Alaaf und helau! Lasst uns trotz Sturm und Regen auch im Zebrastreifenblog Spass an der Freud haben. In diesen Räumen umweht uns ohnehin seit Freitag Dank Enis Hajri die Aura der Unverletzbaren. Was hoffentlich noch lange anhält. Die Stimmung heute stellt sich mit einem Blick aufs Jahr 1969 ein.
Mit Jupp Schmitz, und Ernst Neger traten im Karnevals-Blauen-Bock bei Heinz Schenk zwei Megastars des damaligen Karnevals auf. Kurt-Adolf Thelen war nicht ganz so populär. Alle waren auch außerhalb des Karnevals unterwegs. Für die etwas Jüngeren zur Erklärung: Zum Blauen Bock war so eine Art Samstags-Nachmittags-Wetten dass. Für die ganz Jungen: Sendungen dieser Art für ein unspezifischen Zielpublikum mit gigantischen Einschaltquoten gibt es nicht mehr im Fernsehen.
Sehr schön ist es für uns Ältere, dass sich ab Minute 5.30 ein Stadionsong alter Zeiten versteckt: Das populäre Rheinlied. Es war natürlich umgetextet worden. So sollte der wunderschöne deutsche Rhein, nicht ewig Deutschlands Zierde sein sondern ewig deutscher Meister. Entschuldigung, der wunderschöne MSV natürlich. Was uns beim Singen damals keineswegs vermessen vorkam. Zwar fehlte zur Ewigkeit noch die Anfangsmeisterschaft, aber die hatte ja in der nächsten Zeit schon kommen können.
Am Aschermittwoch ist nicht alles vorbei. Am Aschermittwoch ist es Zeit für die Archivarbeit. In dieser Karnevalssession ist das Heimatlied – Sektion Duisburg durch das Mottolied des Duisburger Karnevalsprinzen Prinz Mark I. erweitert worden. Prinz Mark I. gehört der Römergarde der Stadt Duisburg an.
Ihr wisst, grundsätzlich begrüße ich jedes Lied, das die Stadt besingt, weil sehr gute Heimatlieder eine breite Basis brauchen. Man braucht viel vom deutschen Stadthymnen-Einheitsbrei für ein Heimatlied, das wahrhaftig ist und berührt. „Duisburg ole“ ist ein samba-inspiriertes Stimmungslied. Der Ansatz ist gut, doch beim Text hätte man zweimal etwas länger nachdenken müssen. Zum einen wird einmal kräftig im Städtevergleich daneben gegriffen, zum anderen wird eine Steilvorlage ausgelassen. Es gab die Möglichkeit für Tiefe in diesem Stimmungslied.
Beim Städtevergleich wird die Haltung, in der das Lied gesungen wird, für einen Moment lächerlich. In Duisburg lässt sich eine Zeile wie „Hier ist mehr los als in München, Hamburg oder in Berlin“ nur ironisch singen. Diese Ironie gibt es in dem Text nicht. Sie ist nicht als Größenwahn angelegt, sie ist aber auch nicht als feine Spitze angelegt. Dieser Satz ist ernst gemeint. Mit ein wenig Abstand macht mich solch ein Satz traurig, weil dahinter eine Sehnsucht spürbar ist, die unerfüllt bleiben wird.
Nachtrag 6.2.2019: In den Kommentaren weist mich der ehemalige Prinz Mark darauf hin, dass der Städtevergleich auf den Karneval bezogen sei. Was nachvollziehbar ist. Mich überzeugt das Argument dennch nicht, weil dieses „es ist mehr los“ allgemeine Bilder zu leicht weckt, die über den Karneval hinaus führen.
Dabei beginnt der Text zunächst anders als mit dem provinziellen Selbsterhöhungseinerlei. „International seit dem Römerwall, hier sind keine Fremden in der Stadt. Hamborn, Neudorf, Rahm, Buchholz, Beeck und Laar, alles Orte, wo man Freunde hat. “ So fängt es an. Die Namen, die dann aufgezählt werden, sind aber gar nicht so international. Werner, Anton, Magdalene und Justine. Schade. Guter Ansatz, verbesserungswürdige Ausführung.
Nachtrag 6.2.2019: In den Kommentaren weist mich der ehemalige Prinz Mark darauf hin, dass die Steilvorlage sehr wohl genutzt wurde. Ich habe die internationalen Namen nur nicht gehört. Mein Fehle also.
