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Halbzeitpausengespräch – Duisburg-Trilogie von Fakir Baykurt endlich übersetzt

Eva Lacour und Hartwig Mau

2011 erschien „Halbes Brot“, der erste übersetzte Roman von dreien, in denen Fakir Baykurt (1929 – 1999) in den 1980er Jahren von der Lebenswelt Duisburgs erzählte. Am Dienstag nun wurden mit „Vater Rhein“ und „Hochöfen“, die zwei weiteren seiner in Duisburg spielenden Romane, in der Stadtbibliothek Duisburg im Rahmen einer Lesung durch die Übersetzerin Eva Lacour und den Übersetzer Hartwig Mau vorgestellt.

Der in der Provinz Burdur aufgewachsene Fakir Baykurt war schon in der Türkei als Schriftssteller erfolgreich gewesen, als er 1979 mit einem Stipendium nach Deutschland kam. Er schrieb realistische Romane über die bäuerliche Wirklichkeit seine Heimatlandes und erhielt Literaturpreise. Sein literarischer Stil wurde durch die mündlichen Erzähltradtionen der Landbevölkerung bestimmt. Sein realistischer Blick auf Menschen und Verhältnisse machte seine Literatur zur Sozialkritik.

Wahrscheinlich führte auch der Militärputsch in der Türkei 1980 dazu, dass der politisch engagierte Fakir Baykurt in Deutschland blieb. Statt mit dem bäuerlichen Leben beschäftigte er sich nun dauerhaft mit der Wirklichkeit der Migranten als Industriearbeiter. Doch Fakir Baykurt blickte über das Migranten-Milieu hinaus. Mit seinem Personal erzählte er allgemeine Geschichten über die Ruhrgebietswelt mit ihren Menschen aus verschiedenen Herkünften. Er nahm die Erzählhaltung jener deutschen Autorinnen und Autoren der Gegenwart vorweg, deren Großeltern oder Eltern aus der Türkei gekommen waren. Fakir Baykurt empfand sich als zugehörig zur deutschen Gesellschaft. Er beschrieb nicht von außen, sondern erzählte aus ihrem Inneren heraus. Institutionen und öffentliche Personen Duisburgs in den 80ern tauchen ebenso auf wie historische Erklärungen für Teilgeschehen der Romane. Für Fakir Baykurt war das migrantische Milieu Teil der Stadtgesellschaft. Es gehörte dazu. Seine Romane zeigen mit einem sozialkritischen Realismus ein Ruhrgebiet, das es in den 1980er Jahren im Literaturbetrieb schwer hatte. Diese Literatur, auch von deutschen Autoren geschrieben, wurde von der Kritik kaum wahrgenommen, geschweige denn öffentlich wertgeschätzt. Der bundesweite Erfolg Max von der Grüns in den Jahren davor war nur die Ausnahme von der Regel.

Wer heute die drei Romane von Fakir Baykurt liest, lernt Duisburger Wirklichkeit detailreich kennen. Diese Stadt steht aber stellvertretend für sämtliche Großstädte Deutschlands mit migrantischer Kultur. Fakir Baykurt erzählt von Rassismus ebenso wie von der Umweltverschmutzung durch die Industrie und den schlechten Arbeitsbedingungen dort. Er erzählt aber auch von gelingenden Begegnungen zwischen den Kulturen, von Irrtümern und Annäherungen. Fakir Baykurt muss bei aller Kritik an den Verhältnissen seiner Gegenwart ein optimistischer Mensch gewesen sein. In seinen Geschichten folgen Figuren oft einem kulturübergreifenden Humanismus. Gelingendes Zusammenleben in Verschiedenheit gibt es in seinen Romanen, ohne dass er ein träumerischer Idealist gewesen wäre. Er kennt hemmende Befindlichkeiten ebenso wie die um des lieben Friedens Willen verschwiegenen Vorurteile.

Die „Duisburg-Trilogie“ von Fakir Baykurt – das lässt sich leicht merken, um in Buchhandlungen danach zu fragen. Die Trilogie kostet nur 50 Euro. Dem Verlag Dialog-Edition sei viel Nachfrage gewünscht. Das große Publikum am Dienstag bei der Veranstaltung vom Verein für Literatur Duisburg bewies, wie tief Fakir Baykurt sowohl in die türkische Comunitiy als auch in die Mehrheitsgesellschaft Duisburgs hinein gewirkt hat. Seine Romane gehören in den Kanon einer Literatur des Ruhrgebiets.

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Halbzeitpausengespräch: Die 9. Offene Lesebühne von DU schreib(s)t am 1.6. – Junge Texter und Autoren treten auf

Ein halbes Jahr ist wieder vergangen. Ihr könnt Kindern und Jugendlichen erneut von der Offenen Lesebühne in Hamborns Bücherei erzählen. Am Mittwoch, den 1. Juni findet sie wieder in der Bezirksbibliothek Hamborn um 16.30 Uhr.

Einmal im Halbjahr bietet DU schreib(s)t, das Duisburger Netzwerk für literarisches Schreiben von Jugendlichen, im Norden Duisburgs eine offene Lesebühne, damit junge Duisburger sich mit ihren Werken dem Publikum präsentieren können. Alle jungen Schreibenden sind gefragt. Jeder kann kommen. Jeder erhält die Möglichkeit, seinen Text zu lesen.

DU schreib(s)t – 9. offene Lesebühne
Junge Duisburger lesen aus ihren Texten
Ort: Bezirksbibliothek Hamborn, Schreckerstr. 10
Zeit: 1. Juni  2016 um 16.30 bis ca. 18.00 Uhr

Bei Lampenfieber stehe ich als Moderator des Nachmittags den Jugendlichen zur Seite. Was gelesen wird, bestimmen die jungen Duisburger selbst. Das können sowohl Rap als auch Liedtexte sein oder nur ein Gedicht. Es kann eine Kurzgeschichte sein oder der Ausschnitt einer längeren Erzählung. Von der Teilnehmerzahl hängt ab, wie viel Auftrittszeit jemand auf der Bühne bekommt.

