Eins halte ich für sicher: Der MSV Duisburg ist auf dem Weg, ein Geschehen, wie das der letzten Tage als einfache Nachricht weitergeben zu können. Der Vorsitzende und der 2. Vorsitzende tauschen ihre Ämter. Noch ist der MSV Duisburg nicht so weit. Der Wechsel an der Vereinsspitze erfolgt zu einem überraschenden Zeitpunkt, was ihm eine besondere Bedeutung beimisst. Es gibt Raum für Spekulationen, die der seriöse Teil der Lokaljournalisten sachlich und informierend vornimmt. Was wenig mit der Art und Weise zu tun hat, wie dieser Ämtertausch vom MSV kommuniziert wurde sondern mit der Haltung dieser Journalisten. Dirk Retzlaff liegt mit dem Bericht und seinem Kommentar des Geschehens wohl sehr nah an der Wirklichkeit dieses Wechsels, hingegen im Reviersport, wie es sich für den Boulevard gehört, jede Chance auf die populistische Empörungsgeste genutzt wird. Such die Emotion und den Konflikt in der Geschichte, dann blase alles auf und probiere mit dem halbtoten Story-Gaul wenigstens den Nebenweg Randfigurenkommentar, so lautet einmal mehr die Devise.
Beim Wechsel an der Vereinsspitze lässt sich ein Grundmotiv erkennen, und das ist das Vertrauen in die handelnden Personen beim MSV Duisburg. Dieses Vertrauen ist wichtig, weil Menschen gefunden werden müssen, die bereit sind, dem MSV Duisburg Geld zu geben. Inzwischen ist wieder von fehlenden 4,5 Millionen Euro die Rede. Wir waren schon einmal bei fehlenden 2 Millionen. Dieser Unterschied in der Summe ist aber anscheinend nicht mehr wichtig. Es ist ein weiteres Zeichen dafür, dass das Vertrauen das zentrale Motiv beim Wechsel war und in der Folge dann natürlich das fehlende Geld. Wir wussten bislang übrigens auch nicht genau, welche Menschen den Vereinsverantworltichen vertrauen sollten. Waren es Sponsoren oder Investoren? Was selbstredend ein Unterschied ist, da Investoren Geld verdienen wollen. Sponsoren wollen aber immatierelle Werte geboten bekommen. Nach diesem Wechsel an der Vereinsspitze sieht es nun so aus, als werde die Aufmerksamkeit mehr auf die Sponsoren gerichtet. Aber auch das ist Spekulation.
Wenn von Sponsoren die Rede ist, taucht ein weiteres Mal das Vertrauen als Grundmotiv des Geschehens auf. Dieses Mal aber geht es um das Vertrauen der Fans in die Entscheidungsfreiheit beim MSV Duisburg. Nach der Hellmich-Zeit ist der Einfluss von Geldgebern auf den Verein ein heikles Thema. Verantwortliche und Anhänger eines Vereins wie dem MSV Duisburg kommen aber nicht umhin, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Stellen wir uns vor, warum ein Unternehmen dem MSV Duisburg Geld gibt? Wirtschaftliche Argumente finden Unternehmen selbst in der 2. Liga nur selten. Ich erinnere mich an eine Studie zu Sponsoringeffekten im Fußball, die ich auf die Schnelle jetzt nicht finde. Bezogen auf Markenwert, Steigerung der Bekanntheit usw. hat sich für kaum ein Unternehmen das Engagement im Fußballl gerechnet. Das Geld wäre besser in reine Werbung investiert gewesen. Es muss also neben den wirtschaftlichen Gründen weitere Motive geben, warum ein Unternehmen einem Fußballverein Geld gibt.
