichtungen durch den FC Bayern München. Der Verein verpflichtet neue Spieler oft eben in dem Luxus, sie nicht unbedingt wegen ihres direkten Nutzens als aktiver Part der spielenden Elf. Oft gibt es andere Motive, für die sich die abgebenden Vereine und die Spieler hoch bezahlen lassen.

 

Ich weiß noch, wie zwiespältig ich als Kind diese Verpflichtung von Klaus Wunder durch den FC Bayern erlebt habe. Zum einen war mir als Zwölfjähriger bewusst, dass durch den Weggang von Klaus Wunder die spielerische Qualität der Mannschaft des MSV leiden könnte. Zudem war der Abschied selbst eine besondere Nachricht, die meine Stimmung drückte. Man muss sich vergegenwärtigen, ständige Wechsel von bedeutenden Spielern einer Mannschaft waren in diesen frühen 1970er Jahre nicht die Regel. Man verabschiedete sich am Ende einer Saison nicht von unzähligen Spielern, die während der Saison Stammspieler waren. Man begrüßte nicht zu Beginn der Saison eine halbe Mannschaft neu. So eine Nachricht erhielt also eine besondere Bedeutung.

Zum anderen war es der erfolgreiche FC Bayern München, der tatsächlich einen Spieler des MSV Duisburg verpflichtete. In den 1960er Jahren war das schon einmal passiert, aber nicht in meiner bewussten Zeit mit dem MSV. Diese Bayern bezahlten mit knapp unter einer Millionen Mark für damalige Verhältnisse unfassbar viel Geld für Klaus Wunder. Auf den MSV und damit auf mich als Anhänger der Mannschaft strahlte das auszeichnend ab. Der MSV spielte für einen Moment eine besondere Rolle in Fußballdeutschland. Das wiederum war gut. Mein Stolz auf diesen Wechsel bedeutete aber auch für mich, Klaus Wunder musste in München in die Startelf. Nur dann hätte dieser Wechsel für mich einen Sinn gehabt. Das geschah nicht. Je weniger er spielte, desto mehr verlor sich auch mein Stolz auf die beim MSV gezeigte Leistung von Klaus Wunder. Was habe ich damals schon von verdeckten Motiven der Bayern gewusst.

Glückwunschausflug zu Ennatz und dessen Tore gegen die Bayern

Nun ist der 70. Geburtstag von Bernard Dietz schon wieder ein paar Tage her. Seit heute gibt es Bewegtbilder vom Besuch der MSV-Fans in Walstedde am letzten Donnerstag. Etwa zwei Wochen zuvor hatte auch mich die Frage erreicht, ob ich mitfahren könne und wolle. So war ich bei der durch Wetter, Arbeit und Gesundheit etwas geschrumpften Glückwunschabordnung mit dabei.

Beim McDonald’s-Zwischenstopp nach der Abfahrt von der Autobahn mussten wir zwar durch die uninformierte Landbevölkerung Nachfragen ertragen zu einem Verein, den wir nicht mögen, doch in Walstedde haben wir dann schnell klar gemacht, woher wir kamen.

Neben den Glückwünschen hatte ich Ennatz das von mir und Frank Baade geschriebene Buch 111 Fußballorte im Ruhrgebiet, die man gesehen haben muss mitgebracht. In dem Buch hat seine Geschichte zwar keinen eigenen Ort, dennoch kommt das Buch ohne ihn nicht aus. Das Lehmbruck Museum ist nämlich einer jener 111 Fußballorte, und das hängt mit dem MSV-Stürmer der 1970er Jahre Klaus Thies zusammen, der für eine Werbekampagne des Museums in jener Zeit die Lehmbruck-Skulptur, Die Kniende, im Wedaustadion nachstellte. Als ich den Text hatte schreiben wollen, fiel mir zum Einstieg Bernard Dietz ein und der legendäre 6:3-Sieg gegen Bayern München:

Unter kunstinteressierten Fußballfreunden sei für Duisburg folgender Vergleich erlaubt: Im Werk des 1881 in Meiderich geborenen Bildhauers Wilhelm Lehmbruck ist die »Kniende« wie das Spiel der Spiele von Bernard Dietz, der 1977 fast im Alleingang für den 6:3-Sieg des MSV Duisburg gegen den FC Bayern München sorgte. Anstrengung, das Ringen um das Ergebnis und die Zweifel am Erfolg sieht man dem Endstand genauso wenig mehr an wie der lang gestreckten Skulptur in Überlebensgröße.