Anmelden wäre schön, aber selbst der spontane Sprung auf die Bühne ist möglich. Wer schon jetzt weiß, dass er am 1. Juni auf die Bühne möchte, schreibt eine E-Mail an ralf.koss[at]web.de, meldet sich in der Bücherei Hamborn oder ruft im Jugendzentrum Zitrone unter 0203-479 48 88 an.

DU schreib(s)t – Eine Initiative von Lemonhaus e.V.
Im Programm vom Kulturrucksack NRW
in Kooperation mit
Jugendzentrum Zitrone, Jungs e.V., jugendstil – kinder- und jugendliteraturzentrum nrw, Bezirksbibliothek Hamborn, Förderschule Kopernikusstraße, Gesamtschule Emschertal, Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium, Gesamtschule Meiderich,
GGS Kampstraße, Max-Planck-Gymnasium, PSAG– Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft Duisburg, Bürgerhaus Neumühl

Halbzeitpausengespräch: Die 8. Offene Lesebühne von DU schreib(s)t am 9.12. – Junge Texter und Autoren treten auf

Es ist Zeit, schon kurz einmal an den Dezember zu denken. Denn wieder einmal könnt ihr Kindern und Jugendlichen von der Offenen Lesebühne in Hamborns Bücherei erzählen. Mit dem Vorlauf von knapp einem Monat bleibt zudem noch genügend Zeit, Lehrer an den Schulen zu informieren. Vielleicht kennen sie Kinder und Jugendliche, die gerne ihre Sicht auf die Welt in Texten zum Ausdruck bringen. Wenn ihr ein Plakat braucht, kommt ihr mit einem Klick weiter zu einem Entwurf.

Also: Bühne frei für Texte von jungen Duisburgern, heißt es am 9. Dezember wieder in der Bezirksbibliothek Hamborn um 16.30 Uhr. Einmal im Halbjahr bietet DU schreib(s)t, das Duisburger Netzwerk für literarisches Schreiben von Jugendlichen, im Norden Duisburgs eine offene Lesebühne, damit junge Duisburger sich mit ihren Werken dem Publikum präsentieren können. Alle jungen Schreibenden sind gefragt. Jeder kann kommen. Jeder erhält die Möglichkeit, seinen Text zu lesen.

DU schreib(s)t – 8. offene Lesebühne
Junge Duisburger lesen aus ihren Texten
Ort: Bezirksbibliothek Hamborn, Schreckerstr. 10
Zeit: 9. Dezember 2015 um 16.30 bis ca. 18.00 Uhr

Bei Lampenfieber stehe ich als Moderator des Nachmittags den Jugendlichen zur Seite. Was gelesen wird, bestimmen die jungen Duisburger selbst. Das können sowohl Rap als auch Liedtexte sein oder nur ein Gedicht. Es kann eine Kurzgeschichte sein oder der Ausschnitt einer längeren Erzählung. Von der Teilnehmerzahl hängt ab, wie viel Auftrittszeit jemand auf der Bühne bekommt.

Anmelden wäre schön, aber selbst der spontane Sprung auf die Bühne ist möglich. Wer schon jetzt weiß, dass er am 9. Dezember auf die Bühne möchte, schreibt eine E-Mail an ralf.koss[at]web.de, meldet sich in der Bücherei Hamborn oder ruft im Jugendzentrum Zitrone unter 0203-479 48 88 an.

DU schreib(s)t – Eine Initiative von Lemonhaus e.V.
Im Programm vom Kulturrucksack NRW
in Kooperation mit
Jugendzentrum Zitrone, Jungs e.V., jugendstil – kinder- und jugendliteraturzentrum nrw, Bezirksbibliothek Hamborn, Förderschule Kopernikusstraße, Gesamtschule Emschertal, Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium, Gesamtschule Meiderich,
GGS Kampstraße, Max-Planck-Gymnasium, PSAG– Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft Duisburg, Bürgerhaus Neumühl

Ein Leben lang – Eine kurze Erzählung auch über Fußball

Leicht wankend stand er neben mir in der obersten Reihe der Gegengerade im überfüllten Wedaustadion. Der Regen hatte die Schultern seines Jacketts durchnässt und dunkel gefärbt. Ihm war das nicht wichtig. Ihm war es auch nicht wichtig, ob er genügend vom Spiel sehen konnte. Irgendwann schlurfte er zu einem der Bäume, die außen rundherum auf den Stehplatzrängen vor Jahrzehnten gepflanzt waren und stellte sich unter. Er starrte ins Leere, spürte in seinem Wanken den Baum im Rücken und lehnte sich an. Mühsam holte er etwas aus der Innentasche seines Jacketts hervor. Seinen Kalender? Ein Notizbuch? Das Aufblättern bereitete ihm Schwierigkeiten. Es war alles so nass vom andauernden Regen. Auf dem Rasen schien sich dem zunehmenden Raunen der Zuschauer nach ein erfolgversprechender Angriff vom MSV Duisburg anzubahnen. Ich drehte mich um und sah noch, wie der Ball am Tor vorbei rollte.

Mir missfiel es, ihn nicht an meiner Seite zu wissen. Nachher würden wir uns noch aus den Augen verlieren. Dennoch versuchte ich mich endlich auf das Spiel zu konzentrieren. Auf den Gegenangriff, den Schuss, den vergeblichen Abwehrversuch. Die anderen Zuschauer seufzten erleichtert auf. Auch vorbei. Der Blick zurück zum Baum. Er war weg.

Es war sein Vorschlag gewesen, gemeinsam zu diesem Spiel ins Stadion zu gehen. Nach der letzten Zeit war es das wichtigste. Vor zwei Wochen wusste er das auch noch. Nun war es ihm gleichgültig, wo wir gemeinsam standen. Befürchtet hatte ich das. Schon bei seinem Vorschlag war mir mulmig geworden. Weil wir zu spät gekommen waren, standen die Menschen in der obersten Reihe der Nordkurve schon zu dritt und viert hintereinander. Ich lief die Kurve entlang Richtung Marathontor. Keine Lücke fand ich, um an einem festen Platz das Spielfeld wenigstens halbwegs zu überblicken. Während ich mich umschaute, ob er mir folgen konnte, merkte ich weiter meine eckigen Schritte. Er gestikulierte fahrig, ich könne ruhig vorgehen. Dieses Spiel da unten lief schon, und ich fühlte meinen Körper. Eigentlich hätten meine Schritte alles im Stadion übertönen müssen. Jeder Muskel war angespannt, bereit für etwas, von dem ich nie wusste, was es sein sollte. Ich kannte das Gefühl. Ich kannte es nicht aus dem Stadion.

