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Hurra, hurra – der MSV ist wieder da

Das Spiel vom MSV Duisburg gegen Fortuna Düsseldorf hatte lange Schatten voraus geworfen. Schon zu Beginn der Woche waren sie am Montag zu erkennen gewesen.  Hatte es seitdem irgendein Gespräch mit irgendjemanden gegeben, in dem ich nicht irgendwann über dieses Spiel zu reden begann? Sollten mir völlig unbekannte Menschen in Köln-Mülheim nicht unbedingt über den MSV haben sprechen wollen? Sollte das einzig wichtige Ereignis dieser Woche in Deutschland tatsächlich jemanden nicht interessiert haben? An solche Fantastereien verschwendete ich keinen Gedanken. Genauso gut hätte man mich fragen können, musst du denn die ganze Zeit atmen? Kannst du das nicht mal lassen?

Ich musste über das Spiel reden, genauer gesagt, über diese kaum aushaltbare Anspannung vor diesem Spiel, über diese so große, nicht mehr erwartete Hoffnung auf den Klassenerhalt und diese ebenso große Sorge mit all dieser Hoffnung am Freitag im Abgrund eines Unentschiedens oder gar einer Niederlage zu zerschellen. Es war mühsam die Woche über einigermaßen bei Verstand zu bleiben. Ich befand mich in einem Tunnel, durch den ich mehr taumelte, als dass ich ging; ein Tunnel, der für die Spieler des MSV unbedingt notwendig war, der das Leben eines Zuschauers dieser Spieler aber verdammt anstrengend machte.

Die Nervosität trieb mich Freitag früh zum Stadion. Sie verschwand nicht vor dem Fancontainer. Sie verschwand nicht beim Bier mit den einen Freunden in der Nord. Sie machte mich blind für die anderen Freunde, die schon in der Kurve warteten und die ich lange im Wimmelbild Stehplatzrang suchen musste. Doch dann stand ich endlich in der Kurve an meinem Platz, war bereit, alles zu geben, wo es doch um alles ging, und als die letzte halbe Stunde vor dem Spiel anbrach, geschah etwas Magisches.

Das Stadion war früher als sonst schon gut gefüllt. Das Duisburg-Lied erklang, und meine Nervosität war plötzlich verschwunden. Vollkommen. Mit einem Mal spürte ich eine Zuversicht, die es für mich in dieser Saison noch nicht ein einziges Mal gegeben hatte. Es war mir so, als hätte ich zusammen mit allen anderen auf den Rängen unsere Sorgen in Energie verwandeln können. Unser Gesang vor dem Spiel, das herausgeschrieene EM-ES-VAU im Zebratwist, der Refrain der Hymne, all das führte zu einer Konzentration sämtlicher Gedanken auf den möglichen Sieg.

Endlich wurde das Spiel angepfiffen, und nun erhielt all diese herumschwirrende Energie eine Richtung durch das Spiel. Was auf den Rängen so mächtig spürbar war, konnten wir bei den Spielern des MSV auch sehen. So sind wir Menschen. Wir lassen uns durch Stimmungen anstecken. Wechselseitig verstärken sie sich dann. Von den Rängen geht es auf das Spielfeld und wieder zurück. Im Spiel gegen Fortuna Düsseldorf hatten die Spieler des MSV und wir Zuschauer auf den Rängen wie nicht zuvor in dieser Saison ein klares Bild vom Gewinnen im Kopf.

Schon in den ersten Spielminuten war von der Mannschaft nicht die von mir befürchtete Verzagtheit und Vorsicht zu sehen, die noch das Spiel gegen 1860 bestimmt hatte. Von der ersten Minute an wollte die Mannschaft des MSV das Spiel an sich reißen. In solchen ersten Minuten geht es auch um ein Gefühl der Stärke. Es geht um Ausstrahlung. Um Dominanz wird gerungen. Die Vorteile im Spiel lagen auf Seiten des MSV, auch wenn sich daraus keine grundsätzliche große Überlegenheit ergab. Dazu erspielte sich die Mannschaft zu wenig Chancen. Dennoch hätte der MSV schon in Führung gehen können, als Giorgi Chanturia nach einem seiner Dribblings einmal ein wunderbares Anspiel in den Strafraum gelang auf Kevin Wolze, der völlig frei stehend vor dem Düsseldorfer Torwart den Schuss verzog. Der Ball ging über statt in das Tor.

Fortuna Düsseldorf erwies sich in der ersten Halbzeit als der harmloseste Gast, den ich in dieser Saison gesehen habe. Wir Anhänger des MSV befürchten natürlich immer das Schlimmste und kennen das Tor aus dem Nichts in den letzten Wochen nur zu gut. Doch gab es bislang keine Mannschaft, deren Offensivspiel derart beschränkt war. Es erinnerte an die schlechten Zeiten des MSV der Hinrunde. Was natürlich auch der guten Defensivleistung der Zebras geschuldet war.

Zur Halbzeitpause musste ich mich zusammen reißen. Die Konkurrenz im Abstiegskampf hielt mit. In Paderborn stand es torlos Unentschieden, München führte sogar auswärts, für Frankfurt sah es gut aus. Hau ab, sagte ich zu meiner Nervosität, ich kann dich hier nicht gebrauchen. Unbeeindruckt blieb sie noch, als das Spiel schon wieder begonnen hatte, und die Spieler des MSV offensichtlich mehr in sich ruhten als ich auf dem Zuschauerrang. Rolf Feltscher marschierte über den rechten Flügel. Diesen Antritt, diese Dynamik, das kennen wir natürlich längst. Das wirkt im Ansatz gefährlich und ist im Ergebnis fast immer harmlos, weil die Streubreite seiner Flanken mit dem Wirkungsraum der Stürmer kaum in Einklang zu bringen ist. Wie hätten wir auch ahnen können, dass alle bislang geschlagenen Flanken nur ein Vorspiel für diesen Angriff gegen Fortuna Düsseldorf gewesen sind.

Besser konnte der Ball nicht hereingegeben werden, als es Rolf Feltscher in dem Moment machte. Die Flanke kam in den Lauf von Kingsley Onuegbu, weit genug weg vom Torwart, nicht zu hoch, nicht zu niedrig für den perfekten Kopfball. Kingsley Onuegbu hatte sich im entscheidenden Moment zum Ball hinbewegt. Ein Tor für Trainer-Schulungen und Lehrsammlungen. In dieser ersten Begeisterung über das 1:0 schwang so große Erleichterung und Staunen mit. So früh in dieser Halbzeit war das Tor gefallen, ein Tor als perfekte Blaupause für alle Flankentore dieser Welt.

Unser aller Sehnsucht nach mehr Sicherheit wurde wenige Minuten später erfüllt. Tim Albutat erhielt den Pass auf dem linken Flügel, zog in den Strafraum und in der Mitte war tatsächlich der Freiraum für die heranrückenden Stürmer. Wir sahen das und hofften auf den perfekten Pass in den Rückraum. Der gelang, doch der erste Schussversuch von Victor Obinna wurde geblockt. Sofort kam Giorgi Chanturia an den Ball. Die Düsseldorfer Defensivspieler versuchten verzweifelt sich in jede Schussmöglichkeit zu schmeißen. Es herrschte Durcheinander im Strafraum und Hoffnung auf den Rängen. Unsere Körper schossen wieder mit, verzögerten, weil die Schussbahn zugestellt wurde. Wir bangten, ob Chanturia den Ball gegen zwei Gegenspieler durchbringten konnte. Irgendwie kam Victor Obinna ebenfalls noch dazu, stand nun näher am Ball, eigentlich zu nah für den Schuss. Wie im Spiel gegen München verdrehte er seinen Körper und versuchte Richtung Tor zu schießen. Großen Druck bekam er nicht auf den Ball, und dennoch rollte er in die Torecke, unerreichbar für den Düsseldorfer Torwart. Aus Begeisterung wurde dieses Mal Freudentaumel im Gewühl. Fremde Menschen fielen sich in die Arme. Der so notwendige Sieg, er konnte gelingen.

Aber es war noch früh im Spiel. Wir MSV-Fans sind gebrannte Kinder, wir haben schon um 3-Tore-Führungen zittern müssen. Wir haben späte Ausgleichstore hinnehmen müssen. Wir wünschten uns ein weiteres Tor des MSV. Stattdessen fiel der Anschlusstreffer. Flanke von rechts, saubere Ballannahme in der Mitte, genügend Platz für den schnellen Drehschuss. Das war schwer zu verteidigen für Thomas Meißner. Es war das einzige Mal, dass er nicht so gut aussah in diesem Spiel. Sonst stand er nicht nur defensiv sehr sicher. Beim Spielaufbau wirkte er ballsicher, souverän und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

Mit dem Anschlusstreffer begann das große Zittern. Eine halbe Stunde war noch zu spielen. Die Nachspielzeit würde lang werden, das wussten wir nach einer Spielunterbrechung wegen der Pyro-Aktionen im Gästeblock. Die Fortuna witterte noch einmal die Chance zum Ausgleich und drückte den MSV in die eigene Hälfte. Doch für die kompakte Defensivleistung des MSV blieb die Düsseldorfer Offensive eigentlich zu schwach. Was uns nicht Dauersorge, rasenden Puls und Bluthochdruck ersparte. Schließlich versetzte uns ein freier Ball im Strafraum kurz vor Ende in Schockstarre. Ich weiß gar nicht mehr, was dem wilden Getümmel voran ging. Viel zu viele Düsseldorfer Spieler standen frei herum. Einer kam an den Ball, schoss, frei stehend. Doch irgend ein Körper lenkte den Ball ins Toraus ab. Solche Schüsse können auch ins Tor gehen. Die Spannung wurde unerträglich. Nicht nur ich konnte bei jedem Ball in der Hälfte des MSV kaum mehr hinsehen.

