Posts Tagged 'Sprache'

Wenn der Zufall mich auch noch zum volley führt

Es gibt nicht viele Möglichkeiten, einen Sturz mit dem Gesicht auf einem armdicken, kegelförmigen Betonpoller in Kniehöhe abzufangen, ohne sich schwer zu verletzen. Nennt mich Glückskind, ich habe das geschafft. Vorübergehend ist nun mein Gesicht deutlich asymetrischer, als es für uns Menschen sonst ohnehin der Fall ist. Andererseits gibt es auch nicht viele Möglichkeiten, den Betonpoller davor im Dunkeln so genau anzulaufen, dass er als Hebel wirkte und mich nicht als Stolperfalle irritierte. Der Poller hat mich gleichsam emporgehoben, ohne dass ich merkte, was geschah. Das nun lässt sich doch nicht Glück nennen.

Die Verbindung zum Fußball ist der Zufall. Was hatte alles zusammen kommen müssen, dass sowohl das eine als auch das andere geschah. Das Leben ist nicht kontrollierbar, so sehr wir es uns auch wünschen, ein Fußballspiel auch nicht. Ich weiß das eigentlich. Das eine und auch das andere. Daran erinnern muss ich mich dennoch ständig.

Zufällig habe ich mich dann gestern im Netz von einer Seite zur anderen Seite führen lassen. Seitdem weiß ich nun, was ich vermutete hatte. Der Begriff „volley“ wurde in der Sportsprache zum ersten Mal in England im Tennis benutzt. Das Online Etymology Dictionary verzeichnet für 1819 die erste Quelle eines Verbs und 1851 die eine, wo das Wort als Substantiv genutzt wurde. Über das Tennis ist es in die anderen Sportarten eingewandert. Den Tennissinn hat es beibehalten, den Ball im Flug treffen. Ins Englische gelangte das Wort in den 1570ern aus dem Mittelfranzösischen „volee“, der Flug. Es bezeichnete das Entladen von mehreren Kanonen zurselben Zeit. Der metaphorische Sinn im Sport ist sofort einsichtig. Ein volley genommener Ball besitzt besondere Angriffskraft. Mit irgendwas muss man sich ja die Zeit vertreiben, bis man sich wieder rasieren kann.

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Sprach- und bald auch hoffentlich Trainergott Ilia Gruev

Ab Minute 1.36 sagt Ilia Gruev diesen Satz im Vorbericht zum Spiel des MSV Duisburg gegen den SV Sandhausen. In diesem einen Satz liegt alles. Notwendigkeit und Zuversicht. Mehr muss man über dieses Spiel am Sonntag nicht wissen.

Das heißt für uns: Punkte sind goldwichtig

Goldwichtig! Ilia Gruev hat mir und euch ein neues Wort geschenkt, das mich seit gestern begeistert. Goldwichtig. Wie elegant löst sich der Druck des Notwendigen, indem das Goldrichtige in dem Wort als Grundstimmung mitschwingt. Goldrichtig, so heißt es als Urteil meist nur im Nachhinein. Dann hat alles gestimmt. Besser hätte es nicht sein können.

Zlatko Janjic erzählt – ebenfalls im Vorbericht- , wie Ilia Gruev positiv auf die Mannschaft einwirkte und sich um die Psyche der einzelnen kümmerte. Keine Frage, das war und ist goldwichtig. Unser Trainer: Ilia…. Und alle: Gruev… Sprachgott. Und hoffentlich rufen wir bald auch: Trainergott.

 

 

Und noch eins: Letzte Woche hat Wolfgang Brück von der Rhein-Neckar-Zeitung den Kollegen Koss nach der Stimmung in Duisburg und der Haltung der MSV-Anhänger zum SV Sandhausen gefragt. Die Schlagzeile zum Interview ist aber dann doch dem Lokalstolz geschuldet. Ich dementiere sofort im Namen vom Kollegen Koss, dass er das in diesem umfassenden Sinn gesagt hat. Aber lest selbst mit einem Klick.

2015-11-28_rhein-neckar

Sind auch im Fußball Männer manchmal Herren und die Frauen Damen?