Ich war angereist aus Köln. Nicht einen Moment hatte ich mich an diesem Tag an der Uni konzentrieren können. Nach zwei Jahren in der Zweiten Liga gab es für den MSV Duisburg eine kleine Chance, wieder aufzusteigen. Dritter war der Verein geworden und spielte nun das erste von zwei Relegationsspielen gegen Eintracht Frankfurt, um in jene Erste Liga zurückzukehren, die für uns das normale Leben gewesen ist.

Sein Vorschlag hatte mich überrascht. Ich wollte natürlich ins Stadion. Aber mit ihm?

„Ja, klar. Doch!“

Das hatte ich wohl gesagt. Wie immer störte mich mein so kontrollierter Ton in solchen Momenten. Gewichte verteilten sich auf meinen Schultern. Sonst gingen wir nicht gemeinsam ins Stadion. Es hatte Ausnahmen gegeben. Drei Auswärtsspiele. Fast zehn Jahre war das Pokalendspiel her. Nach Hannover im Bus. Ein älterer Junge zwischen älteren Männern. Der Regen auch während dieses Spiels. Sein Jackett, das er schützend über mich hielt, als es losprasselte. Kurz hielten wir in der unüberdachten Kurve noch aus – in der Hoffnung, es bliebe bei einem leichten Schauer.

Immer noch nicht war er wieder da. Unruhig schaute ich Richtung Schwimmstadion, wo sich Toiletten befanden. Konnte er dorthin gegangen sein? Die Kurve gehörte doch den Frankfurtern. Dann sah ich ihn. Er hatte keinen Bierbecher in der Hand. An solch einem Gedanken hielt ich mich fest, obwohl ich wusste, dass das nichts bedeutete. Es ging immer weiter. Nur sein Schlaf würde heute nicht wie früher die Rettung für uns bringen. Bis zum Schlusspfiff waren es noch etwa 70 Minuten.

Eigentlich ging er niemals mehr ins Stadion. Lange Zeit wusste ich gar nicht, dass ihn etwas mit dem MSV Duisburg verband. Dann hatte er einmal von Heimspielen an der Westender Straße erzählt. In den 1950er Jahren, den Zeiten der Oberliga West. Damals sind sie sogar mit dem Fahrrad zu den Auswärtsspielen gefahren. Einmal bis nach Münster. In Erkenschwick waren sie. In Oberhausen sowieso. Immer mit dem Fahrrad. Ich versuchte manchmal ihn mir als Jugendlichen vorzustellen. Unbekümmert. Lachend. Zusammen mit Freunden. Ein Leben mit Zukunft. Er erzählte fast nie über diese Zeit.

Vielleicht half uns Kampf? Das war immer das Einfachste.

Spielerisch war die Eintracht besser. Schon wieder bahnte sich einer der schon vorher so gefährlichen Spielzüge an, und wenig später stand es 0:1. Die Chance auf den Aufstieg für den MSV war nicht sehr groß. Umso schöner war der Heimsieg, den ich mir ausgemalt hatte. Nun empfing ich die Enttäuschung als erwarteten ungebetenen Gast. Ich wies auf einen unbequemen Stuhl in der Ecke und hoffte, sie blieb kürzer, als ich es kannte. Irgendetwas kann immer geschehen. Das wusste ich durch jede gute Geschichte, die ich jemals gelesen hatte. Das fühlte ich im tiefsten Inneren. Ganz anders konnte es immer noch werden. Für uns alle.

Er stellte sich wieder neben mich und grinste. Ein arroganter Mund in einem harten Gesicht. Er fühlte sich lächeln. Ich wusste das. Innig verbunden fühlte er sich. Mein hölzerner Körper. Meine verschwundene Nähe. Mein Ringen, ein wenig lebendig zu bleiben. Als Ausweg versuchen, ins Spiel zu kommen. Das Scheitern. Meine Schuld. Ich starrte hinunter und musste nicht sprechen.

„Wird’s noch was?“, fragte er. Ich kannte seinen Blick, wenn nichts ihm anhaben konnte. Er spuckte auf die Welt und traf mich immer mit. Ich sah nur kurz zur Seite und zuckte die Schultern. Ein Angriffsversuch des MSV lenkte mich von der Qual ab, so abweisend gewesen zu sein.

Zu wenig gelang.

„EM-ES-VAU…“ Noch einmal wenigstens rufen, ehe der Chor schon wieder erstarb. Es war ein Aufbäumen in aller vertrauten Ohnmacht. Immer weiter. Immer weiter. Ein Leben lang. Fürs erste kam ich bis zum Halbzeitpfiff.

„Was zu trinken?“

Eine Frage, die ich schon immer fürchtete, wenn wir unterwegs waren.

„Oder ’ne Bratwurst?“

„Nein, nein. Keinen Hunger. Nein, nichts. Lass uns lieber hier bleiben. Wir stehen so gut.“

Väterfragen als spezielle Vaterfrage. Meine Antworten darauf gefielen mir nie. Ich wusste keine bessere. Ich wusste schon als kleines Kind, mir blieb alleine eine Möglichkeit. Das Wichtigste hatte ich immer im Blick. Ich hörte niemals auf zu hoffen, und manchmal waren wir früher tatsächlich an der Kneipentür vorbeigegangen, wenn ich nichts wollte. Ich, danach, fühlte mich erleichtert und schuldig, ihn betrogen zu haben. Nie hatte ich Durst oder Hunger in der Nähe von Bier. Mit überzeugenden Worten. Ich verheimlichte mich ihm. Nur so konnte ich das Schicksal manchmal zwingen. Das rettende Bild im Kopf, wie er bald einschläft und aufwacht als der andere Mensch.

„Wenn wir Glück haben, bleibt es dabei“, sagte ich. „Vielleicht gibt’s eine Überraschung im Rückspiel?“

„Nicht verlieren, geht noch“, sagte er und klang für einen Moment fast wieder nüchtern. Doch schon mit dem nächsten Satz war die Klarheit aus seiner Stimme wieder verschwunden.

