Posts Tagged 'Markus Babbel'

Unternehmenskultur Hertha BSC?

Die Sportjournalisten stecken bei ihren Kommentaren zur Entlassung von Markus Babbel in dem Dilemma nicht recht Stellung beziehen zu können, weil ja niemand bei diesen Gesprächen zwischen Michael Preetz und Markus Babbel dabei gewesen ist. Hier steht übrigens in der Süddeutschen Zeitung noch einmal die Geschichte der Trennung in der Montagsversion.

Würde aber Partei ergriffen in den Kommentaren, müsste diese Parteinahme doch per ausführlicher Argumentation untermauert werden.  Dafür gibt es doch gar keinen Platz. So habe ich bislang nur recht allgemeine Aussagen gelesen, die zur Quintessenz  haben das Ansehen des Fußballs leidet oder auch das von Hertha BSC Berlin.

Allerdings gibt es auch Stimmen, die an das Zerwürfnis mit Lucien Favre erinnern und daraus vorsichtige Schlüsse zum Kommunikationsverhalten von Michael Preetz ziehen. Andererseits ging es damals nicht um die gewünschte Weiterverpflichtung sondern um die gewünschte Entlassung. Man kann aber ein wenig weiter zurück blicken und feststellen, unabhängig von der Person Preetz hat es schon einmal eine nun beobachtete Entwicklung bei einer Personalentscheidung gegeben. In Sebastian Deislers 2009 erschienenen Biografie „Sebastian Deisler – Zurück ins Leben“ heißt es, Dieter Hoeneß hätte ihn gebeten, den feststehenden Wechsel zum FC Bayern München nicht öffentlich zu machen. Die Entwicklung damals war identisch. Es gab Unruhe um Sebastian Deisler, bis Dieter Hoeneß mit einer Version des Wechsels an die Öffentlichkeit trat, die Sebastian Deisler zum Buhmann machte. Sebastian Deisler fühlte seine Loyalität missbraucht.

Sollte man da von einer generationsübergreifenden Tradition scheiternder Kommunikation sprechen? Darüber könnte in Berlin mal nachgedacht werden. Gut, dass wir in Duisburg ganz andere Probleme haben. Da bleiben der sportliche Bereich wenigstens außen vor und die Funktionäre beim Verkünden ihrer unterschiedlichen Wahrheiten unter sich.

Hoffentlich weiß Markus Babbel, wie er seine Kinder erzieht

Nach einem gewonnenen Spiel lässt sich natürlich erst recht ganz entspannt die Verwirrung beim unterlegenen Gegner betrachten. Doch schon beim Lesen der Vorberichterstattung zum Spiel von Hertha BSC Berlin gegen den MSV Duisburg hatte ich den Eindruck, in Berlin waren die Maßstäbe zur Bewertung von Charaktereigenschaften etwas durcheinander geraten. Ich hatte nur keine Zeit, dazu etwas zu schreiben.

Der Niederlage gegen den MSV Duisburg gingen ja schon andere schlechte Spiele von Herha BSC Berlin voraus, und Markus Babbel wurde in vielen Medien mit den Worten zitiert: „Wir wollen zu Hause wieder unser gutes Gesicht zeigen und dominant auftreten. Ich will die Gier sehen, die Punkte zu holen. Wenn wir das tun, dann werden wir auch gewinnen!“ Ich las das Wort Gier und zuckte kurz zusammen. Nun gut, dachte ich, das ist Fußball, und manchmal vergreift sich einer im Ton, wenn er meint, besonders energisch sein zu müssen. Doch nach der Niederlage haut Markus Babbel nun in dieselbe Kerbe: „Da war keine Gier, kein Engagement, keine Laufbereitschaft“, so wird er im Tagesspiegel zitiert.

Ich will für Markus Babbel hoffen, dass er das Wort Gier auf eine sehr eigene Weise versteht, wenn nicht würde ich mir als Anhänger von Hertha BSC Berlin ein wenig Sorgen um den sportlichen Erfolg meiner Mannschaft machen. Ich bin zwar nicht ganz so beckmesserisch beim Umgang mit Sprache wie so mancher Kollege, wer aber tatsächlich meint, Gier sei eine zu fördernde Eigenschaft im Menschen, dem möchte ich zu ein wenig Kindheitserinnerung raten. Herr Babbel, haben Ihre Eltern Sie etwa immer dazu ermuntert, sich den Teller noch voller zu machen als er schon war? Hieß es bei Ihnen zu Hause, Markus, jetzt sei doch mal etwas gieriger, du hast ja den Gästen noch etwas zu essen übrig gelassen? Das geht doch nicht, Markus, reiß dich mal am Riemen, und nimm Ihnen endlich alles weg. Klingt komisch, oder? Auch dann noch, wenn man die Gier später dann von erwachsenen Fußballspielern einfordert.

Einer, einer … einer ist bald raus

Wieviel angenehmer für das Wohlbefinden ist es doch, sich im Leben am richtigen Platz zu fühlen. Wieviel schlechter geht es den meisten doch, die das große Glück erst in der Zukunft sich erhoffen. Wir, beim MSV Duisburg, befinden uns gerade im Hier und Jetzt. Wir haben all jene Enttäuschungen schon hinter uns, die auf Hertha BSC samt Fans noch zukommen werden. Dort, bei Hertha BSC Berlin, ist alles Denken auf die Zukunft des Wiederaufstiegs ausgerichtet.

