Es ist nicht nur die Saisonphase angebrochen, in der wir Tore in anderen Stadien manchmal genauso bejubeln wie die Tore unserer eigenen Mannschaft, es ist auch jene Saisonphase, in der die Nervosität vor den Spielen mich kaum zur Ruhe kommen lässt. In jeder ruhigen Minute stelle ich komplizierte Rechnungen auf, in welchem schlechten Fall beim nächsten Spiel des MSV dennoch alles gut ausgehen kann. Das hält den Kopf frisch. Wir Anhänger der Zebras brauchen keine Magazin-Tipps, um mit Sudoku, Rätsel und allerlei Hirn-Training auch im Alter geistig fit zu bleiben. Wir haben den Saisonverlauf unserer Mannschaft. Das reicht vollends. Vielleicht sollten Krankenkassen das Fantum beim MSV mal in ihre Präventionskonzepte aufnehmen. Rückenschule, Entspannungskurse und so ein Kram wird ja auch oft bezuschusst. Warum nicht eine Dauerkarte beim MSV als Prävention gegen Altersdemenz?
Außerdem erfordern besondere Spiele besondere Maßnahmen. Jede Möglichkeit ist uns recht, die das Selbstbewusstsein unseres Düsseldorfer Gegners morgen untergraben wird. Schauen wir uns nach Verbündeten um, die uns dabei zu Hilfe kommen. Getreu dem Motto, der Feind unseres Feindes kann durchaus trotz sonstiger Abneigung auch mal Freund sein, bin ich in Köln fündig geworden. Dort gehört das behagliche Dissen der Landeshauptstadt ja ebenso zur Brauchtumspflege wie die besondere Verbundenheit zur lokalen Biersorte. Wenn beides zusammenkommt, wird daraus bei Köbes Underground das Max-Rabe-Cover „Kein Schwein will ein Alt“. Als einzelnen, kompletten Song habe ich das Stück nicht gefunden. Hier aber ab 1.39, im kurzen Ausschnitt. Mit einem Klick weiter zum Text. Bitte schön, Kein Schwein will ein Alt. geschweige denn einen Sieg der Fortuna oder ein Unentschieden.
Übrigens habe ich mich als einer der Peter Neururers unter uns Anhängern des MSV schon vor Längerem dazu entschlossen, nicht mehr zum Friseur zu gehen, solange uns der direkte Klassenerhalt möglich ist. Wir sind in der heißen Phase der Saison. Wir müssen jede Möglichkeit des Einflusses auf das Schicksal des MSV in Erwägung ziehen.
Als Ausblick auf die Zeit nach der Winterpause käme mir das auch zupass, „der FC spielt immer scheiße“. Doch hier geht es um Karneval. Die Session nimmt Fahrt auf. So hatte die Kölner Stunksitzung vor Weihnachten bereits Premiere. Und schon sind erste Spuren dieser Session im Netz zu finden. Ich hingegen versuche, wenn es irgend geht, die Kollision von Tannennadeln, Feuerwerk und Funkenparodie zu vermeiden. Demnächst erst bin ich dann tatsächlich dabei und freue mich auf einen Standard der Stunksitzung. Denn wie mir das Netz verrät, wird auch diese Session wieder eines der speziellen Liebeslieder an den FC von Köbes Underground zu hören sein. Es sind Liebeslieder, das ist keine Frage.
Schlager- und Popmusikrevuen im Theater sind in Sachen Unterhaltung eine sichere Bank. Denn längst gibt es einen generationenübergreifenden Kanon der Popkultur, der persiflierend genutzt werden kann. Den Herz-Schmerz-Schlagererfolg der 1970er ironisch gebrochen, die Männerthemen Fußball, Mütter, Frauen im Popsong, mal mehr, mal weniger parodistisch dargeboten, da kann man nicht viel falsch machen. So sei bei allen Einwänden vorab gesagt: „Männer – Ein Fußballliederabend“ verlässt man in vergnügter Stimmung. Die Schauspieler kitzeln mit großer Spiellaune immer wieder komische Momente aus den typisierten Männerfiguren heraus, die Musik der Millionenhits erweist sich noch in der Parodie als kraftvoll und ein paar choreografierte Szenen parodieren die Ensemblebewegung von Musicals. Dynamik auf der Bühne, Spektakel fürs Auge.
