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Der MSV – systemisch betrachtet

Der Vertreter von Schauinsland Reisen Andreas Rüttgers hat im MSVPortal letzte Woche eine Diskussion ausgelöst, die bis heute vor sich hin mäandert. Im Wesentlichen geht es momentan noch um die Beurteilung der Arbeit von Ralf Heskamp. Für einige Zeit ging es auch um die Identität des MSV, aber meist in Abhängigkeit von Ralf Heskamps Wirken. Von Anfang an wurde Andreas Rüttgers von einem Teil der Anhänger darauf hingewiesen, was ihn offensichtlich bewegt, müsse intern bleiben und gehöre auf keinen Fall in die Öffentlichkeit.

Ich habe nicht jede Wendung des Diskussionsverlaufs nachvollzogen. Bis jetzt wollte ich im Blog auch dazu nichts schreiben. Bis jetzt dachte auch ich, je weniger Aufmerksamkeit diese Diskussion erhält, umso besser. Jede Unruhe rund um den MSV schadet dem sportlichen Erfolg. Folgende Binse sollten alle unterschreiben können, erfolgreiche Vereine sind auch deshalb erfolgreich, weil die Verantwortlichen im Fußballunternehmen ihren Vorstellungen gemäß, sich auf die notwendige Arbeit konzentrieren können. Unruhe im Umfeld macht es zudem schwieriger, die geleistete Arbeit möglichst sachlich zu bewerten.

Warum schreibe ich nun doch? Weil ohne wahrhaftiges Anerkennen der Diskussionsgrundlagen alle Aussagen der Diskussion verfälscht werden. Weil ich Andreas Rüttgers Ziel gutheiße, der MSV solle auch über den Fußball hinaus identitätsstiftend wirken. Weil ich auf ein besseres Verständnis für seine Rolle hoffe – bei ihm selbst und bei den Anhängern, die seine Aussagen als unhinterfragbare Werturteile über Arbeit beim MSV empfinden.

Wenn man den MSV als ein System betrachtet, so gehört Andreas Rüttgers zweifellos zum System. Er beeinflusst die Arbeit im Verein, selbst wenn er das selbst so nicht sieht und seinen Einfluss im Namen von Schauinsland Reisen auf das operative Geschäft immer wieder neu bestreitet. Für mich ist das der blinde Fleck von Andreas Rüttgers, der wiederum als Eigenschaft die Zusammenarbeit des MSV mit ihm bestimmen wird. So weit ich das lesend mitbekomme, ist er im Alltag des Fußballunternehmens auf vielen Ebenen immer wieder präsent. Er pflegt gute Konktakte zu unterschiedlichen Akteuren. Er machte Ivo Grlic gegenüber Vorschläge für neue Spieler, die der nicht berücksichtigte. Er möchte eine Vereinskultur der Gemeinsamkeit gelebt wissen.

Die Verantwortlichen beim MSV werden sowohl mit Aktivitäten als auch Haltungen von Andreas Rüttgers beschäftigt sein. Schließlich gäbe es den MSV ohne Schauinslande Reisen nicht mehr. Manche billigen einem Sponsor diese Art Einfluss zu, anderen ist das zu viel. Ich selbst glaube nicht an allgemein gültige Regeln, welche Form einer Zusammenarbeit von Sponsoren und Vereinen zum sportlichen Erfolg beiträgt. Abstrakt ließe sich sagen, jeder konstruktive Umgang miteinander fördert den Gesamterfolg. Konstruktiv kann man nur sein, wenn die Wirklichkeit mit all ihren Facetten wahrhaftig angesehen wird. Ich befürchte, im in den öffentlichen Diskussionen erkennbaren Selbstbild von Andreas Rüttgers ist ein Teil der Wirklichkeit nicht vorhanden. Unterschiedliche Vorstellungen über die Wege zum Erfolg lassen sich unter diesen Voraussetzungen nicht gut konstruktiv besprechen.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass Andreas Rüttgers für den MSV nur das Beste will. Ingo Wald will auch das Beste, Ralf Heskamp sicher auch, Torsten Ziegner ohne Frage, wir Anhänger. Wie sieht das Beste aus? Die Zweite Liga? Ein Verein, egal in welcher Liga, aber mit einer Wirkung über den Fußball hinaus, die Duisburg lebenswert macht? Beides zugleich? Mit welchen Entscheidungen sind die unterschiedlichen Vorstellungen zu erreichen? Je länger der Weg dauert, desto schwieriger wird es, sich einig zu werden. Zum Glück gibt es festgelegte Verfahrensweisen, in denen Richtungsentscheidungen getroffen werden. So kommen wir zum großen Thema Philosophie, Konzept, das Andreas Rüttgers ebenfalls in den sozialen Raum geworfen hat. Das machte den Eindruck eines Bandenspiels mit Ralf Heskamp in der Nebenrolle.

