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Gastbeitrag: Klaus Hansen über den gegenwärtigen Fußball und seine Kultur

Klaus Hansen war schon mehrere Male in diesen Räumen hier zu Gast. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst. Mit etwas Abstand zur Fußball-WM dachte er darüber nach, was sich aus dem dort zu erlebenden Geschehen über die Entwicklung des Fußballs sagen lässt. Einmal mehr der Dank an Klaus Hansen für seine Gedanken über den Fußball.

Bitte schön!

Additional Time als Teil der Kommodifizierung des Fußballspiels

Einige Erkenntnisse nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2022

Von Klaus Hansen

Schlagzeile vom 23. 11. 22: „Tor für die Niederlande in der 99. Minute und Elfmeter für den Iran in der 13. Minute nach Ablauf der regulären Spielzeit.“ – Fußball ist seit der WM in Katar ein Spiel, das aus zwei Halbzeiten und einer Nachspielzeit besteht. Wenn man von „regulärer Spielzeit“ spricht, so muss man bei der „Additional Time“ von „irregulärer Nachspielzeit“ sprechen. Die Kommentatoren tun es nicht. Dieser Regelbruch ist nun zur Gewohnheit geworden und auf dem Weg, zur Norm zu werden.

Bei vielen Wettkampfspielen diktiert das Geschehen die Zeit; bei Spielunterbrechungen wird auch die Uhr angehalten. Ein 60-minütiges Eishockeyspiel kann 110 Minuten dauern. Beim Hand- und Basketball ist es nicht anders. Anders ist es beim Fußball. Hier diktiert die Zeit das Geschehen. Nach 90 Minuten hat Schluss zu sein, auch wenn die „Nettospielzeit“ nur 60 Minuten betragen hat; auch wenn die seit der 70. Minute in Führung liegende Mannschaft die Kunst der „Zeitschinderei“ pflegt, um mit Lug und Trug das Ergebnis „über die Zeit zu retten“. Nach 90 Minuten hat Schluss zu sein. Das ist die Regel.

Seit die Regelwut uns den „Videobeweis“ beschert hat, gibt es nun in jedem Fußballspiel unverschuldete Unterbrechungen, die man nach Sekunden und Minuten messen und am Ende der Spielzeit draufsatteln kann. Nun hat die FIFA in Katar weitere Zeitvorgaben gemacht: Ein Torerfolg mit anschließendem Torjubel schlägt nun mit 90 Sekunden zu Buche; für die Auswechslung eines Spielers werden 30 Sekunden veranschlagt. Für Verletzungspausen hat man noch keine Pauschale festgelegt, hier verlässt man sich auf das Feingefühl des Referees. Vom Pferdekuss bis zum Herzstillstand: Alles hat seine Nachspielzeit. „Das Publikum bekommt nun mehr für sein Geld“, kommentiert lapidar die FAZ. Die Zeitung hat Recht. Darum geht es.

Seit man entdeckt hat, dass die Zeit zwischen dem Ende der 90. Minute und dem endgültigen Abpfiff für den Fußballkonsumenten eine besondere Zeit mit einem besonderen Zauber ist, arbeitet man an der Ausdehnung dieser Spanne. Das Ziel der Fußballvermarkter ist es, den Zuschauern „das größtmögliche Spektakel zu bieten“ (Luigi Collina, Chef der FIFA-Schiedsrichterkommission). Das ohnehin attraktive Spiel soll noch attraktiver, sprich: geldwerter werden.

Als in Katar die Vorrunde vorüber war, begann eine Zwischenbilanz mit dem Satz: „48 von 64 Spielen sind gespielt.“ Aber stimmt das? 48? Wenn man genau hinschaut, sind es fast 54 Spiele, die absolviert worden sind. Denn auf 525 Minuten addierte sich die Nachspielzeit aller 48 Begegnungen, also fast sechsmal 90 Minuten.

Eine Frage der Spannung

Was verkauft die FIFA eigentlich, wenn sie Fußballspiele verkauft? Sie verkauft eine eigentümliche Spannung, die es so bei anderen Spielen nicht gibt. (Warum ist der Kunde so spannungsbedürftig, könnte man fragen. Aber das ist eine andere Frage, die man auch den Millionen von täglichen Krimi-Zuschauern stellen kann, die ohne den am Mord- und Totschlag aufgehängten Thrill nicht auszukommen scheinen.)