Dennoch habe ich im ersten Drittel des Abends gedacht, gerade in Köln hätten für diese Art Schlager- und Popmusikparodie bessere Vorlagen geschaffen werden können als die mit einigem „FC-Jeföhl“ bearbeitete Fassung des Liederabends von Franz Wittenbrink. In der Stunksitzung greifen Köbes Underground den Schlager- und Popmusikkanon meist witziger auf, weil dort das Original im parodistischen Zusammenhang pointierter genutzt wird, der innere Zusammenhang von Original und Parodie klarer herausgearbeitet wird. Denn das Fußballstadion als Ort für die klischierte Männerwirklichkeit geriet im Mittelteil etwas aus dem Blick. Die Vorlage wirkte also unausgegoren. „A propos“, hieß es deshalb öfter, ehe ein neues Lied angestimmt wurde. Das vom Titel des Abends versprochene thematisch konzentrierte Gesamtwerk erwies sich in Teilen als Nummernrevue, die offensichtliche Hilfskonstruktionen benötigte.
Dabei schien der Anfang auf dem Tribünenausschnitt als Bühnenbild die Richtung vorzugeben. Zur Ouvertüre von Don Giovanni durchlebten die Männer ein Fußballspiel mit all seinen Emotionen. Es folgten die per Schlager aufgegriffenen Männerstatements über die besonderen Frauen im Leben eines Mannes, über die großen Lieben, über die Mütter. Selbstbilder wurden mit „Sex Mashine“ und „Ich brech die Herzen der stolzesten Frauen“ zum Thema. Die „Bohemian“ wurde zur „Barbecue Rapsody“ und somit das Grillen als Lebensideal des Mannes gefeiert. Die Grönemeyer-Parodie fehlte nicht, bei der „Flugzeuge im Bauch“ kongenial mit „Alkohol“ geremixt wurde und in einem witzigen Grönemeyer-Zitatemix seiner Songs endete. Soli wechselten sich ab mit Chorgesang, und schließlich musste – wir sind in Köln – von Lukas Podolski Abschied genommen werden. „Time to say goodbye“ hieß es, womit sogleich auch das Finale ankündigt war, in dem „Poldi“ per Monstranz gehuldigt wurde . In 27 Stücken wurde der Mann also als Klischee dargeboten, und trotz des Rückgriffs auf Don Giovannis Schicksal in diesem Finale darf so ein Abend nicht mit allzu viel Bedeutung überfrachtet werden. Zu fern ist das wirkliche Leben, trotz des Verweises auf den Fußball. Nah ist dagegen die Popkultur, und die will und soll vor allem Stimmung machen.
Weitere Vorstellungen im November 11. und 27. November.
In der letzten Karnevalssession gab es in der Stunksitzung von der Hausband Köbes Underground wieder eine Standardnummer zum 1. FC Köln. So ein Liedchen auf den FC ist ja quasi eine Art Mottolied dieses Teils vom Kölner Karneval. Das Grundprinzip heißt dabei immer Parodie, und wenn man weiß, dass das Programm ab Spätsommer letzten Jahres geschrieben wurde, hatte die Nummer in diesem Jahr prophetischen Charakter. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit bedrohlicher Lagen beim FC einfach immer groß in den letzten Jahren. „Wir müssen den FC retten“ hieß es, und die jüngsten Entwicklungen im Verein geben mir die Gelegenheit, den Clip mit der Tim-Bendzko-Parodie noch einmal hervor zu holen.
Und hier dasselbe Stück nochmals abgefilmt von den WDR-Kameraleuten.
