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In der Schauinsland-Reisen-Arena – Eine Home-Story von Trainer Baade

Kurz der Hinweis auf die von Trainer Baade geworfenen Blicke hinter die Kulissen beim Spiel des MSV Duisburg gegen den FC Erzgebirge Aue. Er gibt uns eine sehr detaillierte Beschreibung über die Kabine kurz vor dem Spiel, sammelt Eindrücke am Rand des Geschehens und zur Business-Lounge, Fotos inklusive.

Wer nun zum Trainer Baade klickt, passe aber auf, nicht in einer Endlosschleife des Weiterklickens zwischen hier und dort und hier zu verschwinden. Zwei Links führen nämlich zurück, wovon einer zu jenem hier einst vollzogenen Indizienbeweis führt, wie es zu einer MSV-Hymne gekommen ist, die von Kölner Karnevalshühnern auf Expansionskurs eingespielt wurde. Ich stellte unbescheiden fest, auch nach drei Jahren noch ganz lesenswert.

Vom schönsten Tor der Saison und, ach ja, dem Ende des Rechnens

Recht schnell war das mit der Rechnerei vorbei beim Spiel des MSV Duisburg gegen den FC Erzgebirge Aue. Um uns herum hatte es sogar Kontakt zu Radiostationen gegeben, und Ergebnisse wurden per Knopf im Ohr mitgehört, aber auf dem Spielfeld ließ die Mannschaft vom MSV Duisburg keinerlei Zweifel daran, dass ein Sieg hersollte. Die Auer ließen keinen Zweifel daran, dass sie ihre Qualitäten eher im Verteidigungsspiel vermuteten als im konzentrierten Abschluss. Da brauchte es keine Ergebnisse aus anderen Stadien. Das Thema Klassenerhalt war für mich durch, nachdem die Auer es nicht geschafft hatten aus der einzigen Chance, die ihnen der MSV Duisburg schenkte, ein Tor zu erzielen.

Nebenbei: Verpflichten sich Spieler in Aue eigentlich mit ihrem Vertrag zu verstärktem Oberkörper-Muskelaufbau? Oder gibt es – umgekehrt – im Auer Scouting besondere Pluspunkte für stämmigen Körper und breite Schultern?  Das war mir schon in der letzten Spielzeit aufgefallen. Da gibt es doch einige Spieler beim FC Erzgebirge Aue, die man in Freizeitkleidung vom Ansehen her eher in Kraftsportarten vermuten würde. Dann ziehen sie sich aber Fußball-Klamotten an und los geht´s. In Duisburg zunächst nur nicht so erfolgreich.

Ich war entspannt und konnte deshalb das schönste Tor dieser Saison um so mehr genießen. Das 1:0 war ein wunderbares Teil-Ensemblestück, zunächst vorgetragen über den rechten Flügel durch Dzemal Berberovic, der  an den Rand des Sechszehnmeter-Raums flankt, wo Maurice Exslager mit dem Kopf hinter seinen Rücken in die Mitte zu Kevin Wolze verlängert. Der lässt den Ball von der Brust in den Rückraum abtropfen, wo Goran Sukalo wartet, um mit einem Volley-Schuss den Ball neben den rechten Pfosten ins Tor zu schießen. In der Gesamtheit von Vorbereitung und Abschluss das schönste Tor der Saison. Großartig!

Von Aue kam nicht mehr viel zu diesem Zeitpunkt. Nach vorne ging gar nichts. Dagegen waren vom MSV konstruktive Angriffe zu sehen, sowie zwei Freistöße, denen anzusehen war, dass da mit Verstand und Plan Varianten eingeübt waren, die den Gegner überraschen konnten. Einen dieser Freistöße brachte Kevin Wolze zum 2:0 im Tor unter.

Nach der Halbzeitpause war die Mannschaft vom MSV Duisburg allerdings dann überrascht, dass es sich die Auer doch anders überlegt hatten. Sie wollten sich gegen die Niederlage wehren. Das war so in der ersten Halbzeit nicht vereinbart gewesen. Deshalb schien es so, als begännen die Zebras zu schwimmen. Sie waren im Kopf auf diese starke Gegenwehr nicht mehr eingerichtet. Der Gegentreffer war nur eine Frage der Zeit. Erst von da an hielten sie einigermaßen dagegen, und das Spiel wurde ein zähes Ringen und sich Stemmen gegen den Ausgleich. Letztlich war diesem Ringen Erfolg beschieden, weil die Auer im Spiel nach vorne zu harmlos waren und Felix Wiedwald einen scharf geschossenen Freistoß, den ich schon im Tor sah, doch noch abwehren konnte. Daniel Brosinski hatte zwei-, dreimal die Gelegenheit dieses Ringen vorzeitig mit einem weiteren Tor zu beeenden. Doch dieses Mal zeigte er mit seinen Abschlüssen, was er neben dem Flanken in der Saisonvorbereitung  besonders üben sollte.

So war nach dieser zweiten Halbzeit die Stimmung auch nicht sonderlich ausgelassen, als der Klassenerhalt gefeiert werden konnte. Viele Zuschauer dachten schon an das Spiel gegen Düsseldorf. Vier von sechs zu verabschiedenden Spielern waren anwesend. Bruno Soares wurde dabei am meisten gefeiert. Anschließend ließ man Oliver Reck noch einmal hochleben, der zwar nicht auf den Zaun ging, aber noch ein paar Worte sprach. Erneut waren das hoffnungsfrohe Worte für die nächste Saison. Da könnte tatsächlich etwas wachsen. Ein wenig scheue ich mich von vorhandener Stabilität zu sprechen, auf die aufgebaut werden kann. Das sind die Zweifel, die uns als dem MSV Duisburg zugeneigte Menschen fast alle immer wieder überkommen, wenn wir von der Zukunft dieses Vereins reden sollen. Dennoch überwiegt bei mir die Vorfreude auf das, was kommt.