Welche Spannung ist es, die das Fußballspiel für Abermillionen so anziehend macht?

Eine Leistungsspannung, wie sie die Leichtathletik auszeichnet, ist es nicht. Eine solche Spannung liegt vor, wenn ein Springer, Werfer oder Läufer versucht, einen bestehenden Rekord zu brechen. Die Zuschauer kennen die Marke und sind gespannt, ob der Athlet sie übertreffen kann oder nicht. Aber auch jeder gewöhnliche Wettlauf wird am Ende durch eine messbare Leistungsüberlegenheit entschieden, nicht durch Zufall oder einen Maulwurfshügel in der Laufbahn.

Eine hollywoodreife Suspense-Spannung ist es auch nicht: Man sieht die brennende Lunte, die unter den Tisch führt, an dem viele Menschen sitzen, weiß aber nicht, wann und ob überhaupt etwas passieren wird.

Die Dramatik des Fußballspiels beruht auf einer anderen Art von Spannung, der so genannten Zufallsspannung. Unvorhergesehenes und Überraschendes ist jederzeit möglich und nicht berechenbar, weder durch die vorausplanenden Trainer noch durch die agierenden Spieler. Einem Fußballspiel zuzusehen bedeutet, nie zu wissen, bis zum Schlusspfiff nicht, ob der Höhepunkt schon da war oder erst noch kommen wird. Diese Zufallsspannung haben wir auch bei anderen Ballsportarten, aber beim Fußball ist sie am größten, weil er der einzige Sport ist, der die Beherrschung elastischer Kugeln nicht den Händen, sondern den Füßen anvertraut. Füße aber können viel weniger als Hände. Darum misslingen Zuspiele auf engstem Raum, leere Tore werden verfehlt, Elfmeter gehen in den Himmel und statt den Ball zu treffen, tritt man ein Loch in die Luft oder bleibt mit dem Fuß im Boden stecken. Selbst den Meisterspielern unterlaufen solche Böcke. Wetter und Bodenbeschaffenheit tun ein Übriges, um den Fußball unberechenbarer als alle Sportarten zu machen, die auf Parkett und mit der Hand gespielt werden. Zufall, Glück und Pech führen im Fußball ein einzigartiges Eigenleben. Dieses spezifische Spannungspotenzial des Fußballspiels ist sein Alleinstellungsmerkmal und größtes Kapital. Damit macht die FIFA ihre Profite.

Kommodifizierung

Die künstliche Verlängerung des Spiels durch die Additional Time ist Teil einer Entwicklung, auf die der Begriff der „Kommodifizierung“ zutrifft. Mit Kommodifizierung soll der Prozess des Zur-Ware-werdens eines Dinges, einer Sache oder eines Menschen bezeichnet werden. Im Bereich des Fußballspielermarktes werden Fußballer wie Waren bepreist, gekauft, verkauft und verliehen. Das ist offensichtlich. Nicht ganz so offensichtlich ist die Kommodifizierung des Spiels selbst: Wie verändert sich das Fußballspiel unter dem Einfluss seiner Kommerzialisierung? Was wird aus dem Spiel, wenn es immer mehr zur fernsehtauglichen Ware wird?

Die Additional Time mit der nun in Katar erreichten Ausführlichkeit ist der vorläufige Schlusspunkt einer seit den 1990er Jahren forcierten Kommodifizierungswelle und gehört in eine Reihe mit mindestens fünf Änderungen in den letzten 30 Jahren:

1992 wurde die „Rückpassregel“ verändert:

Um weniger Leerlauf und mehr Action ins Spiel zu bringen, denn auf dem Bildschirm des Fernsehfußballs muss immer etwas los sein, hat man 1992 die „Rückpassregel“ novelliert. Bis dahin durfte man 100 Jahre lang den Ball zum eigenen Torwart zurückspielen, und der durfte die Kugel dann mit den Händen aufnehmen, sie vor sich hin wiegen, einige Male auftippen und dann in aller Seelenruhe abschlagen. Jetzt darf der Goalie den Rückpass nur noch mit dem Fuß berühren und weiterkicken. Das geht schneller und ist, bei der fußballerischen Unbeholfenheit so mancher Ballfänger, riskanter, – und schon sind ein paar Minuten an „Nettospielzeit“ plus Spannung hinzugewonnen. Die Ware Fußball ist wertvoller geworden.