Die ganz großen Zeiten einschlägiger Beweise für die unaufhebbar vorformende Kraft der Sprache auf das Denken sind ja vorbei. So viele Wörter für Schnee haben die Eskimos dann doch nicht und schon gar nicht war aus der behaupteten Schneewortzahl  á la Sapir-Whorf  ein Schluss über Möglichkeiten der Welterfahrung zu ziehen. Auch wir im schneeunsicheren Duisburg aufgewachsene Mitteleuropäer können bei genauem Hinsehen unterschiedliche Zustände von Schnee erkennen, und nichts hindert uns daran, diese Zustände mit je eigenen Wörtern zu benennen.

Wie ja auch bei weniger genauem Hinsehen schon die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu erkennen sind. Was seit jeher zu eigenen Wörtern für die beiden vorherrschenden Varianten führte, entsprechend gibt es für den Ballsport unseres Interesses Männerfußball und Frauenfußball. Pressekonferenzen vom MSV Duisburg führen übrigens zu solchen Überlegungen. Seitdem ich den gemeinsamen Auftritt von MSV-Torhüter Michael Ratajczak und MSV-TorhüterinStürmerin Sofia Nati gesehen habe, ist mir der kommende Spieltag etwas aus dem Blick geraten. Mir geht nämlich die Frage nicht mehr aus dem Kopf, wie oft im Fußball auch von „Herren“-Mannschaften die Rede ist und entsprechend von „Damen“-Mannschaften.  Ich habe keine Lust das zu recherchieren. Klärt mich auf. Karsten Baumann kam das „Damen“ auf der Pressekonferenz ganz selbstverständlich über die Lippen.

Das geht mir als Basketballer mit der Herren- und Damen-Begrifflichkeit genauso.  Sollten soziale Hintergründe des Sports bei der Verwendung von einst feiner klingenden Geschlechterbezeichnungen eine Rolle spielen? Bundesligabasketball wird heute noch von Damen gespielt. Die Herren aber sind dem Bundesligabasketball durch den Sponsornamen abhanden gekommen, ganz davon abgesehen, dass der „Männer“-Basketball dem der Herren große Konkurrenz macht. Wie ist das also nun im Fußball? Stimmt mein Eindruck, dass hier fast nur Frauen und Männer Sport treiben?

Als der MSV Duisburg zur Pressekonferenz lud, ging es jedenfalls erst einmal um Frauen und Männer. Die einen spielen in der Bundesliga das erste Punktespiel im Zebratrikot und zwar gegen Bayer Leverkusen, die anderen spielen gegen Rot-Weiß Erfurt in Liga 3. Überraschendes gibt es nach dem Termin nicht zu erzählen. Die Gegner werden ernst genommen. Frauenfußball wird von Männern ernst genommen. Frauen finden Zebratrikots gut. Siege sind das Ziel. Kleinigkeiten entscheiden das Spiel der Männer.

Für den Rückrundenauftakt der Frauenmannschaft war die gemeinsame Pressekonferenz eine gute Idee, als dauerhafte Lösung scheint mir diese Art von Synergieeffekt allerdings nicht geeignet. Wenn vier Personen auf dem Podium sitzen, ist zu viel gleichzeitig abzuhandeln, selbst wenn es keine wesentlichen Informationen zu erzählen gibt. Vielleicht würde dieses Bemühen um Wertschätzung der Frauen durch die Männer sich irgendwann legen, dennoch scheint mir das Ungleichgewicht des Zuschauerinteresses zu groß, als dass die gemeinsame Pressekonferenz dauerhaft gut funktioniert. Dieses Ungleichgewicht führt zu Subtexten, die so eine Pressekonferenz für die Sprechenden kompliziert machen. Man musste nicht sonderlich feinfühlig sein, um mitzubekommen, dass Karsten Baumann sein Berufsziel nach der aktiven Karriere mit dem Athletiktrainer der U19-Nationalmannschaft der Fußball-Damen (!) noch nicht erreicht sah und froh war, einen Job bei den Männern annehmen zu dürfen. Das ist bunt, da blitzt das Männer-Frauen-Thema auf, und wahrscheinlich gefällt das nicht wenigen. Mir wären Sätze über das kommende Spiel aber schon genug.

Wer sich selbst ein Bild machen möchte:

Wie lebt es sich als Hecht im Karpfenteich?