Für einen Verein wie dem MSV Duisburg ist es ungemein schwierig, sich im Mittelbau des professionellen Fußballbetriebs dauerhaft und ohne finanzielle Schwierigkeiten zu positionieren. Im Moment, so scheint es, kriegen wir gerade noch einmal die Kurve. Und um mit weiteren Gedankenspielen zur nächsten Saison zu enden. Wie im MSVPortal zu lesen ist, war Julian Koch am Sonntag im Stadion. Selbst wenn der MSV Duisburg sein Verein zur Ausleihe in der nächsten Saison dann doch nicht werden sollte. Es ist ein Zeichen für die gute Arbeit beim MSV Duisburg im Moment, dass bei der anstehenden Entscheidung für Julian Koch der Verein unserer Zuneigung als einer von zwei Vereinen mit im Rennen ist.

Nun bleibt noch, am nächsten Spieltag den zehnten Platz zu sichern, und  St. Pauli oder Paderborn die Chance auf das Relegationsspiel zu geben.  Womöglich gelänge dann sogar zum ersten Mal einem Zweitligist in der Relegation der Aufstieg. Weder der 1. FC Köln noch Hertha BSC machen ja im Moment den Eindruck, als könnten sie jemals wieder ein Spiel gewinnen.

Dann wollen wir mal das Rechnen beenden

Nur noch ein paar Stunden und dann, so hoffen wir alle, werden wir gemeinsam mit den Spielern vom MSV Duisburg den Klassenerhalt endgültig feiern können. Es reicht dazu ein Unentschieden gegen den FC Erzgebirge Aue. Lieber wäre uns allen ein Sieg, nicht nur der ausgelasseneren Stimmung wegen, durch den dann weiterhin möglichen Platz 10 in der Tabelle erhielte der MSV Duisburg mehr Anteile an den zu vergebenden TV-Geldern. Wegen des Nachbessern für die DFL-Lizenz der nächsten Saison zählt bei den Einnahmen im Moment jeder Euro.

Im Bericht über die Pressekonferenz vor dem Spiel lässt sich das gewonnene Selbstbewusstsein Oliver Recks deutlich erkennen. Lob für Kevin Wolze, eine deutliche Ansage zum Spielziel verbunden mit einem hoffnungsfrohen Ausblick auf die kommende Spielzeit, das macht Eindruck. Oliver Reck braucht nicht mit großen Tönen daher zu kommen. Es reicht, wenn er auf Tatsachen verweist. Aus den Tatsachen lassen sich beim besten Willen keine schlechten Schlüsse ziehen. So eine Lage muss sich ein Trainer erst einmal erarbeiten. Am meisten freuen mich die letzten Zeilen dieses Textes, mit denen noch einmal daran erinnert wird, dass der Stamm der Mannschaft zum ersten Mal nach langer Zeit zusammen bleibt.

Der FC Erzgebirge Aue hat seinen Fans die Fahrt nach Duisburg gesponsert. Die Mannschaft soll jede Unterstützung erhalten, die nötig ist, um den Klassenerhalt zu sichern. Für all diese anreisenden Erzgebirgler gibt es auf der Fan-Seite vom FC Erzgebirge Aue eine Spielort- samt Spielstättenbeschreibung wie ich sie bislang noch nirgendwo gelesen habe – umfangreich und mit historischen Fakten unterfüttert. Solcher Art Bildungsbemühen sei der Klassenerhalt gegönnt. Ein Sieg wird dazu nicht nötig sein. Ich denke, nicht einmal ein Unentschieden. Damit das Rechnen in Duisburg wirklich mit der größt möglichen Ausgelassenheit beendet wird.

Teilnahmsloses Grillen statt Paderborn-Support

Der Montag ist nach Freitagspielen des MSV Duisburg doch eigentlich der Tag für den resümierenden Spieltags-Artikel. Den vermisse ich heute bei DerWesten, stattdessen Lizenzvergabe und Nachbessern. Komme ich gleich noch zu. Eigentlich hatte Maurice Exslager nach dem dreckigen Unentschieden in Braunschweig nämlich eine Steilvorlage für so einen Die-Stimmung-nach-dem-Spieltag-Artikel gegeben. Ich suche die Stelle jetzt nicht mehr, aber ich glaube, er war es, der davon sprach, vielleicht träfen sich die jüngeren Spieler zum Grillen, um sich dabei das Spiel vom SC Paderborn gegen den Karlsruher SC anzusehen.

Hätte der SC Paderborn in Karlsruhe Unentschieden gespielt, hätten ja die Rechnereien mit den den zu vergebenden Punkten der letzten beiden Spieltage in Duisburg eingestellt werden können. Nun haben die Paderborner bei der vorzeitigen Sicherung des Klassenerhalts versagt. Die Mannschaft vom MSV Duisburg muss nächsten Sonntag gegen Aue also selbst ran, um die restlichen Punkte für Platz 3 einzufahren. Oder war es am letzten Spieltag gegen Düsseldorf? Der Ex- und Neu-Trainer vom 1. FC Köln Frank Schaefer wusste nicht umsonst, die letzten 3 Spieltage einer Saison sind besondere Spieltage, an denen alles möglich ist. Da verliert einer wie ich leicht den Überblick.

Sicher weiß ich aber, besser geht immer. Das weiß der Lokalsport bei DerWesten sonst auch. Die Modalitäten der Lizenzvergabe ließen nur keine Zeit für den sportnahen Montagsstimmung-Artikel. Deshalb habe ich mir die entsprechenden Schlagzeile dazu auch selbst gemacht. Man kann sich an schlechte Nachrichten gewöhnen und sie vermissen. Man darf doch mal vermuten, wahrscheinlich hätte die Paderborner Niederlage in Karlsruhe abgewendet werden können, wenn es ein wenig mehr Einsatz von Duisburger Seite gegeben hätte. Dem Paderborn-Support fehlte der Support aus Duisburg. Stattdessen Hard-Core-Grillen von teilnahmslos wirkenden Jung-Zebras, während die nicht spielenden Verantwortlichen des Vereins sich um nichts anders als ums Geld kümmerten. Da muss man doch schwarz sehen.

Aber nur ein bisschen aus Gewohnheit. Dann leuchtet das Licht am Ende des Tunnels um so heller. Als ich die Meldung Ende letzter Woche las, alle Vereine der Profi-Ligen hätten die DFL-Lizenz erhalten, einige müssten allerdings noch Auflagen erfüllen, war schon klar, der MSV Duisburg wird, wie das im Finanzfunktionärs-Deutsch heißt, nachbessern müssen. Nun läuft alles wie gehabt. Roland Kentsch gibt sich ruhig und zuversichtlich. Zahlen kursieren, ohne dass sie offiziell bestätigt werden.  Wir Zuschauer hoffen, alles wird gut ausgehen.