1995 wurde die „Dreipunkteregel“ eingeführt:

Statt zwei Punkte für einen Sieg, gibt es seit 1995 nunmehr drei. Bei einem Unentschieden erhalten beide Teams je einen Punkt; man „lässt also zwei Punkte liegen“, wen man nur remis spielt. Der torreiche Angriffsfußball soll animiert werden. Der im Netz zappelnde Ball ist fernsehgerecht, nicht die vor dem Strafraum aufgebaute Mauer. Eine Mannschaft, die von den 34 Spielen einer Saison keines verliert, steigt dennoch ab, wenn sie 34mal remis gespielt hat, denn mit 34 Punkten schafft man in der Regel nicht den Klassenverbleib. – Das Unentschieden und die Moral der Punkteteilung haben seit 1995 an Wert verloren und damit die Ware Fußball wertvoller gemacht.

  • 2005 wurde das „passive Abseits“ beschlossen:

Obwohl ein Spieler im Abseits stand, kann das Tor dennoch zählen, wenn es sich um eine „passive“ Abseitsstellung gehandelt hat. Wieder geht es darum, mehr Tore ins Spiel zu bringen, weil mehr Tore mehr Attraktivität bedeuten, so die herrschende, aber nicht von allen Fans geteilte Meinung. Der Preis: Für den Schiedsrichter wird die Entscheidungsfindung schwerer. Technische Hilfsmittel drohen unverzichtbar zu werden. Fußball war einmal ein einfaches Spiel. Nun wird es für alle Beteiligten, auch für die Zuschauer, immer komplizierter.

  • Seit 2006 pflegt man das „Mehrballsystem“:

Über 100 Jahre war es Gesetz, dass nur mit einem Ball gespielt werden durfte, dem, mit dem der Anstoß ausgeführt wurde. Nur wenn der kaputt ging, konnte er ersetzt werden. Landete der Ball im Aus, hatten die Balljungen oft lange Wege, um ihn wieder zu besorgen. Das dauerte. Heute gilt das „Mehrballsystem“. Rund ums Spielfeld stehen Bälle zur Verfügung, die blitzschnell den Ausball ersetzen, so dass ein Einwurf kaum mehr eine Unterbrechung bedeutet, sondern, im Gegenteil, zum Beschleunigungsfaktor wird. Heute kann es passieren, dass in einem Spiel 15 Bälle zum Einsatz kommen.

  • 2022 wurde die „Auswechslungsregel“ novelliert:

Bis 1967 waren Auswechslungen im Fußball nicht möglich. Auch ein verletzter Spieler durfte nicht ersetzt werden. Dann änderte man die Regel aus „humanitären Gründen“. Erst war es ein verletzter Feldspieler pro Mannschaft, der kompensiert werden durfte, dann wurden es zwei. Das galt bis 1994. Ab 1995 wurde die Zahl auf drei erhöht und die Restriktion „verletzungsbedingt“ gestrichen. Seit 2022 sind nun fünf Feldspieler-Auswechslungen pro Spiel möglich. Ein Trainer kann also während eines Spiels die Hälfte seiner Mannschaft nach Gutdünken austauschen. Dadurch soll das Spiel, so die Hoffnung, seine hohe Intensität bis zur immer weiter hinausgezögerten Schlussminute beibehalten, was der Spannung zu Gute kommt.

Die Kommodifizierung des „Rahmens“, in dem Fußballspiele stattfinden, ist ebenfalls seit langem im Gange. Man denke an die Stadionarchitektur: Heranrücken der Zuschauertribünen ans Spielfeld durch Wegfall der Laufbahnen; Überdachung und Versitzplatzung; Gastronomie und Hygiene etc. Was „Stadion“ hieß, heißt jetzt „Arena“, die „Kampfbahn“ ist zum „Wohnzimmer“ geworden.

Das je einzelne Spiel ist eingebettet in eine „Show“, bestehend aus „Cheerleaders“, „Einlaufkindern“, „Hymnen“, „Countdowns“ etc. Katar hat gezeigt, wie man gekaufte Claqueure als „Fans“ verkleidet und auf die Pauke hauen lässt. Dass die im Stadion herrschende „Bombenstimmung“ eine natürliche und authentische ist, kann nicht mehr vorausgesetzt werden.

