Die Rheinische Post hatte es Mittwoch vermeldet. Der MSV werde am Donnerstag ein neues Leitbild vorstellen, mit dem der Klub sportlich und wirtschaftlich in eine erfolgreiche Zukunft steuern wolle. Das klang schon in der Ankündigung nach der Begegnung von begrüßenswertem unternehmerischen Denken mit idealistischer Vereinskultur.
Was nun hier unter dem Motto „1902 – Wir sind dabei“ zu lesen ist, dreht das Ganze noch etwas. Ich finde zunächst die an humanistische Ideale anknüpfenden Werte. Ich finde zudem das Bewahren von Tradition, die Orientierung für Handeln geben kann. Gleichzeitig wird diese Revitalisierung von Vereinskultur des Breitensports im Unternehmen MSV Duisburg für eine weitere deutliche Botschaft genutzt: Das neue Leitbild des MSV Duisburg ist zugleich die Duisburger Variante des „reclaim the game“. Wir haben uns den Verein zurück geholt. Nichts anderes lässt sich aus jedem der dort zu lesenden Worte entnehmen. Der MSV Duisburg verkörpert keine Welt, in der bestimmte Regeln eines Leitbilds vorgegeben werden. Die Werte entstehen durch uns alle, die wir dem MSV Duisburg in Zuneigung verbunden sind. Wir sind als Zuschauer nicht nur zahlende Kunden. Wir sind mehr.
Lebten wir in der besten aller möglichen Welten, verwandelte sich dieses Leitbild sogar in wirkliches Handeln. Denn machen wir uns nichts vor, so etwas wie zum Beispiel Respekt und Toleranz sind vor, während und nach einem Fußballspiel oft doch sehr dehnbare Begriffe. Was natürlich nicht gegen die Worte spricht, sondern gegen jeden, der sie für sich nur mit dem Blick nach innen, auf sich selbst bezogen auslegt. Es ist gut, dass es diese Worte nun gibt.
„1902 – Wir sind dabei“ ist ein pathetisches Einschwören auf den MSV Duisburg als Ort für überdauernde Werte. Sehnsucht ist in den Worten zu spüren. Es ist die Sehnsucht nach dem Zusammenhalt und den emotionalen Momenten der Spielzeit 2011/2012 2010/2011. (Alles geht so schnell, man kommt ganz durcheinander) Nicht umsonst ist auf dieser Seite mit „Unser MSV“ auch ein berührender Text zu lesen über die legendäre letzte Viertelstunde des Pokalendspiels.
Die Wirkung auf die Anhänger des MSV Duisburg ist das eine, doch da gibt es ja auch den Menü-Punkt „Sponsoring“. Nehme ich ein wenig Abstand und erinnere mich an die Herkunft des Begriffs Leitbild in unternehmerischen Zusammenhängen, dann sehe ich den entschiedenen Versuch, den MSV Duisburg mangels wahrscheinlichem nahen sportlichen Erfolgs durch seinen emotionalen Gehalt für Sponsoren attraktiv zu machen. Im Moment scheint das ein kluger Weg zu sein.
Und noch eins: Wer ein Leitbild derart emotional unterfüttert, wird in Einzelheiten nicht jeden Geschmack treffen. Das Ganze stimmt aber. Darauf kommt es an.
Neueste Kommentare