Ein wenig unterscheidet sich die Situation dann allerdings doch von anderen, weil MSV-Präsident Andreas Rüttgers schon zuvor das Gespräch mit Zuschauern und Unterstützern des MSV suchte und um Verständnis für das Handeln im Verein warb, wie hier im MSVPortal. Durch die Auflösung des Marketing-Vertrags mit Hellmich-Marketing gibt es einen grundsätzlich neuen Ansatz, zur Finanzierung des MSV Duisburg. Der trägt allerdings laut Andreas Rüttgers erst ab der übernächsten Spielzeit Früchte. Bis dahin wird der Haushalt immer eng kalkuliert sein. Andererseits gab es bislang kein Versprechen von Andreas Rüttgers, das nicht gehalten werden konnte. Es spricht nichts dafür seiner Arbeit und der von Roland Kentsch zu misstrauen.

Zwischen Auswärtssieg und Machtpolitik

Die gute Nachricht ist, der 2:1-Auswärtssieg des MSV Duisburg gegen den FC Erzgebirge Aue hat am Freitag zu keinem Unfall auf der A3 zwischen Limburg und Bad Camberg geführt. Ich befand mich medial nicht auf der Höhe der Zeit. Ohne mobiles Internet im Auto war ich auf das Radio angewiesen. Zwar hörte ich auf keinem empfangbaren Sender eine Reporterstimme aus Aue kommentieren, doch der hessische Privatsender FFH liefert mit der Senderkennung Textmeldungen als Wortlaufband mit. Das Unentschieden begleitete mich bis Limburg. Seitenblicke auf die Mittelkonsole werfen und unfallfrei Autofahren geht dann doch meist gut, und zum großen Glück gibt es nur ganz selten jene Glücksmomente der 90. Minute irgendwo im Osten, während ich das Ende des Spiels hochrechne und auf die Bestätigung des Endergebnisses warte.

Gesehen habe ich also nichts, gehört habe ich nichts und begnüge mich daher an diesem Wochenende mit den zusammenfassenden Augenzeugenberichten. Lese ich den Spielbericht im Kicker, so bestätigt sich mein Eindruck aus dem Spiel gegen Eintracht Braunschweig. Spielerisch bleibt weiterhin Luft nach oben. Die Möglichkeiten der Mannschaft reichen aber ohne Frage auch im Moment, um dauerhaft genügend Punkte Abstand zum Abstiegs-Relegationsplatz zu halten. Das gelingt durch angstfreies Spiel jedes einzelnen. Das kommt durch das gestiegene Selbstbewusstsein. Die Mannschaft braucht nicht mehr zu hadern, weil ihr Einsatz ohne Ergebnis bleibt. In solchen Momenten kehrt Glück zurück, und dann trifft ein Ball in der letzten Spielminute nach einem steilen Pass von Emil Jula auf eine Unebenheit des Rasens und macht eine minimale, unerwartete Bewegung, so dass der herauslaufende gegnerische Torwart ihn beim Abwehrversuch nicht trifft und Maurice Exslager das Angebot zum Siegtreffer annehmen kann.

Während der sportliche Erfolg zurückkehrt, wird unser aller Aufmerksamkeit aber weiterhin auch von den Streitereien auf der Vorstandsebene in Anspruch genommen. Ich habe zu wenig Zeit, um diesen Streit genauer nachzuzeichnen. Das wäre hilfreich, weil dann die Vermutungen über die Gründe dieser Auseinandersetzung mit Argumenten belegt werden könnten. Grob zusammen gefasst scheint es ja sehr wohl um inhaltliche Fragen zu gehen und nicht nur um persönliche Animositäten und Eitelkeiten. Über allem steht die Frage, wie lässt sich der Spielbetrieb in der 2. Liga für den MSV Duisburg finanzieren? Wie können bestehende vertragliche Vereinbarungen aus der Zeit der Präsidentschaft Walter Hellmichs so verändert werden, dass der strukturell sich ergebende, jährliche Verlust des MSV Duisburg in der 2. Liga sich verringert? Vermutet wird im MSVportal, dass Dieter Steffen daran wenig ändern wollte und Hans-Werner Tomalak für diejenigen steht, die das sehr wohl machen wollen. Das wäre die Erklärung, die die Beteiligten in die Guten und die Bösen unterteilt. So entsteht ein Bild in schwarz-weiß, ich selbst glaube in solchen Fällen ja mehr an Grautöne.

Die Berichterstattung in der lokalen Presse vernachlässigt diese inhaltlichen Gründe. Da muss man im MSVportal bei den betreffenden Themen mitlesen, dort die sachlichen Äußerungen identifizieren und sich selbst eine Meinung bilden. Etwa hier: „Neuer Vorstand – neuer MSV“, oder hier: „Wirtschaftliche Situation beim MSV Duisburg“ . So wie über den Streit im Moment in der lokalen Presse berichtet wird, weckt das nur den Unwillen aller am MSV Interessierten. Bei dieser Medieninterpretation des Streits interessiert es irgendwann nur noch die direkt Beteiligten, wer denn welchen Anteil am Streit hat. Alle anderen interessiert nur, wann dieser unangenehme Zustand denn endlich vorbei ist. So stehen in den lokalen Zeitungen an unterschiedlichen Stellen ja inzwischen Nachrichten unkommentiert nebeneinander, die nicht alle stimmen können. Zum Beispiel hat entweder Dieter Steffen, wie im Reviersport berichtet, einen neuen Kandidaten für den Vorstandsposten genannt oder er hat es,  wie bei Der Westen berichtet wird, nicht gemacht. Beides zusammen geht nicht.

Was mir in der Berichterstattung also zu kurz kommt, ist die Frage, wie mit der Auseinandersetzung auch Inhalte verbunden sind. In der regelmäßigen Berichterstattung liegt das Augenmerk auf dem Streit-Bericht selbst. Es wird quasi Oberfläche nachvollzogen, die natürlich nicht mehr ist als das Reviersport-Urteil „Schmierentheater“. Ich allerdings möchte bei dem Ganzen auch an das Interesse der Beteiligten am MSV Duisburg glauben.