Ausblick

Eine nächste Maßnahme der Kommodifizierung könnte die Abschaffung des Unentschiedens sein, so dass in jedem Spiel ein Sieger ermittelt werden muss. Zur regulären Spielzeit und irregulären Nachspielzeit kommen dann noch „Verlängerung“ (2 x 15 Minuten) und „Elfmeterschießen“ (ca. 20 Minuten) als Bestandteile eines jeden Spiels hinzu. Fußballspiele werden zu zweieinhalbstündigen Abenteuern.

Auch eine grundsätzliche Änderung des Zeitmanagements wird wahrscheinlich: Zukünftig könnte im Fußball, wie in den anderen großen Ballsportarten auch, das Spiel die Zeit bestimmen und nicht umgekehrt. Dann würde sich das Überwachungswesen um mindestens noch um ein bis drei Personen erhöhen: Neben die drei Regelhüter auf dem Platz, dem „Vierten Offiziellen“ zwischen den Trainerbänken, dem Video-Referee und seinen drei Assistenten vor den Monitoren kämen dann noch ein bis drei „Zeitrichter“ hinzu, so dass die Mannschaft der Regelhüter die Elfzahl der aktiven Spieler erreicht. Fußball wäre dann endgültig zu einem Spiel geworden, das nicht mehr von zwei, sondern von drei Mannschaften gespielt wird. Er hätte dann nur noch wenig mit dem Fußball der Anfangsjahre zu tun, bei dem es überhaupt keinen Schiedsrichter gab, weil die Mannschafskapitäne beider Teams alle Konflikte untereinander regelten.

Die Kommodifizierung des Fußballs setzt alle Hebel in Bewegung, um das nachgefragte Gut „Zufallsspannung“ noch besser zur Geltung zu bringen, damit noch mehr „Kunden“ gewonnen werden. Und die bereits vorhandenen Kunden, die nicht eigens geworben werden mussten? Werden sie dieses Marketing mitmachen? Wohl eher nicht. Ihr „Reclaim the Game“ wird verhallen und sie werden den Weg alles Irdischen gehen und aussterben.

Einem Fußballspiel beizuwohnen heißt nicht nur Spannung zu genießen. Der wahre Fußball-Fan mag nicht nur den Fußball als Spiel, er mag viel mehr noch den Verein, der es spielt und mit dem er durch dick und dünn zu gehen verspricht. Fußball heißt Identifikation, Anteilnahme und Idolisierung: Mitfiebern mit einer Mannschaft und Vergöttern von Spielern. Wird diese „Liebe“ schon im Kindesalter begründet, hält sie oft ein Leben lang. Die Spannung, die sich aus der Ungewissheit des Ausgangs eines jeden Spiels ergibt, ist also verbunden mit der Hingabe an ein „Liebesobjekt“, das man nicht verlieren und leiden sehen will. Daher die oft an Hysterie grenzende Leidenschaft der Fans, die das Bild des Fußballs in der Öffentlichkeit prägt. Aber braucht die Ware Fußballspiel diese Hingabe fanatischer Anhänger?

Die Befürchtung, dass die gewachsene, „echte“ Leidenschaft der Fans auch der Kommodifizierung unterliegen könnte, ist nicht unberechtigt. Bei den „Geisterspielen“ während der Corona-Phase ersetzte man das leidenschaftliche Publikum im Stadion durch Pappkameraden auf den Plätzen und Gejohle aus der Ton-Konserve. Auch „Stimmung“ kann zur Ware werden. Die „Geisterspiele“ waren spielerisch und kämpferisch nicht schlechter als die Spiele mit Publikum. Das Fußballspiel selbst bedarf also nicht unbedingt des Supports leibhaftiger Fans. Aber der Fernsehzuschauer und Großfinanzier des Profitfußballs möchte stimmungsvolle Stadion-Bilder sehen. Und die können heute auch ohne Fans hergestellt werden.