Bislang waren Tore von diesem Sieg online nicht zu finden. Doch im Geburtstags-Clip vom MSV verstecken sie sich nun und sind endlich wieder zu sehen. Ein Clip, der auch ohne Ennatz-Geburtstag wunderbare Erinnerungen weckt.

 

Wenigstens erinnern, wenn Kevin Wolze schon nicht noch ein Tor erzielte

Wie gestern schon gesagt, das Leben schreibt nicht immer die schönsten Geschichten. Sonst hätte das Spiel des MSV gegen Heidenheim als eine Mischung aus zwei legendären Spielen des MSV erzählt werden können. Man hätte Kevin Wolze dann Ennatz Ahanfouf rufen können.

Im November 1977 stand beim 6:3-Sieg des MSV gegen Bayern München ein Spieler besonders im Blick. Ennatz Dietz legte mit den ersten vier Toren die Grundlage für den Sieg. Die Bayern spielten damals eine schlechte Saison und kamen als 13. ins Wedaustadion. Der MSV war 14. und in den 1970er Jahren das Siegen gegen die Bayern noch gewohnt.

Bewegtbilder habe ich leider nicht gefunden. Wenn ihr persönliche Erinnerungen an das Spiel habt, gerne ab in die Kommentare für das Fangedächtnis des MSV Duisburg. Hier die Torfolge:

20. Minute    1:0 Bernard Dietz
24. Minute    1:1 Reiner Künkel
44. Minute    1:2 Gerd Müller (Foulelfmeter)

49.Minute      2:2 Bernard Dietz
57.Minute      2:3 Gerd Müller
76. Minute     3:3 Bernard Dietz
78. Minute     4:3 Bernard Dietz
83. Minute     5:3 Ronald Worm
85. Minute     6:3 Norbert Stolzenburg

Vom Spielverlauf wäre eine andere Begegnung vorbildhaft gewesen: das 4:3 gegen Wacker Burghausen am 1. Mai 2005. Der MSV war vor dem Spiel Zweiter. Vier Punkte Vorsprung vor dem Drittplatzierten Eintracht Frankfurt und sechs Punkte vor dem Viertplatzierten, dem TSV 1860 München, ergaben eine gute Ausgangsposition, um in den restlichen Spielen den Bundesligaaufstieg zu verwirklichen. Damals gab es auch noch für den Drittplatzierten den direkten Aufstieg. Burghausen kam als Achter der Tabelle. Auch hier gilt: Persönliche Erinnerungen an das Spiel gerne ab in die Kommentare für das Fangedächtnis des MSV Duisburg.

Hier die Torfolge:

Und von dem Spiel gibt es auch Bewegtbilder im Netz:

 

Das MSV Museum – Die Sammler III

Museums-Verwirklicher         Wolfgang Berndsen, 2. v. r.

Beim Cup der Traditionen gab der MSV Museumsverein einen Eindruck von seinen Aktivitäten. Erste Impressionen von der kleinen Ausstellung zu den vier Pokalfinalen waren im Zebrastreifenblog schon zu sehen.  Nun kommen hier in loser Folge Menschen zu Wort, die sich sich für die Eröffnung eines MSV Museums engagieren. Wolfgang Berndsen gehört zu den Gründungsmitgliedern vom MSV Museumsverein. Er ist einer jener Sammler, die mit ihren Exponaten die Grundlage für eine zukünftige Dauerausstellung bilden. Abschließend wird der Vorsitzende des Museumsvereins Volker Baumann noch über die notwendige Vereinsgründung, Perspektiven und Visionen zu lesen sein. Per Klick geht es zum Interview mit dem Sammler Willi Blomenkamp, sowie zum Interview mit dem Sammler Detlef Luderer.

Zebrastreifenblog: Wann hast du mit dem Sammeln begonnen.

Wolfgang Berndsen: Die ersten Zeitungsausschnitte habe ich schon in den 1970er gesammelt. Richtig gesammelt habe ich dann erst ab 86, als ich hier bei uns Pressesprecher war und das Zebramagazin geschrieben habe. Früher, in den 70er Jahren habe ich auch bei Auswärtsspielen mal ein Programmheft mitgenommen und so ein paar Sachen gesammelt, aber nie so intensiv wie ab 1986.

Dann bist einer der Sammler, die erst im Erwachsenalter ihre Leidenschaft entdeckt haben?