Das nur im Ansatz des Textes gelungene „Duisburg ole“ gibt mir die Gelegenheit, an die Heimatliedfolge mit der Hochfeld-Serenade von Matthias Lixenfeld zu erinnern. Lixenfeld schrieb Karnevalslieder und stand in der Tradition des rheinischen Karnevalslied, bei dem der realistische Blick auf die Wirklichkeit jedes ungebrochene Bejubeln von eigenem Leben und Welt verbietet.
Hinweise auf weitere online zu findende Duisburg-Lieder nehme ich gern entgegen. Helft mit die Sammlung wachsen zu lassen.
Passend zum Auftakt des Straßenkarnevals widme ich die heutige Folge der Ruhrstadt-Heimatliedsammlung einem Stück, das auf jeder Karnevalsbühne der Ruhrstadt zum Standardprogramm gehören könnte. Wenn es denn so viele Karnevalsbühnen gäbe heute und der Pott dann die Gruppen auf den Bühnen im 20-Minuten-Takt so durchwinken würde, wie ich es von Köln her kenne. Ruhrschnellweg heißt die Band mit Seite im Netz, der Sound entspricht dem Schlager der Gegenwart und der Text bringt für das Ruhrgebiet allumfassend die Integrationskraft des Ruhrgebiets zusammen mit dem im Pott möglichen glücklichen Leben.
Auch wegen des beginnenden Straßenkarnevals erweiter ich heute meinen Heimatlied-Begriff und nehme noch zwei weitere Stücke der Band hinzu, die zwar nicht die Ruhrstadt selbst besingen, die sich dennoch geläufige Ruhrstadtthemen vornehmen. „Anne Bude“ heißt das erste Stück, mit dem Ruhrschnellweg Reggae-Rhythmen ins Repertoire aufgenommen haben und das einen einfachen Refrain zum Mitsingen bietet.
Und wenn bislang noch immer nicht klar war, dass Ruhrschnellweg in Köln Straßenfest-Engagementsgarantie hätte, noch das: „Frikadellen, Currywurst“.
Mein Eindruck von Ruhrschnellweg: Hätte der Pott mehr von Köln, gäbe es für die Band besagte Engagementsgarantie bei Straßenfesten und während der Session. Die innere Verwandtschaft zu den diversen Kölsch-Bands bekam ich gerade dann noch bestätigt, als ich mich zu den Videos auf der Seite von Ruhrschnellweg geklickt habe. 2009 waren die Band bei einer WDR-Karnevalssendung dabei.
Hinweise auf weitere online zu findende Ruhrstadt-Lieder nehme ich gern entgegen. Helft mit die Sammlung wachsen zu lassen.
11 Uhr 11! Zeit, um auch hier den diesjährigen Straßenkarneval zu eröffnen. Da ab nun mehr gesungen als geredet wird, heißt das zugleich, nicht viele Worte verlieren. Ich hoffe, ihr habt eure Kostümierung für alle kommenden Karnevalstage schon zusammengesucht. In Sachen Fußball sind nämlich nur noch die fußballorientierten Verlegenheitskostüme eine Wahl. Ich hoffe für euch, ihr wählt dann die Trikots mit den Streifen, die ich auch am Samstag sehen werde.
Wer aber als Mann seine Attraktivität mit der Aura des Fußballs aufpeppen möchte und auf die Karnevalsausstatter setzt, kommt zu spät. Ausverkauft! Sowohl die Fußballer-Perücke David als auch die Herrenmaske Fußballer. Grämt euch nicht. Ohne begleitenden Ball am Fuß sind die Käufer ohnehin nicht unbedingt als Fußballer zu erkennen. Heino, eine namenlose Comicfigur, ihr hättet die Narren zum Rätseln gebracht. Halt! Ich denke gerade, vielleicht ist das ja gerade gewollt, und es handelt sich um Kostüme für die intellektuelle Gemeinde unter den Narren. Sehr sophisticated. Passiert ja schließlich auch oft, dass man nicht so genau weiß, ob einer auf dem Spielfeld tatsächlich so ein Fußballer ist, wie es Spielerberater und Scouts behauptet haben.
Nun aber, ab zum Singen und Schunkeln. Alaaf rübergerufen zum anderen, talwärts gelegenen Viertel meiner Heimatstadt und mit dem Rheinlandmädel Willi Ostermanns für heute vor allem an jene rheinländische Geschichte Duisburgs erinnert.
