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Neues für das Fan-Gedächtnis vom MSV Duisburg: Meine Frau war immer dabei – Karl P. (*1933)

Ein wenig Ablenkung von der gegenwärtigen sportlichen Situation bringt immer auch das Erinnern an andere Zeiten. Weil ich weiß, dass der Zebrastreifenblog doch mehr Leser hat als drüben das „Fan-Gedächtnis“, stelle ich auch hier online, was Karl P. (*1933) mir  für das „Fangedächtnis des MSV Duisburg“ erzählt hat .

Meine Frau war immer dabei

Meine Frau hatte einen Vetter. Der war auch fanatisch für den MSV. Der ist mit der Fahne, einer Riesenfahne, nach Karlsruhe gefahren. Da war das erste Spiel vom MSV, als die Bundesliga begann. Der hat auch mal die Spielerfrauen an die Reeperbahn gebracht. Die Männer gingen ja nach einem Spiel immer in die Kneipen. Die kamen vor morgens vier, fünf Uhr nicht nach Hause. Und da hatte der mal so ein Mitleid mit den Spielerfrauen und hat denen gesagt: „Ich fahr euch zur Reeperbahn nach Hamburg.“ Der hatte so einen Bully. Das hatte mit Fußball nichts zu tun. Da sind die dann auch auf die sündige Meile gefahren, und die durften alle mal in den Puff gehen. Gucken natürlich. Die sind da reingegangen. Und dann hat der um 12 Uhr ganz laut gepfiffen, auf der Reeperbahn, mit so einer Flöte. Da kamen die aus allen Ecken, die Frauen, und dann sind die wieder nach Hause gefahren. Das kam ja auch in dem Film vor. Die Vizemeister. Er wollte denen mal was bieten. So haben wir das gehört.

Meine Frau und ich, wir waren ja bei allen Spielen in der Zeit. Ich habe nämlich für die Zeitung geschrieben, den Duisburger Generalanzeiger, als freier Mitarbeiter. Ich hatte in der Zeit so eine Kolumne. Ich habe nach dem Spiel die Trainer befragt und die gegnerischen Kapitäne. Die musste ich nach dem Spiel interviewen. Sepp Herberger zum Beispiel, der war damals Bundestrainer. Den habe ich interviewt.

Jetzt waren wir in Hamburg, und der MSV hatte zuvor hier gegen Köln Unentschieden gespielt. In dem Spiel ist unser bester Spieler „Eia“ Krämer von einem Hemmersbach, so hieß der Kölner, kaputt getreten worden. Der „Eia“ musste vom Platz getragen werden und konnte auch das nächste Spiel in Hamburg nicht mitmachen. Als der gefoult wurde, hatte der MSV geführt. Die Kölner haben dann noch den Ausgleich gegen die dezimierten Meidericher gemacht. Wenn die Köln geschlagen hätten und danach auch gegen Hamburg gewonnen, dann wären die sogar Meister geworden, vor den Kölnern. Die sind dann ja Zweiter geworden.

Meine Frau und ich sind dann nach Hamburg gefahren. Mit dem Auto von Wermelskirchen aus. Da haben wir damals gewohnt. Da war die Autobahn bis Hamburg noch gar nicht fertig. Bis Hannover konnte man fahren. Dann ging es durch die Heide. In Hamburg waren nicht sehr viele aus Meiderich. Jetzt spielte ja der beste Mann nicht, der „Eia“ Krämer, und da hatten wir sowieso wenig Hoffnung. Da spielten Heini Versteeg und der Gecks als Stürmer, und die spielten wie im Rausch. Die gingen mit 3:0 in Führung. Boah, haben wir gesagt, heute gehört Hamburg uns. Und da macht der krumme Hund, so sage ich jetzt mal, der Uwe Seeler, eine Viertelstunde vor Schluss das 3:1 und dann haben die noch 3:3 gemacht. Wir standen wie begossene Pudel da. Wir waren im Rausch. 3:0! Naja, wir haben dann noch einen drauf gemacht. Das 3:3 war ja auch gut.