PS: Habe gerade im Sky-Spielbericht die Aktion von Emil Jula vor dem Pass auf Maurice Exslager gesehen. Großartig, wie er den Ball annimmt und sich mit dieser Bewegung vom Gegenspieler freimacht! Anderthalb Scorer-Punkte! Mindestens.

Fussballtempel – Von Wuppertal bis Basel, von Aue bis Wien

Wenn ein Buch „Fussballtempel“ heißt und darin solch eher bescheidene Spielstätten wie das Wuppertaler Stadion am Zoo vor seinem Umbau vorkommen, lässt sich im Titel doch eine gewisse Voreingenommenheit dem Gegenstand gegenüber erkennen. Sie hat dem Projekt des 1971 geborenen Fotografen Reinaldo Codduo H. nicht geschadet.

Codduo H. war einer der beiden Mitbegründer von 11 Freunde, wo er acht Jahre als Bildredakteur und Fotograf wirkte. Schon früh hatte er begonnen, sich mit der Panorama-Fotografie zu beschäftigen. Seit den 90er Jahren nutzt er sie, um Fußballstadien zu dokumentieren. „Fussballtempel“, in zweiter erweiterter Auflage nun erschienen, sammelt diese Panorama-Fotografien der Stadien und ergänzt sie mit von unterschiedlichen Autoren geschriebenen, immer lesenswerten Portraits der Bauten. Grundlegende statistische Angaben gibt es dazu.

Die ältesten Aufnahmen stammen aus dem Jahr 1998 und deshalb werden neben den modernen Fußballarenen auch Orte des Fußballs dokumentiert, die so inzwischen nicht mehr zu sehen sind. Wir kennen die Entwicklung, egal welche Stadt, welcher Verein es sich leisten kann, wenn es irgend geht, sollen reine Fußballstadien mit entsprechendem Komfort für die Zuschauer die Attraktivität des Spiels  steigern. Die Laufbahnen verschwanden, die Tribünendächer wuchsen, der glatte Beton ersetzte löchrig gewordenen Stehplatzasphalt.

Coddou H. fotografierte immer während eines Spiels und deshalb sind diese Architektur-Fotos mit Leben erfüllt. Sie zeigen nicht nur die variierende Stadionarchitektur, diese Fotos sind Momentaufnahmen aus dem Fußballalltag in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie zeigen Zuschauerinteresse und Spielerbewegung. Sie bieten Details, in denen man sich verlieren kann. „Fussballtempel“ ist Bilderbuch und informatives Nachschlagewerk zugleich. „Fussballtempel“ nehme ich gerne immer wieder in die Hand.

Heute bietet es sich zudem an dieser Stelle an, als ein Beispiel für die Panorama-Fotografien das „Sparkassen-Erzgebirgsstadion“ in Aue zu zeigen. So können sich alle Zuhausebleibenden eine Vorstellung davon machen, wo der MSV Duisburg heute, am frühen Abend,  nach 90 Minuten siegreich vom Platz gehen wird. Das sieht doch so aus, als könne da mal  1:0 gewonnen werden?

Reinaldo Coddou H.: Fussballtempel. Edition Panorama Verlag, Mannheim 2011. 256 Seiten mit rund 85 doppelseitigen Panoramafotografien in Farbe. € 29,95.

Informationen und weitere Bilder auch unter www.fussballtempel.com

Saisonvorbereitung – Zweitligavereine wünschen heimlich Aufstockung der Bundesliga ab Saison 2012/2013

Erreichbare Ziele setzen. Das ist eine Grundbedingung für Erfolg. Weder überfordern noch unterfordern, heißt nicht nur die beste Richtschnur beim Lernen. Auch außerhalb von Schulen wäre es schön, wenn sich jede anstehende Aufgabe im Niveau ganz leicht über dem bereits vorhandenen Leistungsvermögen befände. Nie wäre etwas langweilig. Niemals geriete man in Bedrängnis, etwas nicht zu schaffen. Das Leben bestünde aus einem Rundum-Sorglos-Paket von gut abgefederter Weiterentwicklung.

Doch immer tauchen da andere Menschen auf, die einen beim Weiterkommen stören. Besonders stören sie dann, wenn Ranglisten gebildet werden und Tabellen. Denn dann gibt es für Ziele immer auch ein paar Anwärter mehr als Plätze vorhanden sind, und schon können Ziele noch so sehr punktgenau knapp oberhalb des Leistungsvermögens angesetzt werden, das Scheitern wird unweigerlich auf jemanden zukommen.  Zielbestimmung in Konkurrenzsituationen bleibt also einerseits notwendig, andererseits gefährdet diese Zielbestimmung vielleicht bereits den möglichen Erfolg. Ganz zu schweigen davon, wenn noch andere bei dieser Zielbestimmung mitmischen wollen. Dann heißt es für Verantwortliche in den Vereinen, schnell Meinung machen.

Milan Sasics Stellungnahme etwa war spätestens Ende Juni gefordert, als in den Redaktionsräumen vom Kicker die Sportjournalisten die vom MSV Duisburg eingehenden Pressemitteilungen über Spielerneuverpflichtungen kaum mehr  abarbeiten konnten. Die Arbeitsüberlastung ließ sie zum pauschalen Urteil finden, der MSV Duisburg sei endgültig zu einem Aufstiegskandidaten geworden. Milan Sasic gab sein bestes: „Es wäre bei 13 Neuen unprofessionell, vom Aufstieg zu sprechen. Welche Ziele sollen dann Eintracht Frankfurt, Bochum und St. Pauli ausgeben? Ich will mit dem MSV unter die ersten sechs Mannschaften.“ Milan Sasic konnte sich auf alte Vorhaben berufen. Drei-Jahres-Plan hieß das Ganze, als noch der Ex die Interviews gab. Und wenn Milan Sasic die ersten sechs Mannschaften erwähnt, wollen wir nicht vergessen, auf diese ersten sechs Mannschaften warten auch der erste, zweite und dritte Tabellenplatz. Es ist ja nicht so, dass in Duisburg nach Siegen gesagt würde: „Och nö, lasst das mal lieber mit den drei Punkten für uns, nachher bleiben wir noch zweiter und das haut uns unsere Aufstiegspläne kaputt.“ Da sind wir in Duisburg doch flexibel genug, mitzunehmen, was sich anbietet.