Die alten Fans werden überflüssig, zumal sie unzuverlässiger und widerborstiger sind als gehorsame Pappkameraden und Beifallsstürme vom Band. Die neuen Fans des kommodifizierten Fußballs werden andere sein als „Kutten“, „Hools“ und „Ultras“, die wir heute kennen. Andere Namen werden auftauchen, „Event-Hopper“ und „Huhu-Macher“ vielleicht, „Selfie-Selfisher“ und „Adabeis“. Semi-professionelle Stimmungs-Komparsen sorgen auf den Tribünen für das, wofür die Cheerleaders auf dem Rasen zuständig sind: gute Laune und das Vergessen der Welt da draußen. „Eskapismus!“ wird man rufen, „was denn sonst“, wird man antworten und sich an Enzensberger erinnern, „bei diesem miserablen Zustand der Welt!“

Das war Katar

Wetter tadellos und für alle gleich. Optimaler Hybridrasen in allen Spielstätten. Kurze Wege. An-und Abfahrten zu den Arenen reibungslos. Keine Hools. Keine Schlägereien. Kaum Alkohol. Und sauber, alles klinisch sauber. Selbst die Spieler blieben sauber wie nie: Nur ein Platzverweis in 64 Spielen. – „Katar“ war ein Ausblick in die Brave New World des rundum kommodifizierten Fußballs, eines spieltechnisch guten, aber leidenschaftsarmen Spiels.

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Bundesliga, ich komm‘ aus dir – Lesung Freiburg MSV Fußballfibel – 19. Februar, 17 Uhr

Sicher, man kann sich entscheiden, ob man jetzt jeden unbedingt regelmäßig sehen muss. Mancher bricht ja sogar den Kontakt zu den Eltern ab. Aber sie bleiben deine Eltern. Der du bist, bist du auch durch sie. Neben vielem anderen. So ähnlich geht es mir mit dem MSV.

Ralf Koss alias Kees Jaratz: Fußballfibel – MSV Duisburg, Culturcon medien, 2022

Doppeltes Duisburger Auswärtsspiel am Karnevalswochenende. Nach dem Spiel ist ein Tag vor der Lesung. In Freiburg bin ich am Sonntag im Swamp zu Gast. Auswärts wird es neben den Ausschnitten aus der MSV Duisburg Fußballfibel mehr Komisches aus der sonstigen Fußballwelt geben. Das Programm am 19. Februar beginnt um 17 Uhr.
Ort: Swamp, Talstraße 90, 79102 Freiburg i. Br. Eintritt frei.

Schauen wir mal, ob das Ergebnis am Vortag der Stimmung eine gute Grundlage verschafft.

Hier der Link zur Veranstaltungsankündigung bei Facebook.

Bundesliga, ich komm‘ aus dir

Was Ralf Koss in der „MSV Duisburg Fußballfibel“ von Fußballspielen, Auswärtsfahrten mit Freunden und verloren geglaubten Spielen erzählt, stößt bei Fans aller Vereine eigene Erinnerungen an. Dabei heißt es, kein Verein in Deutschland verschafft seinen Anhängern mehr Aufregung als der MSV Duisburg. Was ein Datenspezialist mit komplizierter Formel errechnete, weiß der Schriftsteller seit jeher. Die Dauerkarte kennt Ralf Koss noch als Abrissblock während der 1970er Jahre. Damals hielt er die Zebras als Teilnehmer im UEFA-Pokal für unabsteigbar. Er feierte die Erfolge vom Lienen- und Funkel-Fußball der 90er ebenso, wie er später skeptisch auf das Wirken von Walter Hellmich schaute. Nun erzählt er in der „Fußballfibel MSV Duisburg“ die berührende, oft komische und tief emotionale Geschichte seines Lebens mit dem Herzensverein. Seine Erlebnisse und Erinnerungen geben Duisburg und dem Ruhrgebiet Kontur. Ein Fußballbuch, das zum Portrait der Region wird.

MSV Museum Talk – Liebe. Ein Leben lang – Schreibende Fans, Fußballer und Sachbuchautoren

Die nächste Veranstaltung im Rahmenprogramm der Sonderausstellung vom MSV Museum im LVR Niederrheinmuseum Wesel naht. Ich freue mich auf die Talk-Runde morgen ab 19 Uhr, in der ich in einer Doppelrolle auf dem Podium sitze. Denn neben meiner Moderation ist auch meine Erfahrung als Autor gefragt.

