Eigentlich muss man den Festival-Verantwortlichen der „Akzente Duisburg“ für ihre Entschlussfreudigkeit dankbar sein. Weil „Akzente“-Plakat und -Programmheft mit der Essener Zeche Zollverein als Fotomotiv bebildert sind, wird nun darüber gesprochen, in welchem identitätstiftenden Verhältnis das Ruhrgebiet und Duisburg zueinander stehen. Ein Thema, das in allen Städten der Region interessieren müsste, weil davon ihre Zukunft abhängt; weil dieses Ruhrgebiet sich immer noch zu mehr Gemeinsamkeit der Städte hin entwickeln sollte. Für diesen Weg müssen die Ruhrstadt-Stadtteilbewohner sich ihrer Identität als Ruhrstädter und Ruhrstadt-Stadtteilbewohner gleichermaßen sicher sein. Ein wunderbares Thema für die Akzente 2015 – ob offiziell oder inoffiziell.
Zwei Minuten nur sei die Vorlage für die Werbung zu den diesjährigen „Akzenten“ diskutiert worden. So erzählt Festivalbüro-Leiter Frank Jebavy es den Journalisten, um zu unterstreichen, wie unzweifelhaft die Zeche Zollverein als Motiv auf einem Symbolfoto das „Akzente“-Jahr mit dem Thema „Heimat“ repräsentieren könne. In den sozialen Netzwerken waren allerdings Zweifel schon vor etwas längerer Zeit geäußert worden. Die lokale Presse trat mit einem vorsichtig fragenden Artikel nach einer möglichen „Werbepanne“ in der ersten Veranstaltungswoche auf den Plan.
Kritik an der Wahl des Fotomotivs zusammen mit der dünnhäutigen Reaktion der Festivalverantwortlichen darauf zeigen nun am Beispiel Duisburg, wie erschütterbar die zwei identitätsstiftenden Perspektiven auf eine Stadt im Ruhrgebiet jeweils sind. Auch für die nachgeschobene Argumentation der Festivalverantwortlichen darf man deshalb dankbar. Natürlich sollte man Frank Jebavy als erstes beruhigen, wenn er fragt, ob die Festivalverantwortlichen, die einzigen seien, die über den Tellerrand blickten. Ich kenne noch ein paar mehr, die das machen. Die haben nur andere Meinungen. Ich zum Beispiel versuche, wann immer es geht, für den Gedanken der Ruhrstadt zu werben. Dennoch würde ich im Jahr 2015 ein Duisburger Kulturfestival niemals mit einem Fotomotiv aus Essen bebildern.
Zeche Zollverein mag inzwischen ein symbolhafter Ort für die „Heimat Ruhrgebiet“ sein, wie Frank Jebavy anmerkt. Dass Zollverein das Lebensgefühl der gesamten Region ausdrückt, möchte ich schon stark bezweifeln. Diese „Heimat Ruhrgebiet“ gibt es neben der genauso intensiv erlebten „Heimat Duisburg“, deren Industrieromantik eigene ausdrucksstarke Bilder für das Leben in Duisburg hervorgebracht hat. Und selbst wenn es in ferner Zukunft einmal so wäre, und die Zeche Zollverein für alle Ruhrstädter das Symbol ihrer Heimat ist wie der Dom für die Kölner, selbst dann wäre die Zeche als Hauptmotiv für ein Kulturfestival des Ruhrstadt-Stadtteils Duisburg die falsche Wahl gewesen. Kein eigenständiges Kulturfestival in einem Kölner Stadtteil bewirbt seine Veranstaltung nur mit dem Dom. Er ist allenfalls Teil einer Collage, in der immer auch klar erkennbare Fotomotive des Stadtteils vorhanden sind.
Ich könnte deshalb auch die Festival-Verantwortlichen zurückfragen, ob es nicht eher proviziell ist, sich seiner Identität nicht vollständig sicher zu sein, knapp daneben zu liegen mit den Bildern seiner selbst. Nicht provinziell sein zu wollen ist, leider Gottes, provinziell. Normalerweise hätte ich das niemals so gesagt, aber zur Verteidigung der Entscheidung sprang der Kulturdezernent der Stadt, Thomas Krützberg, Jebavy argumentativ bei, sie hätten nicht so provinziell denken wollen, die „Akzente“ seien kein auf Duisburg begrenztes Festival. Implizit steckt darin der Gedanke, eine bildhafte Ausrichtung auf Duisburg habe dieses provienzielle Flair. Ich sage dagegen, eine starke Identität braucht eigene Bilder. Erst so entsteht Selbstbewusstsein und erst eine selbstverständliche, stimmige Identität hat die Chance, über die Stadtgrenze hinaus zu wirken. Mehr Gemeinsamkeit im Ruhrgebiet entsteht auch, wenn sich die Bürger einer Stadt dem wahrgenommenen Wert ihrer Stadt sicher sein können.
Der Anspruch des Festivals sei Überregionalität, war ein weiteres Argument für das Essener Fotomotiv. So ein Anspruch darf sicher formuliert werden, gelesen habe ich über das Festival in den letzten Tagen in einem überregionalen Medium allerdings noch nichts. Vielleicht lese ich nicht umfassend genug? Ich glaube aber, viel wichtiger ist ohnehin die Wahrnehmung der „Akzente“ in Duisburg selbst, vielleicht noch die im westlichen Ruhrgebiet. Denn zweifellos bieten diese „Akzente“ ein wunderbares Programm. Angebote der lokalen Kulturszene mischen sich bestens mit den Gastauftritten von außerhalb. Diese Mischung macht den Wert des Festivals aus und kann das Selbstbewusstsein der Stadt stärken. Meine Eindrücke dieser ersten Akzente-Woche sind zufällig, doch ich habe das Gefühl, das Festival wirkt tatsächlich vielfältig in den Alltag der Stadt hinein. Das ist gut, das lässt sich weiter erzählen, und so ein Erfolg ist keineswegs provinziell.
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