Manchmal trifft es sich gut, wenn zu wenig Zeit ist, um den immer fließenden Strom des Welt- und Provinzgeplappers sofort zu kommentieren. Am Montag nach dem Pokalendspiel schrieben die einen in Duisburg vom „Sauerland-„, die anderen vom „Pokal-Eklat“. Seid empört, Skandal, Skandal, hörte ich es skandieren. Doch nach der Gratisbewirtschaftung der Lokalzeitungen durch den MSV-Aufsichtsratsvorsitzenden Hans-Werner Tomalak wurde nur eine Pseudo-Geschichte hochgerülpst, über die heute niemand mehr spricht. Mir gibt der Rülpser aber gleich Gelegenheit, an einem Beispiel, das in Duisburg jeder versteht, meinem soziologischen Hobby zu frönen und ein wenig die öffentliche Meinungsbildung unter die Lupe zu nehmen.
Statt mich also darum kümmern zu müssen, wie der MSV Duisburg von Vereinsverwaltern für eigene Zwecke missbraucht wird, sehe ich zufrieden, die für den Fußball bezahlten Menschen beim Verein erledigen trotz aller Widrigkeiten professionell alles, um in der nächsten Saison möglichst erfolgreich zu sein. Es beruhigt mich, wie die Aufgaben von Bruno Hübner so umverteilt werden, dass der Spielerkader weiter Form annimmt. Daniel Beichler und Zvonko Pamic werden ausgeliehen, Goran Sukalo verlängert seinen Vertrag. Milan Sasic macht sich um die Position des Torwarts Gedanken.
Inzwischen hat sich Milan Sasic außerdem so viel Reputation erworben, um als Stimme des Vereins in die Öffentlichkeit zu treten. Seine Sätze auf der Internet-Seite des MSV Duisburg waren notwendig, um nach der Duisburger Lokalpolitikposse den Blick auf das Notwendige zu lenken. Das Unternehmen MSV Duisburg im Verein MSV Duisburg hat nicht nur die sportlichen Belange gut im Blick, der Unternehmensbereich Kommunikation weiß auch um die notwendig gute Stimmung im Umfeld.
Im Verein MSV Duisburg machte sich nun bemerkbar, dass niemand aus eigenem Impuls heraus, die Führungsaufgabe Vereinsvorsitz hat übernehmen wollen. Der Vereinsvorsitzende besitzt nicht nur eine Verwaltungsfunktion. So eine Person bündelt im besten Fall die verschiedenen Strömungen im Verein, vor allem wirkt er als erster Repräsentant für die Idee des Vereins in der Öffentlichkeit. Er steht mit seinem Namen für den Verein. Wahrscheinlich muss Dieter Steffen erst noch ein Gespür für diesen notwendigen Teil seiner Aufgabe entwickeln. Sonst werden sich immer wieder Stimmen vernehmen lassen, die in der Öffentlichkeit allein durch ihre dortige gleichgewichtige Präsenz den Eindruck erwecken, ihre Stimme hätte dieselbe Bedeutung wie die des Vereinsvorsitzenden vom MSV Duisburg.
Diese Aufgabe Dieter Steffens ist um so wichtiger, wenn die anderen Stimmen für den MSV Duisburg in der Öffentlichkeit Interessen verfolgen, die über Vereinsbelange hinausgehen. Als das CDU-Mitglied Hans-Werner Tomalak der Rheinischen Post gegenüber nicht allzu viel Wert auf das Briefgeheimnis legte und die eigenen Worte an den Parteifreund Adolf Sauerland der Redaktion steckte, kümmerte er sich doch wenig bis gar nicht um den Ruf des MSV Duisburg, sondern um den des Oberbürgermeisters aus den eigenen Reihen.
Interessant an dieser Geschichte ist nun keineswegs die Frage, ob Adolf Sauerland vom MSV Duisburg eingeladen war oder nicht. Der MSV Duisburg schreibt in einer Pressemitteilung, er sei eingeladen gewesen. Interessant ist viel mehr die Tatsache, dass diese Frage nicht nur vierzehn Tage später keine Rolle spielt, sondern sie noch am Tag der Berichterstattung in den meisten Online-Kommentaren zu der Geschichte ohne Belang war. Das Ganze wurde meist abgehakt unter Parteiengezänk. Darüber hinaus hatte die Sauerland-muss-weg-Fraktion einmal wieder einen Anlass, sich zu äußern; und die Sauerland-ist-nicht-an-allem-schuld-Fraktion konnte ebenfalls endlich mal wieder vom Leder ziehen.