Zu was Fußball doch alles nützlich ist. Seitdem ich hier über den MSV Duisburg schreibe, erhalte ich regelmäßig Anstöße mein Wissen zu mehren. Natürlich mache ich das in der Absicht, dieses Wissen zu teilen, um eure Zukunftsaussichten auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Denn Bildung muss heutzutage immer nützlich sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass das folgende Häppchen angewandte Fischkunde manch fachliches Problem bei Einstellungsverfahren vergessen macht.

Der angewandten Fischkunde brachte mich gestern ein Satz in der Rheinischen Post näher. Dort hieß es: „Spätestens nach dem überzeugenden 2:0 von Berlin rücken die Zebras in die (erfreuliche) Position, nicht nur ein ´Hecht im Karpfenteich´ zu sein.“ So sind wir Menschen, wir lieben das Bildhafte und machen deshalb aus Fußballspielern in gestreiften Trikots Zebras und die wiederum zu Hechten, die davon träumen Karpfen zu werden. Zumindest glaubt der Journalist, dass es irgendwo im Teich ein besseres Leben als ein Hecht-Leben gibt.

Doch was ist so schlimm daran, im Karpfenteich ein Hecht zu sein? Denken wir doch mal an den ganz dicken Karpfen Hertha BSC Berlin. Ruhig zieht er seine Bahnen im Gewässer und seine minimalen Flossenbewegungen verraten nichts von seinen großen Überlebensängsten, weil ihm die innere Ruhe fehlt, selbst weichste Wasserpflanzen anzuknabbern.  Will der MSV Duisburg so ein Karpfen werden? Oder ist es nicht viel besser Hecht zu sein, der diesen dicken Karpfen zwar nie ganz fressen wird, ihm aber durch seine Anwesenheit das Leben schwer macht. Mir scheint, der Hecht führt im Karpfenteich kein schlechtes Leben. Die Beute muss zwar gejagt werden, aber das Machtverhältnis zwischen Hecht und Karpfen ist völlig ungeklärt. Nur deshalb ist überhaupt der Wertewandel möglich, den der „Hecht“ des Karpfenteichs in der Wahrnehmung durch uns Menschen durchmacht.

Einmal sorgt dieser Hecht für Bewegung unter trägen Karpfen und übernimmt mit Tatkraft eine führende Rolle, das andere Mal, vor allem im 19. Jahrhundert, kommen die Karpfen besser weg und das Augenmerk der bildhaften Sprecher liegt auf  dem räuberischen Verhalten der Hechte. Die angewandte Fischkunde kennt kein gut oder böse, sie kennt nur die nützliche Ergänzung. Bei der Fischzucht wird der Hecht von den Teichwirten seit Jahrhunderten für „teichwirtschaftliche“ Aufgaben genutzt. Wie auf der Angelfachseite www.angeltechniken.de zu lesen ist, beseitigt er durch Wegfangen minderwertiger Fischarten die Fresskonkurrenz der Karpfen.

Warum sollte der Hecht MSV Duisburg also Karpfen werden wollen? Um dann doch dem dicken Karpfen Hertha BSC den Vortritt beim Fressplatz Deutsche Bahn zu lassen? Da bleibt er doch besser der einzige Hecht unter all den Karpfen. So ein Hecht kann schließlich auch ganz schön groß werden. Heute Abend treffen die Zebrahechte auf den größer gewordenen Karpfen FSV Frankfurt. Milan Sasic sieht eine schwierigere Aufgabe für den MSV Duisburg als beim Karpfen aus Berlin. Tief und abgeklärt stehende Frankfurter Karpfen müssen erst einmal in Unruhe gebracht werden, damit Wege zum Frankfurter Tor frei werden. Ich hoffe, damit findet der Hecht MSV Duisburg wieder gute Lebensbedingungen vor.

Was haben Straßenfußball, Ausdrucksfähigkeit und Sparen der Kommunen miteinander zu tun?

Straßenfußballer gibt es keine mehr in Deutschland, hieß es vor einigen Jahren. Schon damals war das Unsinn. Die Straße voller Autos statt Fußball spielender Kinder war nur ein medienwirksames Bild für die unzureichenden spielerischen Fähigkeiten deutscher Fußballer bei Länderspielen; ein Bild, das auch deshalb gerne verwendet wurde, weil es beim DFB und den Fußballvereinen des Profibetriebs das sichere Wissen erträglich machte, während der Ausbildung von Nachwuchsfußballern Fehler begangen zu haben.

