Posts Tagged 'Klaus Wunder'

Klaus Wunder – NRZ am 19. August 1972

Die letzte Seite der NRZ füllt fast an jedem Tag die Titelseite der Ausgabe vor 50 Jahren, manchmal sind es auch nur 40 oder 30 Jahre. Über die Olympischen Spiele wurde 1972 Ende August nahezu täglich auf der Titelseite berichtet. Die Eröffnungsfeier fand am 26. August statt.

Am 19. August gab es im Sportteil anscheinend einen Artikel über die Deutsche Nationalmannschaft der Amateure. Mit dem Verweis auf die Olympia-Teilnehmer des MSV Duisburg wurde der Artikel angekündigt.

Tina Halberschmidt und ich als Martin Wedau haben in unserem Buch „MSV Duisburg. Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ auch an diese MSV-Spieler der Olympischen Spiele 1972 erinnert. Hier eine Besprechung bei der Rundschau Duisburg. Als kleines Schmankler vor dem Spiel gegen Meppen kriegt ihr heute besagten Text aus dem Buch.

Tina Halberschmidt und Martin Wedau
MSV Duisburg. Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten
Klartext Verlag, Essen 2021
ISBN: ‎ 978-3837523959
€ 16,95

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Fundstück: Klaus Wunders Aufgabe bei Bayern München

Für den Abschiedstext am Samstag über Arjen Robben und Frank Ribery in der Süddeutschen Zeitung hat Christof Kneer ein Interview mit Gerd Müller aus dem Archiv hervorgeholt. Die Interview-Reminiszenz sollte verdeutlichen, wie sehr sich das Bayern-Flügelspiel der Gegenwart mit Robben und Ribery vom immer während erfolgreichen Bayern-Spiel der Vergangenheit über die Sturmmitte unterschied.

Nach den Worten von Gerd Müller wurde Klaus Wunder vom MSV Duisburg nur deshalb gekauft, um die Spannung unter den etablierten Spielern hoch zu halten. So wie Gerd Müller es erzählte, gab es für Klaus Wunder nie eine wirkliche Chance, um sich bei den Bayern durchzusetzen. Es gab keine Absicht, die übliche Bayern-Taktik zu verändern. Klaus Wunder musste nur im Kader vorhanden sein, um ein Drohszenario zu inszenieren.

Natürlich ist diese Erinnerung nicht mehr als eine Anekdote. Die endgültige Wahrheit dieser Verpflichtung gibt es nicht. Wahrscheinlich hätte Robert Schwan was ganz anderes erzählt, geschweige denn der Trainer. Dennoch bestätigt die Anekdote in dieser Perspektive von Gerd Müller ein Muster bei Spielerverpflichtungen durch den FC Bayern München. Der Verein verpflichtet neue Spieler oft eben in dem Luxus, sie nicht unbedingt wegen ihres direkten Nutzens als aktiver Part der spielenden Elf. Oft gibt es andere Motive, für die sich die abgebenden Vereine und die Spieler hoch bezahlen lassen.

 

Ich weiß noch, wie zwiespältig ich als Kind diese Verpflichtung von Klaus Wunder durch den FC Bayern erlebt habe. Zum einen war mir als Zwölfjähriger bewusst, dass durch den Weggang von Klaus Wunder die spielerische Qualität der Mannschaft des MSV leiden könnte. Zudem war der Abschied selbst eine besondere Nachricht, die meine Stimmung drückte. Man muss sich vergegenwärtigen, ständige Wechsel von bedeutenden Spielern einer Mannschaft waren in diesen frühen 1970er Jahre nicht die Regel. Man verabschiedete sich am Ende einer Saison nicht von unzähligen Spielern, die während der Saison Stammspieler waren. Man begrüßte nicht zu Beginn der Saison eine halbe Mannschaft neu. So eine Nachricht erhielt also eine besondere Bedeutung.