In Duisburg sind das überaus begrüßenswerte Motive. Denn Schauinsland-Reisen sicherte die Existenz des MSV Duisburg immer auch in der Absicht, den Menschen in Duisburg zu Lebensqualität zu verhelfen. – Irgendwer wird diese Steilvorlage zu Ironie und Sarkasmus puncto Leidensgeschichte mit dem MSV sicher nutzen. – Gerald Kassner verfolgt also indirekt soziale Absichten bei seiner Entscheidung. Stellen wir uns nun also den Idealfall sponsorenunabhängige Entscheidungen beim MSV Duisburg vor. Das Unternehmen beobachtet, was geschieht und erkennt, der MSV Duisburg geht in seiner Geschäftspolitik einen Weg, der mit unseren Absichten nicht in Einklang zu bringen ist. Wir ziehen uns zurück. Alles wird offen kommuniziert. Der MSV Duisburg hat also die freie Entscheidung, überall sein Geld zu suchen. Wir wissen alle, das ist eine Illusion. Für den MSV Duisburg in der 3. Liga interessieren sich nicht viele Sponsoren. Wenn ein Verein von einem Sponsor mehr Geld erhält als von anderen, enstehen Abhängigkeiten. Daran können die handelnden Personen nichts ändern. Das sind strukturelle Bedingungen. Die völlige Entscheidungsfreiheit ist also ebenfalls eine Illusion. Das hat aber nichts mit unbotmäßiger Einflussnahme seitens des Hauptsponsors zu tun. Das ist einzig und allein eine Einsicht in die Gegebenheiten und verlangt pragmatisches Handeln.
Aus dieser Einsicht gilt es meiner Ansicht nach Konsequenzen zu ziehen. Das ist meine kritische Anmerkung zu dem Geschehen. Denn auch die von Schauinsland-Reisen in Person von Andreas Rüttgers ausformulierte Meinung, es gebe keinen Einfluss auf den MSV Duisburg ist demnach eine idealistische Illusion. Natürlich stimmt das im Grundsinn der Worte. Doch es gibt Menschen, die mit einigem Recht das anders wahrnehmen, weil sich die Bedeutung des Unternehmens sehr wohl als Präsenz in informellen Zirkeln des Vereins zeigt. Der Alltag erfordert realistische Haltungen, und ich denke, es wäre eine sauberere Lösung, wenn sich die besondere Bedeutung des Hauptsponsors Schauinsland-Reisen in den Gremien des MSV Duisburg abbildete. Im Gegensatz zu Walter Hellmich vermischt Gerald Kassner sein Engagement beim MSV Duisburg nicht mit wirtschaftlichen Interessen seines Unternehmens. Die Vorgeschichte des MSV Duisburg verlangt, dass darauf noch einige Zeit lang hingewiesen wird. Kontinuität gehört übrigens auch in diesen Zusammenhang. Die Vorgeschichte macht die häufigen Wechsel an der Vereinsspitze völlig nachvollziehbar. Dazu ein anderes Mal mehr.
Am Vorgang des Wechsels ist für mich einzig zu kritisieren, dass der MSV Duisburg mit dessen Bekanntmachung wie von der Presse getrieben wirkte. Der Verein hatte beim Verkünden des Wechsels nicht die Deutungshoheit. Vielleicht gab es Hintergrundgespräche nach den ersten Gerüchten, und der Verein braucht nicht nur dankbar sein, für die ihm dieses Mal meist gesonnene Berichterstattung. Dennoch fehlt eine starke Geschichte von Vereinsseite für seine Anhänger, die sich direkt bei dem Verein ihres Interesses informieren wollen. Wenn man sich die Strukturen im MSV Duisburg genauer ansieht, ist das Fehlen nachvollziehbar. Die Presseabteilung ist in dem Wirtschaftsunternehmen angesiedelt und übernimmt die Meldungen für den Verein mit. Es zeigt sich so eine Leerstelle der Kommunikation, die sich auch andererorts bemerkbar macht und die Hermann Kewitz in der Rheinischen Post bei seiner Bestandsaufnahme des Geschehens ebenfalls wahrnimmt. In solchem fehlenden Reden mit der Öffentlichkeit geht es immer um mehr als um den eigentlichen Sport. Im Erfolgsfall fällt das übrigens nicht auf. Ein Aufstieg in der nächsten Saison hilft also auch in dem Fall.
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen …
Neueste Kommentare