Einmal wollten sie mich in Stuttgart von der Tribüne schmeißen. Der MSV spielte in Stuttgart. Da waren wir abends auch mit der Mannschaft zusammen, und wir kannten den Geschäftsführer Hans van Kleve. Der hatte in Meiderich eine Fahrschule, der war auch dabei. Der war unser Freund, der hat gesagt, wir sind heute Abend da und da, wollt ihr da nicht auch hinkommen. Dann haben wir da ganze Nacht gesessen, uns mit dem Gutendorf unterhalten. Meine Frau war immer dabei. Überall ist die mitgefahren.

Dann waren wir am nächsten Tag auf der Pressetribüne in Stuttgart und ich habe immer über die Stuttgarter geschimpft, wenn die gefoult haben. Da saßen natürlich nur Stuttgarter. Und da haben die nachher einen Ordner gerufen, schmeiß den mal hier von dem Platz. Aber ich habe dann meinen Presseausweis gezeigt und die haben mich sitzen lassen. Ich bin denen wahrscheinlich auf den Wecker gefallen. Ein paar Artikel habe ich damals noch geschrieben.

Fortsetzung folgt. Das schon mal ab ins „Fan-Gedächtnis“. 

Damit verbinde ich zugleich einmal mehr den Aufruf, schickt für dieses Fan-Gedächtnis eine Erinnerung an eure Zeit mit dem MSV, von der ihr wollt, dass sie nicht vergessen wird. Ihr könnt das über das Kontaktformular machen. Oder schreibt mir. Ich komme mit dem Aufnahmegerät vorbei, mache ein Interview und transkribiere das Erzählte. Ich veröffentliche die Erinnerungen erst einmal drüben im großen Fan-Gedächtnis-Archiv. Ich träume aber immer noch davon, eine Sammlung solcher Geschichten im Verlag Die Werkstatt herauszugeben. Der Erlös käme einem sozialen Projekt zugute. Wir hätten zudem eine Art Geschichtsbuch von unten. Alltagsgeschichte aus Duisburg mit dem Schwerpunkt Fußball.

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Von Anfang bis Westende – Ein wunderbarer Dokumentarfilm über die „Meidericher Vizemeister“

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Michael Wildberg, Matthias „Matze“ Knorr, Kristian „Luette“ Lütjens (v. l.)

Schon mit einer Begrüßung lässt sich, wenn auch unbeabsichtigt, eine Zeit lebendig machen, die weit zurückliegt und die für den MSV Duisburg überaus erfolgreich war. „Liebe Damen und liebe Fußballfreunde“, so begann der 87jährige Rudi Gutendorf im Duisburger filmforum seinen Gruß ans Publikum, das auf die Premiere des Dokumentarfilms Von Anfang bis WestendeMeiderich Vizemeister wartete. Mit diesen Worten stellten sich die Bilder einer Zeit ein, in der Fußball vornehmlich Männersache war, in der Frauen ihr Haar hochtoupiert trugen und  in der der deutsche Fußballmeister zum ersten Mal in der Bundesliga ausgespielt wurde. Den Jüngeren muss man es wahrscheinlich erzählen. Rudi Gutendorf war Trainer dieser Vizemeister der ersten Bundesligasaison 1963/64, denen Kristian Lütjens, Matthias Knorr und Michael Wildberg ein filmisches Denkmal gesetzt haben.

