Gestern las ich in einem Zeitungsartikel folgenden Spielkommentar: Die erste Halbzeit sei noch okay gewesen. Die Mannschaft habe einige Chancen gehabt. Doch nach dem Wechsel sei die schlechteste zweite Halbzeit überhaupt zu erleben gewesen, und Antworten habe man keine mehr gefunden. Was ganz nach einem Kommentar zum Montagsspiel des MSV Duisburg klingt, gehört, wie ihr natürlich längst ahnt, in eine andere Liga. In diesem Fall wurden die Fragen durch die überaus kompakte, defensive Spielweise von Inter Mailand aufgeworfen, und Michael Ballack kommentierte mit diesen Worten das Spiel vom FC Chelsea. Trotz des Unterschieds im spielerischen Niveau begegnen Mannschaften also ähnlichen Problemen mit den gleichen Folgen.
Mir geht es im öffentlichen Reden seit dem Spiel gegen den TSV 1860 München zu wenig darum, wie ein Spiel zurückwirkt auf die Leistungen der einzelnen Spieler. Mit geht es deshalb darum, weil in dieser Rückwirkung die Hoffnung für den Erfolg im nächsten Spiel liegt. Das Hauptaugenmerk der Berichterstattung liegt leider fast immer auf der Leistung einzelner Spieler. Alles andere scheint zu komplex zu sein, um es in den Medien darzustellen und zu bewerten. Natürlich war die Niederlage gegen den TSV 1860 München am Montagabend auch für mich eine Enttäuschung. Ich habe auf Spieler nach Fehlern geschimpft und mich über die schlechte Leistung der Mannschaft in der zweiten Halbzeit geärgert. Nach dem Schlusspfiff aber erwarte ich mit zunehmendem Abstand zum Spiel neben dem Ärger eine analysierende Einordnung des Spiels und eine Haltung, die über das Ausschimpfen von Spielern hinausgeht. Ich möchte gerade durch die Verantwortlichen im Verein von jener Rückwirkung hören. Schließlich gibt es einen Zusammenhang zwischen den spielerischen Möglichkeiten eines Christian Tiffert und eines Ivica Grlic und der kompakt agierenden Spielweise beider Mannschaften. Mir ist der Verweis auf die Erfahrung dieser Spieler zu wenig. Auch Michael Ballack ist erfahren und kam als Teil einer Mannschaft anscheinend mit der defensiven Spielweise des Gegners nicht klar.
Ich hatte am Montagabend in der ersten Halbzeit nicht den Eindruck, die diszipliniert spielende Mannschaft des MSV Duisburg könne nicht mit Druck umgehen. Deshalb möchte ich von der Rückwirkung des Spiels auf die Leistung der Spieler während der zweiten Halbzeit hören, weniger weil ich daraus auf fachliche Qualitäten der sportliche Verantwortlichen schließen will, sondern vor allem weil solche Worte von Seiten des Vereins die Grundstimmung innerhalb der Mannschaft und im Umfeld des Vereins beeinflussen.
So eine Enttäuschung wie nach der Niederlage gegen den TSV 1860 München öffentlich zu verarbeiten ist immer ein Tanz auf dem Hochseil. Einerseits gilt es, die Stimmung der Fans zu beachten. Dabei dürfen die Fehler von Spielern nicht verschwiegen werden. Andererseits muss das Selbstvertrauen der Spieler wieder aufgerichtet werden. Man muss also idealer Weise die Aufarbeitung der Enttäuschung im Verlaufe der Woche nach dem Spiel mit einem Blick nach vorn verbinden. Das ist beim Abschied vom Aufstiegsgedanken um so schwerer.
Beim Blick nach vorn heißt es aber auch Zurückhaltung mit der Spielerschelte. Macht man das von Vereinsseite geschlossen nicht, wirken Medien einerseits als Übermittler der schlechten Nachrichten, andererseits aber verfestigen sie dann die schlechte Grundstimmung. So kommen Sätze wie im RevierSport-Kommentar zustande: „Seit Wochen sieht man in Duisburg nur noch hängende Köpfe.“ Ich glaube diesen Satz nicht. Denn diese Wochen sind ja gerade gekennzeichnet von dem Auf und Ab der Gefühle und zwar nicht nur von Gefühlen der Fans. Ich habe in Bielefeld in freudige Spielergesichter gesehen. So ein zuspitzender Satz passt aber zur jetzt vorhandenen Grundstimmung rund um diesen Verein, die bei Enttäuschungen schnell spürbar wird in Duisburg.
Bei so einer Grundstimmung ist konstruktive Arbeit auf längere Frist überaus schwierig. Es ist also wieder einmal an der Zeit, an grundsätzliche Aufgaben zu erinnern. Denn für diese Grundstimmung in der Öffentlichkeit ist der Verein mit verantwortlich. Es ist eine mühsame Arbeit, aber sie muss getan werden. Es ist also wieder an der Zeit, an das Erarbeiten von Konzepten zu erinnern und an vorsichtige Worte von Vereinsseite. Manchmal habe ich das Gefühl, die Verantwortlichen eines Vereins – der MSV Duisburg ist damit nicht alleine – ahnen nicht, wieviel Wahrheit Anhänger eines Vereins über die Erfolgschancen ihres Vereins ertragen können. Was sie mit Sicherheit nicht ertragen, sind falsche Versprechungen.
Die Leistung des MSV Duisburg in dieser Saison angesichts der Verletzungen und Spielerverkäufe betrachtet, scheint mir bei aller Enttäuschung über den Verlauf der Saison nicht so schlecht zu sein wie sie jetzt gemacht wird. Wo stehen Rostock oder Cottbus? Lasst mich auch kurz einen Blick nach Köln werfen. Dort gibt Wolfgang Overath dem Kölner Stadt-Anzeiger ein großes Interview, um die Unzufriedenheit im Umfeld des 1. FC Köln zu dämpfen. In diesem Interview sagt er an einer Stelle: „Mir war klar, wenn die beiden Stürmer keine Tore machen, dann wird es schwer.“ Er redet über den lange verletzten Milivoje Novakovič und Lukas Podolski mit üblichen Schwierigkeiten fast aller Heimkehrer. Er hätte den Satz auch über den MSV Duisburg sagen können und hätte damit auch den verletzten Sandro Wagner gemeint und einen Dorge Kouemaha, für den es die ganze Zeit keinen Ersatz gab.
Was den wahrscheinlich verpassten Aufstieg angeht, so kann ich enttäuscht sein und muss dennoch nicht alles in Grund und Boden stampfen – allein deshalb, damit in der nächsten Saison die Stimmung rund um den MSV Duisburg nicht aus dem tiefsten Keller gehoben werden muss.
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