Zum anderen war es der erfolgreiche FC Bayern München, der tatsächlich einen Spieler des MSV Duisburg verpflichtete. In den 1960er Jahren war das schon einmal passiert, aber nicht in meiner bewussten Zeit mit dem MSV. Diese Bayern bezahlten mit knapp unter einer Millionen Mark für damalige Verhältnisse unfassbar viel Geld für Klaus Wunder. Auf den MSV und damit auf mich als Anhänger der Mannschaft strahlte das auszeichnend ab. Der MSV spielte für einen Moment eine besondere Rolle in Fußballdeutschland. Das wiederum war gut. Mein Stolz auf diesen Wechsel bedeutete aber auch für mich, Klaus Wunder musste in München in die Startelf. Nur dann hätte dieser Wechsel für mich einen Sinn gehabt. Das geschah nicht. Je weniger er spielte, desto mehr verlor sich auch mein Stolz auf die beim MSV gezeigte Leistung von Klaus Wunder. Was habe ich damals schon von verdeckten Motiven der Bayern gewusst.

Adventskalender meiner kurzen Nebensächlichkeiten – 8. Türchen

Der Sieg der DDR über den Klassenfeind BRD bei der Fußballweltmeisterschaft 1974 hatte eine Vorgeschichte zwei Jahre zuvor bei den Olympischen Spielen. Im Münchner Olympiastadion trafen die Oympiaauswahl der BRD und die der DDR am 8. September 1972 aufeinander. Der MSV-Stürmer Klaus Wunder spielte von Anpfiff an und erzielte sogar ein Tor, allerdings mit der Hand. Wenn der Schiedsrichter das nicht gesehen hätte, wäre sie von ihm womöglich die „Hand der freiheitlich-demokratischen Grundwerte“ genannt worden. Es geht ja immer um ein höheres Ziel bei Regelübertretungen, die ungeahndet bleiben, und die „Hand Gottes“ hilft im sportlichen Vergleich zweier politischer Systeme keinesfalls weiter. Doch der Schiedsrichter unterband solch eine mögliche DDR-Kritik mit seinem Pfiff. Mir kommt dieses eine Länderspiel wie ein überzeitliches Sinnbild für die Offensivkraft des MSV Duisburg vor. Für Klaus Wunder kam in der zweiten Halbzeit ab der 59. Minute der MSV-Stürmer Ronald Worm, und schließlich wechselte Trainer Jupp Derwall mit Rudi Seliger einen weiteren Offensivspieler des MSV für die letzte Viertelstunde ein. Doch anstatt das Siegtor zu erzielen musste die Mannschaft ein Gegentor hinnehmen. Durch die 3:2-Niederlage schied die Olympiaauswahl der BRD aus dem Turnier aus. Die DDR gewann später die Bronzemedaille.

 

BR Deutschland – DDR 2:3 (1:1)

BRD:

Hans-Jürgen Bradler – Heiner Baltes, Reiner Hollmann (75. Rudolf Seliger), Egon Schmitt, Friedhelm Haebermann, Hermann Bitz, Uli Hoeneß, Jürgen Kalb, Ottmar Hitzfeld, Bernd Nickel, Klaus Wunder (59. Ronald Worm)
Trainer: Jupp Derwall

DDR:

Jürgen Croy – Manfred Zapf – Bernd Bransch, Konrad Weise, Frank Ganzera – Jürgen Pommerenke, Wolfgang Seguin, Hans-Jürgen Kreische – Jürgen Sparwasser, Peter Ducke, Joachim Streich (70. Eberhard Vogel)
Trainer: Georg Buschner

Tore:
0:1 Jürgen Pommerenke (12.)
1:1 Uli Hoeneß (31.)
1:2 Joachim Streich (53.)
2:2 Ottmar Hitzfeld (68.)
2:3 Eberhard Vogel (82.)

Mit einem Klick geht es zur Seite von Detlev Mahnert, wo nebst weiteren einordnenden Worten auch ein paar Dokumente zum Spiel zu finden sind.