Doch anders als im Spiel gegen München behielt die Mannschaft die Ruhe. Eroberte Bälle wurden nicht planlos weggeschlagen. Eroberte Bälle erreichten Mitspieler, die die Uhr herunter spielen konnten. Der Schlusspfiff beruhigte den Puls noch nicht. Dazu war der Jubel zu begeistert, die Freude zu groß. Was für ein Saisonverlauf. Hurra, hurra, der MSV ist wieder da – von der Elbe bis zur Isar, immer wieder MSV.

Karton mit Zehn-Watt-Hoffnungs-Glühbirnen gefunden

Heute muss es schnell gehen. Ich muss gleich meinen wieder entdeckten Vorrat an Zehn-Watt-Hoffnungs-Glühbirnen unter die Leute bringen. Endlich mal wieder ein bisschen Licht schon in der Woche, ganz zu schweigen vom Spieltag, an denen es in der letzten Zeit für uns alle ja doch ziemlich dunkel geworden war.

Selbst mein Spieltags-3-Watt-Hoffnungsglimmen war allerdings am Samstag während der ersten Halbzeit im Spiel vom MSV gegen Union Berlin auf einen 1-Watt-Rest runtergedimmt. Union spielte einen schön anzusehenden Kombinationsfußball. Das war sehr beeindruckend, wie Unions Spieler jederzeit wussten, in welche freien Räume die Mitspieler zogen, wie die Spieler selbst potentielle Wege des Balles aufnahmen und so ihren Mannschaftskollegen die Gelegenheit gaben, um schnelle Pässe zuzuspitzeln, um selbst scheinbar freie Bälle sofort wieder zu kontrollieren oder per Kopf sehr genau und bewusst abzuspielen. Das sah alles planvoll aus, blieb allerdings für diese Kombinationssicherheit erstaunlich ungefährlich. Sicher, es gab Chancen für Union Berlin. Doch so leicht und dynamisch wie diese Mannschaft sich an den Strafraum heranspielte, so wenig Durchschlagskraft hatte die Mannschaft vor dem Tor des MSV.

Meine Sorge vor diesem Kombinationsfußball erwies sich als zu groß, zumal auch der MSV ohne diesen Kombinationsfußball mit einem viel zufälligeren Spiel zu Chancen kam. Im Grunde sah die Spielweise des MSV nach dem Braunschweig-Spiel sogar in dieser ersten Halbzeit nach einem kleinen Rückschritt aus. Es fehlte der Offensive an Dynamik und der Defensive zu oft der Zugriff auf den Ball. Dennoch stand es zur Halbzeit torlos Unentschieden, dennoch hätte es auch gut 1:1 stehen können.

Die zweite Halbzeit begann, und das Spiel wurde anders. Mit dem Anpfiff war der MSV präsenter. Mit dem Anpfiff stellte sich endlich auch in der Spielanlage ein Gleichgewicht ein. Der MSV wurde besser, Union etwas schlechter und schon sah das Offensivspiel des MSV endlich so planvoll aus, dass meine Hoffnung nicht mehr nur gerichtet war auf das zufällige Herunterfallen eines Balles in Strafraumnähe bei zufälliger gleichzeitiger Anwesenheit eines Spielers im MSV-Trikots und weiteren Zufällen in der Folge. Passend für uns Duisburger kam in diese aufkeimende Hoffnung hinein der Elfmeterpfiff gegen den MSV. Eigentlich wurde ein aus der Ferne gefährlich wirkender Angriff von Union recht souverän geklärt; sofort wurde mit schneller Kombination das Gegenpressing überwunden, der Ball war auf Außen, zeitgleich brachte Rolf Feltscher  im Strafraum einen Spieler Unions zu Fall. War das so? Darf ich mit Recht sagen, selten ein so überflüssiges Foul im Strafraum gesehen zu haben?

Wenige Minuten später führte Union 1:0, und ich begann mir über Fortuna Köln und Auswärtsfahrten in den Osten Deutschlands Gedanken zu machen. Die Mannschaft hingegen war nur kurz irritiert. Sie hatte keine Zeit dazu, denn Victor Obinna und Nico Klotz wurden eingewechselt und schienen sich vorgenommen zu haben, den Ausgleich innerhalb der nächsten Minute zu erzielen. Vielleicht ging es den anderen Spielern auch von Anfang an so, aber dieser brennende Wille beider ragte heraus. Mit dem ersten Ballkontakt brachte Nico Klotz seine Gegenspieler ins Rotieren. Er war so schnell im Dribbling, suchte das Kombinationsspiel und ging mit einer Dynamik auf das Tor zu, die der Defensive von Union Angst machen musste. Ein ähnliches Bild bot Victor Obinna im offensiven Mittelfeld, wo er die freien Räume suchte, die hohen weiten Bälle gut behauptete und sie schnell verarbeitete. Das Spieltempo des MSV hatte angezogen.

Die Tore, die folgten, waren kein Zufall mehr. Diese Tore waren die Konsequenz jenes druckvolleren Spiels, das wir zu sehen bekamen. Den Ausgleich erzielte Stanislav Iljutcenko auf die intuitive Weise eines Weltklassestürmers. Diese Ballannahme im Strafraum mit dem Rücken zum Tor, die eine Selbstvorlage zum Fallrückzieher war, gehört zu den Unberechenbarkeit eines Instinktfußballers. Der 2:1-Führungstreffer fiel nur wenig später durch Nico Klotz, nach schnellem Kombinationsspiel über den linken Flügel, und auch das war ein wunderschön anzusehendes Tor.

Unsere Nerven hätte es beruhigt, wenn einer von zwei vielversprechenden Kontern über den ebenfalls eingewechselten Tim Albutat erfolgreich vollendet worden wären. Ein Freistoß von Union an der Strafraumgrenze auf deren linken Flügel wagte ich kaum mir anzusehen. Knapp strich der Ball über die Latte. Es war die größte Chance zum Ausgleich in einem Spiel, das der Schiedsrichter für unser Gefühl nicht abpfeifen wollte. Vier Minuten Nachspielzeit waren es ohnehin schon. Gefühlte zehn wurden es für mich. Erlösung mit dem Schlusspfiff und die plötzliche Erinnerung an den Karton im Keller mit diesen Zehn-Watt-Hoffungs-Glühbirnen. Die bringe ich jetzt erstmal unter die Leute.

Goldglücklich à la vie en rose nach diesem Heimsieg

Wie schön, wenn einem das Mottolied für dieses Spiel des MSV Duisburg gegen den SV Sandhausen am selben Tag noch live gesungen wird. In Ruhrort war dieses Lied zu hören im ruhrKUNSTort. Dort spielten chazz, und als die Sängerin Ina Hiester den Piaf-Klassiker „La vie en rose“ anstimmte, schien es mir so, als sang sie das Lied allein für mich, weil ich dort in meinem MSV-Trikot mir alle Mühe gab, als Honigkuchenpferd nicht allzu viel Platz wegzunehmen. Es waren ohnehin schon so viele Menschen in der Gallerie.

La vie en rose – für das rosige Leben brauchen wir Anhänger des MSV Duisburg gerade niemanden, der uns umarmt, küsst und uns liebt. Das geht auch anders. So rosig wie in diesem Piaf-Chanson kann das Leben auch sein, wenn dem MSV Duisburg der so unbedingt notwendige Sieg gegen den SV Sandhausen gelingt. So rosig ist das Leben, weil dieser Sieg nicht schmutzig erkämpft wurde, sondern die Mannschaft ihn planvoll erarbeitete und letztlich klar erspielte. So rosig wird das Leben, weil wir zudem zwei der drei Tore als Entwicklung sehen konnten, als allmählichen Aufbau von Wahrscheinlichkeit, als Einlösen von Versprechen.

Dieser 3:0-Sieg fühlt sich so gar nicht nach dem Erfolg einer Mannschaft im Abstiegskampf an, und das ist nicht meinem Überschwang geschuldet. Ich weiß, an der Tabellensituation hat sich nichts geändert, und wenn nicht allmählich mal ein paar Mannschaften in der unteren Hälfte kontinuierlich verlieren, nutzen solche Siege nichts. Aber für den Moment fühlt sich dieser Sieg großartig und nach gesichertem Mittelfeld an.

