Posts Tagged 'Javier Cáceres'

Gerhard Heinze, Argentinien bei der WM 78 und Ángel Kappa

Welch schöner Zufall, wenn sich der MSV Duisburg, internationaler Fußball und kluge Gedanken über die Gegenwart in einem Text verbinden lassen. Der Journalist und Buchautor Javier Cáceres gibt dazu die Gelegenheit. Letzte Woche fragte er bei Twitter, was Ubaldo Fillol, den Torwart der argentinischen Fußballweltmeistermannschaft von 1978, und die Zebras verbindet.

Die Lösung brachte der retweete Thread. Ubaldo Fillol trug bei der Weltmeisterschaft Handschuhe einer Marke mit dem Namen des MSV-Torwarts von 1975-1983, Gerhard Heinze. Nur zu Beginn seiner Karriere beim VfB Stuttgart war seine für eine Torwart geringe Größe von 1,76m Kritikern ein Anlass, seinen möglichen Leistungen zu misstrauen. Beim MSV war davon keine Rede mehr.

Und nun zu den Bemerkungen der Gegenwart. Zwei Tage zuvor war in der Süddeutschen Zeitung ein großartiges Interview erschienen, das Javier Cáceres mit dem argentinischen Trainer Ángel Cappa geführt hat.

Der in Deutschland nicht sehr bekannte Trainer muss im Untertitel als Assistent von César Luis Menotti eingeführt. Obwohl er bezogen auf seine Karriere nur kurz mit ihm zusammen gearbeitet hat. Doch Menotti kennt man in Deutschland. Wahrscheinlich sollte das Interview schmackhaft gemacht werden. Gut so, denn kluge Gedanken sollten so viel Verbreitung wie möglich finden.

Im englischen Wikipedia findet sich ein kürzerer Text zu Ángel Cappa. Ausführlicheres gibt es im spanischen Wikipedia. Im Interview spricht er über die Entwicklung des Fußballs, bei der der Sport zur Ware wurde. Er spricht über die Bedeutung von Statistiken zur Qualitätsbeurteilung eines Spiels und weiß, dass er in dem Widerspruch lebt, Teil eines Systems zu sein, das er kritisiert.

Begnügt euch nicht mit den Zitaten unten, klickt weiter zum ganzen Interview.

Worte über ein Tor so schön wie das Tor selbst

Am Dienstag ist der brasilianische Fußballer Carlos Alberto im Alter von 72 Jahren gestorben. Er war der Mannschaftsführer der brasilianischen Weltmeistermannschaft von 1970 und hat im Endspiel gegen Italien in der 86. Minute das 4:1 für seine Mannschaft erzielt. Mit seinem Nachruf für die Süddeutsche Zeitung hat Javier Cáceres nicht nur den Fußballer auf besondere Weise gewürdigt. Er hat die Beschreibung dieses vierten brasilianischen Tores im Endspiels zu einem kongenialen, poetisch anmutenden Zwischenstück in seinem Nachruf gemacht. Wer diese Worte liest, möchte das Tor unbedingt sehen und behält Carlos Alberto auf wunderbare Weise in Erinnerung.

Das Tor aus der Perspektive beider Geraden:

Der Fußball als Kunstart der Gegenwart

Als ich vor dem Urlaub das Interview mit Xavi vom FC Barcelona las, das Javier Cáceres für die Süddeutschen Zeitung geführt hat, musste ich mal wieder an das Verhältnis von Fußball und Kunst denken. Vor etwa zwanzig Jahren noch konnte ich in einem kleinen Text das Reden  über Literatur gänzlich vom Reden über Fußball unterscheiden. Ich hatte damals ganz im Sinne von Pierre Bourdieus „Die feinen Unterschiede“ darauf hinweisen wollen, wie das Reden über die Kunstart Literatur auch als ein Mittel funktioniert, mit dem sich die Menschen dieser Gesellschaft sozial abgrenzen – vorzugsweise nach unten. Das Reden über Fußball kannte diese Möglichkeit  nicht. Über Fußball konnten im Gegensatz zu den Kunstarten alle reden. Es gab kein Fachvokabular als Signal für ein Expertenwissen, und es wurde vornehmlich über Geschmack  gestritten.

Seitdem hat sich naturgemäß viel verändert. Das öffentliche Reden über Literatur hat sich weiter demokratisiert. Geschmack rückte als Argument für Werturteile auch beim öffentlichen Reden über Literatur in den Vordergrund. Dagegen hat sich das Reden über Fußball dem alten Reden über Literatur als Kunstart angenähert. Es entstand ein Kanon an Expertenwissen, und es gibt Menschen, die anderen Zuschauern den Fußball erklären helfen.  Damit meine ich natürlich nicht jeden ehemaligen Fußballer als TV-Experten. In diesem Medien-Expertentum entstanden Hierarchien.

Selbstverständlich lassen sich unterschiedliche Gründe für dieses veränderte Reden über Fußball finden. Über allem steht, Fußball ist für diese Gesellschaft immer wichtiger geworden. Die vereinzelten Stimmen der 70er, die von Fußball-Kunst sprachen, wurden zu einer Art Fußball-Kunstbetrieb, dessen Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft sind. In diesem Betrieb mischen sich die alten Sprechweisen mit den neuen. Manchmal aber höre ich diesem Reden über Fußball zu und erlange schlagartig die Gewissheit, dieser Sport gehört längst zu den Kunstformen der Gegenwart.

Die großen Fußballer dieser Zeit wie Xavi wissen das,  und wie alle Künstler wissen sie auch um die Beschränktheit ihres gegenwärtigen Publikums.

SZ: Ist Ihnen bewusst, dass keiner von den Spielern, die Sie nennen, je zum weltbesten Fußballer gekürt worden ist?

Xavi: Das Problem ist, dass 95 Prozent der Menschen Fußball mögen, aber nur zwei Prozent wirklich was verstehen. Einer meiner besten Freunde ist total fanatisch. Der guckt alles. Kennt alle. Und hat trotzdem nicht die leiseste Ahnung. Ich sage dem immer Sachen, wie: „Schau, der macht dumme Fouls, der ist nicht solidarisch . . .“ –, aber der sieht das nicht. Der hört einfach nicht zu.

SZ: Am Ende gewinnen bei Fußball-Wahlen immer die, die Tore schießen.

Xavi: Die Leute schauen nur auf die Resultate. Als wir nichts gewannen, galt unser Fußball irgendwie als schäbig. Jetzt sind wir die Referenz der Welt! Das ist doch zum Lachen. Ich habe vor fünf Jahren genau so gespielt wie jetzt. Und ich meine: genau so!

Da spricht Xavi mit dem Selbstverständnis eines Künstlers. Sein Können versteht er als interesselose Kunst und sein Spiel ist Arbeit an der Vollkommenheit. Das ganze Interview findet sich übrigens nicht im Online-Portal der Süddeutschen Zeitung. Aber es gibt ein Pdf-Dokument, das aus den Tiefen des SZ-Archivs auf der dritten Google-Seite auftaucht, wenn man Xavi Interview und Süddeutsche Zeitung googelt.


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