„Was Neues in Köln?“

Kurz rieb er an seiner Wange. Dort hatte er sich beim Rasieren geschnitten – wie damals manchmal in Ruhrort, als ich ihm oft zusah. Auf meinem Schemel neben dem Waschbecken hatte ich ängstlich auf den Bluttropfen an seiner Wange gestarrt. Beruhigend lächelte er zu mir herunter. Dann riss er ein Fitzelchen Papier von einer Zeitungsseite ab und legte es auf die Wunde. Mitsamt Schemel zog er mich später vor das Waschbecken, gab mir den Rasierpinsel und die Seife für den Schaum. Ich mochte es, diesen Schaum zu verteilen. Wie Sahne im Gesicht. Behaglich. Den Rasierer legte er für mich bereit.

Er blieb nicht, wenn ich mir sorgsam den Schaum von meinen Wangen zog. Ich mochte diese erste deutliche Spur, die mir gelang. Ein breiter, genau sichtbarer Pfad Haut kam zum Vorschein. Nur dieses kratzende Geräusch vermisste ich. Wenn mein Vater sich rasierte, war es immer zu hören. Ohne Klinge kein Kratzen. Zu meiner großen Erleichterung war der Rasierer nie scharf, und doch hörte ich nicht auf, das Kratzen zu vermissen.

Während wir zum Rasen sahen, wo die Mannschaften wieder aufliefen, begann ich von Joseph Roth zu erzählen. Warum hatte ich mich ausgerechnet mit ihm beschäftigten müssen? Nichts hatte ich über ihn gewusst. Mühsam suchte ich nach Worten zu seinen Romanen, zur „Kapuzinergruft“, zu Österreich. Immer wieder geriet ich in diese lähmende Nähe des Unaussprechlichen. „Der heilige Trinker“. Joseph Roth, ein versinkender Mensch im Pariser Exil. Auf Fotografien aus dieser Zeit wirkte er wie ein Greis, ein hutzeliges Männchen von Anfang 40, immer ein Glas zur Hand. Anstoß. Endlich konnte ich wieder schweigen. Fußball. Deshalb waren wir da.

Noch hatte ein Ausgleichstor die Tür zum Aufstieg noch einmal öffnen können. Bald schon tauchte wieder Roland Wohlfahrt im Strafraum auf. Ich werde wohl auf Zehenspitzen gestanden haben. Der Ball hinter der Linie, doch nicht das ganze Stadion in Freude. Der Abseitspfiff schaffte Klarheit. Kam er mir zur Hilfe? Wie hätte ich Jubeln können? Offen sein für diese Freude und offen werden für alles andere? Unter Menschen, die mich nicht bemerkten. Nicht sie. Nicht er. Niemand war da. Und doch war ich enttäuscht. Ich wäre über den Ausgleich glücklich gewesen. Mich fürs erste zu retten, damit kannte ich mich aus.

Er berührte mich am Arm. „Ich bin gleich wieder da.“

„Muss das …?“, begann ich leise und sprach nicht weiter. Er lächelte schief, ganz kurz, gemeint als Beruhigung. So redete ich es mir ein. Auf dem Spielfeld ein Freistoß von halbrechts, gefährlich. Ich ahnte, was nun geschah. Das Frankfurter Freistoßtor sah ich ohne Enttäuschung. Keine Zeit war geblieben zu bangen. Fakten geschaffen. Der Rest des Spiels blieb noch auszuhalten. Ich ging nie vor dem Schlusspfiff. Eine Chance hatte der MSV nun nicht mehr. Als das dritte Tor für Frankfurt fiel, bemerkte ich den Selbstbetrug. Niemals finde ich mich ab. Immerzu hoffe ich weiter. Immerzu, ein Leben lang.

Er kam zurück. Winzigste Regungen in seinem Gesicht wahrnehmen, ohne zu beobachten. Dann beobachten und darauf warten, wie er was sagte, Tonfall studieren. Wie viel ist hinzugekommen. Fiel sein Verhalten jemand auf?

Möglichkeiten der Eintracht, mehr als genug. Jedes weitere Tor nahm ich gefasst hin. Starr. Schicht um Schicht sickerte alles Lebendige ins Innerste. Zurück blieb die Fassung, ein steinerner Körper. Der blickte auf das Spielfeld. Ein letzter hilfloser Schuss aus dritter Reihe von einem Duisburger Spieler. Der Schlusspfiff. Verloren mit fünf zu null Toren. Enttäuschung auf dem Spielfeld. Bei mir hatte sie keine Chance mehr.

Ich sah ihn an. Er nickte, und wir liefen mit der Menge Richtung Ausgang.

Kein Aufstieg. Das Rückspiel würde daran nichts mehr ändern. Für diesen Tag hörte ich auf zu hoffen. Bald aber sahen wir uns wieder. Ganz von alleine erschien mir jede Hoffnung dann wieder völlig vernünftig. In Ruhe zu Hause malte ich mir immer die Zukunft aus. Für mich, für uns alle, die wir im Stadion waren. Morgen kann es schließlich doch wieder anders werden. Das wusste ich durch jede gute Geschichte, die ich jemals gelesen hatte. Immer weiter. Immer weiter. Ein Leben lang.

Sommerpausenlektüre – Der elfte Mann von Erich Loest

2015-06_Loest_CoverEin Freund stöbert gerne in Leipziger Antiquariaten. Vor ein paar Wochen hat er mir nach seinem Leipzig-Aufenthalt ein Buch mitgebracht, das eine meiner Sommerpausenlektüren geworden ist: „Der elfte Mann“ von Erich Loest in einer Ausgabe aus der DDR, im Mitteldeutschen Verlag erschienen, die 2. überarbeitete Auflage von 1969. Das Buch riecht nach alten Zeiten. Das Papier fühlt sich so sehr nach alten Zeiten an, dass man glauben kann, nach der Lektüre vom Staub schwarze Finger bekommen zu haben. Auch die Geschichte handelt von alten Zeiten, aber wie und was erzählt wird, ist keineswegs alt und überholt.

