Am Morgen nach der 1:3-Niederlage gegen Jahn Regensburg fühlt es sich für mich noch immer so an, als stehe der Abstieg am achten Spieltag schon fest. Nach dem Spiel gegen Aue habe ich nicht gedacht, die Erfolgslosigkeit des MSV könne sich in einem noch deutlicheren Missverhältnis von Spielaufwand und Ergebnis zeigen. Gestern ist das aber geschehen. Noch immer bin ich leer, und viele Worte zum Spiel selbst kann ich nicht schreiben.
In der ersten Halbzeit haben die Zebras einen solchen kontinuierlichen Druck in der Offensive entwickelt, wie wir ihn in dieser Saison noch nicht gesehen haben. Die unverbundenen Einzelleistungen aus dem Spiel gegen Aue fanden in der ersten Halbzeit gestern gegen Regensburg zusammen. Variabel wurde der Ball Richtung Gegnerstrafraum gebracht. Doch in diesem Strafraum gelang zu wenig. Es fehlte ein Spieler, der im entscheidenden Moment sein Bein in einen wenig kraftvollen Schuss bringt. Es fehlt ein Spieler, der sich in engen Räumen bei Flanken vor die Abwehrspieler schleicht. Es fehlt ein Spieler, der bei Torwartunsicherheiten den frei gewordenen Ball abstaubt und im Tor unterbringt. Das ist der Blick in den Strafraum. Man kann auch vor den Strafraum schauen. Da es den einen Spieler des MSV im Strafraum nicht gibt, müsste die Mannschaft bei vielen Bällen in den Strafraum hinein präziser sein – egal ob Flanke oder letzter Pass.
Aber habe ich nicht etwas vergessen? Richtig. Der MSV lag nach zwei Kontern in Minute 11 und Minute 13 ja bereits mit 2:0 zurück. Das hatte so unfassbar einfach ausgesehen, wie die Regensburger das erste Tor erzielten. Es war entsetzlich. Zumal in der Spielsituation davor Stanislav Iljutcenko das Führungstor auf dem Fuß hatte. Einen hohen Ball in den Strafraum hatte er artistisch angenommen, bedrängt vom Gegenspieler im Rücken lag der Ball nicht perfekt auf seinem Fuß, so dass er dem herauseilenden Torwart beim Schuss eine Chance ließ. Die Chance nutzte der Torwart. Er hielt und leitete den ersten so ernüchternden Konter ein.
Aber auch ohne einen Konter, mit einem schnellen Spielaufbau gegen die formierte Abwehr kamen die Regensburger innerhalb des Strafraums immer wieder vor den Defensivspielern des MSV an den Ball. Das ist ein Grundproblem des MSV in dieser Saison, die gegnerischen Spieler wirken meist allesamt gedankenschneller als die Zebras auf dem Platz. Ob das mit der von Ilia Gruev gewünschten Spielkontrolle zusammenhängt? Sind die Spieler nicht in der Lage kontrolliert zu sein und in offenen Situationen auf ein höheres Tempo umzuschalten?
Der frühe Rückstand zusammen mit dem Stadionerlebnis mit den Freunden verhinderte zumindest die Wiederholung der Magdeburg-Erfahrung für mich. Keine spürbare Gesundheitsgefährdung entwickelte sich, die Kopfschmerzen blieben nach diesem Spiel aus. Ich war in gewisser Weise betäubt. Mein Ärger war gebremst und mündete nur in Dauerunruhe beim immer vergeblicheren Hoffen auf den Ausgleich. Denn in der zweiten Halbzeit gab es keine deutlichen Chancen mehr. Stattdessen fürchteten wir jeden Ballbesitz der Regensburger.
Wir spielten in der Kurve unser eigenes Spiel. Das Minutenspiel. Ich hoffte auf den Ausgleich in der 50. Minute und wollte ihn unbedingt in der 60. Der Freund wollte den Ausgleich spätestens zur 70. Minute. Beide erhöhen wir natürlich in jedem Spiel um 5 Minuten, um die Hoffnung zu erhalten, es könne noch gut ausgehen. Es! Das eine jetzt so bedeutende Spiel, das über unser persönliches Schicksal entscheidet. Wie gelassen habe ich diese Entscheidung abwarten können. Nur den Elfmeter habe ich mir dann nicht angeschaut. Wahrscheinlich war ich zum ersten Mal im Stadion altersweise. Ich ging zur Toilette. Eine Übersprungshandlung. Denn ich trank nur etwas Wasser aus dem Hahn. So konnte ich das spielentscheidende Tor ertragen. Erschöpt hielt ich bis zum Schlusspfiff aus.
Ilia Gruev erklärt übrigens in der Pressekonferenz, warum er Cauly Souza für Joseph-Claude Gyau einwechselte. Diese Auswechslung war Anlass für laute Gruev-raus-Rufe. Wen hätte er sonst auswechseln sollen? Gruev erklärt, Gyau braucht Räume für seine Spielweise, die Regensburg zum Ende nicht mehr ließ. Souza sei im eins gegen eins besser. Das erklärt den Wechsel.
Im Fußballgeschäft gibt es nur wenige Vereine, denen es gelingt kontinuierlich mit einem Trainer bei anhaltendem Misserfolg zu arbeiten. Der MSV Duisburg gehört nicht dazu. Nun wird in Duisburg Ilia Gruev von einem Großteil der Zuschauer als Grund für die Misserfolge dieser Saison angesehen. Es sei dahin gestellt, ob das stimmt. Aber wie soll eine Mannschaft am Tabellenende gegen Unruhe im Umfeld und unter den Zuschauern Erfolg haben? Es ist weiter zum Verzweifeln, denn ich glaube nicht, dass ein neuer Trainer die Mannschaft erfolgreicher machen wird. Was nicht heißt, dass sie nicht noch erfolgreich werden kann. Auch nach einem Trainerwechsel, und auch dabei wird offen bleiben, ob so ein Wechsel der Grund für den Erfolg gewesen ist. Für das Aufkeimen meiner Hoffnung auf diesen Erfolg, egal unter welchem Trainer, müssen noch ein paar Tage vergehen.
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