Mit „Didi“ Schacht und Dietmar Hirsch werden zwei ehemalige Spieler des MSV über die unlängst erschienenen Bücher zu ihren Karrieren sprechen. Die Duisburger Journalistin und Autorin Tina Halberschmidt ist in der besonderen Situation als Fan des MSV, Sachbücher über den Lieblingsverein zu schreiben. Durch unsere Zusammenarbeit bei mehreren Büchern über Duisburg und den MSV ist mir die irritierende Gleichzeitigkeit von trister Gegenwart und Eintauchen in die freudvoll erinnerte Vergangenheit noch sehr präsent.

Und eines wird morgen Abend dann auch mal gefragt werden können: Ist was dran an den Gerüchten zu Dietmar Hirschs Beteiligung an der nebulösen Opposition, die gegen den Vorstand um Ingo Wald bei der JHV antreten will?


Der Link zur Veranstaltung bei Facebook.

Erlebte Geschichte im Fußball des Ostens – Ein Podiumsgespräch über den DDR- bzw. ostdeutschen Fußball im Wandel

Wenn ihr einen anregenden, oft amüsanten knapp zweistündigen Zeitvertreib sucht, findet ihr ihn mit dem Podiumsgespräch über den Fußball im Osten sowohl zu Zeiten der DDR als auch im vereinten Deutschland bis heute. Bei der von Jutta Braun moderierten Veranstaltung der Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur geht es um die Vereinigung, erzählt am besonderen Beispiel Fußball. Es geht aber auch um die Rolle des Fußballs im Alltag der DDR und in der Nachwendezeit. Das kommt einerseits als Oral-History daher, andererseits als das Ergebnis einer soziologischen Studie zur Ostidentität. Das Verhältnis von Fußballfans im Osten zu den Westvereinen kommt ebenso zur Sprache wie das gerade in den Stadien entwickelte Selbstbewusstsein aus Ostdeutschland zu kommen.

Lasst euch nicht von dem Wort Transformation im Titel der Veranstaltung schrecken. Es ist das neue werbende Lieblingswort gegenwärtiger Diskussionen. Überall taucht es jetzt auf wie weiland das „Narrativ“. Das Gespräch selbst wird an keiner Stelle abstrakt. Die Journalisten Christoph Dieckmann und Frank Willmann geben tiefe Einblicke in den DDR-Alltag und den Osten der Nachwendezeit. Der Journalist und über Ostidentität forschende Soziologe Alexander Mennicke fundiert die persönliche Erfahrung mit Ergebnissen seiner Forschung. Besonders wird dieses Gespräch durch das stets mitzerzählte Verhältnis zum Westen. Selbst das Ruhrgebiet wird als Projektionsfläche für ostdeutsche Fanträume einmal kurz erwähnt. Bitte schön:

Albumblatt für Joshua Bitter

Neulich habe ich auf einem Flohmarkt ein Poesiealbum gesehen. Schöne Sprüche für Fußballer habe ich beim Durchblättern nicht gefunden. Seit Montag habe ich das Gefühl, ich sollte die Albumklassiker erweitern, dann ein Faksimile drucken lassen und es Joshua Bitter schenken.

Nach dem einen musst du trachten,
immer auch den Gegner achten.

Lässt sich Foulspiel nicht vermeiden,
sollten Gegner aber leiden.

Lerne viel, denn Wissen lohnt,
etwa, wo der Schiri wohnt.

Handel erst, wenn Wut vergeht.
Merk dir, wo sein Auto steht.

Alles Wissen teile gerne,
auch mit Fans in Stehplatzferne.

Bundesliga, ich komm‘ aus dir – Lesung Neuenkamp MSV Fußballfibel – 19. Januar, 15 Uhr

Sicher, man kann sich entscheiden, ob man jetzt jeden unbedingt regelmäßig sehen muss. Mancher bricht ja sogar den Kontakt zu den Eltern ab. Aber sie bleiben deine Eltern. Der du bist, bist du auch durch sie. Neben vielem anderen. So ähnlich geht es mir mit dem MSV.