Einmal Prinz zu sein, gehörte bislang weder in Duisburg noch in Köln zu meinen vorrangigen Lebenszielen. Aber wer weiß, welche Zufälle mir noch begegnen? Deshalb habe ich mir nach dem Spiel des MSV Duisburg gegen Rot-Weiß Erfurt erstmal die Kontaktdaten von Prinz Gutti I. rausgesucht und gut beiseite gelegt. Jedem anderen mit Ambitionen zur Narrenregentschaft in Duisburg sei dasselbe empfohlen, um die Pflichtaufgabe des Stadionbesuchs beim Erfahrungsaustausch mit dem diesjährigen Prinzen gut vorzubereiten. Denn es war Prinz Gutti I., der den Fluch des Regentenbesuchs gebannt hat, mehr noch, er wurde zum Glücksbringer. Denn auch wenn der MSV Duisburg viel für den 3:2-Sieg gegen Rot-Weiß Erfurt getan hat, und „unverdient“ in dem Fall keine Standardkommentar-Karriere machen wird, einiges Glück war dennoch unbedingt notwendige Zutat zur Leistung aller Spieler im Zebra-Trikot.
Eigentlich ging das Spiel des MSV Duisburg in den ersten zwanzig Minuten gut an. Trotz der erwarteten kompakten Erfurter Defensive ergaben sich für die Zebras Chancen. Vor allem fand das Spiel fast auschließlich in der Gäste-Hälfte statt. Kevin Wolze schoss nach wenigen Sekunden Spielzeit knapp am Tor vorbei, Tanju Öztürk kam etwas später zum Kopfball und zielte dafür auch etwas weiter daneben. Der Mannschaft gelangen Kombinationen auf engem Raum rund um den Strafraum. Die Hoffnung auf weitere Torchancen hatte durchaus Berechtigung.
Doch bei der Spielvorbereitung muss sich das Trainerteam der Erfurter über eine entscheidende Schwachstelle im Spiel der Zebras intensiv Gedanken gemacht haben. Der MSV braucht bei ruhenden Bällen oft recht lange, um wieder spielbereit zu sein. Eine Mannschaft, die den Ausball schnell einwirft oder den Freistoß im Halbfeld ohne Zögern ausführt, kann sich einige mühselige Angriffsarbeit zur Raumöffnung sparen. Erfurt war die erste Mannschaft, die das konsequent ausnutzte. Die großen Erfurter Chancen der ersten Halbzeit sowie das Führungstor ergaben sich aus schnell ausgeführten Spielaktionen nach Schiedsrichterentscheidungen für die Gäste.
So machten sich die Zebras einmal mehr das Leben selbst schwer. Die Erfurter warteten in der 24. Minute einfach nicht mit dem Einwurf, bis sich alle beim MSV auf die kommende Defensivarbeit gedanklich eingestellt hatten. Der Weg zum Tor von Michael Ratajczak war frei, und schon trudelte der Ball nach einem Lupfer Richtung Torlinie. Kurz keimte Hoffnung auf, der zur Torlinie kommende Christian Eichner könne den Ball noch wegschlagen. Gleichzeitig gab es diesen heransprintende Erfurter Spieler. Hoffen und Bangen! Die Zeit stand still, damit die ersehnte Rettungstat geschähe. Nur keinen Querschläger! Doch das Rettende blieb fern, Christian Eichner wartete. Worauf, war nicht zu erkennen. So rannte der Erfurter Patrick Göbel kurzerhand mitsamt dem Ball ins Tor am wartenden Eichner vorbei. Ein Schock, der die Zebras völlig aus der Fassung brachte. Es dauerte Minuten, ehe sich die Spieler wieder stabilisierten. Zu unserer großen Erleichterung gelang es den Erfurtern in dieser Zeit nicht, ein weiteres Tor nachzulegen. Zwar entfalteten sie weiterhin Druck, doch dauerhaft präzise im Abschluss waren die Gäste dann doch nicht.
Nachdem im Spiel des MSV zumindest wieder Ansätze von Ordnung zu sehen waren, gelangen auch wieder vereinzelte Angriffsaktionen. Einer dieser Angriffe endete in der 36. Minute mit einem Freistoß zentral vor dem Tor in aussichtsreicher Entfernung. Branimir Bajic lief an und schoss, wie man besser nicht schießen kann, zum Ausgleich ins Tor. Zwingend war ein Tor für den MSV in dieser Spielphase nicht. Was natürlich niemanden bei uns davon abhielt, darauf zu hoffen, die Sicherheit der ersten Spielminuten könnte zurückkehren. Zunächst musste Michael Ratajczak aber mit einem grandiosen Reflex den erneuten Rückstand verhindern, dann erst entfaltete sich nach der Halbzeitpause eine Ahnung vom möglichen Sieg, ohne dass die Zebras noch einmal so spielbestimmend wie zu Beginn werden konnten.