Der erste Sieg der DDR gegen die BRD – Olympische Spiele 1972

Kaum ließ vor ein paar Tagen Uli Hoeneß noch tief in die Widersprüche des Unterhaltungsbetriebs Fußball blicken, schon stoße ich auf einen Clip aus der guten goldenen Zeit des dilletierenden Amateurunterhaltungsbetriebs dieses Sports. Heute betrachtet Uli Hoeneß RB Leipzig als einen Segen für die Bundesliga und den Absturz von Traditionsklubs mit Sorge, gestern noch spielte er mit Fußballern dieser Traditionsvereine in der Olympiaauswahl der BRD. Heute vergisst Uli Hoeneß bei seinen Wertungen strukturelle Gründe des Unterhaltungsbetriebs Fußball für den Aufstieg des einen und den Niedergang der anderen. Gestern noch erzielte er gegen die Staat gewordene Systemkritik ein Tor.

Ich teile den Clip gerne mit euch, erinnert er doch an die gute alte Zeit mit den Bewegtbildern vom Spiel der Oympiaauswahl der BRD gegen die der DDR im Münchner Olympiastadion am 8. September 1972, bei dem auch drei Spieler des Traditionsvereins MSV Duisburg teilnahmen. Der MSV-Stürmer Klaus Wunder spielte von Anpfiff an und erzielte sogar ein Tor mit der Hand, die in diesem Fall vielleicht nicht die „Hand Gottes“ sondern die der „freiheitlich-demokratischen Grundwerte“ genannt worden wäre. Es geht ja immer um ein höheres Ziel bei Regelübertretungen, die ungeahndet bleiben. Doch der Schiedsrichter unterband solch eine mögliche DDR-Kritik mit seinem Pfiff.

Klaus Wunder spielte von 1971 bis 1974 beim MSV und brachte dem Verein bei seinem Wechsel zu Bayern München 1 Millionen D-Mark Ablösesumme in die Kasse. Meiner Erinnerung nach war das damals die erste Millionen die für einen wechselnden Spieler in der Bundesliga gezahlt wurde. Auch damals brauchte der Verein das Geld dringend. Wer es genauer weiß, gerne lese ich erläuternde Kommentare.

In der zweiten Halbzeit wurde ab der 59. Minute der MSV-Stürmer Ronald Worm für Klaus Wunder eingewechselt. Das Spiel gehörte zur zweiten Finalrunde. Um weiterzukommen hätte die BRD gewinnen müssen. Bis zur 68. Minute lag die Olympiaauswahl zurück. Dann erzielte Ottmar Hitzfeld den Ausgleich. Trainer war damals Jupp Derwall, und zum Ende des Spiels hin verstärkte er die Offensivkraft noch. Er wechselte Rudi Seliger für die letzte Viertelstunde ein. Doch statt das Siegtor zu erzielen musste die Mannschaft ein Gegentor hinnehmen. In den Bewegtbildern sehen wir von den MSV-Spielern nur Klaus Wunder in Aktion. Aber auch Uli Hoeneß ist sehenswert, erzielt er doch das sehr schöne Tor zum 1:1-Ausgleich. Weitergekommen ist die BRD dann eben nicht. Die Niederlage der BRD gegen die DDR zwei Jahre später bei der Fußballweltmeisterschaft 1974 hatte dann ja andere Folgen.

Mit einem Klick geht es zur Seite von Detlev Mahnert, wo nebst weiteren einordnenden Worten auch ein paar Dokumente zum Spiel zu finden sind.

 

 

BR Deutschland – DDR 2:3 (1:1)

BRD:

Hans-Jürgen Bradler – Heiner Baltes, Reiner Hollmann (75. Rudolf Seliger), Egon Schmitt, Friedhelm Haebermann, Hermann Bitz, Uli Hoeneß, Jürgen Kalb, Ottmar Hitzfeld, Bernd Nickel, Klaus Wunder (59. Ronald Worm)
Trainer: Jupp Derwall

DDR:

Jürgen Croy – Manfred Zapf – Bernd Bransch, Konrad Weise, Frank Ganzera – Jürgen Pommerenke, Wolfgang Seguin, Hans-Jürgen Kreische – Jürgen Sparwasser, Peter Ducke, Joachim Streich (70. Eberhard Vogel)
Trainer: Georg Buschner

Tore:
0:1 Jürgen Pommerenke (12.)
1:1 Uli Hoeneß (31.)
1:2 Joachim Streich (53.)
2:2 Ottmar Hitzfeld (68.)
2:3 Eberhard Vogel (82.)