Straßenfußballer gab es damals, und sie gibt es immer noch. Im Duisburger Norden habe ich im letzten Jahr eine Straßenmannschaft kennengelernt. Das waren fünf Jungen zwischen zwölf und fünfzehn Jahren, die sich im Jugendzentrum „Zitrone“ regelmäßig trafen, sich als Mannschaft verstanden und ihr Fußballspiel untereinander an manchen Tagen Training nannten. Diese Jungen spielten nur nicht auf der Straße sondern im Hof dieses Jugendzentrums. Am Bild vom verschwundenen Straßenfußballer war nämlich eines richtig. Die Straße ist heute nur noch selten organisatorischer Kern eines anarchischeren, vereinsunabhängigen Fußballspiels. In den Städten sind oft die Jugendzentren an die Stelle der Straße gerückt. Denn eines ist für ein Fußballspiel unabdingbar, irgendwo müssen sich Jugendliche zunächst einmal treffen, wenn sie Fußball spielen wollen.

Die Mitarbeiter dieses Jugendzentrums sorgen also für die Möglichkeit zum Fußballspiel von Jugendlichen, für die die Mitgliedschaft in einem Verein fern liegt. Irgendjemand muss sich nämlich um den Eintritt in so einen Sportverein kümmern. Das sollte eigentlich die Aufgabe von Eltern sein, doch es gibt in den Großstädten dieses Landes inzwischen Stadtteile, in denen Kinder schon sehr früh in ihrem Leben sich selbst überlassen werden. Eine größere Öffentlichkeit bemerkt das meist nur dann, wenn Katastrophen wie der Tod eines Kindes geschehen.

Wer sich im Ruhrgebiet auskennt weiß, besonders in den nördlichen Stadtteilen der Region wachsen Kinder unter schwierigen sozialen und ökonomischen Bedingungen auf. In diesen Stadtteilen werden Jugendhilfe-Einrichtungen wie das Jugendzentrum „Zitrone“ schnell zu Familienersatz, Kinderrestaurant, Sportmöglichkeit, Berufsberatung und Nachhilfeinstitut in einem. Ich habe die „Zitrone“ vor fast vier Jahren kennen gelernt, als ich einen vom Jugendzentrum verantworteten Theaterworkshop für ein Buchprojekt beobachtend begleitet habe. So gebe ich gerne zu, wenn ich über dieses Jugendzentrum schreibe und es als Beispiel für die Arbeit von Jugendzentren überhaupt nutze, bin ich Partei. Mit der „Zitrone“ hat sich für mich ein regelmäßiger Kontakt ergeben, und zurzeit führe ich dort eine Schreibwerkstatt durch, in der jener von mir zu Heiligabend veröfffentlichte Liebesbrief an den Fußball entstanden ist. Ohne die Initiative des Jugendzentrums hätte es die Kooperation mit den Schulen nicht gegeben und die Schreibwerkstatt als zensurfreier Raum wäre nicht entstanden. Dort erleben Schüler ihre Sprache nicht mehr als für eine gute Zensur nicht ausreichendes Mittel, sondern als Möglichkeit sich selbst und die eigenen Ideen verständlich zu machen. Wer das möchte, verbessert seine Ausdrucksfähigkeit automatisch.

Die Arbeit dieses Jugendzentrums ist nun bedroht durch die finanzielle Situation der Stadt Duisburg. Vor Ort weiß es wahrscheinlich jeder, umfassende Sparmaßnahmen sind notwendig. Zurzeit liegt dem Rat der Stadt Duisburg eine Vorschlagsliste zu diesen Sparmaßnahmen vor. Werden diese Sparpläne in Bezug auf die Jugendhilfe Wirklichkeit, wird die soziale Arbeit mit Jugendlichen dort unmöglich, wo sie am nötigsten ist. Geld das an dieser Stelle gespart wird, kostet die Bürger wenige Jahre später das Doppelte und Dreifache, wenn Jugendliche ihre Zeit ohne Orientierung durch Erwachsene verbringen müssen.

Nun frage ich mich, ob die öffentliche Diskussion in der Stadt über die notwendigen Sparmaßnahmen in Duisburg überhaupt stattfindet. Ich schreibe das allerdings mit Vorbehalt, weil ich mich meist maximal zwei Tage in der Woche in Duisburg aufhalte. Sollte ich also etwas übersehen haben, lasse ich mich nur allzu gerne korrigieren.