Andere Vereine können da sehr viel weniger flexibel sein. Wahrscheinlich nicht ganz zufällig sind es nur drei Vereine, die das große Ziel der kommenden Saison für die 2. Liga auch wirklich aussprechen. Sie waren entweder schon lange genug flexibel oder hinken ihrem Plan schon ein Jahr hinterher oder brauchen keine Pläne, weil sie gar nicht da sind, wo sie meinen, hinzugehören. Da ist es wieder, das Problem mit den anderen Menschen. Mindestens ein Verein von den dreien wird scheitern beim Streben nach dem sicheren Aufstiegsplatz.

SpVgg Greuther Fürth
„Doch mit dem ansonsten weitgehend unveränderten Kader soll es vielleicht schon 2011/12 endlich klappen mit dem großen Ziel Aufstieg. «Wir werden weiter daran arbeiten und ich bin zuversichtlich, dass ich das in meiner Zeit in Fürth mal erleben darf», sagte Manager Rachid Azzouzi. «Jeder in diesem Verein will das mit jeder Faser seines Körpers.»
dpa-Meldung in
Süddeutsche Zeitung – 16.5. 2011

VfL Bochum
„Der neue Sportchef Jens Todt hat den Aufstieg des VfL Bochum in die Fußball-Bundesliga als das erklärte Ziel bezeichnet.

Der Westen, 3.6.2011

Eintracht Frankfurt
„Es wird nicht einfach werden, aber wir haben ein Ziel, wir wollen aufsteigen.“
Armin Veh, Trainer –
  hr-online.de, 31.5.2011

In Frankfurt, Bochum und Fürth werden für die Saison 2011/2012 also klare Ansagen gemacht. Andere Vereine versuchen sich gleich dem MSV Duisburg an dem Balanceakt, die Kräfte für Aufstiegsanstrengungen zu bündeln, ohne dass die eine einzige Erwartung hemmungslos herumzutollen beginnt.

FC St. Pauli
Mit Eintracht Frankfurt ist eine Mannschaft dabei, die ähnlich wie zuletzt Hertha BSC der Top-Favorit ist. Kommt Gladbach runter, werden auch sie dazu gehören. Greuther Fürth sagt jetzt schon, dass sie den Aufstieg unbedingt schaffen wollen. Cottbus und Duisburg sind ebenfalls mit dabei. Das heißt aber nicht, dass wir die nicht packen können. Wir wollen oben mitspielen. Es wird kein Selbstläufer und wir sind realistisch. Aber es ist alles möglich.
André Schubert, Trainer – spox.com, 17.5. 2011

FC Energie Cottbus
„Lautet das langfristige Ziel Aufstieg?

Natürlich. Cottbus gehört aber nicht zu den Vereinen, die vor der Saison sagen können, dass sie in die Bundesliga wollen. … Wir können nur aufsteigen, wenn wirklich alles passt. Das kann man aber leider nicht planen
„.
Claus-Dieter Wollitz, Trainer – Eckball-Magazin, 20.5.2011

Alemannia Aachen
Eine Steigerung strebt auch für Benjamin Auer an. «Als ich im vergangenen Sommer einen Dreijahresvertrag unterschrieben habe, habe ich gesagt, dass ich gerne mit der Alemannia aufsteigen möchte. Dabei bleibe ich», sagte der Stürmer. «Vielleicht können wir in der neuen Saison die Qualität im Kader noch weiter steigern, damit dann die Plätze 3 bis 6 in der Abschlusstabelle möglich sind. Und dann bleibt ja noch mein drittes Jahr», so Auer: «Spätestens dann geht’s um Platz 1 bis 3.»
Aachener Zeitung, 12.5.2011

Nach der Saison 2011/2012 werden DFL und DFB allerdings nicht mehr daran vorbeikommen, die Bundesliga aufzustocken. Sonst werden deutschlandweit Hoffnungen enttäuscht und tiefe Depressionen werden unzählige Fußballfans arbeitsunfähig machen. Dann sollen ja nicht nur die Pläne oben genannter Vereine Wirklichkeit werden, dann wird auch mit jenen Vereine zu rechnen sein, die im Moment noch auf Wachstum setzen und sich über die deutsche Sprache freuen, in der die wunderbaren Wörter mittelfristig und langfristig die konkrete Zielbeschreibung in die Zukunft verlagern helfen.

TSV 1860 München
In drei Jahren möchen wir in der ersten Liga sein.
Hasan Ismaik, Großinvestor und Anteilseigner TSV 1860 München KgaA   Süddeutsche Zeitung, 8.6.2011

Fortuna Düsseldorf
Düsseldorf ist eine wahnsinnig attraktive Stadt, die sehr viel bietet. Die hat einfach Erstliga-Fußball verdient. Dafür arbeiten wir. Klar, ich würde mit Fortuna sehr gerne aufsteigen, das ist das mittelfristige Ziel.
Wolf Werner, Manager – Express, 13.6.2011

Eintracht Braunschweig
Eintracht Braunschweig besitzt im deutschen Fußball einen solchen Bekanntheitsgrad, dass es unser logisches Ziel ist, in der Bundesliga zu spielen. Allerdings wollen wir uns in den kommenden Jahren erstmal in der 2. Bundesliga etablieren. Denn wichtig ist auch, dass man sich in einem realistischen Zeitplan bewegt. Und ein solcher Zeitplan für die Zukunft existiert selbstverständlich auch bei Eintracht Braunschweig.“
Soeren Oliver Voigt, Geschäftsführer  – sportschau.de, 10.4.2011

FC Ingolstadt
Nun, ich habe eine ähnliche Situation beziehungsweise Entwicklung schon beim FC Augsburg erlebt. Als ich damals dorthin gekommen bin, war der Verein noch in der dritten Liga und hatte wenig Zuschauer. Sechs Jahre später sind sie nun in die Bundesliga aufgestiegen. Ich denke schon, dass man beide Klubs etwas miteinander vergleichen kann: Beide haben eine Perspektive nach oben – und auf Ingolstadt bezogen sollte es in nächster Zeit auf alle Fälle machbar sein, dass man in der 2. Bundesliga zumindest eine sehr gute Rolle und künftig nicht mehr gegen den Abstieg spielt. Was darüber hinaus noch möglich ist, wird man in den nächsten Jahren sehen.
Leo Haas, Neuzugang Saison 2011/2012 (offensives Mittelfeld) – Augsburger Allgemeine, 9.6.2011