Mit dem Doppelwechsel, Gerrit Wegkamp und Athanasios Tsourakis für Patrick Zoundi und Deniz Aycicek, wurde die Offensivkraft verstärkt und zugleich das Risiko in der Defensive erhöht. Deniz Aycicek hatte bis dahin solide gespielt, etwas unauffälliger als gegen Leipzig, Patrick Zoundi war gut gewesen, hatte sich viele Bälle erlaufen und oft für Unruhe in der Erfurter Defensive gesorgt. Viel Spielzeit wurde ohnehin nicht im Mittelfeld verbracht. Dort ging es auf beiden Seiten fast das ganze Spiel mit steilen Pässen schnell vorne. Die Alternative dazu waren halbhohe Bälle steil nach vorne. Gerrit Wegkamp versprach mehr Wucht vor dem Tor. Der Mann gefällt mir. Schnörkellos spielend weiß er jederzeit, wie es Richtung gegnerisches Tor geht. In der Nähe des Strafraums zieht ihn das Tor magnetisch an, ohne dass er den Blick für die Mitspieler verliert. So eine Dynamik bei gleichzeitigem Torinstinkt sowie Auge für die Mitspieler hat es beim MSV lange nicht mehr gegeben.
Spielentscheidend war dann der große Auftritt von Prinz Gutti I. von der 66. bis 67. Minute. Er machte unmissverständlich klar, statt des Niederlagenfluchs hatte er Siegesglück mitgebracht. Defensive und Offensive verstärkte sein mitgebrachtes Glück gleichermaßen. Zunächst lenkte es einen freien Schuss der Erfurter nach großem Strafraumdurcheinander an die Latte. Anschließend machte es sich sofort in der Offensive nach einem Freistoß nützlich. Der hoch herein geschlagene Ball tropfte vom Körper eines stehenden Erfurters zum Führungstreffer ins Tor. Verständlich, dass kein MSV-Spieler nach der langen Prinzenbesuchniederlagenserie an so ein Prinzenglück glauben konnte und stattdessen allesamt Kingsley Onuegbu zum Tor gratulieren wollten.
Gefährlich wurde es danach für den MSV Duisburg erstmal nicht. Im Gegenteil, Prinz Gutti I. wollte die Nerven der MSV-Fans beruhigen. Weil Athanasios Tsourakis mit einem seiner Haken-Dribblings sowie dem passablem anschließenden Schuss gute Vorarbeit leistete, brauchte er dieses Mal nur ein Quentchen Glück hinzufügen und schon hob sich das Bein eines Erfurter Abwehrspielers in die Schußbahn, um den Ball für den Torwart unerreichbar abzulenken. 3:1!
Wir gebrannten Duisburger Kinder wussten, so eine Zwei-Tore-Führung verspielen Zebras gerne auch mal kurz vor Abpfiff. Zwar kamen die Erfurter kaum mehr zu kontinuierlichen Angriffen, dennoch überraschte deshalb das zweite Tor der Gäste nach einem Freistoß in der Nachspielzeit wenig. Das kennen wir, so lieben wir unseren MSV Duisburg. Und wenn wir ehrlich sind, schützt so ein spätes Gegentor vor drohender Samstagnachmittagslangweile ohne die Gefahr einer grundsätzlich verdorbenen Laune. Zumal Markus Bollmann anschließend ein breites Repertoire als Eckenherausspieler zeigte. Er nutzte sowohl das gefühlvolle Anspielen der Beine des Gegners als auch den an brachiale Befreiungsschläge erinnernden Schuss aus ein bis zwei Meter Entfernung, der dennoch den Erfurter Spieler berührte, ohne ihn schwerer zu verletzen. Das reichte für den Zeitvertreib bis zum Schlusspfiff.
Gut, es war Karnevalssamstag, aber es hätte genügt, wenn sich um diesen Karneval, wie auf den Fotos zu sehen, nur wir paar Zuschauer gekümmert hätten. Stattdessen lässt sich auch die Mannschaft dazu hinreißen, ein wenig Karnevalstimmung im Spiel gegen den TSV 1860 München zu verbreiten. Da wirken die Spieler fast eine ganze Halbzeit lang wie eine hoffnungsfrohe Unentschieden-Elf, nur um kurz vor der Halbzeitpause daran zu erinnern, es könnte auch alles nur ein Karnevalsspaß sein. Man weiß in dieser Zeit des Straßenkarnevals eben oft nicht, was ist nur Verkleidung und was gehört zum wirklichen Leben. Bei Ranisav Jovanović muss man sich darum im Moment keine Gedanken machen. Er hat sich für dieses Spiel gar nicht erst verkleidet, er ist der Stürmer, der zu sehen ist. Durchsetzungsstark, lauffreudig und dieses Mal mit einer sehr gelungenen Einzelleistung auch Schütze des Führungstreffers vom MSV Duisburg.