Es war im Dezember, als zum ersten Mal eine Zeitungsmeldung zu diesen Sparmaßnahmen veröffentlicht wurde. Damals hatte es eine von der politischen Führung der Stadt einberufene Beratungsrunde gegeben, aus der erste Überlegungen zu den Sparplänen bekannt wurden. Mir fiel damals sofort auf, dass an oberster Stelle der möglichen Sparmaßnahmen die Jugendhilfe und die Kultur standen. Alleine der ehemalige Oberbürgermeister Josef Krings reagierte sofort auf die Bekanntgabe der Sparpläne und blieb aus Protest der VHS-Jubiläumsfeier fern. Andere Reaktionen darauf blieben lange Zeit so gut wie aus. Nun gibt es aktuell ein paar einzelne Stimmen, die sich für einzelne Projekte stark machen, aber ich erlebe das nicht als öffentliche Diskussion um die Bedeutung der Kultur etwa für die Stadt Duisburg.

In Köln hatte ich kurz zuvor etwas anderes erlebt. Dort machte der Stadtkämmerer seine Überlegungen zur Kürzungen des Kulturhaushaltes öffentlich. Sofort ergab sich eine Diskussion im Kölner Stadt-Anzeiger, verschiedene Personen des Kölner Kulturlebens nahmen Stellung, einzelne Bürger schrieben Leserbriefe und schließlich betonte sogar Oberbürgermeister Jürgen Roters die besondere Bedeutung der Kultur für Köln und dass dies bei allen notwendigen Sparmaßnahmen zu berücksichtigen sei.

Gibt es diese besondere Bedeutung der Kultur trotz aller Lippenbekenntnisse der Politiker vor und im Kulturhauptstadtjahr 2010 in Duisburg nicht? Natürlich geht es letztlich um Geld für das einzelne Projekt. Aber vorher geht es darum in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein dafür zu wecken, was diese einzelnen Projekte als Teil von Kultur für das Leben in Duisburg bedeuten. Für dieses Leben in Duisburg haben Kultur und Jugendhilfe dabei eine ähnliche Bedeutung. Nicht umsonst wurden beide Bereiche nach jenem ersten Politikergespräch im Dezember in einem Atemzug genannt.

Weiß Duisburg etwa um die Bedeutung jenes Kulturangebots rund um den Dellplatz? Weiß Duisburg als Stadtteil der Kulturhauptstadt RUHR.2010 darum, dass in Jugendzentren Kinder mit grundlegenden Kulturtechniken vertraut gemacht werden? Wenn ich die Reaktion auf diese ersten Gedanken zu den Sparmaßnahmen betrachte, habe ich das Gefühl, selbst die politisch Verantwortlichen der Stadt wissen das nicht.

Was die Sparmaßnahmen in der Jugendhilfe angeht, so haben verschiedene Verbände der Jugendhilfe zu einer Protestkundgebung am morgigen Freitag um 16.30 Uhr vor dem Duisburger Rathaus aufgerufen. Mir ist klar, dass die anvisierte Summe Geld tatsächlich eingespart werden muss. Ich hoffe für Duisburg sehr, dass Kultur und Jugendhilfe so wenig wie möglich zu dieser Summe beitragen werden.

Fremdsprachenunterricht aus gegebenem Anlass

Noch besser hätten sich FSV Mainz 05, SpVgg Greuther Fürth und 1. FC Nürberg gestern nicht an den von mir und etlichen anderen letzte Woche am Kicker-Tabellenrechner sorgsam ausgearbeiteten Ablaufplan der restlichen Saison halten können. Dies ist um so mehr zu loben, als der MSV Duisburg am Freitagabend seinen Teil der notwendigen Arbeit gar nicht erst geleistet hat. Deshalb möchte ich diesen letzten Spieltag für uns MSV-Fans retten und uns zu Weltgewandtheit und internationaler Small-Talk-Fähigkeit verhelfen. In ferner Zukunft könnten wir ja vielleicht bei einer der internationalen Aufgaben des MSV Duisburg einmal wieder mit jenen Fans zusammenkommen, die nicht des Deutschen mächtig sind. Dann aber schnell an die heutige Lektion „Idiomatische Redewendungen“ erinnert!

