Über Niederlagen des MSV Duisburg habe ich alles schon einmal gesagt. So kommt es mir vor. Ich habe geschaut, ob sie uns etwas über das wirkliche Leben erzählen. Manchmal sind mir zumindest unterhaltsame Worte gelungen. Nun fällt mir nach der 1:4-Niederlage gegen den 1. FC Heidenheim nichts ein, was nicht offensichtlich ist. Ich muss diese Niederlage nicht noch einmal nacherzählen, so klar ist ihr Verlauf erkennbar. Es müsste etwas über den sportlichen Verlauf hinaus erzählt werden. Ich habe das Gefühl, ich müsste mich wiederholen. Ich möcht mich nicht wiederholen. Es reichen wenige Sätze.
Eine gute Leistung in der ersten Halbzeit verhindert nicht den 1:0-Rückstand. Ein einziger langer Ball bringt die Heidenheimer Führung. Vor diesem langen Ball hatte ich die ganze Zeit Angst, vor diesem langen Ball und den Folgen. Denn es ist momentan sehr unwahrscheinlich, dass die Zebras einen Rückstand ausgleichen. Könnte diese Mannschaft einen Rückstand leicht ausgleichen, wäre sie schon vorher längst in Führung gegangen. Das klingt paradox. Das ist die Wahrheit. Das sind normale Spielverläufe in dieser Saison. Die Mannschaft spielt passabel, dennoch gibt es nur wenige Torchancen. Die wenigen Torchancen werden meist vergeben. Ein Gegentor kann immer fallen. Das Gegentor führt zu vermehrten Offensivbemühungen. Ein zweites Gegentor wird noch wahrscheinlicher.
Leise Sorgen beschleichen mich nun, wenn ich Thorsten Lieberknecht auf der Pressekonferenz nach dem Spiel von fehlender „Gier“ sprechen höre. Das klingt für mich wie ein verkleideter Verzweifelungsschrei. Thorsten Lieberknecht war nach dem Spiel enttäuscht und verärgert. Er ist nicht der erste Trainer Deutschlands, der von fehlender Gier spricht. Mir ist dieses Wort aber suspekt, auch wenn es inzwischen Eingang in die Fußballersprache gefunden hat. Bewusst wahrgenommen habe ich es das erste Mal, als Markus Babbel davon sprach. Schon damals habe ich mich gefragt, ob er auch seine Kinder zu so richtiger Gier auffordern würde. Eine Tugend ist diese Gier definitiv nicht.
Darüber hinaus zweifel ich, ob so eine Gier geeignet für eine konstruktive Analyse ist. Mir kommt es nicht so vor, als führte fehlende Gier zu dem Gefühl von Daniel Mesenhöler und Lukas Fröde, dass an den langen Pass in den Duisburger Strafraum kein Heidenheimer Spieler mehr herankommt. Mir kommt es nicht so vor, als führte fehlende Gier zum zweiten Tor der Heidenheimer. Mir kommt es nicht so vor, als führte fehlende Gier dazu, dass Andreas Wiegel den Ball im Strafraum spielen will und nicht mitbekam, dass ein Heidenheimer Spieler an ihm noch vorbeiläuft, so dass er statt des Balls dessen Beine berührt. Mir kommt es nicht so vor, als bräuchte John Verhoek mehr Gier, um aus sechs Metern einen scharfen Pass ins Tor zu schießen und nicht weit darüber. Das hat dann doch mehr mit der Fußhaltung, also mit Technik, zu tun und nicht mit dem Einsatzwillen. Mir kommt es auch nicht so vor, als könne mehr Gier die Balance herstellen zwischen defensiver Stabilität und Offensivkraft.
Die fehlende Gier wird wahrscheinlich in Zusammenhang gebracht mit dem berühmten Meter mehr, der gelaufen werden muss. Die Gegentore fielen nicht wegen mangelnder Laufbereitschaft. Die Torchancen blieben ohne Erfolg doch nicht, weil der Einsatz gefehlt hat. Im Grunde ist dieses Beklagen der fehlenden Gier nichts anderes als ein emotionales Aufschreien nach dem Motto „jetzt macht doch mal was“. Die Spieler machen die ganze Zeit etwas. Sie suchen den Erfolg im Rahmen ihrer derzeitigen Möglichkeiten. Es ist eine Frage der Persönlichkeit, ob ein Trainer pragmatisch wie Ilia Gruev mit einer Mannschaft umgeht oder emotional wie Thorsten Lieberknecht. Die Probleme, vor denen Thorsten Lieberknecht steht, sind dieselben geblieben wie die, die Ilia Gruev bewältigen musste. Ein Trainer kann seine Vorstellung von einem Spiel nur auf den Möglichkeiten der einzelnen Spieler aufbauen.
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