Dieser Sieg fühlt sich deshalb anders an, weil der MSV Duisburg in der ersten Halbzeit zwei große Chancen besaß, um in Führung zu gehen und sie vergab. Ich erkläre die Begründung gleich. Ein Reflex vom guten Sandhausener Torwart verhinderte die Führung einmal, beim zweiten Mal war – so meine ich – ein Abwehrbein im allerletzten Moment dazwischen. Der Kopfball Richtung Innenpfosten nach einer Ecke fällt mir jetzt gerade auch noch ein. Also, waren es sogar drei Chancen. Wir sind es gewohnt in dieser Saison, dass solche großen Chancen selten sind. Weil sie ungenutzt blieben, schaffte der MSV bislang allenfalls ein Unentschieden. Das eben war gestern anders. Es ist normal im Fußballspiel, dass Chancen von einem Torwart zunichte gemacht werden. Dazu steht er im Tor, und gestern war es normal, dass der MSV sich dann weitere Chancen erspielte.

In dieser ersten Halbzeit hatte aber auch der SV Sandhausen zwei große Chancen in Führung zu gehen, ein Kopfball, ein Konter, einmal ging der Ball am Tor vorbei, einmal hielt Michael Ratajczak. Der Gegner war sehr, sehr schnell in seinem Umschaltspiel, im Aufgreifen eines möglichen Angriffs, sei es beim Einwurf, sei es beim Freistoß. Man sah so sofort, wie diese Mannschaft ihre Tore erzielt und welcher Gefahr der MSV begegnete. Es war ein ausgeglichenes Spiel in dieser ersten Halbzeit, und für den MSV war es schwer im kontrollierten Aufbauspiel die kompakte Defensive der Sandhausener zu durchdringen. Doch wieder fand die Mannschaft eine gute Balance dabei, dieses kontrollierte Spiel, bei dem sie nicht sehr erfolgreich ist, beizubehalten und es mit halblangen Bällen auf Kingsley Onuegbu abzuwechseln. Diese Rhythmuswechsel machten meine Hoffnung aus.

Nach der Halbzeitpause versuchten die Zebras weiter das Spiel zu bestimmen. Immer noch wirkte untergründig in mir die alte Angst vor dem kleinen Fehler im Mittelfeld, vor diesen schnellen Kontern der Sandhausener, die Angst vor einem Gegentor, das jegliche Spielkontrolle bis zu dem Zeitpunkt hätte nichtig machen können. In diesem Spiel aber nutzte der MSV die nächste große Chance. Nach einem Eckball wurde der zweite Ball erobert, die Defensive der Sandhausener war aufgelöst, Rolf Feltscher stand frei, James Holland sah ihn, spitzelte den Ball ihm zu und Feltscher schloss erfolgreich ab. Was für eine Erleichterung. Für das Vertrauen auf den Sieg war es aber viel zu früh im Spiel. Wir sehnten ein zweites Tor herbei.

Die Sandhausener öffneten nun ihre Defensive, und wie es sich für eine klassische Heimsieggeschichte gehört, entstand Raum für Konter. Zlatko Janjic erlief sich den etwas zu langen Ball auf den linken Flügel, setzte sich gegen seinen Mitspieler durch und hatte den Moment Zeit in Ruhe zu flanken. Nicht in die Mitte zum Kopfball als einfache Möglichkeit flankte er, nein, er flankte punktgenau über den Fünfmeterraum hinweg in den Lauf von Tim Albutat, der in den Ball grätschend per Dropkick zum 2:0 einschoss. Was für ein wunderbares Tor, welch Perfektion des Spiels von beiden Beteiligten. Ohnehin zeigte Zlatko Janjic an diesem Tag eine großartige Leistung. Immer wieder behauptete er im Mittelfeld souverän die Bälle, schuf Gefahr mit seinen Pässen und erlief viele zweite Bälle, als ob sein Ausgleichssport der 50-Meter-Sprint sei.

Auch nach dieser Zwei-Tore-Führung hielt der MSV den Druck hoch. Die Mannschaft zog sich nicht zurück, wie wir es so oft schon mit großem Zittern erlebt haben. Das gehört mit zur Botschaft dieses Spiels. Die Mannschaft will das Spiel bestimmen. Zu jeder Zeit. Zu jedem Spielstand. Die Mannschaft will aber nicht nur, sie kann es auch.

Thomas Bröker hätte schon das dritte Tor erzielen, als er im Fünfmeterraum auf dem Boden liegend einen Abpraller über das Tor befördert. So erzielte Zlatko Janjic erst kurz vor Spielende das 3:0 für den MSV. Auch dieses Tor war schön herausgespielt in einer Dreierkombination über Nico Klotz, der am rechten Flügel zwischen drei Mann den freien Raum für den Pass auf Kevin Scheidhauer findet, der daraufhin weiterleiten kann auf den links freistehenden Zlatko Janjic. Was „goldwichtig“ war, machte goldglücklich. Und wenn dann demnächst bitte die drei Stehplatzstufen hinter mir auch wieder gefüllt sind, brauche ich bei zukünftigen Heimsiegen auch keine Verletzungsgefahr mehr zu befürchten. Gestern brachte der Jubel vor mir beim zweiten Tor mich doch glatt zu Fall. Ist mir das überhaupt schon mal im Stadion passiert. Lasst Zuschauer um mich sein. Die Mannschaft und ich, wir brauche jede Unterstützung.

Das war dann noch mal eine andere Qual

Als kurz nach Anpfiff ein Freistoß für Eintracht Braunschweig gepfiffen wurde und Hendrick Zuck ihn zielgenau an die Latte des Duisburger Tores knallte, schrie der abergläubische Jaratz in mir sofort auf: „Nein, nicht schon wieder“. Für den abergläubischen Jaratz war das Spiel in dem Moment verloren. Auch der FSV Frankfurt hatte am Sonntag, früh im Spiel, die Latte des Duisburger Tores getroffen. 0:1, das Endergebnis, werden noch nicht viele Zuschauer des Spiels vergessen haben. Dummerweise hat der abergläubische Jaratz recht behalten, und doch lag er auf zweifache Weise zugleich falsch.

Am Ende war die Niederlage das, was gemeinhin eine Klatsche genannt wird, 0:5 verlor der MSV, und im Stadion war auf Duisburger Seite die totale Akutdepression ausgebrochen. Vielleicht ein Drittel der Zuschauer war nach dem dritten Tor der Braunschweiger gegangen. Der Rest erledigte zusammen mit den Spielern des MSV die Pflicht, das Spiel bis zum Ende durchzustehen, die Pein auszuhalten, nicht genau zu wissen, ob gerade jemand dabei ist, einen zu demütigen. Die Braunschweiger taten den Spielern und uns keinen Gefallen. Sie spielten das Spiel mit derselben Intensität zu Ende, wie sie die zweite Halbzeit begonnen hatten. Sie konnten ihr Torverhältnis verbessern. Sie wollten ihr Torverhältnis verbessern. Eine solche Überlegenheit hatte der abergläubische Jaratz sich nicht vorgestellt. Das war keine Wiederholung des Spiels gegen Frankfurt. Die Eintracht war um Klassen besser als der FSV. Die Eintracht spielte präzise, mit variablem Tempo und bei Ballbesitz explodierte die Mannschaft geradezu immer wieder einmal. So schnell wurde der Ball in die Spitze gespielt. So schnell ging es steil über die Flügel. Wie schnell Phil Ofosu-Ayeh sein kann, hat er in Duisburg vor über einem Jahr als Verteidiger bewiesen. Gestern spielte er in der Offensive und brachte die linke Duisburger Defensivseite ein ums andere Mal in Schwierigkeiten.

Außerdem lag der abergläubische Jaratz völlig falsch bei seiner Einschätzung des MSV. Auch die Zebras spielten nach dem ersten Tor der Braunschweiger bis zu dem Moment, in dem Rolf Feltscher die gelb-rote Karte erhielt, um Klassen besser als in dem Spiel gegen Frankfurt. Sie drängten die Braunschweiger in deren Hälfte und schafften es dort immer wieder in den Strafraum. Chancen ergaben sich, obwohl der bessere spielerische Ansatz der Eintracht erkennbar war. Victor Obinnas Spielberechtigung hatte endlich vorgelegen, und er spielte von Anfang an. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase bewegte er sich immer sicherer über das Feld, wurde mutiger in den Einzelaktionen und konnte zeigen, warum er sich zeigen will. Seine größte Chance, ein trockener, harter Schuss von knapp außerhalb des Strafraums blockte der liegende Kingsley Onuegbu mit seinen Beinen ab. Das ist der MSV im Moment: Wenn etwas schief gehen kann, dann geht es schief. So wie Rolf Feltschers Grätsche, mit der er kurz der Halbzeitpause statt den Ball den Gegenspieler traf und für die er gelb erhielt. Er hatte ja schon eine gelbe Karte, die Summe hieß gelb-rot.