So kann man das auch nicht sagen. Ich habe schon als Kind die ganzen Sammelalben gesammelt, die Bergmann-Alben und Panini. Aber auch früher als Jugendlicher, ich bin in Meiderich zur Schule gegangen, da habe ich Trikots abgestaubt von den Spielern. Die Diebels-Alt-Trikots oder die Trikots mit der Eigenwerbung. Da gab es auch mal die kleinen Bergmann-Bilder, wie Autogrammkarten, die habe ich als Schüler gesammelt. Irgendwann hast du dann die Heimprogramme gesammelt, und wenn du auswärts warst eben die Auswärtsprogramme. Irgendwann hast du natürlich alles gesammelt.

Wo lagerst du die Sachen momentan?

Die sind alle bei mir zu Hause im Dachgeschoss auf 60 m² etwa.

Wie findest du dich in deiner Sammlung zurecht?

Ich habe alles in Excel-Dateien katalogisiert. Ich habe auch die ganzen Spieler archiviert. Jeden Spielbericht seit 1902 habe ich im Original vorliegen. Das sind mittlerweile über 7000 Spiele, die wir aufgelistet haben. Mit allen Freundschaftspielen.

Ich bin sprachlos.

Lückenlose Leidenschaft, ja.

Und diese Spielberichte von 1902, wie hast du die bekommen? Bist du in Archive gegangen?

Die habe ich teilweise von Presseleuten bekommen, die ihre Sachen vererbt haben. Viele Sachen habe ich von Herrn Köppen senior bekommen. Er hat die bekommen von einem Herrn Wende. Der war damals Spielausschussobmann in den MSV-Gründerzeiten. 20 Jahre hat er alles archiviert und festgehalten. Dann hat Herr Köppen das vererbt bekommen, und er hat weitergesammelt. Und dann habe ich das bekommen.
Was anderes sind natürlich Stadionhefte, von Auswärtsspielen, so was, die bekommst du bei ebay für viel Geld.

Die Lücken werden also durch Ankäufe gefüllt?

Genau, da wirst du ein Vermögen los. Aber meine Lücken sind nicht groß.

Ärgern diese Lücken?

Ich sag’ mal, wenn ich der Höchstbietende bin, ist das kein Thema. Da habe ich keine Schmerzgrenze.

Nun warst du als Mitglied der Zebraherde schon lange mit dem Gedanken an ein Museum beschäftigt?

Eigentlich hat das noch früher begonnen. Schon Mitte der 1980er Jahre habe ich zusammen mit Klaus Dings so Ideen gehabt. Später dann mit Holger Glücks bei der Zebraherde. Wie so ein Museum nicht aussehen soll, weiß ich auch. Ich bin jetzt in mehreren Museen gewesen. In Frankfurt war alles wie Kraut und Rüben, ohne zeitliche Einteilung. Auch Bayern München zum Beispiel, die haben zwar ein tolles Museum, aber von der Historie fehlt vieles. In München geht es erst ab 1965/66 richtig los. Oder in Barcelona – da kommst du rein, gehst 150 Meter und hast nur Pokale von den Handballern, dann 200 Meter nur Pokale von Basketballern. Dann gehst du in den goldenen Saal der Fußballer rein, und brauchst eine Sonnenbrille. Aber auch die haben kaum alte Sachen. Die haben zwei, drei Trikots. Von Kubala, Stojkovic, Neeskens und wie sie alle hießen. Eine Lederchronik gibt es noch und  irgendwelche Panini-Bildchen.

Aber das ist keine Ausstellung. Für mich beginnt die Geschichte eines Vereins mit der Gründung, beim MSV eben 1902. Die Geschichte eines Vereins soll auch mit alten Sachen belegt werden. Und viele Vereine haben keine alten Sachen. Es gibt viel Neuzeit. Bayern München etwa mit Multimedia und Räumlichkeiten, die mich natürlich interessieren würden. Aber als ich da rausgekommen bin, habe ich mich totgelacht. Ich denke schon, wenn wir Sammler alle zusammen schmeißen, spielen wir Champions League. Da bin ich sicher.

Wer das MSV Museum unterstützen will, findet auf der Seite des Museum alle nötigen Informationen. 

Gastbeitrag: Klaus Hansen erinnert an Spitzenereignisse vom MSV – V – „Eia“ Krämer und Ennatz

Egal ob Wedaustadion, MSV-Arena oder Schauinsland-Reisen-Arena, der Sozialwissenschaftler Klaus Hansen kommt seit der ersten Bundesliga-Saison zu den Spielen des MSV. Letztens schickte er mir noch ein Interview, das er in den 1990ern mit dem legendären Stadionsprecher des Wedaustadions, Gunter Stork, geführt hatte. Nun landete vor ein paar Tagen eine Mail in meinem Posteingang mit einem weiteren seiner Texte.