Letzten Sonntag berichtete der Express sogar per Live-Ticker von den Entwicklungen am Geißbockheim, nur um am Ende dann vermelden zu müssen, es bleibt, wie es ist. Man muss es in Duisburg vielleicht erklären, überraschend war es nicht, weil auch andere Vereine als der MSV Duisburg Führungspositionen manchmal nur unzureichend besetzen können. Wäre Solbakken entlassen worden, hätte es beim 1. FC Köln keinen Präsidenten, keinen sportlichen Leiter und eben keinen Trainer mehr gegeben. Man könnte meinen, da wird endlich im Fußball ernst gemacht mit dem Vertrauen in jeden einzelnen Mitarbeiter und in die flachen Hierarchien. Ist aber nicht so, dafür wütet Geschäftsführer Horstmann in alter Patriarchen-Tradition zu laut los.
Ein Präsidentschaftskandidat ist übrigens inzwischen gefunden, und ich wage zu behaupten, die Büttenredner der letzten Session haben dieser Nachricht manche Träne hinterhergeweint. Aber die nächste Session kommt, und für Witze mit Namen ist die Bütt oder auch die Anmoderation in der Stunksitzung der richtige Ort. Nach dem überraschenden Rücktritt von Wolfgang Overath gestaltete sich die Präsidentensuche beim FC ja ähnlich schwierig wie seinerzeit die bei dem Verein unserer Zuneigung. Doch letztlich fand die Kommission vom Verwaltungsrat als zukünftigen Präsidenten vom 1. FC Köln einen Mann, der besser nicht zum FC und den so häufig anzutreffenden Zustand rund um den Verein passen könnte. Der Mann heißt Werner Spinner. Die Büttenredner werden über diesen Mann in ihren Nummern etwas erzählen, dann eine bedeutungsvolle Pause machen und den Namen noch einmal wiederholen. Damit es auch jeder versteht. Ist schon eine Steilvorlage.
Ihr kennt mich hier als großen Freund des Karnevals im Veedel. Die Innenstadtkarnevalsexzesse in Köln tue ich mir ja nicht an. Heute ist es nun wieder so weit, und ich freue mich drauf. Daran merke ich auch mein Leben zwischen der Kultur des Ruhrgebiets und der Kölns. Früher, in Duisburg, hat mich Karneval nicht sonderlich interessiert. Da lebe ich also zwischen den Kulturen, nehme mir dies und das und habe damit keine Schwierigkeiten. Kenne ich irgendwoher, wird da aber immer als problematischer beschrieben. In der letzten Zeit war ich auch im gesamten Ruhrgebiet viel unterwegs, und überall hingen diese Plakate, die im jeweiligen Ort die große Altweiber-Party dort und dort ankündigten. Hat sich da auch etwas gewandelt? Oder werden heute die Anlässe zum Feiern eben genommen, wo man sie gerade herbekommt. Wahrscheinlich ein wenig von beidem. So viele Fragen.
Da bin ich froh, dass mir in diesem Jahr eine erspart bleibt: Veedelszoch oder Heimspiel. Endlich passt der Spielplan mal wieder einigermaßen zu meinem persönlichen Karnevalskalender. Außerdem darf ich mich freuen, dass Flamur Kastrati wieder spielfähig ist. Vielleicht kann er sich ja im Spiel gegen den FC St. Pauli, klein wie er ist, in den Strafraum schleichen und so herumstehen, dass ein Schuss Richtung Eckfahne an ihm abprallt, sodass der Ball ins Tor rollt. Vielleicht sind die Stürmer der Mannschaft aber auch von vornherein viel besser, als wir es gerade erwarten. Ich bin da grundsätzlich immer zuversichtlich. Auf irgendeine Weise wird es gut ausgehen.
Manchmal ist solch grundsätzliche Zuversicht allerdings nicht angebracht. Dem Spieler des 1. FC Köln Mišo Brečko etwa hätte ein wenig Realismus gut getan, als er mit seiner Fußballer-Standardgroßlimousine das Gleisbett der KVB Richtung Heumarkt befahren wollte. Sein Auto hatte weder die richtige Spurweite für die Gleise, noch war er mit 1,6 Promille so fahrtüchtig, dass er dieses Auto genau auf den Schienen hätte steuern können. In Köln sind Fußballprofis eben durch den Karneval anderen Verpflichtungen und damit verbundenen Risiken ausgesetzt. Wenn der Spielplan es erlaubt, besteht bei der FC-Sitzung wahrscheinlich Anwesenheitspflicht. Es sollte mal ein Arbeitsgericht klären, ob der Verein deshalb nicht eine besondere Fürsorgepflicht für seine von überall her kommenden Fußball spielenden Angestellten nach einer solchen FC-Sitzung hat. Die sehen, wie es in Köln zugeht, und das wollen die dann womöglich auch so haben. Die denken dann zurecht, Maßhalten ist im Karneval nicht vorgesehen. Ist der Sinn des Ganzen nicht die Regelüberschreitung?