Diese Grätsche gehört zu einem Bild, das ich mir kaum ansehen mag, an dem ich aber nicht vorbei komme. Diese Mannschaft des MSV will ans Limit gehen. Wahrscheinlich muss sie ans Limit gehen, um überhaupt eine Chance im Spiel zu besitzen. Die Folge sind rote Karten und vielleicht auch die ein oder andere schwere Verletzung. Spieler überschreiten Grenzen bei anderen und bei sich selbst. Erfolg steht nicht als Titel über so einem Bild. Dazu kommen an einer anderen Stelle der Leinwand die meisten Gegentore der Liga. Dazu kommt der ungeheure Einsatz, der keinen zählbaren Erfolg bringt. Dazu zählen diese enttäuschten Gesichter der Spieler. Dieses Bild ist ein Faszinosum der Angst. Ich will das nicht so zusammen sehen. Es taucht einfach vor mir auf.

Das zweite Tor der Braunschweiger fiel früh in der zweiten Halbzeit. Wahrscheinlich versuchten die Zebras noch einmal gegen die vollkommene Resignation anzugehen. Sie konnten es nicht mehr, auch wenn sie es vielleicht noch gar nicht merkten. Bewusst wurde es ihnen aber spätestens, als die Braunschweiger ihr drittes Tor machten. Doch das Spiel war noch nicht vorbei. Zwei weitere Tore mussten wir erleben. Das Spiel wurde zur Qual bis zum Schlusspfiff. Es war eine andere Qual als im Spiel gegen Frankfurt. Welche dieser beiden Qualen verheerendere Folgen für die Mannschaft hat, bleibt abzuwarten. Das Publikum des MSV hat sein Urteil mit den Füßen entschieden. Dieses Mal war es für mehr Zuschauer als gegen Frankfurt schlimmer.

Der MSV braucht Streichresultate in einem Spiel

Fast hätte Stig mir vorhin, die Tastatur unter den Fingern weggerissen. Manchmal spreche ich eben in Gedanken so halblaut Sätze vor mich hin, bevor ich anfange zu schreiben. Ich probiere aus, wie es klingt, so was wie „allmählich gut ins Spiel gekommen während der ersten Halbzeit.“ Es ging natürlich um das Spiel vom MSV beim Karlsruher SC. Dann dachte ich noch, oder müsste nicht im Vordergrund der KSC stehen, der die Zebras immer mehr mitspielen ließ?

Währenddessen fauchte mich Stig schon an: „Hast du sie noch alle?“

Zwar habe ich mich inzwischen an seine raue Herzlichkeit gewöhnt, doch so grimmig ist er auch nicht jeden Tag.

„Und nächste Woche bist du dann wieder bei sieben Minuten, in denen die Mannschaft gezeigt hat, dass sie was kann. Stell dich doch gleich vor so ’ne Sponsorenwand. ‚An diese Leistung müssen wir im nächsten Spiel anknüpfen‘. Als Fußballerkatastrophe bist du ja schon lange genauso gut wie die.“

Die 2:0-Niederlage hat ihm mal wieder das Wochenende versaut. Jetzt sitzt er da am Tisch und zetert immer noch. In so einer Stimmung kann ich ihm nie helfen. Man muss ihn dann lassen.

Also, zum Spiel; bringen wir es hinter uns. Fast die gesamte erste Halbzeit gelang es dem MSV ein torloses Unentschieden beim Karlsruher SC zu halten. Das sah eigentlich gut aus, was die Mannschaft leistete. Nach der kurzen druckvollen Anfangsphase des KSC war es den Zebras gelungen, das Spiel zu beruhigen. Die Mannschaft wirkte in der Defensive zunehmend souverän. Selbstverständlich erwartete ich aber bei jedem Angriff des KSC einen entscheidenden Fehler. Beide Mannschaften arbeiteten bei der nachlassenden Offensivkraft des KSC Fuß in Fuß. Der Fehlpass wurde für einige Zeit zu einem gern genommenen spielerischen Mittel beider Mannschaften. Für fehlende Torraumaktionen des MSV waren allerdings die Duisburger alleine verantwortlich. Wie sollten Tore erzielt werden, wenn jeder konterähnliche Flankenlauf mit einer Reingabe im Nichts endete? Jede, wirklich jede Flanke flog über den Elfmeterraum hinaus ins Torwart-Traumland der Offensiv-Harmlosigkeit. Oft befand sich dort nicht einmal ein Spieler des MSV.

Dagegen wirkte die Defensive im Zweikampf stabil. Jedes Dribbling im eins gegen eins konnte aufgehalten werden, in fast jeden Kurzpass grätschte ein Bein hinein. Lange Bälle wurden erlaufen. Ich hatte dennoch weiter Angst vor dem Fehler. Denn einmal mehr war überaus deutlich, die Karlsruher Führung würde augenblicklich die endgültige Niederlage bedeuten. Im Auswärtsstadion wäre nicht noch einmal so etwas wie im Heimspiel gegen die Arminia möglich, das war klar. Der Fehler geschah kurz vor dem Halbzeitpfiff. Auf dem rechten KSC-Angriffsflügel trafen Torres und Bajic zusammen, und dieses Mal überwand Schnelligkeit das coole erfahrene Stellungsspiel. Die freie Flanke kam in den Strafraum, wo am kurzen Pfosten sich der Rest der MSV-Defensive versammelte, um die Mitte für irgendeinen aus dem Rückraum kommenden Karlsruher einladend frei zu lassen. Dieses Kopfballtor hätte sogar ich mit meiner Brille auf der Nase gemacht, ohne dass sie dabei beschädigt worden wäre.

Diese Tore frustrieren so ungemein, weil ihnen kein wirklicher Druckaufbau des Gegners vorangeht. Deshalb wirkt die Mannschaft in dieser 2. Liga auch komplett chancenlos. Dieses Tor fiel nicht nach einem individuellen Fehler. Viele  Spieler wirkten zusammen, angefangen vom Ballverlust im Spielaufbau bis hin zur Ordnung nach der Flanke. Weil diese Fehler selbst bei dieser grundsätzlich gelingenden defensiven Spielanlage geschehen, müsste die Mannschaft eigentlich offensiver spielen. Dann würde die Defensive allerdings anfälliger. Ein Teufelskreis. Man braucht Mut, um diesen Teufelskreis vom Anpfiff an zu durchbrechen. Allerdings braucht die Mannschaft dann auch Glück dazu.

Den Karlsruhener gab das Tor die Sicherheit für die zweite Halbzeit zurück. Wie zu erwarten war, konnten die Zebras dagegen ihre Spielaktionen Richtung Karlsruher Tor nicht in ein kontinuierliches druckvolles Offensivspiel verwandeln. Das zweite Tor des KSC fiel schon früh nach Wiederanpfiff. Die Niederlage war besiegelt. Dennoch gab es danach einige gelingende Einzelaktionen beim MSV, von denen eine sogar zum Elfmeter hätte führen müssen. Nico Klotz war etwa zehn Minuten vor Spielende innerhalb des Strafraums angespielt worden und wollte mit einer schönen Bewegung an seinem Gegenspieler vorbeiziehen; der aber drückte erst den Ball mit der Hand aus dem Strafraum und streckte sicherheitshalber auch noch sein Bein in den Lauf von Nico Klotz. Der Pfiff blieb aus. Ob ein Elfmeter was geändert hätte? Dass dieser ausgebliebene Elfmeterpfiff nach dem Spiel kaum zum Thema wurde bei Spielern, Gino Lettieri oder auch bei uns Zuschauern, zeigt, wie unterlegen sich Mannschaft und Verantwortliche des MSV gefühlt haben, wie unterlegen wir den MSV wahrgenommen haben.

Die Frage bleibt, wie gelingt der Mannschaft die Balance zwischen Offensive und Defensive? Jeder  neue Rückstand wird zu einer immer höheren Hürde. Wie kann es dieser Mannschaft gelingen in einem Spiel in Führung zu gehen? Wie kann sie offensiv genug sein, um mehr Tore zu erzielen als durch die momentan unweigerlich geschehenden Fehler in der Defensive hereingelassen werden? Natürlich fragt sich inzwischen fast das gesamte Duisburger Publikum, wieso Dustin Bomheuer besser sein soll als Thomas Meißner. Aber dieser Wechsel in der Defensive ist doch nur eine kleine Stellschraube. Fußball ist ein vom Zufall geprägter Sport. Ich beginne gerade sehr auf plötzliches Glück zu hoffen.

Der Stig sitzt da immer noch. Allmählich nervt das. Ich schreibe später zu Ende. Geht das Ding eben erst Montag online.