Wir – und damit meine ich, die Verantwortlichen im Verein, die Spieler im Trainingslager und uns Fans –  wir haben unsere Erwartungen mit der Wirklichkeit in Übereinstimmung gebracht. So kann jene zuversichtliche Atmosphäre entstehen, über die in den regelmäßigen tagebuchartigen Artikeln bei der Der Westen oder auch in der Rheinischen Post in den letzten Tagen zu lesen war. „Geht´s gut?“, wird gefragt. „Bajic will mit dem MSV Duisburg nach oben“. MSV-Trainer Sasic bastelt am Teamgeist. Oder Julian Koch freut sich auf seine Zeit in Duisburg. Man glaubt es wirklich, im Trainingslager gibt es eine „Mischung aus Arbeit und Spaß„. Solche Berichterstattung gehört natürlich zum Standardrepertoire der medialen Saisonvorbereitung. Wenn es in dieser Zeit nicht um die gute Laune des Kaders ginge, würde die Presseabteilung etwas falsch machen. Doch in diesem Jahr stört dieses Standard-Repertoire kein Missklang.

Und deshalb verfestigen solche Artikel die Stimmung wiederum. Sie schaffen einen Vorrat Zuversicht für die vielleicht auch kommenden schwierigeren Zeiten. Angesichts des neu zusammen gestellten Kaders konkretisiert sich als Ziel für den Erfolg ein einstelliger Tabellenplatz. Um das tatsächlich sorgenlos erreichen zu können, wäre die baldige Verpflichtung eines offensiven Mittelfeldspielers und eines hoffnungsvollen Stürmers allerdings nicht schlecht. Das aber nur am Rande, mir geht es ja mal wieder um die Stimmung. Als angenehm beim Ankommen in der Wirklichkeit erweist es sich nämlich zudem, dass wir dennoch auch frei sind für Überraschungen. Wir brauchen sie nicht für das Wohlbefinden, aber wenn sie denn kommen, diese Überraschungen, um so besser.

Wie anders muss es sich in Berlin anfühlen. Sich überraschen zu lassen, das ist für uns in Duisburg eine einfacher zu bewältigende psychische Aufgabe als jene, vor der Hertha BSC Berlin steht. Es ist ja ein Trugschluss, dass gelebte schmerzhafte Erfahrung, in diesem Fall der Abstieg, die Menschen sofort verändert. Vielleicht ist es bei einigen so, aber keinesfalls bei allen Menschen. Der Erfolg in einem Fußballverein ist aber abhängig vom Zusammenwirken vieler verschiedener Menschen, und wenn sich nur ein Teil von ihnen in der neuen Situation noch nicht eingefunden hat, wird es schwierig mit diesem Erfolg. Ich denke, Hertha BSC Berlin verabschiedet sich gerade aus dem Kreis der Aufstiegsfavoriten.

Im Selbstbild dieses Vereins hatte es in den letzten Jahren die 2. Liga nicht mehr gegeben. Jetzt spielen sie aber genau dort, wo sie eigentlich nie mehr hin wollten. Sie träumten nicht nur von ganz anderen Orten, an denen sie Fußball spielten. An ein paar dieser Orte haben sie sogar schon einmal vorbeigeschaut. Was für eine Zumutung muss das sein, sich jetzt mit einer ganz anderen Welt zu beschäftigen. Da rumpelt es nun schon zu Beginn der Saison kräftig, wenn Markus Babbel mangelnde Fitness seiner Spieler feststellen muss.

Vielleicht wäre noch was zu retten, wenn die Vereinsverantwortlichen Änis Ben-Hatira einen Berater-Vertrag geben würden. Änis Ben-Hatira würde dann auf einem Wochenendseminar eine Wandlungsgeschichte über sich  erzählen und seinen tiefen Fall als aufrüttelnde Mahung den Berliner Spielern mit auf den Weg geben. Paulus Ben-Hatira war einst Saulus, der sich in der 2. Liga allen anderen Spielern so überlegen fühlte. Er wusste tief in seinem Inneren, er hatte einen besseren Platz verdient als diesen Rasen in dieser Ruhrgebietsstadt. Er war U21-Europameister. Doch immer weniger Menschen teilten diese Meinung. Erst als selbst sein Trainer ihn nicht mehr aufstellte, rettete ihn eine Hüftoperation. Nun kann sich nicht der gesamte Kader von Hertha BSC Berlin vor der Saison an der Hüfte operieren lassen, um danach ganz von vorn anzufangen. Deshalb schimpft Markus Babbel schon jetzt. Ich denke, er wird noch oft schimpfen.

Es ist schwer für einen Verein, der sich als dauerhafter Erstligist fühlt, in der 2. Liga sofort wieder erfolgreich zu sein. Ich glaube, ein Favoritenplatz wird da im Laufe der Saison recht bald geräumt. Mal sehen, wer stattdessen da unterkommt. Wie gesagt, das Angenehme im MSV-Leben dieser Tage ist für mich, dass ich mir ganz entspannt auch mal eine Überraschung vorstellen kann.


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