“Ein verbales Lokalderby mit einseitigem Ausgang – Das große Problem von Oberhausen heißt Duisburg”, hieß der Text. Für das von Sebastian Scharte herausgegebene Buch „Wer ist die Macht vom Niederrhein und vom Ruhrpott sowieso?“ über Rot Weiß Oberhausen hatte Klaus Hansen ihn geschrieben. Die Gelegenheit nutzte er, um mit einer Sammlung von 25 bemerkenswerten Ereignissen rund um den MSV augenzwinkernd darauf hinzuweisen, welcher Verein in der Ruhrstadt im Grunde die einzig wahren Spitzenleistungen aufweisen kann. Ihr könnt euch denken, welcher Verein als unangefochtener Sieger aus dem Buch herauskommt, wenn ein MSV-Anhänger ihn schreibt.

Das waren nun die letzten Erinnerungssplitter, die ich aus seinem Text herausgegriffen habe. Noch einmal wunderbares Nostalgie-Futter. Noch einmal: Bitte schön! Noch einmal: Danke schön, Klaus Hansen.

 

Werner Krämer, das Ausnahme-Talent, genoss die unglaublichsten Sonderrechte im deutschen Fußball.
Im 61. Jahr seines Bestehens brachte der MSV mit Werner „Eia“ Krämer seinen ersten A-Nationalspieler hervor. Krämer, Vizeweltmeister 1966, wird wegen seiner eleganten Spielweise heute mit Arjen Robben verglichen. Eia Krämer genoss ein Privileg, das keinem anderen Fußballer je zuteil wurde. Auf Krämers Platz in der Umkleidekabine lag immer ein Päckchen Zigaretten („Ernte 23“) und eine Flasche Bier („König Pilsener“). Eia durfte als einziger Spieler vor dem Spiel und in der Halbzeitpause rauchen und Alkohol trinken. Trainer Eppenhoff rechtfertigte das so: „Nimmsu dem Eia die Fluppen un nimmsu dem Eia datt Pilsken, dann nimmsu dem Eia datt Können!“ – Kein anderer Club zwischen Oberhausen und Dortmund hat je so viel Nachsicht bewiesen.

Als Verteidiger in einem Meisterschaftsspiel 4 Tore zu schießen, das gelang in der langen Geschichte der Bundesliga nur einem einzigen Fußballer, natürlich einem MSV-Spieler.
Es war Linksverteidiger Bernard Dietz. Beim 6:3 über Maier, Beckenbauer, Müller und Co. (Bayern München) am 5. November 1977 gelangen ihm 4 Tore. Bald darauf wurde der MSV Duisburg von der Boulevardpresse in MSV Dietzburg umgetauft. – Auch da können die Nachbarstädte nicht mithalten.

MSV-Spieler wird als Kapitän der Nationalmannschaft Europameister.
1980 war’s, in Italien. Bernard Dietz empfängt in Rom den Coupe Henri Delaunay nach dem 2:1-Finalsieg der Deutschen gegen Belgien.

Lothar Matthäus’ Karriere ist ohne den MSV nicht zu denken.
Der Name Lothar Matthäus taucht 1980 zum erstenmal auf der ganz großen internationalen Bühne auf. Bei der Europameisterschaft in Italien gehört der 19jährige zum Kader der DFB-Auswahl und brennt auf seinen ersten Einsatz im Nationaltrikot. Als die deutsche Mannschaft dann im Spiel gegen Holland mit 3:0 führt, täuscht Kapitän Bernard Dietz eine Leistenzerrung vor, um dem Youngster zu seiner Premiere zu verhelfen und lässt sich gegen Matthäus austauschen. Bernard Dietz: „Ich kann stolz behaupten, für Lothars erstes Länderspiel gesorgt zu haben.“

„Niederlagen machen uns stark“ – Eine weitere außergewöhnliche Tabellenführung durch den MSV
Ein MSV-Spieler führt die Tabelle der Bundesliga-Spieler mit den meisten Niederlagen an. Bernard Dietz steht an erster Stelle mit 221 Niederlagen, gefolgt von Karl-Heinz Körbel (Eintracht Frankfurt) mit 220. Auch im Verlieren ist der MSV absolute Spitze! Auch Niederlagen wollen „errungen“ sein, wie Helmut Kohl (FSV Oggersheim) treffend festgestellt hat.

Zu den anderen Folgen des Gastbeitrags von Klaus Hansen mit einem Klick.


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