Endlich ist Kees weg. Ich bin’s, Der Stig, jetzt mal hergehört. Ich sage euch mal was. Egal, was Kees bis hierhin geschrieben hat. Der glaubt selbst nicht dran. Der gute Herr Jaratz hat letzte Woche den Mund nämlich verdammt zu voll genommen. Mehr Zebrastreifenblog für Gino Lettieri und so. Wenn ihr den Kees beim Spiel gegen den KSC gesehen hättet, wüsstet ihr auch Bescheid. Der zwingt sich. Der will  an die Möglichkeiten des MSV glauben. Das kommt nicht von selbst, versteht ihr? In Wahrheit bläst der jede noch so kleine gelungene Aktion zum Überfußball auf und er hofft und hofft und hofft. Fußball ist kein Springreiten. Da gibt es keine Streich-Halbzeiten. 90 Minuten dauert das Spiel. Und 90 Minuten kriegen die das nicht hin. Basta. Da gibt es nichts Positives, egal, was Kees schreibt. Fertig.

Selbst ist der Mann, wenn die Mannschaft chancenlos ist

Noch nicht jede Zweitligamannschaft habe ich ein ganzes Spiel lang gesehen. Das muss ich dringend nachholen. Einzelne Schwächen des Gegners wären schon mal eine erste Grundlage, um meine Hoffnung auf Erfolge des MSV etwas zu stärken. Die Mannschaft alleine gibt mir gerade kaum eine Möglichkeit zu glauben, dass Gino Lettieris Sätze vor dem Auswärtsspiel gegen den VfL Bochum eine realistische Aussicht beschreiben. Sinngemäß sagte er ja, es ginge nur darum, dass am Ende der Saison der MSV vor drei anderen Mannschaften stehen würde. Die Spiele gegen den VfL Bochum und den 1. FC Kaiserslautern stellen die Frage, wie das gelingen soll?

Ich halte es ja immer für möglich, dass etwas gut ausgeht, solange nicht das Gegenteil geschehen ist. Heute muss ich mir diese Hoffnung mit richtiger Arbeit herbeischreiben. Ich muss einzelne Szenen im Spiel des MSV gegen den VfL vergrößern, sie als möglichen Anfangspunkt einer Entwicklung interpretieren. Ich muss die erste Halbzeit von der zweiten trennen. Ich muss zum Spiel vom Samstag noch einzelne Elemente des Spiels gegen den 1. FC Kaiserslautern hinzufügen. Ich brauche Fantasie. Ich muss richtig arbeiten für eine kleine Aussicht auf einen Erfolg des MSV. Selbst ist der Mann. Die Leistung der Mannschaft alleine gibt keine Hoffnung.

Nach dem mutigen, offensiver ausgerichteten Beginn im Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern sahen wir im Spiel gegen den VfL Bochum das Gegenteil. Gino Lettieri ließ Thomas Meißner als fünften, zusätzlichen Spezialisten für abwehrende fußballerische Fähigkeiten auflaufen. Eine Halbzeit lang gelang die Stärkung der Defensive auch ganz gut. Den Bochumern wurde das Leben sehr schwer gemacht. Auch wenn der VfL Bochum das Spiel überlegen gestaltete, kam der Ball nur zwei-, höchstens dreimal etwas gefährlicher in Tornähe. Man konnte das Gefühl bekommen, in der Defensive kommt die Mannschaft des MSV allmählich in der Zweiten Liga an.

Um als Mannschaft insgesamt in der Zweiten Liga zu bestehen, fehlten aber gelungene Offensivaktionen. Wer so defensiv spielt wie der MSV, braucht nach dem Ballgewinn ein präzises Zusammenspiel im Mittelfeld oder Spieler, die sich dank ihrer individuellen Qualitäten in dem großen, durch den Gegner frei gelassenen Raum durchspielen können. Beides gibt es beim MSV momentan nicht. Immer wieder gaben die Spieler des MSV bei der Ballannahme den Bochumern die Zeit, ihre defensiven Aufgaben zum Wohlgefallen ihres Trainers zu erledigen. So wurde in der ersten Halbzeit auch deutlich, ein Tor kann die Mannschaft nur mit großem Glück erzielen. Fiele das Gegentor, wäre das Spiel verloren.

Wenn eine Mannschaft so defensiv spielt, ohne dass ihr Offensivaktionen gelingen, macht sie den Gegner zudem selbstsicherer. Der VfL konnte mit Beginn der zweiten Halbzeit ein immer höheres Risiko eingehen und den Druck auf das Tor des MSV entsprechend verstärken. Deshalb ist der abgefälschte Schuss von Timo Perthel zum Führungstreffer der Bochumer auch kein Pech. Wieder gilt es zu warnen. Dieses Tor war kein Zufall. Die Wahrscheinlichkeit für so ein Tor war größer geworden.

Die Folgen von diesem Tor waren vorherzusehen gewesen. Nach diesem 1:0 wussten die Spieler des MSV, alle Anstrengung war vergebens gewesen. Denn wer so defensiv spielt, sieht sich selbst als sehr unterlegen an. In solch einer Unterlegenheit lässt sich nur schwer zurück schlagen. Stattdessen fielen zwei weitere Tore für den VfL. Dennoch sagte Thomas Bröker nach dem Spiel, „Nadelstiche“ habe man setzen können. Dieser Eindruck gehört aber wohl mehr zu der Rubrik, Mut machen für die Zukunft, als dass damit Momente des Spiels realistisch beschrieben werden. Sicher, es gab zwei oder drei Flügelläufe von Rolf Feltscher, aber die Wahrscheinlichkeit nach einer Flanke ein Tor zu erzielen ist sehr gering. Wenn Offensivaktionen ohnehin selten sind, müsste der Ball eigentlich vor dem Strafraum schon in der Mitte des Spielfelds vorgetragen werden. In dem Fall agierte die Mannschaft weniger mit Nadeln als mit Papprollen zum wilden Herumfuchteln.

Hoffnung für die Zukunft macht die Defensivarbeit der ersten Halbzeit im Spiel gegen den VfL Bochum und die Offensivaktionen der zweiten Halbzeit des Spiels gegen den 1. FC Kaiserslautern. Gino Lettieri wird sich also hoffentlich überlegen, wie beides in einem Spiel zusammen zu bringen ist. Währenddessen halte ich schon mal Ausschau, bei welchen Gegnern wir damit Erfolg haben könnten.

Zu viele Schwächen machen stark

Prolog am frühen Samstagabend

2015-02-14_#dscmsv

Gespieltes Spiel

Erzieherische Hinweise auf Fehler wirken nur, wenn Fehler Folgen haben. Altes Elternwissen gilt auch für die Sportschau-Redaktion und Reinhold Beckmann. Dieser Fehler in der Sportschau vom Samstag bei der Prognose der möglichen Drittliga-Tabelle hat nun gar keine Folgen, weil die Spieler vom MSV Duisburg mir in den Rücken gefallen sind. Nach der 4:2-Niederlage der Zebras gegen Arminia Bielefeld werden sie bei der Sportschau weiterhin denken, sie hätten die Tabellen der Welt fest im Griff und irgendein öffentlich-rechtlicher Social-Media-Mitarbeiter sagt sich, was labert uns der MSV-Typ von der Seite an?

Dabei hat dieses Spiel des MSV Duisburg bei Arminia Bielefeld sehr überzeugend begonnen. Die Zebras strotzten vor Selbstbewusstsein. Vom Anpfiff an war spürbar, die Mannschaft spielt auf Sieg. Diese Mannschaft will in Bielefeld drei Punkte holen. Mit den ersten 15 Minuten verschaffte sich der MSV Duisburg Respekt. Die Bielefelder kamen vielleicht einmal überhaupt in Tornähe, während der MSV mit schnellen Kombinationen, ob nun durch sicheres Kurzpassspiel oder per halblangem Pass auf den Flügel samt Flanke, bereits Torgefahr ausstrahlte.

Kingsley Onuegbu beeindruckte erneut, und zwar über das gesamte Spiel hinweg, mit seiner  Präsenz und Ballsicherheit. Inzwischen kommt ein dritter gegnerischer Spieler zu ihm, um den Ball zu erobern, wenn der Pass erst einmal bei ihm angekommen ist.  Als die Arminia etwas besser ins Spiel gefunden hatte, waren aber auch schon erste Schwachstellen beim MSV zu erkennen. Für den verletzt ausgefallenen Thomas Meißner spielte Christopher Schorch, der nicht ganz die Ruhe und Souveränität von Meißner ausstrahlte. Als Fehler machte sich das auch bemerkbar. Zweimal nacheinander klärte er per Kopf in die gefährliche Zone an der Strafraumgrenze. Es waren misslungene Versuche, einen Angriff der Bielefelder sofort in einen kontrollierten Spielaufbau zu verwandeln.

Auch Rolf Feltscher zeigte in der Rückwärtsbewegung Schwächen. Die Bielefelder selbst waren in dieser Spielphase noch zu unpräzise, um diese Fehler zu nutzen. Aber wir wussten, worum wir uns Sorgen zu machen hatten. Zumal Kevin Wolze auf seiner linken Verteidigerseite schon früh eine gelbe Karte erhielt. Für mich eine zu harte Entscheidung, nachdem der Ball ihm gegen den Oberarm gesprungen war. Die gelbe Karte kurz darauf erhielt Branimir Bajic allerdings zurecht. Er war der Retter in höchster Konternot, nach einem leichten Ballverlust im Mittelfeld. Noch ein Hinweis auf mögliche Gefahren.