Erich Loests Sprache wirkt meist zeitlos und sein Stil mit seinen eingestreuten Einwort- und Kürzestsätzen geradezu modern. Durch seinen Anspruch alltägliche Realität verdichtet abzubilden, wird auch ein Unterhaltungsroman über den Erstligafußball der DDR zu einem Blick auf die Gesellschaft in den 1960er Jahren. Erich Loest erzählt vom Spieler einer Oberligamannschaft mit Aussicht auf die DDR-Fußballerkarriere in der Nationalelf. Er fühlt sich im Konflikt mit den Ansprüchen der Hochschulausbildung und denen der Freundin. Loest zeigt einen Menschen, der seinen Platz in dieser DDR-Gesellschaft sucht, der seinen erhofften beruflichen und sportlichen Erfolg und die dafür notwendigen Anstrengungen mit persönlichem Glück und Zufriedenheit abgleichen muss. 2015-06_Loest_ImpressumSehr gegenwärtige Themen für junge Menschen! Das ging mir durch den Kopf. Die Forderungen in der DDR-Gesellschaft kamen seinerzeit nur nicht von Unternehmen und der „Wirtschaft“ sondern von Vertretern des Staates in den verschiedenen Bereichen dieser DDR-Gesellschaft, ob im Fußball oder in der Wissenschaft. Erich Loest erzählt die ideologische Grundlage dieses DDR-Lebens ganz selbstverständlich mit.

Darüber hinaus wirft er auf sehr gelungene Weise einen Blick auf die Fußballerwelt. Oft misslingt es Autoren ihre Literatur mit dem eigentlichen Sport Fußball, also der Beschreibung seiner Ereignisse sinnvoll zu verbinden. In „Der elfte Mann“ findet Erich Loest für den Spielbericht eine erzählerische Notwendigkeit. Das Erleben eines Fußballspiels aus der Spielersicht macht dem Leser die eigentliche Verbindung dieses Sports mit dem persönlichen Glück des Spielers deutlich. Auf diese Weise kontrastiert Loest geschickt das individuelle Erleben, den individuellen Glücksanspruch mit den Forderungen, die auf den Staat DDR bezogen sind.

Man muss sich vergegenwärtigen. Erich Loest wurde von der Staatsmacht misstrauisch beäugt. Konterrevolutionäre Gruppenbildung hatte man ihm 1957 vorgeworfen. Zu sieben Jahre Haft in Bautzen war er verurteilt worden. Seit 1964 war er wieder auf freiem Fuß und durfte seinen Lebensunterhalt als Schriftsteller verdienen. Konterrevolutionär konnte man schon sein, wenn man die Wirklichkeit der DDR einfach nur genau beschrieb.

Vor einem Jahr habe ich schon einmal einen längeren Text über Erich Loest geschrieben. Dabei standen sein Roman „Nikolaikirche“ und der Erfahrungsbericht zur DDR-Zensur „Der vierte Zensor“ im Mittelpunkt. Ich kann mich nur wiederholen, wer die DDR mit ihrem Alltag im Roman kennenlernen will, lese Erich Loest. Dass man zudem gut unterhalten wird mit der Lektüre, ist ein nicht zu verachtender Nebeneffekt.

Außerdem war Erich Loest seiner Zeit voraus. Er wusste um die Aura dieses einen Wortes, das heute vom DFB zur Marke gemacht wurde: DIE MANNSCHAFT. Über Markenschutz hat er sich damals wahrscheinlich aber keine Gedanken gemacht.

2015-06_Loest_DIE_MANNSCHAFT

 
 

Und ab in den Meidericher Kanon des literarischen Fußballs.

Halbzeitpausengespräch: Die 7. offene Lesebühne von DU schreib(s)t – Das Auftrittsangebot für junge Texter und Autoren

Bühne frei für Texte von jungen Duisburgern. So heißt es am 3. Juni wieder in der Bezirksbibliothek Hamborn um 16.30 Uhr. Einmal im Halbjahr bietet DU schreib(s)t, das Duisburger Netzwerk für literarisches Schreiben von Jugendlichen, im Norden Duisburgs eine offene Lesebühne, damit junge Duisburger sich mit ihren Werken dem Publikum präsentieren können. Alle jungen Schreibenden sind gefragt. Jeder kann kommen. Jeder erhält die Möglichkeit, seinen Text zu lesen.

DU schreib(s)t – 7. offene Lesebühne
Junge Duisburger lesen aus ihren Texten
Ort: Bezirksbibliothek Hamborn, Schreckerstr. 10
Zeit: 3. Juni 2015 um 16.30 bis ca. 18.00 Uhr

Bei Lampenfieber stehe ich als Moderator des Nachmittags den Jugendlichen zur Seite. Was gelesen wird, bestimmen die jungen Duisburger selbst. Das können sowohl Rap als auch Liedtexte sein oder nur ein Gedicht. Es kann eine Kurzgeschichte sein oder der Ausschnitt einer längeren Erzählung. Von der Teilnehmerzahl hängt ab, wie viel Auftrittszeit jemand auf der Bühne bekommt.

Anmelden wäre schön, aber selbst der spontane Sprung auf die Bühne ist möglich. Wer schon jetzt weiß, dass er am 3. Juni auf die Bühne möchte, schreibt eine E-Mail an ralf.koss[at]web.de oder ruft im Jugendzentrum Zitrone unter 0203-479 48 88 an.

DU schreib(s)t – Eine Initiative von Lemonhaus e.V.
Im Programm vom Kulturrucksack NRW
in Kooperation mit
Jugendzentrum Zitrone, Jungs e.V., jugendstil – kinder- und jugendliteraturzentrum nrw, Bezirksbibliothek Hamborn, Förderschule Kopernikusstraße, Gesamtschule Emschertal, Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium, Gesamtschule Meiderich,
Max-Planck-Gymnasium, PSAG– Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft Duisburg, Bürgerhaus Neumühl

Akzente inoffiziell: Heimat Duisburg – Jugendliche schreiben über ihre Stadt

Seit einigen Jahren engagiere ich mich im Duisburger Norden  für das literarische Schreiben von Kindern und Jugendlichen. Im Jugendzentrum Zitrone in Obermarxloh habe ich dabei meine Basis. Schreibwerkstätten finden regelmäßig in Kooperation mit umliegenden Schulen und anderen Einrichtungen der Jugendhilfe statt. Am Mittwochnachmittag öffne ich eine Art Literaturbüro im Jugendzentrum. Zudem bieten wir interessierten Jugendlichen im Juni und Dezember die Möglichkeit, auf einer offenen Lesebühne in der Bezirksbücherei Hamborn eigene Texte einem Publikum vorzustellen. Auf der Seite von DU schreib(s)t gibt es die Möglichkeit, Texte online zu veröffentlichen. An anderer Stelle habe ich mich schon einmal ausführlicher mit den Schreibprojekten und deren Bedeutung für die lokale Kultur befasst.