Aus gegebenem Anlass wenden wir uns einer oft anwendbaren Weisheit zu, die da lautet: Wenn das Wörtchen wenn nicht wär, wär mein Vater Millionär.

Im Englischen haben wir mehrere Möglichkeiten der Übersetzung: Pigs might fly if they had wings.
(Sinngemäß: Schweine könnten fliegen, wenn sie Flügel hätten.)

If ifs and ands were pots and pans there’d be no work for tinkers.
(Sinngemäß: Wenn wenns und unds Krüge und Pfannen wären, gäbe es keine Arbeit für Kesselflicker.)

Für das Französische ist mir nur eine Übersetzung geläufig: Avec des si on pourrait mettre Paris en bouteille.
(Sinngemäß: Mit wenns könnte man Paris in eine Flasche füllen.)

Ergänzungen und Übersetzungen in weitere Sprachen sind jederzeit willkommen.

Eine moderne Angst? Der Minderwertigkeitsverlust

Man kennt Peter Neururer als einen Mann, der sich jeder einzelnen seiner Fähigkeiten und Eigenschaften sehr sicher ist. Eine dieser Eigenschaften war ihm allerdings in seiner ganzen Karriere keine Rede wert. Es blieb Bernd Bemann vorbehalten,  in diesem Artikel über den MSV in der Rheinischen Post auf jenen lange verschwiegenen Persönlichkeitszug hinzuweisen:

An Minderwertigkeitsverlust leidet der Fußball-Lehrer nun wirklich nicht.

Ich mag solche schiefen Sätze. Sie sind komisch, überraschend und bringen das Denken in Gang. Denn wenn man sich nur diesen laut Google im deutschsprachigen Raum einzigartigen „Minderwertigkeitsverlust“ ansieht,  sollte man ja geradezu hoffen, dass er möglichst bald eintreten wird. Aber wenn das dann Leiden nach sich zieht, wird das wohl nie was mit Peter Neururer und dem dauerhaften Erfolg. Manchmal enthüllen solch schiefe Sätze eine zweite Wahrheit des Gemeinten, eine Wahrheit, die vom Unbewußten gespeist wird. Danke, Bernd Bemann! Ganz ernst gemeint. Und ich hoffe natürlich auf den ganz schnellen Minderwertigkeitsverlust. Keine Frage.

Das Lexikon der Fußballirrtümer – ein Vorgeschmack

Dieser Mann hat eine Mission, und seine zukünftigen Verbündeten sind wir alle. Wir, deren Gespräche sich irgendwann immer um Fußball drehen. Wir, die süchtig nach Spielberichten sind. Wir, die es immer besser wissen als die Trainer unserer Mannschaften. Wir, die immer erklären können, warum unser Verein dieses Mal schon wieder verloren hat.

Einst hat der Sportwissenschaftler Roland Loy die „ran“-Datenbank aufgebaut. Das ist so lange her, dass die jüngeren Fußballfans schon wieder nur noch die „Sportschau“ kennen. Heute berät Roland Loy in Sachen Fußball allerorten und gebärdet sich mit dem „Lexikon der Fußballirrtümer“ als Aufklärer im Kampf gegen Ignoranz und Selbstüberschätzung, jene zwei Grundhaltungen, die an den Rändern von Fußballplätzen weltweit anzutreffen sind – bei Trainern, Spielern und Offiziellen, bei Journalisten und den Fans gleichermaßen. Roland Loys Waffen sind Zahlen, und seine Botschaft lautet, nichts Genaues weiß man nicht. Nur eins ist sicher, Roland Loys über Jahre gesammelten Daten beweisen, die meisten Aussagen über Fußball sind falsch.

Bei Roland Loy hört sich das dann immer wieder etwas komplizierter und ungelenker an:

Aufgrund der Vielschichtigkeit des Fußballspiels steht auch die (Sport-)Wissenschaft vor multiplen Problemen, wenn es darum geht die Zusammenhänge in dieser Sportart objektiv, exakt und hinreichend zuverlässig zu entschlüsseln (so liegen beispielsweise bezüglich, der, seitens der Praxisvertreter viel gestellten, Frage hinsichtlich der den Spielerfolg bestimmenden Faktoren bislang so gut wie keine Erkenntnisse vor).