Doch alle Hinweise auf die Gefahren waren schnell vergessen, als Zlatko Janjic das wunderbar herausgespielte Führungstor erzielte. Auch Trainer reden manchmal ziemlichen Blödsinn. Wie Norbert Meier bei der Pressekonferenz nach dem Spiel auf die Idee kommt, dieses Tor sei aus dem Nichts heraus gefallen, ist mir schleierhaft. Sicher, große Torchancen hatte es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben, obwohl das Spiel hin und her  ging. Aber ein Tor aus dem Nichts bedeutet für mich: eine harmlose Mannschaft hat unverdient Erfolg. Dem war nicht so, noch immer wirkten die Angriffe des MSV durchdachter und souveräner als die der Bielefelder, wo vieles Ergebnis eines Zufalls war. Die Flanke von Rolf Feltscher ging in den offenen Raum nahe der Strafraumgrenze und Zlatko Janjic stieß in diesen leeren Raum hinein, um den Ball auf artistische Weise, volley ins Netz zu schießen. Ein sehenswertes Tor, und Zlatko Janjic legte nach.

Etwa 30 Meter vor dem Tor erhielt der weiter angreifende MSV einen Freistoß. Zlatko Janjic führte aus, traf perfekt und der Ball vollzog den bekannten Strich nach bis ins Netz hinein. Eine nur vermeintlich beruhigende Führung. Obwohl die Arminia immer noch spielerisch wenig überzeugte, kam sie zu Chancen. Denn der hohe Ball in den Strafraum, ob bei Standardsituation oder aus dem Spiel heraus, sorgte schon für Gefahr. Gesucht wurde dabei Fabian Klos, der im Strafraum unermüdlich arbeitete. Kurz vor der Halbzeitpause stürzte er bei einer Flanke, nachdem Christopher Schorch geschoben hatte und Dennis Grote von der anderen Seite her in den Weg kam. Nicht immer wird solch körperliches Spiel abgepfiffen. Aber die Zweifelsfälle der Regelauslegung gingen in dem Spiel zugunsten der Bielefelder aus. Der Elfmeter brachte den Anschlusstreffer.

Aus der Halbzeitpause kamen die Bielefelder sehr entschlossen. Der stärker gewordene Druck der Arminia machte offensichtlich, nicht nur die Defensivreihe des MSV hatte keinen guten Tag. Der Abwehrreihe fehlte auch genügend Unterstützung durchs Mittelfeld. Jede Schwäche für sich genommen war nicht so groß. Zusammengenommen aber machten diese Schwächen die Arminia nun stark. Der Ausgleich durch einen Kopfball von Fabian Klos fiel schnell, und der MSV wirkte von nun an hilflos. Das Spiel war gekippt, kein kein geordneteter Spielaufbau gelang mehr. Es ging nun noch darum, dem Druck der Arminia irgendwie stand zu halten. Erfolgreich eine ganze Halbzeit lang? Das war ein verwegener Gedanke. Flanke auf Flanke kam in den Strafraum, und Fabian Klos ist nun einmal ein sehr guter Kopfballspieler. In der 76. Minute ging die Arminia in Führung. Fast sofort danach flackerte kurz die Hoffnung auf den Ausgleich auf, als noch einmal eine schöne Kombination gelang. Schussversuch Nummer eins landete am Pfosten. Als Michael Gardawski den Abpraller verwandelte, soll er abseits gestanden haben. Erneut eine knappe Entscheidung zugunsten der Bielefelder. Damit solche Unklarheiten nicht mehr für Unruhe im Stadion sorgen konnten, entschied Fabian Klos wieder nur ein, zwei Minuten später das Spiel mit einem weiteren Treffer. Und wie sollte es anders sein? Per Kopfball.

In diesem Spiel hat sich gezeigt, so breit der Kader des MSV auch ist, der Ausfall von vier Defensivspielern kann nicht ohne Verlust an spielerischer Qualität der Mannschaft kompensiert werden. Eine starke Offensive reicht bei der in dieser Spielzeit einzig überlegenen Mannschaft der 3. Liga nicht, um diese Mannschaft zu bezwingen. Aber nicht jeder Gegner hat einen Fabian Klos in der Mannschaft. Der MSV muss in den nächsten Wochen an die Leistung der ersten Hälfte anknüpfen und kann dabei hoffentlich bald auf die gegen Bielefeld ausgefallenen Defensivspieler zählen. Dann ist weiterhin machbar, was ich von nun an erst einmal wieder nicht aussprechen möchte.

Epilog

2015-02-15_#dscmsv

Das Doppeltor als Foulbestrafung

Torjubel in einem Fußballstadion kann sehr unterschiedlich sein. Je nachdem wann und wie ein Tor fällt, explodiert ein Publikum förmlich, weil sich zuvor unfassbare Spannung aufgebaut hat. Andere Tore werden zwar auch laut, doch sehr viel sachlicher bejubelt, weil sie eine überlegene Spielweise nur bestätigen. Oder das Jubeln wirkt überrascht und leiser, weil Tore zufällig zustande kommen. An solcher Art Jubeln während eines Spiels des MSV Duisburg kann ich mich gut erinnern. Dagegen weiß ich nicht mehr, wann ich das letzte Mal auf eine Weise gejubelt, in der so viel gedankenlose Freude mitschwang wie nach dem zweiten Tor von Dennis Grote am Samstag im Spiel gegen den Chemnitzer FC. Diese Begeisterung fühlte sich so leicht an wie schon Jahre nicht mehr. In diesem Torjubel hatte sich plötzlich für einen Moment aller Erwartungsdruck an die Mannschaft vollkommen aufgelöst – eben weil dieses zweite Tor von Dennis Grote für einen Moment die vollkommene Erfüllung aller unserer Erwartung für die ganze Saison war.

Zwei Minuten zuvor erst hatte Dennis Grote den Führungstreffer erzielt nach einem Spielzug, den die Mannschaft davor schon drei-, viermal versuchte. Der Ball wurde per mittellangem hohen Pass oder scharfem Pass in die Schnittstelle der Verteidigung in den freien Raum auf dem rechten Flügel gespielt. Die sprintenden Spieler auf diesem Flügel wechselten sich dabei variabel ab. Das sah bereits gut aus. Doch entweder waren die Verteidiger zunächst noch präsenter oder der Linienrichter meinte, ein Abseits zu erkennen. Doch in der 30. Minute passte alles perfekt, sogar so sehr, dass Dennis Grote mit seinem schwächeren rechten Fuß dieses schön herausgespielte Führungstor erzielen konnte.

Dann folgte zwei Minuten später schon eine wunderbare Kombination über drei Stationen. Der Ball war erobert, schnell wurde umgeschaltet, Kingsley Onuegbu behauptete sich souverän gegen zwei Chemnitzer. Eigentlich schien er für jede schnelle weitere Spielaktion zugestellt. Doch mit einem festem Hackenpass leitete er den Ball artistisch weiter zum links heranstürmenden Zlatko Janjic. Mit diesem Pass war die rechte Chemnitzer Abwehrseite von jetzt auf gleich vollkommen entblößt. Dennis Grote stürmte in diesen freien Raum. Der Pass von Janjic kam hinüber, und Dennis Grote schoss sicher ein. Mit diesem schnellen zweiten Tor, in dieser so überraschenden und klug herausgespielten Weise zeigte sich der MSV Duisburg zum ersten Mal in der Saison so zweifellos als Aufstiegsaspirant, wie wir es uns wünschen. Deshalb war der Jubel über dieses Tor von der reinen Freude derart mitbestimmt.

Dabei war Dennis Grote erst in der 19. Minute für den verletzten Enis Hajri eingewechselt worden. Ein Chemnitzer sprang mit Anlauf in Hajri und  – war es Thomas Meißner – hinein ?  Wer so anläuft, will den Gegenspielern weh tun. Vielleicht hat Enis Hajri Nachsicht mit dem Chemnitzer, weil er selbst oft ähnlich spielt? Für mich jedenfalls gehören Fouls mit Ansage nicht zum Fußball. Weil der Schiedsrichter es beim Freistoß beließ, dachten wir bei uns in der Kurve kurz über Eingaben zur Strafverschärfung bei der FIFA nach und machten Anleihen beim Basketball. Der zweifache Freiwurf nach Foul bei Schussversuch im Basketball machte sich im Fußball gut als doppelt zählendes Tor, nachdem ein Spieler durch Foulspiel bedingt verletzt ausgewechselt werden muss. Wie diese erst nur geplante FIFA-Eingabe Dennis Grote und den Rest der Mannschaft erreicht hat, ist mir noch nicht ganz klar. Aber anscheinend waren alle beim MSV derselben Ansicht. Die Botschaft ist deutlich geworden, und so lange die Regeländerung nicht durch die FIFA-Gremien bestätigt ist, müssen die Mannschaftskameraden des Gefoulten die Strafe eben selbst in die Hand nehmen.