Das Fangedächtnis des MSV Duisburg – Zu meiner Zeit. Teil 4: MSV-Fan sein, gestern und heute

Nach der Veröffentlichung von „111 Fussballorte im Ruhrgebiet, die man gesehen haben muss“ nahm Manfred „Manni“ Wiegandt, ein alter Meidericher, heute in den USA lebend, Kontakt mit mir auf. Wir besuchten dieselbe Schule. Auch wenn er ein paar Klassen über mir war, kamen wir in dem Mail-hin-und-her ins Erinnern. So fragte ich ihn, ob ich diese Erinnerungen zusammenfassen könnte. Tatsächlich waren die Mails dann nur der Anfang eines neuen, sehr umfangreichen Beitrags für das „Fan-Gedächtnis des MSV Duisburg“, den Manfred Wiegandt schrieb. Er ist so lang gewordne, dass ich ihn in mehreren Teilen veröffentliche.

Im heutigen letzten Teil der Erinnerungen von Manfred Wiegandt geht es um sein Erweckungserlebnis im Stadion und deren Folgen bis heute – trotz der inzwischen gewachsenen räumlichen Distanz zu Spielorten des Verein seiner und unserer  Zuneigung. Wir erinnern uns, im Folgenden ist zunächst die Bundesliga-Saison 1970/71 gemeint.

Zu meiner Zeit – Teil 4 –

von Manfred Wiegandt

Am letzten Spieltag der Saison dann beim Kopf-an-Kopf-Rennen um die Meisterschaft zwischen Borussia Mönchengladbach und Bayern München waren die Bayern im brechend vollen Wedau-Stadion zu Gast. Da waren weit mehr als 40.000 Zuschauer drin. Manche hingen in den Bäumen, um etwas sehen zu können. Dies war mein zweites MSV-Spiel, das ich im Stadion sah. Ich hatte ein Schülerticket zum Preis von 1 DM beim Kassierer in der Vereinsgaststätte Worm ergattert. Der MSV gewann 2:0 (zweimal Budde in der zweiten Halbzeit). Obwohl es für den MSV um nichts mehr ging, wurde der Platz damals zweimal von den Fans gestürmt, ohne dass die Bayern-Spieler sich in die Hose machten wie – angeblich – letztens die Herthaner. Borussia Mönchengladbach wurde Meister – verdientermaßen. Dieses Spiel begeisterte mich so, dass ich in der nächsten Saison alle Heimspiele des MSV sah und nur fünf Auswärtsspiele verpasste, darunter das im relativ nahe gelegenen Schalke. Zu den weiten Auswärtsspielen in Bremen, Frankfurt, Stuttgart und Braunschweig schwänzte ich damals sogar mit Wissen meiner Eltern gleich viermal in einem Schuljahr den samstäglichen Unterricht. Ich hatte mir das Würmli-Ticket bei der Bahn (Kinder aus kinderreichen Familien fuhren damals zum halben Preis), die Eintrittskarte und die obligatorische Bratwurst dadurch erspart, dass ich meiner Mutter im Haushalt half, wobei ich mir fürs Abwaschen zehn und fürs Einkaufen zwanzig Pfennig anschreiben konnte. Meine Mutter brauchte in dieser Zeit nie lange um Hilfe zu betteln. Beim ersten Heimspiel des MSV in der Saison 1971/72 gegen den BVB hoffte ich auf ein Unentschieden, weil mein Herz noch etwas an Dortmund hing. Beim Rückspiel in der Kampfbahn Rote Erde war ich dann ganz Meidericher und freute mich über den für lange Zeit einzigen Auswärtssieg der Zebras in Dortmund.

