Die erste Spielzeit von Heiner Goebbels als künstlerischer Leiter der Ruhrtriennale verspricht dem Publikum Erfahrungen, die uns Zuschauern des MSV Duisburg oft nicht fremd sind. Heiner Goebbels möchte mit dem zusammengestellten Programm Begegnungen bieten „mit etwas, das wir noch nicht kennen: ein ungesehenes Bild, ein ungehörter Klang, eine nicht für möglich gehaltene Bewegung.“ Im Stadion ist so etwas in dieser Saison für uns lange Zeit normal gewesen. Wir wussten nicht, was uns erwartet, welche Qualität die Mannschaft im Spiel zeigen konnte, und so standen wir oft genug verständnislos vor der Leistung der Mannschaft. Dieses Risiko der Verständnislosigkeit geht Heiner Goebbels mit dem Programm der Ruhrtriennale ein. Überfliegt man das Programm findet sich auf den ersten Blick kaum etwas, was einem Publikumsbedürfnis nach erzählerischen Formen von Kulturerfahrungen entspricht. Nachvollziehen von Handlung tritt in diesem Programm zurück hinter die reine Wahrnehmung von Geschehen. Heiner Goebbels interessiert „Theater als eigene Realität“. In den Räumen der Industriekultur soll auf kein Draußen verwiesen werden, und die Zuschauer sollen ihre eigenen Verbindungen zwischen ihrem Erleben im Theater und der Realität ziehen.
Wenn Heiner Goebbels im folgenden mit Holger Noltze über das Eröffnungswerk der Ruhrtriennale, Europeras 1&2 von John Cage, spricht, werden auch seine Vorstellungen von Kunst noch einmal deutlich.
Nun wissen wir Zuschauer des MSV Duisburg aus dieser Saison, nicht immer möchte man als Zuschauer ein Spiel voller Überraschungen und ungeahnten Spielmöglichkeiten, die nicht auf einen Zweck verweisen. Manchmal möchte man einfach auch nur einen ungefährdeten Anpfiff-Abpfiff-Sieg sehen. Man möchte manchmal auch nur ein schönes Spiel sehen mit dem ein oder anderen technischen Kabinettstückchen. Erst danach ist man auch wieder für die Wundertüte MSV Duisburg bereit. Deshalb bin ich ein wenig skeptisch, ob das Ruhrgebiet der richtige Ort für das künstlerische Konzept von Heiner Goebbels ist. Mir fehlen Programmteile, bei denen ich etwas genauer weiß, was mich erwartet. Es war ja in den vorherigen Spielzeiten keineswegs so, dass jeder Programmteil Boulevard für das Bildungsbürgertum des Ruhrgebiets bot. Auch zuvor gab es Kunst, deren Bezüge zur Realität, das Publikum selbst herstellen musste; Kunst, die sehr auf das Ereignis des Abends bezogen war, die nicht eingängig war und die manchmal ratlos zurückließ. Die Mischung war aber da, die ein Publikum dazu bereit machte, sich auf das ganz andere einzulassen. Ich bin gespannt, welche Folgen diese Programmgestaltung für die Zuschauerzahlen haben wird.
Für den schnellen Programmüberblick sei hier auch noch einmal die Pressemitteilung der Ruhrtriennale zitiert: „Zu den Höhepunkten des Festivals zählen die Opern Europeras 1&2 von John Cage in der Jahrhunderthalle, inszeniert von Heiner Goebbels und seinem Team, und Carl Orffs Prometheus in der Kraftzentrale – in der Regie des samoanischen Choreografen Lemi Ponifasio, sowie die Live Art-Ausstellung 12 Rooms im Essener Museum Folkwang. Die Jahrhunderthalle Bochum wird mit En Atendant und Cesena von Anne Teresa de Keersmaeker außerdem Schauplatz einer einzigartigen Doppelinszenierung bei Sonnen-untergang und Sonnenaufgang. Erstmalig Gäste der Ruhrtriennale sind die Theatermacher Robert Lepage, der im Salzlager auf Zollverein, Essen, seinen neuen Theaterzyklus Playing Cards eröffnet und Romeo Castellucci, der mit FOLK. im Duisburger Landschaftspark die Grenzen des Theaters in Bewegung bringt. Ein Open Air-Konzert der japanischen Gruppe Boredoms sorgt für Schlagzeug-Power in der Bergarena der Halde Haniel in Bottrop.“
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