FC Erzgebirge Aue
„Ich habe den Traum, mit Aue mittelfristig in die Bundesliga aufzusteigen und damit Einzigartiges für den Verein und die Region zu schaffen“.
Marc Hensel, Spieler (defensives Mittelfeld) – zitiert nach dpa-Bericht in der Leipziger Volkszeitung, 2.6.2011

SG Dynamo Dresden
Langfristig muss die Bundesliga das Ziel sein. Aber da gehört sehr, sehr viel Arbeit dazu. Es ist ja nicht nur die erste Mannschaft, sondern da gehört der gesamte Verein dazu. Ich denke, das wird noch ein paar Jahre dauern.
Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner, Berater – sid-Interview im RevierSport, 18.5.2011

So richtig zu Hause in der 2. Liga fühlen sich im Moment nur fünf Vereine.

1. FC Union Berlin
Es kann uns auf Dauer nicht genügen, drei oder vier Mannschaften hinter uns zu lassen. Die Mannschaft muss sich ebenfalls entwickeln“, sagt Zingler. „Dafür müssen wir die Strukturen schaffen.“ Das Wort Bundesliga wurde von Unions Präsidenten bewusst vermieden, Union soll auch in Zukunft „langsam wachsen
.
Dirk Zingler, Präsident – Tagesspiegel
, 18.5.2011

FC Hansa Rostock
„Ich bin keiner, der sagt, dass er eine Mannschaft in den nächsten zwei Jahren weiterentwickeln will. Fußball ist ein Ergebnissport, und ich orientiere mich immer an der Realität. Wenn wir es vom ersten Spiel an schaffen, von den Abstiegsrängen entfernt zu bleiben, kommt die Entwicklung automatisch.“
Peter Vollmann, Trainerkicker.de, 25.5.2011

Karlsruher SC
Wir werden wieder ein schweres Jahr haben, was nicht heißt, dass wir nicht ein Stück nach oben rutschen können. Aber die Liga wird brutal schwer. Mit Braunschweig und Rostock kommen sehr gute Aufsteiger. Von oben kommen St. Pauli und Frankfurt. Die Liga wird viel stärker. Da kann niemand ernsthaft erwarten, dass wir mit den oben genannten schwierigen Rahmenbedingungen sofort nach vorne durchstarten. Wir sind unten und wir müssen uns Schritt für Schritt nach oben arbeiten.
Rainer Scharinger, Trainer – Pforzheimer Zeitung, 18.5.2011

SC Paderborn
… Der SC Paderborn hat Mühe, mit dem Mini-Etat die 2. Liga zu halten …
Roger Schmidt, Trainer – Westfalen-Blatt, 4.6.2011

FSV Frankfurt
„Insgesamt 13 Neuzugänge muss Trainer Hans-Jürgen Boysen in diesem Jahr integrieren. „Ich bin davon überzeugt, dass wir im Vergleich zur Vorsaison einen stärkeren Kader haben“ zeigte sich der Coach aber durchaus optimistisch. Am Saisonziel Klassenerhalt habe sich dennoch nichts geändert, wie Geschäftsführer Uwe Stöver betonte: „Die Mannschaft und das Umfeld muss dafür viel Geduld und Herzblut aufbringen, damit wir dieses Ziel zusammen erreichen können.“
hr-online.de, 18.6.2011

Der Unterbau der Bundesliga wird in Zukunft wohl also nur noch aus sieben Vereinen bestehen, von denen fünf irgendwann den Rückzug in die Dritte Liga vorziehen. Dann wären die übrig bleibenden zwei Bundesligaabsteiger für ein Jahr endlich da, wo wir alle hin wollen. Selbstbestimmt könnten sie die Zielsetzung für die Saison gemäß des eigenen Leistungsvermögens ansetzen, ohne den Aufstieg und damit die eigene Weiterentwicklung durch zu viel Druck zu gefährden.

Begeistert über Alltagsarbeit

Wie sich  nach einem Fußballspiel  Siege anfühlen, verrät uns nicht nur viel über Qualität und Ambitionen einer Mannschaft sondern auch einiges über die Hoffnungen der Zuschauer. Das Gefühl nach dem 3:1-Sieg des MSV Duisburg gegen den FC Erzgebirge Aue kenne ich schon Jahre nicht mehr nach einem Sieg des MSV Duisburg. Dieser Sieg erinnerte mich an die sorgfältige und zufriedenstellende Erledigung von Alltagsarbeit.

Die Last solcher Alltagsarbeit fällt normalerweise nicht weiter auf. Sie wiederholt sich, wie etwa das tägliche Essen kochen, und nur selten begeistert sich jemand am Ergebnis. Dennoch kostet Alltagsarbeit viel Kraft, und es ist immer eine offene Frage, wie gut sie erledigt wird und wie sehr man sich auch für diese Alltagsarbeit anstrengt. Ich schätze gut erledigte Alltagsarbeit sehr. Wer täglich frisch zubereitetes, leckeres Essen auf den Tisch bringt, wird an besonderen Tagen keine Probleme bei der Zubereitung eines Festessens haben. Umgekehrt ist es aber nicht immer so. Wer ein Festessen zubereiten kann, ist längst noch nicht für den Alltag gerüstet. Der MSV Duisburg hat sich gestern im Alltag bewährt. Wer den FC Erzgebirge Aue besiegt, weil die Mannschaft besiegt werden muss, besitzt die Qualität und Ambition, um das Unaussprechliche bis zum letzten Spieltag im Blick zu behalten.

Das Spiel machte es offensichtlich, warum der FC Erzgebirge Aue trotz der so wenigen erzielten Tore in der Tabelle oben steht. Diese Mannschaft besitzt eine Defensivreihe, die ich von der Statur her eher im australischen Rugby oder im Basketball vermutet hätte. Spieler von solcher Größe und Athletik strahlen zunächst einmal Unverwundbarkeit aus. Um so beeindruckender ist es, wenn Goran Sukalo sich zweimal gegen solche Spieler beim Kopfball durchsetzen kann, um Tore zu erzielen. Vor dieser Defensivreihe gibt es ein spielfreudiges und kombinationssicheres Mittelfeld, dem abschlussstarke Stürmer fehlen.  Es wirkte aber das Spiel über so, als sei es den Auer Spielern jederzeit möglich, durch schnelle Kombinationen überraschend in Strafraumnähe zu gelangen.