Wenn ich Dennis Grotes scharfe Hereingabe von der linken Strafraumhälfte aus in der 36. Minute richtig interpretiere, ist er sogar für weitere Strafverschärfung. Wahrscheinlich sollte auch diese Hereingabe ein Torschuss sein, nachdem ein Chemnitzer Verteidiger die von Zlatko Janjic getretene Ecke unglücklich zu Grote verlängert hatte. Kingsley Onuegbu hielt den Fuß in diesen Schuss hinein, und schon stand es 3:0. Die Hoffnungen auf einen wieder erstarkten Kingsley Onuegbu haben sich erfüllt. Er spielt so stark wie in den ersten Spielen beim MSV Duisburg. Der Ball ist wieder sein Freund. Gegenspieler prallen an ihm ab. Er ist wieder ungeheuer beweglich.

Die Positionswechsel von Zlatko Janjic machen das Spiel variabel. Auch weil Pierre De Wit ihm die Bälle auflegen kann. Janjics Blick für den freien Raum begegnet nun zudem dem Wissen seiner Mitspieler, wo sich der freie Raum befindet. Sein Laufpensum ist immens. Selten nur merkt man auch, dass Martin Dausch nicht schon die ganze Saison bei der Mannschaft ist. Was für ein Energiebündel. In der 85. Minute sprintet er einem Ball in die gegnerische Hälfte hinterher. Schnelle Doppelpässe funktionieren schon zwischen ihm und seinen Mitspielern. Am Offensivspiel dieses MSV war nichts auszusetzen, auch wenn ich nicht jeden einzelnen der beteiligten Spieler besonders erwähne.

Ich bin so gar nicht der Meinung, die ich vom Trainer des Chemnitzer FC auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gehört habe. Auf Augenhöhe seien sich beide Mannschaften bis zum ersten Tor begegnet. Schon in dieser Spielphase habe ich den MSV als bestimmende Mannschaft erlebt. Ich habe schnelle Kombinationen gesehen, bei denen nur der letzte Pass im Strafraum noch etwas unpräzise war. Hätte nicht Rolf Feltscher seinen lässigen Rückpass zu Michael Ratajczak zum perfekten steilen Pass auf den Chemnitzer Anton Fink gemacht, niemand hätte vom Hauch einer Chance für den Chemnitzer FC in dieser Anfangsphase sprechen können. Michael Ratajczak behielt die Nerven gegen den frei auf ihn zulaufenden Fink. Seine Parade war ein Grundstein für den Sieg.

Souverän spielte der MSV Duisburg die zweite Halbzeit herunter. Nur kurz flackerte die Ahnung auf, die Chemnitzer könnten vielleicht, wenn alles gut geht und noch ein wenig Glück hinzukommt, ein Tor erzielen. Wenig nur kitztelte die Erinnerung an sicher gewonnen geglaubte Spiele, in denen doch noch eine Menge schief lief. Dieser Sieg schafft weiteres Selbstbewusstsein.

Weil Ivo Grlic die gute Leistung der Zebras sich zum Vorbild für ein Interview mit den eigenen Presseleuten machte, halten nun Worte in einem perfekt passenden Ton die Stimmung in Verein und Umfeld in Bodennähe bei gleichzeitigem Nutzen des Aufwinds. Eine bessere Vorbereitung auf das Spiel gegen den ersten Aufstiegsfavoriten Arminia Bielefeld kann ich mir nicht vorstellen.

Die Pressekonferenz nach dem Spiel:

Der Spielbericht vom MDR ist nicht nur sehr viel länger als der vom WDR. Über den Kommentar des Reporters kann ich zudem immer wieder schmunzeln. Besonders erheiternd wird es zu Beginn, als er über Michael Ratajczak ins Erzählen kommt und wir erfahren: „23 Jahre war er… 32 Jahre! Und er hat immer gespielt!“ So also lernen wir endlich die ganze Wahrheit über Michael Ratajczak kennen: Er will nur spielen.

Und abschließend noch ein Clip von der Choreo vor dem Spiel:

Ein Sieg als Mittel zur besseren Menschenkenntnis

Frisch Verliebte, Personalchefs, WGs auf Mitbewohnersuche, eigentlich jeder, der mehr über die Persönlichkeit von einem Fan des MSV Duisburg erfahren möchte – alle mal gut herhören. Dieser 2:1-Auswärtssieg des MSV Duisburg beim Halleschen FC ist ein besonderes Spiel für euch. Denn jede Meinung zu diesem Spiel sagt mehr über den Sprecher aus als über das Spiel selbst.

Festhalten darf man, dieser Sieg war wegen der Chancen des Halleschen FC in der zweiten Halbzeit ein etwas glücklicher Sieg. Je mehr der Spielbeobachter mit dem Halleschen FC verbunden ist, desto glücklicher. Auch ich gehörte zu denen, die den Spielverlauf mit dem Hallenser Fanradio erlebten, durch das Aufstöhnen der beiden Fan-Reporter, deren Schimpfen auf den Schiedsrichter und deren Wehklagen über vergebene Chancen. Auf diese Weise war die Reportage für uns in Duisburg eigentlich kaum aufregend. Meist bekamen wir erst mit, was passierte, wenn der Misserfolg des Halleschen FC schon festgestanden hatte.

Früh schon hatten wir uns über die Führung freuen können. Steffen Bohl war in der fünften Minute im Strafraum durch den Torwart gefoult wurde. Die Folge: die rote Karte für den Torwart und ein Elfmeter, der durch Zlatko Janjic sicher verwandelt wurde. Sehr zuversichtlich schienen wir dem Rest des Spiels entgegen sehen zu dürfen. Wenig später allerdings musste Steffen Bohl verletzt ausgewechselt werden. Er war beim Foul auf die Schulter gefallen. Kevin Scheidhauer war nicht einmal mit nach Halle gefahren. Er war krank. So deutete sich in dieser ersten Halbzeit auch ohne ein einziges Bild und nur mit der etwas kärglichen Reportage an, dass der MSV Duisburg die Überzahl nicht in Spielüberlegenheit ummünzen konnte. Es war mehr ein Gefühl, als dass ich wirkliche Belege dafür bekam. Ein Gefühl, das entstand, weil keinerlei torgefährliche Situationen der Zebras geschildert wurden. Andererseits war in dieser Halbzeit anscheinend auch vom Halleschen FC wenig zu sehen. Der Spielbericht im Kicker bestätigt im Nachhinein dieses Gefühl.

Das änderte sich in der zweiten Halbzeit, als immer wieder enttäuschtes Aufschreien der Fan-Reporter von vergebenen Chancen kundete. Erst kurz vor Schluss gelang der entscheidende Konter, den Rolf Feltscher mit einem langen Sprint einleitete  und den Kingsley Onuegbu kühl verwandelte. Es folgte ein kurzer Schreck, weil tatsächlich noch ein Gegentor fiel. Doch fast sofort danach wurde abgepfiffen. Das war also ein Auftakt nach der Winterpause, wie wir ihn uns vom Ergebnis gewünscht haben. Meine Freude überwog, auch wenn mir ein früheres zweites Tor sehr viel lieber gewesen wäre. Es blieb abzuwarten, ob die Mannschaft tatsächlich so wenig überzeugt hatte, wie die beiden Fan-Reporter uns glauben machen wollten.

Jedes weitere Reden über das Spiel hängt nun eng mit der Persönlichkeit des Redenden zusammen. Das Ziel für diese Saison ist schießlich klar, und wie schön wäre es gewesen dieses erste Spiel hätte durchweg Sicherheit gegeben, dieses Ziel auch zu erreichen. Überlegen wir genau, wäre diese Sicherheit selbst bei einem überlegenen Sieg nur Illusion gewesen. Es scheint mir etwas übertrieben zu sein, von diesem einzigen Spiel der Mannschaft auf deren Möglichkeiten für den ganzen Rest zu schließen. Aber zugegeben, schnell gerate auch ich beim Reden in diese Wenn-Dann-Wirklichkeiten. Zwei Haltungen sind dabei nach dem Sieg gegen Halle möglich. Wenig überraschend lautet zugespitzt die eine, mit solch einer Leistung werden wir nie aufsteigen. Die andere dagegen lautet, wenn wir solche Spiele kühl gewinnen, werden wir aufsteigen. Im Wesenskern geht es also um Pessimismus und Optimismus. Sehe ich den bisherigen Verlauf der Saison, lässt sich weder auf der einen Deutung des Spiels noch auf der anderen eine Wahrscheinlichkeitstheorie begründen. Zu sehr hängt die Leistung der Mannschaft von der Entwicklung eines jeden Spiels ab, zu viel Zufall spielt in dieser Dritten Liga in den Spielen eine Rolle.