Im Laufe der Zeit haben die jungen Autorinnen und Autoren auch einige Texte über ihre Heimatstadt Duisburg geschrieben, passende inoffizielle Beiträge zum Akzente-Programm dieses Jahres.

Meine Stadt

Von Fatih, 18 Jahre

Oh Duisburg, du bist mir weit weg
die Sonne lacht mir nicht mehr.
Hier am dunklen Pollman-Eck
sieht man nur noch Straßenteer.
Unsre Vorfahren hatten es versäumt
sich gemeinsam bringen zu dem Einklang.
Doch heutzutage hat jeder ’nen Freund,
denn nur paarweise geht man zum Spaziergang
In der Nacht wird es gefährlich,
denn es herrscht Kriminalität.
Sogar die die Beamten sind ängstlich,
was die Migranten angeht.
Dennoch liegt’s mir im Herz,
denn nur du glühst mir als Kerz.

 

DUISBURG …
… Im Herzen des Ruhrgebiets

Von Yasin, 17 Jahre

Mitten im Ruhrgebiet gibt es eine Stadt, die hat ca. 500.000 Einwohner. Diese Stadt ist geprägt durch Industrie, Kultur und Stil. Eine Industriestadt, welche die Kultur und Stil miteinander vermischt. Eine Industrie mit Stil, Licht und Ansehen. Vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang ist der Horizont ein Erlebnis, die Luft anders. Die Industriewolken schweben nur vor sich hin, prägen den Horizont mit und verändern die Atmosphäre. In der Luft riecht man nicht nur Industrie sondern auch Multikulturalität. Menschen verschiedener Herkunft auf einem Haufen versammelt, ergeben eine Gemeinschaft. Die Gemeinschaft „Duisburg“ Hand in Hand. Zusammen schafft man alles, egal ob weiß oder schwarz, ob Christ oder Moslem, was zählt ist der Zusammenhalt, das Verständnis füreinander. So ist Duisburg ein Misch-Masch aus allem. Die Menschen leben miteinander und sind füreinander da, wie man es sich so wünschen mag. Das bedeutet „Duisburg”. Duisburg bedeutet nicht nur Wirtschaft, sondern Sozial. Sozial gehört auch zu Berufen. Berufe? Gibt es genug, Möglichkeiten umso mehr. Möglichkeiten die meist verschenkt oder meist genutzt werden. Jeder hat es selber in der Hand. Vom Bäcker bis zum Konditor, vom Architekt zum Ingenieur ist alles dabei. Duisburg bedeutet „Möglichkeiten“. Nicht nur Möglichkeiten sondern auch Sport und Spaß bietet die stilvolle Industriestadt. Große Parkanlagen, Sportfelder und Plätze zum Toben wo das Auge reicht. So grau der Himmel auch scheint, grün ist es immer noch am Erdboden. Junge Leute die ein breites Grinsen im Gesicht haben, sind jene, die es genießen in dieser Stadt zu leben. In dieser Stadt der Vielfalt. In dieser Grüngrauen Stadt. Vielfalt bedeutet „Duisburg“. Fortschritt, Entwicklung und Potenzial ? Das haben unsere Jungen Duisburger und älteren Unternehmer. Was ein Unternehmer denkt, vorausschaut, dass kann ein junger Duisburger schon längst, falls Menschenverstand vorhanden ist. Bunte Farben im Abendlicht zu sehen in der Industrie, glückliche Gesichter zu sehen in der Gemeinschaft, motivierte Bewegungen zu sehen, bei den jungen und alten Leuten. Nicht nur wissen was ist Duisburg sondern Duisburg erleben, bedeutet „Duisburg“.

Die folgenden zwei kurzen Gedichte sind ebenfalls von Yasin

STILVOLLE INDUSTRIE

Wo gibt es so schöne Lichter wie hier inmitten einer dunklen Industrienacht,
lasst sie einfach reden, ahnungslos wie jeder so über unsere Stadt lacht,
sind wir stolz auf uns trotz kleiner Mängel, was uns zu „Duisburgern“ macht,
denn es reicht keine Beschreibung für die Natur, die dies alles verursacht.

GRAUER HORIZONT, GRÜNE STADT,
WAS UNS SO BESONDERS MACHT,
UNSER NAME UNSER SYMBOL,
FÜR VIELFALT UND GEMEINSCHAFT,
DAS IST DUISBURG, UNSERE KRAFT!

Heimat Hamborn

Von Irem, 12 Jahre

Manchmal gehe ich auch raus, wenn es regnet.
Ich mache einen Spaziergang.
Ich sehe Menschen, die um mich herum sind.
Ich sehe die grüne Döner-Bude.
Ich laufe über die Steine, über die auch die Autos fahren.
Das große Askania-Haus sieht auch im Regen wunderschön aus.

Heimat Hamborn

Von Alina, 13 Jahre

Hier in Hamborn wohnen Affen,
die ihr ganzes Leben lachen.
Ein Ohr hier, ein Ohr dort.
Sie bleiben alle und gehen nicht fort.

Sieht man in den Himmel rauf,
dann fliegt man hoch hinaus.
Niemand läuft wie jede Maus.

Von jedem das schiefe Grinsen.
Es regnet jetzt Linsen.
„Macht den Regenschirm auf!“
Nach Hause, ich lauf’

Alle Affen lachen,
doch ich kann nichts machen.
Niemand hört mehr auf.
Ich gehe schnell nach Haus.

Mit einem Klick weiter zu allen Beiträgen des inoffiziellen Akzente-Programms im Zebrastreifenblog.