Obwohl ich mit Leib und Seele MSV-Fan war, besaß ich damals aber weder Schal noch Trikot und eigentlich überhaupt keine Fan-Utensilien. Von den bekloppten und betrunkenen Fans hielt ich mich, soweit es ging, fern. In Dortmund mussten wir uns gegenüber den berüchtigten Borussen-Fans auf dem Weg zum Stadion als BVB’ler verstellen, weil wir Angst hatten, verhauen zu werden. Gegen Schalke musste mein kleiner Bruder sogar einmal im eigenen Stadion die Fahne einrollen, weil die Schalker Hooligans über die Zäune in den Duisburger Fanbereich kamen, als deren Niederlage fest stand. Im Wedau-Stadion hatte ich meinen Stammplatz auf halber Höhe auf der Geraden neben dem Marathontor auf der Nordkurvenseite, der Fan-Kurve. Es kamen immer die gleichen Leute; man kannte sich. Meist kam man eine Stunde vor Spielbeginn. Wenn Bayern, Schalke oder Gladbach gastierten, auch mal bis zu zwei Stunden vor Anpfiff. Die Jugendkarten (2 Mark) gab es nicht im Vorverkauf und man musste oft früh genug an der Stadionkasse sein, um sie rechtzeitig zu bekommen. In der Saison 1971/72 gab es bei jedem Heimspiel ein Preisausschreiben in der Stadionzeitung, bei dem Haupttribünenkarten zu gewinnen waren. Ich habe in der Saison gleich dreimal gewonnen und dann auch meinen kleinen Bruder mit auf die Tribüne nehmen können, die bei den meisten Spielen nicht komplett gefüllt war. Ich habe ihn auch mit zu den West-Auswärtsspielen genommen, z. B. nach Oberhausen oder Bochum, wo das Spiel fast wegen Dunkelheit abgebrochen werden musste, was wir erhofften, nachdem Klaus „Caesar“ Wunder vom Platz gestellt worden war. Auf der Zugrückreise von Mönchengladbach (0:3) blieb mein Bruder nicht immer an meiner Seite. Als er zu mir zurück kam, berichtete er, dass die Fans Sitze aus dem Fenster würfen. Danach bekamen MSV-Fans für längere Zeit keine vergünstigten Bahnkarten mehr.

Ich hatte eine Cousine in meinem Alter, die in Hattingen wohnte und sich immer freute, wenn ihre drei Cousins zu Besuch kamen. Dann hatte sie endlich geeignete Partner zum Bolzen. Sie hatte nur einen Fehler; sie war Bayern-Fan. Einmal luden wir sie nach Duisburg ein, als Bayern bei uns gastierte. Es war eines der ersten großen Bundesligaspiele des damals erst 17-jährigen Ronnie Worm. Die Zebras wuchsen mal wieder, wie so oft gegen Bayern, über sich hinaus und gewannen 3:0. Alle Treffer fielen in den letzten zwanzig Minuten. Worm erzielte zwei Tore; beim zweiten nahm er den Ball am Strafraum mit der Hacke, hob ihn über einen gewissen Weltklassespieler namens Beckenbauer hinweg und schoss volley gegen den machtlosen Weltklassetorwart Maier zum 3:0-Endstand ein. Mein Lieblingsspieler beim MSV und mein großes Vorbild war indes Bernard Dietz, zumal ich selbst meist Außenverteidiger spielte. Das größte Spiel war natürlich der 6:3-Sieg unter Flutlicht gegen die Bayern, bei dem Dietz vier Tore – sein Gegenspieler ein gewisser Rummenigge – schoss (kicker-Schlagzeile: „MSV Dietzburg gegen Bayern München 6:3“). Auf Ennatz war stets Verlass. Nur einmal habe ich miterlebt, wie er trotz aller Anstrengungen regelrecht an die Wand gespielt wurde. In der Saison 1977/78 kam der hoch gelobte englische Star Kevin Keegan zum HSV und musste sich im ersten Saisonspiel beim MSV von Ennatz den Schneid abkaufen lassen. Beim Rückspiel im Januar – ich war zu der Zeit beim Bund in Schleswig-Holstein und konnte so das Spiel im Volkspark-Stadion besuchen – war es dann aber genau umgekehrt und Keegan spielte Bernhard Dietz regelrecht schwindelig. Irgendwie beeindruckt war ich auch von Eisenfuß Detlef Pirsig, der immer mit herunter gekrempelten Stutzen spielte, aber beinhart zur Sache ging. Ich habe die herunter gekrempelten Stutzen und sein Reingrätschen dann beim Bolzen kopiert; anders als Detlef war ich aber immer fair. Meist foulte Pirsig nämlich seinen Gegenspieler, den Mittelstürmer, in einem der ersten Duelle des Spiels so hart, dass dieser nachher vor Angst nichts mehr auf die Reihe brachte. Er kassierte fast in jedem Spiel eine gelbe Karte. Da es aber noch keine Sperre nach fünf Gelben gab, konnte er sein Unwesen von Spiel zu Spiel weiter treiben. In einem Spiel – so erinnere ich mich – foulte er gleich zwei durchgebrochene Spieler auf einmal, einen mit den Füßen, den anderen mit den Händen, sozusagen Doppel-Notbremse. Rote Karte für Notbremsen sollten jedoch erst viele, viele Jahre später eingeführt werden. Überhaupt trieb es Detlef nie so weit, dass er Rot bekam. Einmal erwischte es ihn dann aber doch – in Mönchengladbach. Er hatte schon Gelb gesehen und flog dann vom Platz, als er den Ball mit der Hand spielte. Was für eine Ironie! Da holzt jemand jahrelang die gesamte Bundesliga weg und erhält seinen ersten Platzverweis für ein Handspiel! Er bekam auch nur zwei Spiele Sperre, weil er vorher immer so fair gewesen war, sprich: noch nie vom Platz gestellt worden war.