Wer allerdings meint, gerade das Spiel in Überzahl liefert ihm Argumente für ein besonderes Versagen der Mannschaft, dem seien die Überlegungen des Physikprofessors Metin Tolan ans Herz gelegt.  Es ist schon einige Zeit her, dass ich mir mal dessen Überlegungen über den durchschnittlichen Nachteil einer roten Karte angesehen habe. Das war eins von vielen Fußballthemen, die sich Metin Tolan aus der Perspektive des Physikers vorgenommen hatte. Intuitiv kennen wir dessen Ergebnis, weil wir von genügend Spielen wissen, die eine Mannschaft in Unterzahl überlegen gewonnen hat. Kurzum: Statistisch gesehen muss jeder Spieler der bestraften Mannschaft nur 5 Prozent mehr Meter laufen, um den Nachteil der roten Karte wieder auszugleichen. Anscheinend ist das der Mannschaft des Halleschen FC gelungen.

Natürlich haben wir uns alle ein überlegeneres Spiel der Zebras gewünscht – nicht zuletzt Gino Lettieri. Ich finde seine Reaktion bei der Pressekonferenz nach dem Spiel sehr sympathisch. Man kann den Eindruck gewinnen, ihm ist es sogar etwas unangenehm, dass seine Mannschaft nach diesem Spielverlauf gewonnen hat. Gleichwohl möchte er nicht zu kleinlaut wirken und so fügt er seine Worte der Freude auf etwas ungewöhnliche Weise zusammen: „Trotzdem Gratulation, dass die Mannschaft – auch in Überzahl muss man sagen – das Ergebnis gehalten hat.“

Einen weiteren Duisburger Gewinner hatte dieser Spieltag dann  noch, obwohl dieses Team spielfrei hatte. Fan-Engagement verdient Respekt, und wenn ich nun noch Worte über ZebraFM verliere, soll das nicht bedeuten, dass ich den Machern vom Fan-Radio in Halle keinen Beifall spende. Schließlich engagieren auch sie sich sehr und es war ihr Verdienst, dass auch wir in Duisburg einen Eindruck vom Spiel erhielten. Allerdings bin ich in Duisburg sehr verwöhnt durch die Reportagen bei ZebraFM. Im Vergleich mit dem, was wir aus Halle gehört haben, sehen wir, welch große Kunst es ist, bei den Hörern Bilder vom Spiel im Kopf entstehen zu lassen nur durch Worte des Moments. Wir konnten  sehen, wie schwierig es ist, erst mitzuteilen, was geschieht und sich dabei gleichzeitig mitreißen zu lassen, engagiert zu sein, als Reporter Fan zu sein, als Fan Reporter. Wir konnten sehen, wie schwierig es ist, in der Begeisterung kritisch zu sein und Distanz zum Geschehen zu haben. Prasselnder Applaus von mir für diesen Gewinner des Spieltags, der spielfrei hatte.

Und das noch: Mit einem Klick geht es weiter zu einem ausführlichen Spielbericht bei PPQ aus Hallenser Perspektive.

Der Wahrnehmungspuffer als Gesundheitskonzept für meine MSV-Zukunft

Dieses Spiel des MSV Duisburg gegen den SV Wehen Wiesbaden war kein Spiel für schwache Nerven. Zweimal ging die Mannschaft des MSV Duisburg in Führung, und wir mussten zusehen, wie wenig später sich der Ausgleich jeweils durch Fehler ankündigte. Das 2:2 fiel zudem in der 80. Minute – zu einem Zeitpunkt des Spiels, bei dem angesichts der instabilen Leistungen egal welcher Zebra-Mannschaft der letzten Jahre die Hoffnung auf ein Siegtor eigentlich zugleich auch als irrwitzige Selbstqual wirkte. Dabei wusste jeder, das Unentschieden hätte nicht Stagnation sondern Rückschritt bedeutet auf dem Weg zum erhofften Aufstieg.

Dieses Spiel war also eigentlich kein Spiel für mich an diesem Tag. Gerettet hat mich eine Art Selbstschutzmodus, in dem ich die Folgen von Spielaktionen in entscheidenden Momenten erst mit Verzögerung erkannt habe. Drei Tore, den Schlusspfiff, manche Torgefahr, alles kam ein wenig verspätet an wie beim DVB-T-Empfang gegenüber dem vom Kabelfernsehen. Um mich herum war alles schon in Aufregung, während ich auf Linienrichter achtete, mir Spielerreaktionen ansah und die Freunde nach der endgültigen Wirklichkeit befragte.

Genau weiß ich nicht, ob diese Wahrnehmungsverzögerung nur als Misstrauen in das Bestehen von Spielentscheidungen eine Folge des frühen Abseitstores von Rolf Feltscher war, oder ob ich gleichsam in meine persönliche Zukunft gesehen habe. Letzteres würde mir gefallen, sorgte ich mich in den letzten zwei, drei Jahren doch immer wieder mal vor den  aufregenden Spielen des MSV der nächsten Jahre. Ich erinnerte mich an das Schicksal von Achim Stocker, dem langjährigen Präsidenten des SC Freiburg, der die Spiele seines Vereins nicht mehr live erleben konnte. Nun befand ich mich Samstag wegen meines zwar abklingenden, gleichwohl noch folgenreichen Infekts in recht schlechter körperlicher Verfassung. Vielleicht kann ich dieses Spiel also als eine Art Probelauf für das noch höhere Alter ansehen?

Der Beweis wäre dann angetreten, mit einem Wahrnehmungspuffer kann ich mir ein Spiel des MSV ansehen, das angefüllt ist mit hoffnungsfroher Freude, tiefer Enttäuschung, drohender Resignation und spätem Siegesjubel. Die Mannschaft hat den Sieg sehr gewollt. Das war in der zweiten Halbzeit zu sehen, als sie beim Stand von 1:1 immer mächtiger den erneuten Führungstreffer erzielen wollte. Sie erarbeitete sich klarere Chancen als die Wiesbadener, die ebenfalls noch einmal ins Tor treffen wollten. Michael Gardawski kam zu einem Kopfball, den der Wiesbadener Torhüter mit einer kuriosen Fußbabwehr im Stehen gerade eben noch kurz vor der Linie abwehren konnte. Zlatko Janjics präzisen, ansatzlosen Distanzschuss lenkte er um den Pfosten. Danach folgte das zweimalige Anlaufen zur Flanke von Nico Klotz mit abschließendem Kopfballtor durch Kingsley Onuegbu. Seit der Hinrunde der letzten Saison haben wir kein so starkes Spiel von Onuegbu mehr gesehen. Endlich versprangen ihm die Bälle nicht mehr, behauptete er Pässe, stand er im Strafraum dort, wo es für die gegnerische Defensive gefährlich war. Es war ein großartiges Comeback.

Natürlich gab es mehr Raum in der Offensive für den MSV, weil der SV Wehen Wiesbaden risikoreicher spielte, um ebenfalls ein Tor zu erzielen. Dennoch bleibt festzuhalten, zum ersten Mal harmonisierten Kevin Scheidhauer und Kingsley Onuegbu wirklich, sie besetzten die unterschiedlichen Räume, ergänzten ihre jeweiligen Stärken. Auch wenn das 1:0 durch Kevin Scheidhauer nach einem Eckstoß fiel, wirkt dieses Tor wie ein Mosaikstein im Beleg für die wieder erstarkte Offensivkraft der Mannschaft. Fehlendes Verständnis beim Zusammenspiel gab es in der ersten Halbzeit an anderen Stellen des Mannschaftsgefüges. Das sollte nicht vergessen werden. Anfänglich schien die Spielanlanges des SV Wehen Wiesbaden in der Offensive reifer zu sein. Das Zusammenspiel klappte beim Gegner besser, der Abseitspfiff rettete vor weiterer Gefahr, doch die Entscheidungen wurden immer knapper. Beim MSV gab es beim schnellen Vorwärtsgang oft Missverständnisse. Der Passgeber erwartete andere Laufwege, der Passempfänger den Pass an anderer Stelle. Erst in der zweiten Halbzeit funktionierte auch ein schnelles Passspiel über mehrere Stationen.

Als Zlatko Janjic in der 89. Minute per Kopf das 3:2 erzielte, gab es im Strafraum der Wiesbadener einen großen Zebra-Auflauf. Um jeglichen Folgen zu großer Enttäuschung zuvor zu kommen, rief ich vorsichtshalber kurz „Abseits“ und hatte Glück, dass mich weder Linien- noch der Schiedsrichter hörten sondern nur die Freunde, deren Jubeln ich allerdings kurz irritierte. Dann seufzte ich erleichtert auf und freute mich nervenschonend mit. Zu dieser kam nach dem Schlusspfiff mein Staunen hinzu, in welcher Weise ich mir so ein aufregendes Fußballspiel auch ansehen kann. Der MSV und ich gehen gemeinsam in eine gute Zukunft.

Einen längeren Spielbericht gibt es beim Hessischen Rundfunk mit einem Klick weiter. Er ist auf jeden Fall sehr viel informativer und vor allem argumentativer als der vom WDR, in dem die Kommentatorenmeinung substanzlos in die Welt geredet wird.

Zudem die Pressekonferenz und Stimmen nach dem Spiel von Kingley Onuegbu und Zlatko Janjic.


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