Die Spieler legten sich ja in dem Moment sogar für ein paar Minuten ein Superheldensiegercape an, und mir haben sie wirklich gut gefallen, wenn auch für die Defensivabteilung der Zebras das Cape von Anfang an einige Zentimeter zu lang war. Bei den Angriffen des TSV 1860 München war jedenfalls sofort das Kostüm als Kostüm zu erkennen. Benjamin Kern hatte auf seiner Seite einen sehr schlechten Tag. Andreas Ibertsberger passte das Unentschiedenkostüm allerdings schon mal wie angegossen. Er machte einen guten Eindruck. Er wirkte ruhig und sachlich, spielte bis auf seinen Fehlpass in der zweiten Halbzeit solide und war sehr präsent. Gerade seine souveräne Ausstrahlung hilft der Defensive der Zebras weiter, zumal auch die Innenverteidigung zunächst für das Unentschieden gut genug schien.
Meine Zweifel wuchsen allerdings, als sich ausgerechnet Daniel Brosinski in seinem Elfmeterschützenkostüm tatsächlich auch als Elfmeterschütze fühlte. Da glich er all jenen Piraten und Cowboys, die mit ihrer alkoholgedopten Männlichkeit glauben, das weibliche Begehren konzentriere sich für den Rest des Lebens rund um sie. Aber der Alltag ist nah. Die gerade noch wild tanzende Meerjungfrau verschwindet von jetzt auf gleich zu zweijährigem Kind sowie Ehemann, und Daniel Brosinski bleibt der nur manchmal zielsichere Torschütze, selbst wenn er alleine am Elfmeterpunkt frei vor dem Tor steht. Die erneute Chance zur Führung war vergeben. Und dann zerfetzt in der Nachspielzeit dieser ersten Halbzeit der Alltag sogar so richtig das Unentschiedenkostüm.
Das hinterlässt das schale Gefühl, der TSV 1860 München war die bessere Mannschaft und dennoch gab es gute Gründe an den Erfolg des MSV Duisburg zu glauben. Die Münchner kombinierten sicherer, hatten etwa mit Daniel Halfa einen technisch sehr starken Einzelspieler, der, einmal am Ball, kaum zu stoppen war. Frei- und Eckstöße bargen jedes Mal Torgefahr. Und dennoch waren diese Chancen nicht zwingend, dennoch war der MSV Duisburg gut im Spiel. Selbst in der zweiten Halbzeit, als die Zebras die weiter zurück gezogenen Münchner kaum mehr aus ihrem Defensivverband herauslocken konnten, gab es dann doch die eine Riesenchance auf den Ausgleich. Gabor Kiraly wehrte den Torschuss aus kurzer Distanz von Sascha Dum ab. Und es ist bezeichnend, dass im direkten Gegenzug das dritte Tor der Münchner fiel. Alle schon gesehenen Fehler der Zebras in diesem Spiel kamen dabei zusammen. Beim Umschalten war die Mannschaft einen Tick zu langsam. Das machte sich schon vorher in der Defensive immer wieder bemerkbar. Die Spieler empfinden Spielsituationen oft einen Moment zu früh als beendet. Es war schon in Dresden abzusehen, dass eine bessere Mannschaft als die Dresdner, „zweite Bälle“ besser nutzen könnte. Hinzu kam ein Roland Müller, der auch nicht seinen besten Tag hatte und bei diesem Konter die eigene Schnelligkeit beim Herauslaufen über- und die des gegnerischen Stürmers unterschätzte. So machte er unnötigerweise das Tor frei für den Schuss von Moritz Stoppelkamp.
Die Unentschieden-Elf war also am Karnevalssamstag nicht mehr als ein schönes Kostüm der Mannschaft des MSV Duisburg. Aber wir Karnevalsjecken wissen auch, oft steckt in einem Kostüm mehr alltäglicher Mensch als im ersten Moment erkennbar ist. Manchmal ist es nicht das ganz Andere, das in der Verkleidung gesucht wird, sondern nur die ideale Vorstellung von einem selbst. Und so bleibt die Hoffnung, der MSV Duisburg ist auf einem guten Weg. Der Trainer des TSV 1860 München, Alexander Schmidt, ließ sich nach dem gemeinsamen Kostümball jedenfalls zu dem charmanten Kompliment hinreißen, die Mannschaft sei der erwartet schwere Gegner gewesen und es sei kein Vergleich zur Vorrunde, wie gut sie inzwischen spiele. Kosta Runjaic hat es sich gelassen angehört.