Halbzeitpausengespräch: Die 6. offene Lesebühne von DU schreib(s)t – Das Auftrittsangebot für junge Texter und Autoren

Bühne frei für Texte von jungen Duisburgern. So heißt es am 17. Dezember wieder in der Bezirksbibliothek Hamborn um 16.30 Uhr. Einmal im Halbjahr bietet DU schreib(s)t, das Duisburger Netzwerk für literarisches Schreiben von Jugendlichen, im Norden Duisburgs eine offene Lesebühne, damit junge Duisburger sich mit ihren Werken dem Publikum präsentieren können. Alle jungen Schreibenden sind gefragt. Jeder kann kommen. Jeder erhält die Möglichkeit, seinen Text zu lesen.

DU schreib(s)t – 6. offene Lesebühne
Junge Duisburger lesen aus ihren Texten
Ort: Bezirksbibliothek Hamborn, Schreckerstr. 10
Zeit: 17.  Dezember 2014 um 16.30 bis ca. 18.00 Uhr

Bei Lampenfieber stehe ich als Moderator des Nachmittags den Jugendlichen zur Seite. Was gelesen wird, bestimmen die jungen Duisburger selbst. Das können sowohl Rap als auch Liedtexte sein oder nur ein Gedicht. Es kann eine Kurzgeschichte sein oder der Ausschnitt einer längeren Erzählung. Von der Teilnehmerzahl hängt ab, wie viel Auftrittszeit jemand auf der Bühne bekommt.

Anmelden wäre schön, aber selbst der spontane Sprung auf die Bühne ist möglich. Wer schon jetzt weiß, dass er am 17. Dezember auf die Bühne möchte, schreibt eine E-Mail an ralf.koss[at]web.de oder ruft im Jugendzentrum Zitrone unter 0203-479 48 88 an.

DU schreib(s)t – Eine Initiative von Lemonhaus e.V.
in Kooperation mit
Jugendzentrum Zitrone, Jungs e.V., jugendstil – kinder- und jugendliteraturzentrum nrw, Bezirksbibliothek Hamborn, Förderschule Kopernikusstraße, August-Thyssen-Realschule, Gesamtschule Emschertal, Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium, Gesamtschule Meiderich, Max-Planck-Gymnasium, PSAG – Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft Duisburg

Halbzeitpausengespräch: Die 5. offene Lesebühne von DU schreib(s)t – Junge Autoren gesucht

Bühne frei für junge Autoren. So heißt es am 4. Juni wieder in der Bezirksbibliothek Hamborn um 16.30 Uhr. Einmal im Halbjahr bietet „Du schreib(s)t“, das Duisburger Netzwerk für literarisches Schreiben von Jugendlichen, im Norden Duisburgs eine offene Lesebühne, damit junge Autoren sich dem Publikum präsentieren können.

DU schreib(s)t – 5. offene Lesebühne
Junge Duisburger lesen aus ihren Texten
Ort: Bezirksbibliothek Hamborn, Schreckerstr. 10
Zeit: 4. Juni 2014 um 16.30 bis ca. 18.00 Uhr

Bei Lampenfieber stehe ich als Moderator des Nachmittags den Jugendlichen zur Seite. Was gelesen wird, bestimmen die jungen Autoren selbst. Das können sowohl Rap als auch Liedtexte sein oder nur ein Gedicht. Es kann eine Kurzgeschichte sein oder der Ausschnitt einer längeren Erzählung. Von der Teilnehmerzahl hängt ab, wie viel Auftrittszeit ein Autor auf der Bühne bekommt.

Wer sich für den Nachmittag am 4. Juni  anmelden möchte, schreibt eine E-Mail an r.koss[at]lemonhaus.de oder ruft im Jugendzentrum Zitrone unter 0203-479 48 88 an.

DU schreib(s)t – Eine Initiative von Lemonhaus e.V.
in Kooperation mit
Jugendzentrum Zitrone, Jungs e.V., jugendstil – kinder- und jugendliteraturzentrum nrw, Bezirksbibliothek Hamborn, Förderschule Kopernikusstraße, August-Thyssen-Realschule, Gesamtschule Emschertal, Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium, Gesamtschule Meiderich, Max-Planck-Gymnasium, PSAG – Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft Duisburg

Halbzeitpausengespräch: RB Leipzig und die andere mögliche Fußballgeschichte bei Erich Loest

Eigentlich war es anders geplant. Eigentlich wollte ich heute einen sicheren Aufstiegsgruß nach Leipzig schicken, um diesem Aufstieg etwas wirklich Gutes abzugewinnen: Aufmerksamkeit für den 1926 geborenen und 2013 gestorbenen Schriftsteller Erich Loest. Sein großes Lebensthema waren die Wirklichkeit der DDR insbesondere die in Leipzig, die deutsche Teilung und Wiedervereinigung. Nun kommt es  anders, besser, der Aufstieg von RB Leipzig ist nicht mehr so sicher, weil die DFL die Zweitliga-Lizenz verweigerte. RB-Financier Dietrich Mateschitz polterte herum, machte sein Fußballprojekt nicht gerade sympathischer und noch mehr Menschen interessieren sich nun für das Geschehen rund um RB Leipzig. Ein paar von ihnen werden mit Sicherheit von Google nach Veröffentlichung des Textes nun auch hier vorbei geschickt. Um so besser für das Werk von Erich Loest. Danke DFL, Danke Dietrich Mateschitz, Danke RB Leipzig.

Mein Gruß nach Leipzig ist eine Erinnerung an den dortigen Fußball der Vergangenheit. Erich Loest schildert in seinem Roman „Nikolaikirche“ das Geschehen vor der Montagsdemonstration in Leipzig am 9.Oktober 1989, die ein Wendepunkt für die Geschichte der DDR werden sollte. Die Handlung füllt Erich Loest mit vielen Details des Alltags und des Geschehens damals, um die Besonderheit dieser Zeit fassbar zu machen. Der Fußball ist ihm in einer kleinen Szene Sinnbild für diese Zeit. Dazu muss man wissen, die Anhänger der beiden Leipziger Fußballvereine Lokomotive Leipzig und BSG Chemie Leipzig waren aufs Tiefste verfeindet. Ihr ahnt, wie Erich Loest diese Feindschaft symbolhaft nutzt? Kurz vor der Demonstration erlebt eine der Hauptfiguren des Romans folgende Szene:

[…] und so gab sie das vierte Blatt zwei jungen Männern, denen nicht anzusehen war, auf welcher Seite sie standen. Drei Jugendliche vor dem Kaufhaus waren schon eher einzuordnen, der eine trug einen weißgrünen ‚Chemie‘-, der andere einen blaugelben ‚Lok‘-Schal, heute waren sie keine Rivalen. Einer schaute sie verblüfft an und bedankte sich.