Das filmforum war ein würdiger Ort, um diesen wunderbaren Film zum ersten Mal zu zeigen. Und es ist zu hoffen, dass die drei Filmemacher Kristian Lütjens, Matthias Knorr und Michael Wildberg zusammen mit Kai Gottlob vom filmforum die Lizenzprobleme um die alten TV-Fußballberichte des Films so lösen können, dass zum demnächst anstehenden DVD-Verkauf zusätzlich öffentliche Vorstellungen dieses Dokumentarfilms möglich werden. Das Kino schafft immer noch eine so besondere Atmosphäre, die nicht vergleichbar ist mit dem heimischen Wohnzimmer, so groß die TV-Bildschirme inzwischen auch sind, so machtvoll die Soundsystem den Ton heute auch transportieren. Zweifellos würde solch ein Kinobesuch für jeden Zuschauer mit  Interesse am MSV Duisburg im Besonderen oder am Fußball sowie der Geschichte des Ruhrgebiets im Allgemeinen zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Mit der Chronik der ersten Bundesligasaison sowie deren Vorgeschichte in den letzten Wochen der Qualifikation für die Bundesliga ist der erzählerische Rahmen vorgegeben. Doch wäre dieser Film nicht so berührend geworden, wenn mit ihm nur an den sportlichen Erfolg hätte erinnert werden sollen. Der Weg zum sportliche Erfolg ist die Zeitmaschine, die uns den Anfang der 1960er Jahre und die Lebenswirklichkeit der damaligen Spieler lebendig macht. Diese Fußballdokumentation erzählt zugleich Stadt- und Ruhrgebietsgeschichte. Sie offenbart Mentalität der Vergangenheit. Sie liefert unzählige Facetten, mit denen wir einen Begriff davon bekommen, was das Leben damals ausgemacht  hat. Das sind die Arbeitsverhältnisse der Fußballer damals, die Vorteile, die sie selbstverständlich auch hatten, die gemeinsame Meidericher Herkunft oder die etwas andere Perspektive auf den Fußball, die sich im Erzählen ihrer Frauen ergibt.

Günter Preuß, Horst Gecks und Michael Bella seien beispielhaft für diese Farbe des Films erwähnt. Allesamt erzählen lebendig und detailliert, geben Einblick in Gefühle und lassen so ahnen, welch Vertrauen sie zu den Filmemachern besessen haben. Dieser Blick auf die Vergangenheit bietet schon viel, doch wird er angereichert mit Erinnerungen voller Komik, an denen vor allem „Hennes“ Sabath und Werner „Lölle“ Lotz ihren Spaß haben. Beide sind pointensichere Erzähler, in deren Sprechen das bodenständige Ruhrgebiet ein großes Schaulaufen feiert. Der eine, Lotz, lauert mit dem Schalk in den Augen auf die nächst mögliche Pointe, der andere, mehr der Vertreter des lakonischen Humors, hat immer noch als Held von damals das Geschehen fest im Griff.

Sucht man nach der filmischen Qualität, zeigt sie sich zunächst in Kristian Lütjens Gespür für den Rhythmus beim Schnitt. Die Abfolge von komischen Momenten, von notwendiger sachlicher Information durch eingeblendete Spielberichte, TV-Ausschnitte alter Spiele und der sachlichen, nicht minder lebendig erzählten Vergangenheit lässt niemals Langeweile aufkommen. Außerdem weiß er um die Bedeutung stimmungsvoller Bilder vom Duisburg der Gegenwart, die er zusammen mit Matthias Knorr eingefangen hat. Michael Wildberg verantwortete Interviews und Redaktion. Nicht zu vergessen sind noch Los Placebos, die mit ihren musikalischen Wurzeln im Ska einen schmissigen Soundtrack geschaffen haben.

Von Anfang bis Westende – Meidericher Vizemeister steckt voller Gefühl, ohne sentimental zu sein. Der trockene Humor, die bodenständige Lakonie des  Ruhrpotts steht der vollkommenen Verklärung der Vergangenheit entgegen. Und bei allen schönem Erinnern gibt es dennoch die Hinweise auf mögliche Konflikte, auf widerstreitende Interessen, auf Unmut, den es auch damals schon gegeben hat. Liebe Damen und liebe Fußballfreunde, eins aber muss ich euch leider zum Ende hin auch noch sagen. So sehr ihr nun diesen Film sofort sehen wollt, jetzt heißt es warten. Erst Ende April wird die DVD im Fanshop erhältlich sein. Bis dahin freut euch schon mal vor!

 

 

 

 


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