Hier also die Pressekonferenz nach dem Spiel, samt Standard-O-Tönen von Jürgen Gjasula, Andreas Ibertsberger, Ranisav Jovanović und Julian Koch.
Die meisten Fußballer außerhalb Kölns übersehen noch immer den Karneval als Zukunftsperspektive am Ende ihrer Karriere. Sie unterschätzen das tiefe Loch, in das sie fallen, wenn nicht mehr der Wechsel von Training und Spieltag ihr Leben bestimmt. Haltlos, ohne vorgegebene Zeitabläufe kehren sie dann immer wieder heimlich an die Fußballfelder dieser Welt zurück. Ohne sinnvolle Aufgabe. Ohne erkannt zu werden. Ein trostloses Leben. Würden sie sich früher mit dieser unweigerlich kommenden Phase ihres Lebens auseinandersetzen, so könnten sie frühzeitig das ritualhafte Potential des Karnevals als Ersatz für die fehlenden Fußballrituale erkennen. Erste Praktika im Sitzungskarneval böten sich an. Der 1. FC Köln erweist sich hier schon lange als vorbildhaft, indem der Verein die eigenen Spieler zur Teilnahme an der sogenannten FC-Sitzung verpflichtet und er damit sogar den Fußballspielern aus den Entwicklungsländern des Brauchtums die Perspektive einer sinnvollen Zukunft aufzeigt.
So überrascht es nicht, dass auf der Liste der „Fußballer, die einmal Karnevalsprinz waren“ ausschließlich ehemalige Fußballer des 1. FC Köln stehen. Wolfgang Overath war der erste ehemalige Spieler des Vereins, der schon 1985 diese einmalige Chance im Karneval nach dem Ende seiner aktiven Zeit ergriff. Schon damals zeichnete ihn jene Bescheidenheit aus, die Jahre später das große Drängen des hoffnungsfrohen FC-Fanvolks nötig machte, um ihn die Präsidentschaft beim 1. FC Köln übernehmen zu lassen. Auch in Siegburg wurde er laut Spiegel-Archiv nur zum Prinzen, weil ihn Freunde dazu gedrängt haben. Beim Siegburger Karnevalskomitee findet sich mit einem Klick weiter auch noch der Orden, den Prinz Wolfgang I. seinerzeit ausgab. Wer Interesse hat am Ornat, in dem Wolfgang Overath damals vor die Jecken trat, findet bei Kamelle.de ein Foto. Von ihm selbst habe ich auf die Schnelle keine fotografischen Belege jener Zeit gefunden, ebenso wenig wie ich weitere Fußballer entdeckte, die ihrem inaktiven Leben mit dem Karneval einen neuen Sinn hatten geben wollen.
Klaus Toppmöller kam mir da als heimatverbundener Mensch in den Sinn. Aber belastbare Belege werden allenfalls beim Gang in „Das Zentralarchiv der Deutschen Fastnacht“ zu finden sein. Vielleicht auch noch der eine endgültige Overath-Beweis. lch gebe zu, die Liste ehemaliger Fußballer, die Karnevalsprinzen wurden, ist eine noch sehr kurze Liste. Da wäre also Arbeit an der Schnittstelle von Fußball- und Karnevalshistorie für ein paar Nachwuchswissenschaftler. Unsereins hat ja noch was anderes zu tun an diesem Wochenende. Karneval feiern und Fußball schauen etwa. Wir sehen uns in Köln und Duisburg. Ich werde dann auch darauf achten, die eine Lebensphase nicht mit der anderen zu mischen. Aber warum eigentlich? so ein paar sich bützende Zebras nach ausgelassener Freude über ein Siegtor gegen München kurz vor Schluss? Könnte im Karneval schon mal passieren, etwas Verwirrung bei dem, wer mit wem und was, wo wie irgendwohin hingehört. Ist nicht weiter schlimm.
Veilchendienstag, Rosenmontag, Tulpensonntag, Nelkensamstag. Und der Freitag? Dieser bedauerliche Tag zwischen Weiberfastnacht und dem blumigen Rest hat keinen besonderen Namen. Was soll so ein Freitag denn nun nur machen? Erst wusste er nicht so recht, ob er fürs Karnevalfeiern geeignet ist, dann strengt er sich seit einiger Zeit an, um zu den tollen Tagen dazu zu gehören und gibt seine Zeit, damit die Menschen in Kneipen feiern können. Den besonderen Namen als Lohn bekommt er aber nicht.