Erich Loest, Nikolaikirche, 1995, dtv-Ausgabe 1997, 505

Wenn schon tief verfeindete Fußballfans friedlich nebeneinander stehen, wie stark muss dann der Zusammenhalt der Bürger der DDR gegen die Staatsmacht sein? Nicht dass ihr denkt, hier arbeitet jemand mit dem Holzschnitt. Es ist nur ein winziger Moment im Roman, der das Romangeschehen an die Realität binden soll. Als Gruß hier ist dieser winzige Moment auch eine Erinnerung daran, dass in Leipzig das Potential für eine andere Geschichte vorhanden war, eine Geschichte, in der Dietrich Mateschitz keinen Platz gehabt hätte. Eine Teilstrecke dieses Weges wurde mit dem VfB Leipzig ja versucht.

An anderer Stelle im Roman klingt auch ein Grund für die Feindschaft zwischen den beiden Vereinen an, und wir sehen, die heutigen Großunternehmen sind damals SED-Politiker:

Vor sich hörte er, die rabiate Politik gegen die Fußballer von ‚Chemie‘ sei an vielem Schuld; der Mann sagte ‚Schemmie‘ und betonte es auf der ersten Silbe. Sie hätten den traditionsreichen Arbeiterverein systematisch kaputtgemacht. Die Namen der Helden ‚Chemie‘ klangen wie die von Heiligen: Manne, Walter, Schere und natürlich Bauchspieß.

Erich Loest, Nikolaikirche, 1995, dtv-Ausgabe 1997, 513

Auch wenn „Nikolaikirche“ durch die Verfilmung vielleicht das populärste Werk von Erich Loest wurde, wirkt dieser Roman durch Loests Absicht, die Zeit vor der entscheidenden Leipziger Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 in möglichst vielen Perspektiven zu zeigen weniger literarisch als andere seiner Romane. Schlaglichter erhellen die Vorgeschichte und machen mit vielen Figuren die zum Teil gegenläufigen und vielschichtigen Geschehnisse dieser Zeit fassbar. Er nähert sich mit dieser Form einem Dokumentarroman. Literatur bedeutet hier nur die Freiheit, Figuren zu typisieren und anzuordnen, um die Vielfältigkeit des Geschehens emotional greifbarer zu machen.

Erich Loest schrieb realistische Literatur mit starken Geschichten, ohne die Psychologie seiner Figuren aus dem Blick zu verlieren. Er war ein eigenwilliger Querdenker, der sich der politischen Einordnung entzog. Sieben Jahre saß er in Bautzen ein, ab 1957 wegen angeblicher „konterrevolutionärer Gruppenbildung“. Nach der Haftentlassung begann er unter Pseudonym Kriminalromane zu schreiben. Für ihn war es ein Broterwerb, und erst 1977 erschien unter seinem Namen mit „Es geht seinen Gang oder die Mühen der Ebene“ ein Roman, der für ihn wieder eine wirkliche Bedeutung hatte.  Dessen erste Auflage in der DDR war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Eine zweite Auflage kam zwar nach längeren Auseinandersetzungen auf verschiedenen Ebenen mit der Staatsmacht in den Verkauf. Danach wurde er aber verboten. Es war ein Roman, der immer wieder abgetippt wurde, ein Roman, für dessen einzelne Exemplare in privaten Zirkeln Wartelisten für den nächster Leser angelegt wurden.

Dieser Roman war bei seinem Erscheinen ein unerhörtes Ereignis in der DDR.  Viele dachten, wenn so etwas veröffentlich werden konnte, dann gab es noch Hoffnung für die Entwicklung der DDR. So etwas, das war die Geschichte eines Familienvaters von Anfang 30, der von seinem Leben nichts anderes wollte als in Ruhe gelassen zu werden. Er wollte seinen Beruf gut ausfüllen, er wollte ein guter Vater sein, ein guter Ehemann. Mehr nicht. Seine Frau aber wollte, dass er ein Aufbaustudium macht.  Staatsvertreter wollten, dass er Prinzipien der Macht über die der persönlichen Einsicht stellt, und so beginnt dieser junge Familienvater, ohne es wirklich zu wollen, quer zu der Gesellschaft zu stehen. Wofür es in der Gesellschaft der DDR keinen Platz gab.

Zwangsläufig kam es zu Auseinandersetzungen um den Roman. Die Staatsführung sah sein Erscheinen als Fehler an. Die Leser focht das nicht an. Sie waren begeistert über diesen Roman. Nach den Auseinandersetzungen um den Roman siedelte Erich Loest  1981 in die BRD über. Er war eigener Kopf, der regelmäßig aneckte. Er wollte Wirklichkeit möglichst genau beschreiben und vergaß dabei das Unterhaltungsbedürfnis seiner Leser nicht. Wenn ihr nur einen einzigen Roman von Erich Loest lesen wollt, dann  empfehle ich euch „Es geht seinen Gang oder die Mühen der Ebene“. Mit diesem Roman gelang es Loest beeindruckend sowohl eine starke Geschichte zu entwickeln, die Figuren psychologisch tief zu zeichnen und nicht zuletzt die Wirklichkeit der DDR  Mitte der 1970er Jahr plastisch und eindrücklich zu schildern. Dieser Roman ist trotz seiner Bindung an die DDR-Wirklichkeit zeitlos gültig. Menschen wie dieser junge Familienvater bekommen mit ihrer Haltung Schwierigkeiten auch in einer Gesellschaft, die vom kapitalistischen Ehrgeiz getrieben wird. Wer dann noch eine Art „Making of“ lesen möchte, den Blick hinter die Kulissen der Kulturpolitik der DDR und des pragmatischen Handelns eines Autors, der veröffentlichen will, der lese von Erich Loest „Der vierte Zensor“, die Dokumentation zu besagtem Roman. Mit zwei Büchern die ganze DDR erzählt!


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