Dieses Mittelfeld sollte meist durch einen langen Pass erreicht werden. Ivica Banovic wurde im mittleren Teil des Spielfelds zu einem Garanten des Erfolgs für den MSV Duisburg, weil er immer wieder die kontrolllierte Annahme dieser längeren Pässe der Auer störte. Immer wieder war er zur Stelle, um den Ball zu erobern oder um zumindest das Tempo aus dem Angriffsspiel des FC Erzgebirge Aue zu nehmen. Der MSV Duisburg wirkte auch deshalb die meiste Zeit des Spiels überlegen, ohne das Kombinationsspiel der Auer endgültig unterbinden zu können.

Ich hätte auch keine Sorge um den Sieg des MSV Duisburg gehabt, wenn nicht die Entscheidungen des Schiedsrichters Tobias Stieler nach und nach eine immer deutlicher werdende Ungleichbehandlung der Mannschaften erkennen ließen. Sicher, Schiedsrichter treffen manchmal Fehlentscheidungen, die spielentscheidend sind, selten nur aber summieren sich viele kleine Fehlentscheidungen so, dass ein Spiel zu kippen droht. Das war dieses Mal der Fall. Fouls gegen den MSV Duisburg wurden gepfiffen, dieselbe Spielweise auf der anderen Seite nicht. Der Ball an der Schulter von Olcay Sahan wird als Handspiel gegen den MSV Duisburg gepfiffen, dieselbe Ballannahme eines Auer Spielers nicht. Für kurze Zeit kochte die Stimmung hoch, die Spieler des MSV Duisburg drohten aus ihrem Rhythmus zu geraten. Die gelben Karten gegen Goran Sukalo, Stefan Maierhofer und Olcay Sahan waren direkte Folge dieser Stimmung. Wobei mir das Fehlen von Sukalo mehr Gedanken macht als das von Stefan Maierhofer, dem gestern nicht viel gelang.

Was Mannschaft und Zuschauer in diesem Moment auszeichnete, macht mich sehr zuversichtlich für die Zukunft. In dieser Mannschaft stimmt die Mischung von Spielertypen. Wenn ein Heißsporn wie Stefan Maierhofer sich seine gelbe Karte mit Ansage abholt, bleibt nicht nur genügend Ruhe im Rest der Mannschaft für das Spiel, sondern diese Ruhe strahlt in die gesamte Mannschaft zurück und zeigt Wirkung. In so einer Spielphase sind Typen wie Filip Trojan und Benjamin Kern nötig, die wieder Konzentration einfordern und daran erinnern, nicht der Schiedsrichter ist Gegner sondern die Spieler aus Aue, nicht das Foul ist das Mittel zum Erfolg sondern kämpferische Härte. Das zweite Tor von Goran Sukalo habe ich deshalb auch als gerechten Ausgeich für die Ungleichbehandlung durch den Schiedsrichter empfunden. Und auch die Zuschauer spürten, dass der Ärger gegen den Schiedsrichter besser durch das Anfeuern der eigenen Mannschaft bewältigt werden konnte als durch Unmut und Pfeifen gegen den Schiedsrichter. Dass auch die Zuschauer auf den Geraden die Mannschaft nicht nur kurz anfeuerten, sondern sie für längere Zeit durch kritische Phasen tragen wollten, kenne ich aus Duisburg kaum. Da entsteht eine so breite Identifikation mit der Mannschaft, die es jahrelang nicht gegeben hat.

Das Anschlusstor durch Tobias Kempe hat es dann noch einmal für kurze Zeit spannend gemacht. Doch vielleicht ist so ein Satz eher der Vergangenheit geschuldet als der Gegenwart. Vielleicht war die Mannschaft nach dem Gegentor sehr viel stabiler, als wir es erkennen konnten. Vielleicht werde ich demnächst so einen Satz nur noch als reine Aussage schreiben, etwa so: In der 88. Minute fiel noch ein Gegentor durch Tobias Kempe, doch Manuel Schäffler stellte zwei Minuten später das Endergebnis sicher. So ein Satz könnte deshalb bald schon Wirklichkeit sein, weil zur Erledigung von Alltagsarbeit auch die Erwartung gehört, dass das Leben seinen normalen Gang geht. Wer weiß, dass in seiner Familie täglich gekocht wird, erwartet jeden Mittag das Essen auf dem Tisch. Die Mannschaft des  MSV Duisburg hat mich an das Mittagessen des Fußballs, den Sieg, allmählich gewöhnt. Darüber bin ich dann doch auch im Alltag sehr begeistert.

Fürs Leben lernen mit Milan Sasic – II –

Wahrscheinlich wäre es einfacher für die Mannschaft des MSV Duisburg heute beim TSV Münschen 1860 eine gute Leistung zu zeigen, wenn die Auslosung des DFB-Pokalhalbfinales nicht erst morgen wäre. Schon wieder ist es ein wenig so wie am letzten Wochenende. Der Alltag in der 2. Liga gerät in Gefahr, nur wie das Vorspiel für das eigentlich wichtige Ereignis zu wirken. Sind die Spieler erst einmal auf dem Platz und hat das Spiel begonnen, wird die Gegenwart das Wichtigste für Sie sein. Doch vorher ist es keine geringe Arbeit, die psychische Energie auf die nächste Aufgabe zu richten. Das weiß Milan Sasic, und deshalb müssen ein paar mehr Worte als sonst auf der gestrigen Pressekonferenz bekunden, wie die Mannschaft aus der Begeisterung über den Pokalsieg heraus in die Konzentration auf das Spiel gegen den TSV 1860 München findet. Dieses Spiel sei eine Prüfung, ob die Mannschaft in der Lage sei, mental und körperlich alle Kräfte zu bündeln. Er hält den TSV 1860 München aus einem besonderen Grund für einen starken Gegner.