Die Meinungen beim Thema Adolf Sauerland sind fest zementiert, und ein aktuelles Geschehen weckt nur die nach der Loveparade-Katastrophe entstandenen Haltungen. Adolf Sauerland müsste der NRW-Landesregierung dankbar sein, die gesetzliche Grundlage für ein Abwahlverfahren gegen ihn geschaffen zu haben. Erst dieses Abwahlverfahren wird helfen, die Lethargie und die Zerrissenheit Duisburg zu überwinden, egal ob der Oberbürgermeister abgewählt wird oder nicht. Selbst wenn er sein Amt behalten sollte, hätte Adolf Sauerland zumindest endlich wieder ein Argument, um Mitarbeiter zu überzeugen und zwar nicht unbelastet, aber mit gutem Recht vor die Öffentlichkeit zu treten. Im Moment besitzt er nichts als seinen Willen durchzuhalten. Als ob das ein Wert an sich ist. Wer eine Stadt so spaltet wie Adolf Sauerland, kann unabhängig von allen anderen Fragen nur erster Bürger dieser Stadt sein, wenn er kraftvolle Visionen für sein Wirken in dieser Stadt hätte. Adolf Sauerland macht diesen Eindruck nicht. Wäre ich Bürger Duisburgs, ich würde für seine Abwahl stimmen.
Der MSV Duisburg reagierte übrigens mit einer Pressemitteilung auf die Vorwürfe von Hans-Werner Tomalak, die hier ausschnittweise zitiert sei:
Anders als unter Bezugnahme auf das Schreiben des Aufsichtsrates des MSV Duisburg 1902 e.V. dargestellt, ist der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland regulär und frühzeitig vom MSV zum Bankett am Abend nach dem DFB-Pokalfinale zwischen dem MSV und Schalke 04 in Berlin eingeladen worden. Von einer kurzfristigen Einladung kann keine Rede sein; der Oberbürgermeister ist zum selben Zeitpunkt wie alle anderen Gäste des Abends eingeladen worden.
Der MSV ist nach Abpfiff des Pokalfinales am Samstag, 21. Mai 2011, also unmittelbar vor Beginn des festlichen Abends im Ritz-Carlton am Potsdamer Platz, von Sicherheitskräften unmissverständlich angewiesen worden, sowohl den Verlauf des Abends als auch das Placement an den Tischen so zu gestalten, wie es dann geschehen ist. Trotz Protestes des MSV hat sich der Club diesen Anweisungen fügen müssen.
„Der Aufsichtsratsvorsitzende des MSV e.V. Hans-Werner Tomalak ist von mir unmittelbar am gleichen Abend über diese Umstände informiert worden. Deshalb kann ich den Schritt des Aufsichtsrates, ein nicht den Tatsachen entsprechendes Bild zu verbreiten, nicht nachvollziehen. Wir sind auch deswegen so stark geworden, weil wir es in den vergangenen Monaten geschafft haben, alle Probleme intern zu diskutieren und zu lösen, und das werde ich weiter so halten. Die jetzt getätigten, unrichtigen Aussagen beschädigen das Bild und Ansehen des MSV enorm“, sagte Dieter Steffen, Vorstandsvorsitzender des MSV Duisburg 1902 e.V.
Nach dieser Pressemitteilung weiß ich mich glücklich, keine Einladung zu dem Empfang erhalten zu haben. Wie unentspannt muss eine Veranstaltung sein, wenn Sicherheitskräfte – die von Hannelore Kraft? – den Abend bestimmen. Aber so kennen wir sie ja, die Männer mit Sonnenbrille und Ohrknopf, mit unbeweglicher Miene starren sie durch die Gegend und letztlich weiß man nicht, ob dahinter nicht das heimliche Lächeln eines Schalke-Fans steckt.
Wäre die Frage einer Einladung von Adolf Sauerland durch den MSV Duisburg wirklich wichtig gewesen, hätte der ein oder andere Journalist nachfragen können, was das denn zu bedeuten habe, Sicherheitskräfte schreiben den Verlauf des Abends vor. So verhilft uns die Berichterstattung zum „Eklat“ sogar noch zu ein wenig Sicherheit in der unübersichtlich gewordenen Welt. Erinnerte sich die Rheinische Post mit CDU-Tomalak doch an die christlich-konservative Grundhaltung von ehedem. Ob es beim WAZ-Konzern sich verbietet, mit einem CDU-Mann so offensiv wie die Rheinische Post ins Horn zu stoßen oder ob in diesem Medienhaus rein journalistische Prinzipien zur Geltung kamen, lässt sich allerdings nicht genau sagen.
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