Es gibt genau zwei Möglichkeiten, die von Andreas Rüttgers aufgeworfene Frage „Quo Vadis, MSV“ zu beantworten. Eine Diskussion im MSVPortal gehört nicht dazu. Stattdessen gehört solch eine Frage zunächst auf eine Mitgliederversammlung und in einem zweiten Schritt vielleicht noch in eine repräsentative Anhänger- bzw. Kundenbefragung.

Die Frage warf Andreas Rüttgers auf, weil er im Handeln des MSV momentan vermisste, was ein schriftlich vorhandenes Konzept verlangte. Inhaltlich will ich gar nicht weiter darauf eingehen, weil dieses Konzept ohnehin nicht öffentlich ist. Mich erstaunt nur die Vorstellung, dieses vom Verein vorgebene Konzept brächte sportlichen Erfolg. Denn jedes Wort dazu war so allgemein gehalten, dass es in meinen Augen schwer ist, sich nicht daran zu halten.

Für mich wird mit diesem Konzept das Pferd von hinten aufgezäumt. In anderen Vereinen erfolgreiche Konzepte wurden von den jeweils aktuell arbeitenden sportlich Verantwortlichen mitentwickelt. Daraus ergab sich sportlicher Erfolg, der schließlich als Vereinskultur wahrgenommen wurde. Anschließend erst konnte diese Kultur durch die Verpflichtung von geeignetem Personal lebendig gehalten werden. Dennoch veränderten neue Trainer so eine Kultur jeweils wieder ein wenig. Um ein sportliches Ziel zu erreichen, muss ein Konzept sehr konkret sein. Irgendwelche vermeintlichen Leitplanken tragen vielleicht zur Vereinsidentität bei, für den kurz- und mittelfristigen sportlichen Erfolg sind sie ohne Wert.

Andreas Rüttgers im MSV – Ein Exkurs

Andreas Rüttgers Engagement als Repräsentant von Schauinsland Reisen begann im Zeichen der Verständigung in einer Zeit, als ein Teil der Fanszene in vehementer Opposition zu den Verantwortlichen vom MSV standen. Als Sponsonrenvertreter kannte er die Innenwelt des MSV in Teilen. Zugleich brachte er den Anhängern viel Verständnis entgegen, weil er dort jene Energie von Gemeinschaft fand, die er im Fußball-Unternehmen MSV offensichtlich vermisste. Aus jener Zeit stammt sein Portal-Nick „Diplomat“. Dem schloss sich bald eine kurze Zeit der Präsidentschaft an, die auf mich als Aufbruch wirkte. Statt in der Rolle des Vermittlers zwischen Geschäft und Vereinskultur schlug er sich mit viel Gestaltungswillen auf die Seite der Vereinskultur. In dieser damaligen Konstellation gab es wenig Zweifel, dass er im MSV Ziele verfolgte, die von einem breiten Konsens getragen waren. Andreas Rüttgers gehörte zu den Guten gegenüber den Bösen in Nachfolge von Walter Hellmich, namentlich Roland Kentsch. Der Konflikt zwischen Verein und KGaA war vorhersehbar. Er endete im Rücktritt von Andreas Rüttgers, weil er gegenüber der Geschäftsführung kein Risiko für den Verein MSV eingehen wollte. Dass sein Rücktritt keinen Rückzug aus dem Verein bedeutete, wurde bald offensichtlich. Denn der Zwangsabstieg des MSV schuf jene Gemeinschaft im und um den MSV, für die sich Andreas Rüttgers schon zuvor hatte eingesetzt. Es gab nur ein einziges Ziel, das Überleben des MSV, und Andreas Rüttgers arbeitete diese Tage mit. Damals mussten Aufgaben auf möglichst viele Schultern verteilt werden. Funktionen im Verein und in der Geschäftsführung wurden nichtig. Gleiche unter Gleichen bewältigten die immense Aufgabe, den MSV zu retten. Vielleicht macht dieser Werdegang Andreas Rüttgers weiterhin vorhandenen Gestaltungswillen verständlicher.

Diese Vereinskultur steht nun auf einem anderen Blatt. Ich verstehe den Wunsch von Andreas Rüttgers, dieser MSV möge möglichst oft von sozialen Aktivität über den Fußball hinaus getragen werden. Die Wahrheit ist aber auch, damit erreicht er nur einen kleinen Teil des zurzeit möglichen MSV-Publikums. Einem Teil dieses Publikums geht es nämlich vor allem um den sportlichen Erfolg. Sonst wäre das Stadion voller. Sonst kämen die Menschen unabhängig von Niederlage und Sieg. Paradoxerweise bestimmen diese Zuschauer aber durch ihre Präsenz die soziale Bedeutung des MSV mit. Damit schreibe ich aber nun auch über inhaltliche Fragen der Diskussion. Was ich eigentlich gar nicht wollte. Machmal erkennt man, die Wirklichkeit und sich selbst darin nicht gleich ganz klar.