Die Regelüberschreitung verhindern will die Polizei. Ich bin gespannt, ob Journalisten für ihre Berichte zu den Polizeiaktionen während des Karnevals wieder den besonderen Medienservice der Kölner Polizei in Anspruch nehmen. Während der landesweiten Geschwindigkeitskontrollen neulich waren jedenfalls drei Laienschauspieler als Polizisten im Einsatz. Der Kölner Stadt-Anzeiger hat das dokumentiert.
Es heißt die drei Laienschauspieler seien im Hauptberuf Polizisten, deshalb der Rat an alle Feiernden. Auch Darsteller von Polizisten haben sämtliche Polizeibefugnisse, wenn sie sich als Polizisten ausweisen können.
Und was den Karnevalsauftakt angeht, noch etwas zur Einstimmung: Wir im Stadion kennen ja auch diese Momente der Selbstvergessenheit, in denen jegliche Hemmung gegenüber den eigenen Sangesfähigkeiten dahin geht und das Mitsingen gefühlsduseliger Lieder Energie bringt und Glück verheißt. Im Karneval ist nicht anders, wie im Folgenden das Publikum am Ende einer Stunksitzung dieser Session beweist. Doch auch hier gilt: Selbst die schlechtesten Stimmen können ein schönes Lied wie „Wegen dem Brauchtum“ von Köbes Underground nicht kaputt machen. In dem Sinne schönen Karneval und heute noch ein dreimal blau-weiß gestreiftes Zebra alaaf. Morgen im Stadion beim unerwarteten deutlichen Heimsieg gegen den FC St. Pauli auch gerne wieder helau!
In Duisburg, der Stadt, wo man sich notorisch selbst unterschätzt, wird der Einzug des MSV ins DFB-Pokalendspiel beim Halbfinale gegen den FC Energie Cottbus, wenn überhaupt wahrscheinlich nur noch leise gefeiert. Das ist in Köln, der Stadt, wo man sich notorisch selbst überschätzt, natürlich ganz anders. Dort führt der Einzug des Nachbarstadtteils der imaginären Kees-Jaratz-Stadt-am-Rhein dem Selbstbild der Kölner gemäß noch heute zu überbordender Begeisterung. Das Feiern, so habe ich den Eindruck, wird von Stunde zu Stunde maßloser. Der Kölner, der sonst immer glaubt, alles was es gibt auf der Welt, „dat-jibbet-so-nur-nur-nur-in-Kölle“, sah am Dienstagabend nach Duisburg, erinnerte sich an ein Gebot des Rheinländers und dachte, man muss och jönne könne. Da fiere mer ewe met, und dabei hätt uns noch keiner wat vürjemaacht. Die lokalpatriotischen Kölner können aber ihre sie selbst überraschende Freude über den Sieg des MSV Duisburg natürlich nicht offen zeigen. Was für ein Glück, dass heute mit Weiberfastnacht der Straßenkarneval beginnt. So können sie sich hinter der Maske des Frohsinns verstecken und behaupten, sie ständen bei diesem sonnigen Wetter doch nur „wegen dem Brauchtum“ auf der Straße.
Doch schon im Anschluss des Spiel am Dienstag waren in der Sportredaktion des Kölner Stadt-Anzeiger die Sportjournalisten aus dem Häuschen. Anscheinend waren sie so begeistert über den Einzug des MSV Duisburg ins Pokalendspiel, dass in ihnen der Wunsch entbrannt sein muss, dieses Endspiel mit Duisburger Beteiligung unbedingt in Köln sehen zu wollen. Oder wie soll der Untertitel für den Vorbericht zum Frauenpokalfinale zwischen Turbine Potsdam und dem FFC Frankfurt gedeutet werden, das ja bekanntermaßen am 26. März in Köln stattfindet? Etwa, dass an ein Frauenpokalfinale ohne den FCR 2001 Duisburg nicht zu denken ist?