Ralf Koss alias Kees Jaratz: Fußballfibel – MSV Duisburg, Culturcon medien, 2022

Auftaktlesung 2023! Weiter geht es mit der Stadttour. In Neuenkamp bin ich im Dietrich-Krins-Weber-Zentrum zu Gast mit der MSV Duisburg Fußballfibel, dem Buch über mein Leben mit den Zebras seit den 70ern bis heute. Dort heißt es, Tagesfreizeit auch mal für den Gruppenspaß nutzen. Denn das Programm am 19. Januar beginnt um 15 Uhr. Ort: Mevissenstraße 16. In Kooperation mit PariSozial Duisburg. Eintritt frei.

Schauen wir mal, was ich von meinem Ausflug nach Saarbrücken am Wochenende zuvor erzählen kann. Da soll es ja ein Fußballspiel mit Beteiligung eines Vereins unseres gemeinsamen Interesses geben.

Hier der Link zur Veranstaltungsankündigung bei Facebook.

Bundesliga, ich komm‘ aus dir

Was Ralf Koss in der „MSV Duisburg Fußballfibel“ von Fußballspielen, Auswärtsfahrten mit Freunden und verloren geglaubten Spielen erzählt, stößt bei Fans aller Vereine eigene Erinnerungen an. Dabei heißt es, kein Verein in Deutschland verschafft seinen Anhängern mehr Aufregung als der MSV Duisburg. Was ein Datenspezialist mit komplizierter Formel errechnete, weiß der Schriftsteller seit jeher. Die Dauerkarte kennt Ralf Koss noch als Abrissblock während der 1970er Jahre. Damals hielt er die Zebras als Teilnehmer im UEFA-Pokal für unabsteigbar. Er feierte die Erfolge vom Lienen- und Funkel-Fußball der 90er ebenso, wie er später skeptisch auf das Wirken von Walter Hellmich schaute. Nun erzählt er in der „Fußballfibel MSV Duisburg“ die berührende, oft komische und tief emotionale Geschichte seines Lebens mit dem Herzensverein. Seine Erlebnisse und Erinnerungen geben Duisburg und dem Ruhrgebiet Kontur. Ein Fußballbuch, das zum Portrait der Region wird.

Guter Vorschlag, Kapelle Petra – Einfach über Fußball reden

Als bei der Taktikbesprechung im Brauhaus gestern mir ein Mitspieler mal eben eine Bildungslücke der Pottmusikhistorie schloss, wusste ich noch nicht, dass die Band Kapelle Petra mit einem frühen Stück ein beachtenswertes Angebot für die Kommunikationsprobleme in diesem Land gemacht hat.

Ich werde mir demnächst aus dem Refrain einen Jingle schneiden und wenn mich in Gesprächen irgendjemand nervt oder ich mich langweile, dann drück ich die Jingle-Maschine und spiel ein: Können wir nicht einfach über Fußball reden.

„Über Fußball reden“ gehört zu einigen sehr witzigen Songs der Band aus Hamm. Wegen dieser Komik sehe ich ihr auch nach, dass der ersehnte Fußballstammtisch einem Verein mit dem falschen Kürzel gewidmet ist. Es kommt eben zu manchen Irrtümern im Leben, selbst wenn man in Sachen Lebenshilfe kreativ ist. In der letzten Produktionsrunde scheint die Band übrigens etwas ernsthafter in ihren Texten geworden zu sein. Ich bastel dann mal die Jingle-Maschine. Über Fußball reden, bitte schön:

Alaa Bakir im Gespräch – Vorfreude auf Rückrunde steigt

Schon im letzten Jahr freute ich mich auf die Rückkehr von Alaa Bakir in der Rückrunde. Ich vermisste seinen Beitrag zur Mannschaftsleistung nach seiner Verletzung. Seine Technik und Spielfreude hätten einige Spiele des MSV gut vertragen können.

Nun ist meine Vorfreude auf die Rückrunde noch mehr gestiegen, seitdem ich dazu gekommen bin, mir Alaa Bakir im Gespräch mit dem Youtuber Kevin from the Block anzuhören. Wie entspannt erzählt Alaa Bakir von seinen ersten Jahren mit dem Fußball. Wie lebendig erzählt er von seinen Gefühlen als Zwölfjähiger und später als Jugendlicher. Erst lehnt ihn Preußen Münster beim Probetraining ab, während seine Kumpel beim „großen“ Traumverein der Region angenommen werden. Kurze Zeit später bekommen seine Eltern und er das Angebot von Borussia Dortmund. Großartig, wie er von dem Scout des BVB erzählt, der auf ihn wie ein „Privatdetektiv“ wirkte. Überall tauchte er auf.