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Torsten Ziegners Zeit für Sachlichkeit

Wenn Hoffnungen sich erfüllen, beginnt ein Tag mit guter Laune. Vorhin habe ich die Pressekonferenz des MSV vor dem Spiel gegen den Halleschen FC gesehen, und Torsten Ziegners Worte erleichtern mich sehr. Er ordnet seine Anklage an die Mannschaft nach der Niederlage gegen RWO ein. Aus der Enttäuschung heraus habe er bewertet. Da könne man auch mal falsch liegen. Einsatz hätten die Spieler gezeigt. Solche Worte hatte ich mir erhofft, weil mich Ziegners erste Reaktion nach der Niederlage sehr sorgte. Aus zwei Gründen: zum einen hatte ich die Mannschaft nicht so leidenschaftslos erlebt wie ihr Trainer. Zum anderen hoffe ich immer auf Kontinuität der Arbeit im Verein, die nur mit Ruhe und Geduld entsteht. Letzteres ist im Ruhrgebiet immer schwierig zu gewährleisten. Die Publikumskultur beim MSV lässt sich nur über einen langen Zeitraum beeinflussen, wenn überhaupt. Die Arbeit für die Ruhe und Geduld muss im Verein selbst beginnen. Auch mit den geeigneten Worten an besagtes Publikum.

Hansi Flick hatte am selben Tag nach einem ähnlich enttäuschenden Erlebnis ein gutes Vorbild gegeben. Wir Anhänger und die Spieler lernen Torsten Ziegner nun also näher kennen. Er scheint ein emotionaler Mensch zu sein mit der Fähigkeit, die Worte von gestern sachlich auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen. Einen weiteren Hinweis auf diese Eigenschaften ergeben sich durch die Fragen der Journalisten aus Halle auf der Spieltags-PK. Sie fragten Torsten Ziegner und den ebenfalls anwesenden Ralf Heskamp auch nach rückblickenden Bewertungen auf ihre gemeinsame Zeit in Halle. Was hätte damals besser sein können, fragten sie Ziegner sinngemäß. Der antwortete, er sei zu ungeduldig gewesen im Moment des Erfolgs, er hätte von seiner Mannschaft zu viel verlangt.

So eine offene Bewertung schafft Energie für Entwicklung. Großer Ehrgeiz als Grund für solche Ambitionen liegt nahe. Dieser große Ehrgeiz ist weiter vorhanden, wie die RWO-PK beweist. Dass Torsten Ziegner mit dieser Eigenschaft inzwischen anders umgeht, zeigt die PK vor dem Spiel gegen Halle. Im offenen Austausch mit den Spieler zu sein, die eigenen emotionalen Bewertungen mit Abstand neu zu betrachten, das stärkt den Zusammenhalt zwischen Kader und Trainer – die grundlegende Voraussetzung für Erfolg.

Natürlich gibt es jetzt auch MSV-Anhänger, die Ziegners Worte als Zurückrudern bewerten. Sie sind enttäuscht, dass mit den Spieler nun doch nicht Tacheles geredet wurde. Leicht zu finden sind sie im MSVportal. Mit diesen Stimmen klingt die Sehnsucht nach dem „harten Hund“ als Trainer an. Im Ruhrgebiets-Alltag begegnen sich Menschen rau und direkt, doch mit Herz. So sehen wir uns gerne. In Konflikten verwandeln sich diese als positiv empfundenen Umgangsformen schnell in Mittel der Macht. Dann wird direktes Sprechen mit dem Zwang zur Unterordnung verwechselt. Dann wird dem Gegenüber Druck gemacht. Dann muss einer durch Worte spüren, er soll parieren. Auch solche Unterordnung ist tief in der patriachalischen Kultur des Ruhrgebiets verankert. Dabei wird vergessen, mit der Demonstration von Macht, mit autoritärem Gehabe wurden oft Hilflosigkeit und Schwäche verdeckt.

Ich bin froh, dass Torsten Ziegner so eine Form von Autorität anscheinend nicht braucht. Ich bin froh, dass er auch den Austausch mit Spielern als Teil seiner Arbeit ansieht, und ich bin froh, dass er um seine fehlerbelasteten Bewertungen in emotionalen Situationen weiß. Ich hoffe, er überzeugt mit seinen offenen Worten zur Sachlichkeit als Grundlage für seine Arbeit einen möglichst großen Teil des Duisburger Publikums. Der MSV und wir Anhänger brauchen Geduld für die mittelfristigen Ziele des Vereins. Dass ein kurzfristiger Sieg am Samstag dabei sehr helfen würde, versteht sich von selbst.


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