Am Nachmittag werde ich mich als Duisburgstämmiger Kölner oder Duisburger mit Kölner Wohnsitz oder Kölner mit Duisburger Wurzeln oder auch als Imi unter die feiernden Menschen begeben und vorbildhaft für ein gelungenes integriertes Leben mit beiden Kulturen und in beiden Städten werben. Ich werde die Freude über den Finaleinzug keinesfalls hinter der Maske des rheinischen Frohsinn verstecken, dennoch allerlei kölsches Liedgut lauthals mitsingen und dabei auch in diesem Jahr sämtliche FC-Jubelgesänge allerhöchstens nachsichtig summen.
Nachtrag: Ich bemerke gerade, dass der Kölner in mir manchmal ein wenig übermütig wird und ich die Duisburger Bodenhaftung verliere. „Pokalsieg“ hört sich in der Überschrift einfach gut an, selbst wenn es nur ein Halbfinal- oder Pokalspielsieg. Ich lasse das stehen und betrachte es als Aufmunterung. Diese Überschrift hat überhaupt nichts mit möglichen Folgen von verfrühten Glückwünschen zu tun.
Für alle, die noch ein wenig Trost nach dem Spieltag am Wochenende brauchen, empfehle ich Köbes Underground in der Stunksitzung dieser Session mit ihrem Kommentar zur Spielkultur beim 1. FC Köln.
Weil ich mich letztes Jahr während der Karnevalszeit ein wenig für die Städteverständigung zwischen Köln und Duisburg eingesetzt habe und mein sehr persönliches Wissen über den Fastelovend hier verbreitete, sieht Google anscheinend in mir schon den Karnevalsfachmann. Wahrscheinlich sollte ich mein Dienstleistungsportfolio erweitern und demnächst in Talk-Shows bei gutem Stundenhonorar als Brauchtumsexperte sitzen.
Hier kommen jedenfalls seit einigen Tagen immer wieder Menschen mit Fragen vorbei. Ratlos sitzen sie irgendwo vor ihren Kostümen und denken bange, was wird mich in Köln bei meinem ersten Karneval am Rhein erwarten? Verrate mir doch einer nur die Regeln dieses undurchsichtigen Feierns dort. Google hilf!
Für all die ratlosen Menschen habe ich ein ganz einfaches Rezept. Wer sich in den Kölner Karneval begibt, sollte sich wie bei jeder ersten Begegnung mit einer fremden Kultur verhalten. Freundlich sein, und damit rechnen, Fehler zu begehen. Dann den Kontakt zu ebenfalls freundlichen Feiernden suchen und sich nicht scheuen, um Rat zu fragen. Fremde Getränke und Speisen sollte man nur in vorsichtigen Mengen genießen, und schließlich sollte man auf sein Glück hoffen, jemandem zu begegnen, der einen dorthin führt, wo ein ausgewogenes Verhältnis herrscht zwischen Einheimischen und Karnevalstouristen. Mehr braucht man nicht. Auf jeden Fall sollte alles vergessen werden, was man jemals über den Kölner Karneval gelesen hat. Wer mit dem unbedingten Willen anreist, auf jeden Fall den einzigartigen Sujet-jibbet-nur-in-Kölle-Spass-an-der-Freud zu erleben, kann nur enttäuscht werden. Man kann zum „Spass an der Freud“ bereit sein, aber irgendetwas, was man nicht in der Hand hat, wird dazu kommen. Ävver et hät noch immer jot jejange. Dieses rheinische Lebensmotto kennt man wie den Karneval wahrscheinlich inzwischen auch schon überall in Deutschland, und wer das als Mantra bei der Anreise vor sich hinmurmelt, fühlt sich schon mal ein wenig in die kölsche Mentalität ein. Denn oft tut es das dann auch. Im Karneval!