Die Erklärung für die derzeitige Stärke des TSV 1860 München gibt uns einmal mehr etwas fürs Leben mit. In München sind die vorhandenen Kräfte nämlich seit kurzer Zeit schon gebündelt und Milan Sasic stellte die rhetorische Frage: „Was bündelt?“ Seine Antwort: „Wir können Geschichte sehen, wir können Beispiele aus Gesellschaft sehen. Da, wo ist schwierig gewesen, wo war alles verbrannt, beispielsweise im Wald, nach einem Brand, wo alles verbrannt, da wächst so schöne junge Bäume, Pflanzen und alles wieder von vorne an.“

In München gab es die bedrohliche finanzielle Situation mit einer großen Krise im Verein, die nun halbwegs überwunden ist. Milan Sasic sieht das Neue wachsen. Vielleicht kommen seine Gedanken nicht von Ungefähr. Ganz so verbrannt wie in München war die Erde in Duisburg nicht. Aber an vielen Stellen des Waldes MSV Duisburg hatte im ersten Halbjahr des letzten Jahres das Feuer schon die Bepflanzung ergriffen und auch hier Platz für das Neue geschaffen. Ich hoffe, wir in Duisburg sind da nun schon ein wenig weiter mit der wieder erstarkten Natur.  So weit, dass ein Punkt in München möglich ist. Wahrscheinlich muss ich mich dennoch wieder selbst überlisten, um mit diesem Punkt zufrieden zu sein. Ich bin im Moment doch etwas unersättlich, was die Erfolge des MSV Duisburg angeht. Zumal die gestrigen Niederlagen vom FSV Frankfurt und vom FC Erzgebirge Aue schon mal sehr zufrieden gestimmt haben.

Zu Beginn der Pressekonferenz äußert sich Milan Sasic übrigens sehr deutlich zu der Behauptung der BILD, er sei nach dem Sieg gegen den 1. FC Kaiserslautern „traurig“ in die Kabine geflohen. Eigentlich hatte er darüber kein Wort verlieren wollen, aber als Martin Haltermann scherzhaft bei der Einleitug zur Pressekonferenz auf Milan Sasics Trauer anspielte, überwog bei Milan Sasich der Wunsch, etwas richtig zu stellen. Wir lernen ihn so noch mehr kennen und sehen, Milan Sasic kann in der Öffentlichkeit sehr charmant ärgerlich sein.

Teil 1 der Pressekonferenz findet sich hier. Zu Teil 2 klickt ihr euch dort weiter.

Der rechte Zeitpunkt

Es hätte nur einen besseren Zeitpunkt für eine Niederlage des MSV Duisburg geben können, und der wäre so ungefähr um den 28. Spieltag der laufenden Saison gewesen, wenn die Mannschaft sich gegenüber den Verfolgern auf den Nichtaufstiegsplätzen bereits einen uneinholbaren Vorsprung erspielt hätte. Gesehen oder gehört habe ich von dem Auswärtsspiel gegen den FC Erzgebirge Aue nichts, und dennoch habe ich eine Meinung, nicht unbedingt zur Leistung des MSV Duisburg, sondern zu dem, was die Niederlage für die Mannschaft bedeuten kann.

Schon vor dem Spiel war klar, der FC Erzgebirge Aue ist in seinem eigenen Stadion ein unangenehmer Gegner. Dennoch scheint der MSV Duisburg viel richtig gemacht zu haben. Wenn ich den Nachberichten bei Der Westen oder im Kicker glauben darf, waren der Plan und die daraus resultierende Spielanlage klar zu erkennen. So können Niederlagen hingenommen werden. Sofort verständlich ist außerdem, dass Tore vom MSV Duisburg nicht unbedingt bei nur zwei wirklichen Chancen erzielt werden, wenn Sefa Yilmaz und Olcay Sahan zu diesen klaren Chancen kommen. Wir wissen schon länger über Olcay Sahan, das Tor und er sind erst auf dem Weg gute Freunde zu werden, und Yilmaz hielt sich in den Spielen zuvor so streng an sein Flügelspiel, dass er nur wenig Gelegenheit hatte, sich an Tornähe überhaupt gewöhnen zu dürfen. Es geht für Sahan und Yilmaz nicht anders, als auch den Abschluss immer und immer wieder zu trainieren. Was sie und Milan Sasic aber sicher selbst wissen. Wenn ich Milan Sasic in Pressekonferenzen vor Spielen höre, wirkt er auf mich mit seinen von ihm oft zitierten Statistiken wie ein sehr faktenhungriger Mensch, der solche Statistiken zu Stärken und Schwächen dann wahrscheinlich auch über die eigenen Spieler anfertigen lässt. Wenn so und so viel Prozent aller Tore durch Standards fallen und Sasic sie deshalb intensivieren trainieren lässt, wird er auch wissen, dass Sahan so und so viel Prozent seiner Schüsse am Tor vorbei setzt und ihm deshalb hoffentlich ein entsprechendes Trainingsprogamm geben.

Die Niederlage gibt der Mannschaft nun die Möglichkeit, so ein Gefühl des Rückschlags in einer Zeit zu erleben, in der dieser Rückschlag auf längere Sicht noch keine großen Auswirkungen haben muss. Die Mannschaft kann nun mit einem auszuhaltenden Druck lernen, damit umzugehen, das gesteckte Ziel einmal nicht erreicht zu haben. Durch so eine Erfahrung kann jeder einzelne weiter wachsen, und so die Mannschaft stärker machen. Das wäre ein idealtypischer Schritt im weiteren Saisonverlauf. Gedanken mache ich mir allerdings über die Spielsperre, die Bruno Soares und Daniel Reiche für ihre gelb-roten Karten erhalten. Da wird also gegen einen eingespielten FC Augsburg eine Mannschaft des MSV Duisburg antreten, die auf ihren Positionen etwas durcheinander gewirbelt sein wird. Ein Handicap, das mit zunehmender Spieldauer wir am Mittwoch hoffentlich vergessen werden.

Es hätte also nur einen besseren Zeitppunkt für den Einsatz von Babak Rafati in einem Spiel des MSV Duisburg geben können. Dummer Weise schlägt die Niederlage mir dennoch ein wenig auf die Wochenanfangstimmung. Auch ich muss wieder lernen, damit umzugehen, dass der Blick zurück nicht ganz so freudig stimmt wie die Arbeit für die Zukunft.


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