Wenn ich daran denke, kann ich ohne Umschweife sagen, dass Alles um den Fußball für mich zu den schönsten Kindheits- und Jugenderinnerungen gehört. Es gibt so viel, über das man noch heute Schmunzeln kann. Inzwischen lebe ich schon seit langem in den USA, aber wenn ich zu Hause in Duisburg anrufe, ist eines der Themen immer noch der MSV. In meine Zeit am MPG fiel auch das Pokalendspiel in Hannover gegen Frankfurt 1975 (0:1, Tor im Platzregen durch Körbel). Ich war natürlich da; im Zug habe ich Mathe für die Schule gepaukt. Das Finale 1998 gegen Bayern in Berlin habe ich verpasst. Mein Schwager schickte mir ein Video, da es damals noch keine Möglichkeit gab, die deutschen Fußballpiele in den USA zu sehen. Den entscheidenden Nicht-Platzverweis für Tarnat halte ich immer noch für eine der übelsten Schiedsrichter-Fehlentscheidungen. Als die Zebras 2011 erneut das Finale erreichten, kam ich von Neuengland eingeflogen. Die erste Viertelstunde des Spiels war ja auch sportlich noch ganz okay, die Atmosphäre in der Stadt insgesamt phänomenal. Ich teilte die Tickets, die ich bekommen hatte, u. a. mit meinem „kleinen“ Bruder und mit meiner Cousine und meinem Cousin aus Hattingen, obwohl sie Schalke-Fans waren, für meine Cousine als ehemaliger Bayern-Fan ja schon ein kleiner Fortschritt. Radio Duisburg hatte sogar ein Live-Interview mit mir aus dem Fan-Quartier, weil ich von so weit her gekommen war. Danach sprach mich ein Fan an, der mir sagte, er komme von noch weiter her, nämlich aus Australien. Er war in Beeck aufgewachsen und hatte im gleichen Jahr wie ich Abi gemacht, allerdings an einem anderen Gymnasium, ich glaube Mannesmann. Wahrscheinlich haben wir in der Schulmannschaft gegeneinander gespielt. Als ich ihn beim Abschied fragte, wie er heiße, sagte er: Manfred. – Toller Name! So heiße ich auch.

Und den nun auch ins Fan-Gedächtnis!

Teil 1 findet sich hier.

Teil 2 findet sich hier.

Teil 3 findet sich hier.


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