Da geht es dem Freitag nicht anders als dem MSV Duisburg in der Zweiten Liga am selben Tag. Die Mannschaft des MSV wusste im Spiel gegen den FC St. Pauli erst einmal auch nicht so recht, was sie machen sollte. Eine Halbzeit lang wurde da hin und her überlegt, während das Spiel schon lief und die Spieler ja irgendwie auch dabei sein mussten. So bemühten sich die Spieler mit der Geschwindigkeit der Mannschaft aus Hamburg Schritt zu halten, auch wenn sie den Eindruck machten, als hätten sie gehörigen Respekt vor dieser Geschwindigkeit des gegnerischen Umschaltens zwischen Verteidigung und Angriff.
Dabei hätten sie mit ein wenig Ruhe erkennen können, gerade die eigene Langsamkeit in den Versuchen den Ball nach vorne zu bringen, erleichterte diese Geschwindigkeit. Sie hätten vielleicht auch noch gesehen, viel mehr als diese Geschwindigkeit war da nicht. Am Ende war der FC St. Pauli für sich selbst zu schnell in seinen Angriffsbemühungen. Vor dem Tor des MSV Duisburg liefen sie nämlich alle ganz schnell am Ball vorbei. Da brauchte es schon mehr Ruhe im Spiel des FC St. Pauli, um das eine entscheidende Tor zu erzielen. Der FC St. Pauli nutzte die absolute Bewegungslosigkeit eines ruhenden Balles zur gezielten Flanke in den Strafraum. In dieser ersten Halbzeit konnten wir also nicht einen Moment auf Gegenwehr und Ausgleich hoffen. Einmal mehr sah das Bemühen der Mannschaft hilflos aus.
Das Publikum zeigte sich in Teilen aber ebenso hilflos wie die Mannschaft in dieser ersten Halbzeit. Halbherzig machte sich da die Verzweifelung über das erfolglose Spiel im „Wir wollen euch kämpfen sehen“ Luft. Das wurde mehrmals angestimmt, ohne große Resonanz, aber für Momente halblbaut genug. Dieses „Wir wollen euch kämpfen sehen“ war der Emil-Jula-Sprint des Fangesangs, die Daniel-Brosinski-Flanke und die Bajic-oder-Soares-Spieleröffnung, allesamt bemühten sie sich, und die Erfolglosigkeit dieser Bemühungen war voraussehbar.
Mangelnden Einsatz kann man den Spielern vom MSV Duisburg wirklich nicht vorwerfen. Sie kämpfen, sie versuchen sich einzusetzen. Das Problem der ersten Halbzeit war nur, dass sie nicht so recht wussten, wie sehr sie ihren spielerischen Möglichkeiten vertrauen konnten. Das Problem der zweiten Halbzeit dagegen war erneut der harmlose Sturm. In dieser zweiten Halbzeit kam das Spiel der Mannschaft endlich ins Laufen. Endlich zeigte auch der MSV schnellere Spielzüge, endlich bewegte sich die Mannschaft nicht nur auf geraden Bahnen in der gegnerischen Hälfte. Es wurde gekreuzt, auch auf kurzen Strecken steil gegangen und der aufgenommene lange Ball wurde per Doppelpass verwertet. Der Abschluss war einmal mehr nicht vorhanden. In so einem Spiel fällt ein Ausgleich dann mehr zufällig. Ich bleibe dabei, es gibt keine Wahrscheinlichkeit der Voraussage, wie diese Mannschaft spielt. Alles ist möglich.
Entscheidende Positionen im Spiel besetzen Spieler, die sich ihrer Fähigkeiten zu unsicher sind. Sie brauchen den Lauf des Spiels. Baut der sich auf, wird alles gut. Gibt es den nicht, lastet die Gefahr der Niederlage immer schwerer auf deren Schultern. Es ist mehr als ein billiger Scherz, sich Gedanken über die Frisur von Daniel Brosinski zu machen. Das hat sehr viel mit der Psyche eines Menschen zu tun. Wir kennen die Geschichten von der anderen Frisur, mit der Menschen Wendepunkte ihres Lebens äußerlich unterstreichen. Ohne Haare war Daniel Brosinski ein selbstsicherer Fußballspieler. Das ist nur ein Hinweis, was alles zu den instabilen Leistungen dieser Mannschaft beiträgt.