Beim Fußball kommt diesem kölschen Lebensgefühl allerdings die gegnerische Mannschaft nur allzu oft dazwischen. So musste ich nicht nur nach den letzten zwei Punktespielen des MSV Duisburg mein Päckchen tragen, auch die Kölner Freunde traf in der letzten Woche die Wirklichkeit hart. Der 1. FC Köln ist wie der MSV Duisburg gegen Augsburg aus dem DFB-Pokal ausgeschieden, und vorher waren die Spieler der Mannschaft zum ersten Mal seit Jahren nicht einmal auf der FC-Sitzung. Die Karnevalsfeier des Vereins fand ohne diejenigen statt, die Wohl und Wehe der Fans maßgeblich mitbestimmen. Was für eine Woche! Mit der Niederlage gegen Augsburg war ja zudem das Ausscheiden aus dem Europapokal verbunden. In diesem Große-Hoffnungswettbewerb nimmt der FC regelmäßig teil, sobald die Mannschaft zwei Spiele hintereinander gewinnt. Für den Verein ist dieser Europapokal ein sehr zwiespältiger Wettbewerb. Denn was heute stimmungsaufhellend und begeisternd wirkt, ist morgen Anlass zu großer Enttäuschung.
Ob der Europapokal beim MSV Duisburg Aufstieg heißt? Ich möchte Bruno Hübner so gerne bei seinem Versuch der Stimmungsaufhellung folgen. Ich weiß es auch sehr zu schätzen, wie er im Rahmen seiner Möglichkeiten versucht auf die Psyche der Mannschaft einzuwirken. Wer nach den letzten zwei Spielen von der Möglichkeit spricht, den dritten Platz noch zu erreichen, macht sich angreifbar. Denn in Duisburg schlägt Enttäuschung niemals in Depression um. Dort hat man für die Psychohygiene Wut und Ärger, und es besteht bei einer Meinungsäußerung zum MSV immer die Gefahr, davon eine Menge abzubekommen.
Ihr wisst, auch ich hänge an hohen Zielen – manchmal wider besseren Wissens. Denn „Kopfprobleme“ habe ich in den letzten Jahren viel zu oft erlebt. Höre ich dieses Wort, macht mir das keinen Mut. Allerdings muss ein Sportdirektor einen rationalen Umgang mit dem Geschehen finden. Ich als Fan kann mir etwas Esoterik leisten. Meine Hoffnung auf den dritten Platz nährt das Wissen darum, dass im Fußball gegen alle Wahrscheinlichkeit Unmögliches geschehen kann. Griechenland wird Europameister, der 1. FC Nürnberg steigt in der letzten Saison auf und der MSV …?
Am Rosenmontag werden wir mehr erfahren. Bis dahin feier ich noch ein wenig Karneval. Süddeutschen Google-Nutzern sei noch ans Herz gelegt, wer Köln eingibt und Karneval meint, darf auf keinen Fall Fasching sagen. Vielleicht ist das auch die erste Regel, an die sich Karnevalstouristen halten sollten, auf jeden Fall in Erfahrung bringen, wie das Ganze heißt, wo man hin will.
Es heißt übrigens auch nur in Teilen Ballermann, obgleich die Stadt Köln vor den Auswüchsen während des Straßenkarnevals anscheinend schon kapituliert hat. Der „Karnevals-Knigge“ kommt jedenfalls sofort auf das Wesentliche zu sprechen: „Sex, Anmache und Saufen“ gebe es tatsächlich im Kölner Karneval, heißt es dort. Da hat ein Realist den Text geschrieben. Natürlich gibt es auch einen anderen Karneval, ich schrieb hier schon einmal, der ist vor allem in den Veedeln zu finden. Wenn ich dann aber weiter in den Benimmregeln lese und mir genau erklärt wird, wie denn nun ein Küsschen zu verstehen ist, fühle ich mich plötzlich wie ein grantelnder alter Mann, der vor sich hinmeckert: „Dass die nicht mal das mehr für sich klären können, wenn sie schon unbedingt ihren Spass haben wollen.“ Da sollte man vielleicht allen Anreisenden mit einem Klassiker von Köbes Underground, der Hausband der Stunksitzung, vor allem das hier mit auf den Weg geben: „Der Geschlechtsverkehr wird im allgemeinen völlig überbewertet“.
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