Dann ist es natürlich nur empörend, wenn diese „Praxisvertreter“ das Gegenteil behaupten:

Vertreter der Praxis behaupten einerseits irgendwelche Dinge, von denen sie keinerlei sichere Kenntnis haben, erzeugen dabei gegenüber der Öffentlichkeit (die größtenteils gar nicht merkt, dass sie hinters Licht geführt wird) den Eindruck, ganz viel über den Fußball zu wissen und ganz viel Weisheit hinsichtlich dieser Sportart gepachtet zu haben, gehen andererseits aber das Risiko ein, mit ihren Aussagen gravierendsten Irrtümern aufzusitzen und nun durch die Wissenschaft ob ihres Nichtwissens und der Weitergabe unzutreffender Informationen – der – ich will nicht von „Scharlatanerie“ sprechen, aber zumindest von (leichtfertiger) Verbreitung von „Halb-“ beziehungsweise „Unwahrheiten – überführt zu werden.

Irgendwas verstanden?

Ich frage mich, was den Verlag bewogen hat, den Datensammler Robert Loy als Autor auf diese Weise ins offene Messer hinein laufen zu lassen. Hat es da irgendein Lektorat gegeben? Hat es da irgendeine vorsichtige Andeutung dazu gegeben, dass man bei aller Achtung vor dem Datenmaterial und den Ergebnissen des Wissenschaftlers auf diese Weise kein Buch schreiben kann. Roland Loys Stil erschwert das Verständnis einfachster Sachverhalte auf eine Weise, wie ich es noch nie in einem Buch gesehen habe, das sich an ein breites Publikum richtet.

Dabei schreibt Roland Loy keineswegs unverständlich, weil seine Sprache zu wissenschaftlich ist, sondern weil er grundlegende Regeln zum Satzbau eines verständlichen Schreibens anscheinend nicht kennt und weil diesem Schreiben zudem ein Ringen um Anerkennung innewohnt. In diesem Ringen um Anerkennung unterbricht er den eigenen Gedanken unentwegt mit Zitaten, sei es um jemanden zu widerlegen, sei es um Beistand aus dem klassischen Bildungskanon herbeizurufen. Da erhöht Roland Loy seinen aufklärerischen Gestus durch Worte Georg Christoph Lichtenbergs, des Aphoristikers der deutschen Klassik. Da wird Paulo Coelho, der brasilianischen Erfolgsschriftsteller in Sachen lifestylekompatible Sinnstiftung, im Zitat von Olli Kahn zitiert. Ein Doppelschlag, vielleicht weil Loy den Zahlen Leben einhauchen will? Ich weiß es nicht.

Manchmal hatte ich das Gefühl, Roland Loy sehnt sich bei allem Erfolg mit seinen Statistiken nach etwas anderem, was ihm der Fußball bislang nicht gegeben hat und das er mit diesem Buch nun zu erhaschen hofft. Vergeblich, auf jeden Fall. Seine Haltung beim Schreiben steckt voller Widersprüche. Da schreibt er ein Kapitel zur Einleitung und behauptet nicht lehrmeisterhaft sein zu wollen. Gleichzeitig führt er auf fast jeder Seite eine Fußballgröße an, die eine durch seine Zahlen nicht belegbare Aussage zum Fußballspiel macht. Wenn man einem Menschen Fehler nachweist und dabei anklingen lässt, ich weiß es aber besser, dann wirkt das lehrmeisterhaft, daran kommt auch Roland Loy nicht vorbei. Außerdem behauptet er, es stände nicht in seiner Absicht, sich mit seinen Aussagen dem  Fußball gegenüber wichtig machen zu wollen. Doch was ist diese gespreizte Schau von Zitaten? Warum all diese Geistesgrößen, die ihm schon beigepflichtet haben, als er noch gar nicht auf der Welt war? Was bedeuten diese unzähligen Verweise auf Fußballgrößen? Wie Roland Loy das Thema seines Leben anpackt, macht es schwer, seine Anmerkungen im Einleitungskapitel zu glauben. Man braucht also ein dickes Fell, um die interessanten Momente seines Wissens aus dem Buch herauszupicken. Denn das bleibt unbenommen am „Lexikon der Fußballirrtümer“, so einfach ist das nicht mit dem Fußball. Als Gewissheiten geäußerte Erklärungen für Erfolg und Misserfolg von Spielweisen und Taktiken sind meist nicht mehr als eine Vermutung. Flügelspiel etwa führt nicht öfter zu einem Tor als das Spiel durch die Mitte. Roland Loys Statistiken beweisen es.