Der Sieg des MSV Duisburg gegen den FC Energie Cottbus wirkt sich jetzt schon auf die Popularität des Vereins aus. Vorgestern führte eine Google-Suche auf diese Seite hier. Und was wurde zum Karnevalsauftakt Weiberfastnacht gesucht? „Karnevalsverkleidung MSV-Fan“, hieß die Suche. Ich stelle mir vor, ein Fußballneuling brauchte da ein Last-Minute-Kostüm und war begeistert von dem Finaleinzug des MSV Duisburg. Anscheinend war er noch nie in einem Stadion oder hatte Fußballfans von nahem gesehen. Anders kann ich mir diese Suchanfrage nicht erklären.
Ich meine, jeder halbwegs Fußballinteressierte, von MSV-Zuschauern ganz zu schweigen, weiß, was er anziehen muss, um wie ein MSV-Fan auszusehen. So unterschiedlich zu anderen Sportvereinen ist das ja nicht. Auch der MSV-Fan zieht als Minimalausstattung gewöhnlich ein Trikot seines Vereins an, trägt vor allem im Winter irgendwelche Kopfbedeckungen mit Vereinswappen oder Vereinsnamensaufdrucken und schmückt unabhängig von den Außentemperaturen Hals oder Arm mit einem Schal. Wenn einer das noch nie gesehen hat, versucht er sich also etwa mit Google ein Bild zu machen?
Vielleicht ist diese Google-Suche nun auch ein Zeichen dafür, dass der MSV Duisburg dabei ist, der FC St. Pauli der Karnevalssession 2010/2011 zu werden. In der letzten Session, zu Zeiten des möglichen Aufstiegs vom FC St. Pauli in die Erste Liga, war im Kölner Karneval ein gern genommenes Ganzkörper-Verlegenheitskostüm für die Generation Mitte 20 bis Mitte 30 das braune T-Shirt mit Pauli-Emblem, ein Cap und ein Schal um den Arm gebunden oder um den Hals gelegt. Bei der Hose bestand die freie Wahl. Das Ensemble sollte den zum Feiern bereiten Menschen ohne Zweifel in einen Fan des FC St. Pauli verwandeln. Ob ihn das zu einem Jecken machte, vermag ich nicht zu beurteilen. Mit meiner oberflächlichen Wahrnehmung konnte ich aber den deutlichen Männerüberschuss in diesem So-tun-als-ob-ich-verkleidet-bin-Kostüm erkennen. Wahrscheinlich bereiten sich Frauen einfach frühzeitig auf den Karneval vor und brauchen insofern nicht so häufig wie die Männer eine Notlösung für das Ausgehen. „Männer ins Stadion“ und „Frauen an den Herd“ als Wiederbelebung der 50er Jahre vermute ich da beim FC St. Pauli trotz allen dort vorhandenen Wertkonservatismus nicht.
Jeder der mich direkt nach der Karnevalsverkleidung MSV-Fan fragte, erhielte ohnehin eine ganz andere Antwort von mir. Ich würde nämlich zurückfragen, bist du etwa wirklich ein MSV-Fan? Jeden, der das bejahte, wiese ich dann auf die Bedeutung eines Karnevalkostüms hin. Kostümiert sein heißt doch verkleidet sein. Man wird mit dem Kostüm ein anderer. Im normalen Leben ist dieses andere versteckt oder ist eine Lebensmöglichkeit geblieben. Wer also mit vollem Herzen einen Fußballverein unterstützt und seine Fan-Ausstattung zum So-tun-als-ob-ich-verkleidet-bin-Kostüm macht, wird dem Karneval nicht gerecht und auch sich selbst nicht. Denn diese Fan-Ausstattung gehört ja zu diesem normalen, wahren Leben.
Ich würde deshalb jedem zeigefreudigen Anhänger irgendeines Fußballvereins raten, verwandel dich doch mit deinem Kostüm. Werde Fan-Fahne. Wähle die Oberbekleidung in der einen Vereinsfarbe, in der anderen Farbe werden Hose, Socken und Schuhe gewählt. An den Körper wird ein Besenstiel gebunden so, dass er über den Kopf herausragt, und schon ist das Kostüm fertig. Dieses minimalistische Kostüm bietet zudem jederzeit Anknüpfungspunkte für Gespräche, um sowohl Karnevalsbekanntschaften näher kennenzulernen als auch den EM-ES-VAU auf sympathische Weise noch populärer zu machen. In dem Sinne: Duisburg helau! Kölle alaaf!
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