Roland Loy: Das Lexikon der Fußballirrtümer. C. Bertelmann, München o. J.
€ 16,00.

Hoffnung für den Angriff? Änis Ben-Hatira

Im Angriff haperte es während der Hinrunde ja immer gewaltig. Da weckt die Nachricht große Hoffnung, dass der tunesischstämmige Deutsche Änis Ben-Hatira vom HSV ausgeliehen wird. Zu Beginn der Saison sagte HSV-Trainer Martin Jol noch: „Er ist ein großes Talent und ich brauche ihn“. Dann gab es für Ben-Hatira und die anderen jungen Spieler beim HSV doch keine Chance, sich zu etablieren. Was kurzzeitig in der lokalen Presse für einige Unruhe sorgte. Die Talente lässt man versauern, sagte man. Nun hat der HSV Erfolg, die Wogen sind geglättet und die jungen Spieler sollen ihre Spielpraxis bekommen – bei anderen Vereinen. Also, eigentlich ist alles gut. Es gibt nur eins, das mich sofort wieder skeptisch stimmt, und das ist die Meldung zur Verpflichtung auf der MSV-Seite im Netz. Beim MSV gibt es ein nämlich ein Textmodul, das schon mehrere Male bei Verpflichtungen hervorgeholt wurde: xy „hat ein enormes Potential und gilt als eines der größten Talente im deutschen Fußball.“ Ich weiß nicht mehr, wie oft ich das schon vom MSV gelesen habe. So richtig eingelöst wurden diese Vorschusslorbeeren bislang noch nicht von all den „größten Talenten“, die der MSV bislang an Land ziehen konnte. Und wenn dieses Textmodul nun schon wieder hervorgeholt wird … Ist das nicht ein böses Omen? Das wollen wir natürlich nicht hoffen, aber der Geruch des Versagens klebt an diesem Textmodul. Weg damit! Sofort löschen! Denn wir wollen das, was es noch nicht gegeben hat, und das ist den Durchbruch in Duisburg von einem dieser größten Talente des deutschen Fußballs.

„Wir haben hart gearbeitet“

Selbstverständlich mehr als zu Beginn einer Saison drückt sich in Stellungnahmen vor dem Rückrundenstart letzte Hoffnung und Rechtfertigung gleichermaßen aus. „Wir haben hart gearbeitet“, ist der Satz, den einige Trainer nach der Winterpause sicherlich am häufigsten sprechen. Wer das sagt, steht unter Erwartungsdruck. Da gibt es einerseits Zusammenhänge mit dem Erfüllen von vor der Saison erwarteten hohen Zielen oder Abstiegsplätze und die Nähe dorthin wirken als die Worte auslösende Schlüsselreize. Sie sind ein Signal an die Mannschaft und an Fans gleichermaßen. Zuversicht soll bei den eigenen Spielern geweckt werden und bei den Fans Verständnis für das dennoch mögliche Versagen. Wer hart arbeitet, genügt zumindest der nicht gering geschätzten Grundtugend Fleiß. Dass das nicht immer ausreicht, interessiert in den von Journalisten verlangten kurzen Statements wenig. Leider ist es im Fußball wie im richtigen Leben. Am ersten Spieltag der Rückrunde geht es meist weiter wie zuvor. Große Wendungen im Geschick der hart gearbeitet habenden Mannschaften haben wir zum Beispiel gestern nicht gesehen. Mönchengladbach hat ebenso, wie erwartet, verloren wie Cottbus. Da erinnern wir uns daran, dass Fleiß vielleicht Voraussetzung ist, aber das ein oder andere noch hinzukommen muss. Bis 14 Uhr bin ich da voller Hoffnung, was den Verein aller Vereine angeht. Ich war da ganz empfänglich für die unermüdlich gesprochenen Worte Peter Neururers über die Arbeit der Mannschaft während der Winterpause. Doch wie wunderbar wäre es, wenn zur Grundvoraussetzung Arbeit noch etwas anderes hinzugekommen ist.


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