Sein Werdegang gibt einen Blick hinter die Kulissen des Talentscoutings im Profifußball, Alaa Bakir erzählt von der harten Auslese und den harten Lebensbedingungen für die Jugendlichen, die sich auf einen Weg bei einem Profiverein machen. Ein sehr interessantes Gespräch. Bitte schön!

Darüber hinaus hat mich dieses Gespräch zum ersten Mal mit einem Youtube-Phänomen konfrontiert, das mir im letzten Jahr von Schülern meiner Kulturprojekte erzählt wurde. Staunend erfuhr ich, dass es erfolgreiche Youtuber gibt, die nichts anderes machen als einen ein Game kommentierenden Gamer zu kommentieren. Die Attraktivität eines solchen Unterhaltungsangebots konnte ich nicht nachvollziehen.

Die Jüngeren unter euch werden mich wahrscheinlich als aus der Zeit gefallen belächeln, weil ich mit diesen Meta-Clips nichts anfangen kann. Vielleicht aber ist der Meta-Clip zum Gespräch auch für euch persönlich vollkommen uninteresant? Wenn ihr Zeit und Lust habe, schreibt mir in die Kommentare, wie ihr das seht. Jedenfalls gibt es einen Meta-Clip zu diesem Gespräch mit Alaa Bakir vom Youtuber Felicio 1892.

Mein Erstaunen über dessen Haltung beim Kommentieren könnte nicht größer sein. Kurios, wie er gönnerhaft über Kevin from the Block spricht, während die Clickzahlen seiner Clips deutlich unter denen seines Kollegen liegen. Dazu kommen billige unlustige Scherze. Irgendeine Hoffnung muss er damit ja verbinden.

Nocheinmal zurück zu dem Phänomen überhaupt. Interessant ist für mich die Frage nach der Zersplitterung der Wirklichkeit, die in diesem Meta-Erleben steckt. Verändern die Kommentare über das Gesehene das Erleben der Konsumenten? Verändert der etablierte Meta-Kommentar die Sprechsituation des Original-Kommentators? Was wird in Zukunft alles mitgedacht beim öffentlichen Auftritt? Falls ihr jüngeren Anhänger des MSV also etwas zu eurem Verhältnis zu solchen Meta-Clips erzählen könnt, ab in die Kommentare. Ich bin neugierig, wie sich das entwickelt und wie das auf die Kommuniation von uns allen in unseren verschiedenen Rollen zwischen Privatheit und Beruf mit der Öffentlichkeit beeinflusst.

Gastbeitrag: Klaus Hansen mit seinem WM-Tagebuch – V – Finalspiele und Fazit

Vor der WM war mit Klaus Hansen ein alter Bekannter aus der MSV-Welt mit seiner WM-Prognose hier zu Gast. Schon mehrere Male waren in diesen Räumen Beiträge von ihm zu lesen. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst, so auch in dem Fall die Weltmeisterschaft. „Der Scheich tritt auf“ hat er seine „WM-Notizen November / Dezember 2022“ genannt. Mit der letzten Folge endet heute die Serie. Nochmals der Dank an Klaus Hansen für die bereichernde Lektüre in der Zeit zwischen den Jahren.

Bitte schön!

17. 12. 22

Modric lacht. Hakimi weint.

Politikum

Erfreuliches Desinteresse des Gastgeberlandes an seiner eigenen Mannschaft: Sang- und klanglose schied Katar schon nach der Vorrunde aus, null Punkte, ein Tor. Keinen Katarer, so scheint es, hat’s gejuckt. Dabei behaupten sie alle, „Patrioten“ zu sein, doch den Fußball brauchen sie dafür nicht. Den Sieg der Saudis über die Gauchos hat man unbändig gefeiert. Über das Weiterkommen Marokkos ist man schier aus dem Häuschen geraten. Beide Triumphe hat man den Palästinensern gewidmet. Ist ein neuer Panarabismus im Entstehen? Wird die ganze WM am Ende eine große Demonstration gegen den Staat Israel gewesen sein? Und das alles angestoßen durch den Fußball, der boykottiert wird, weil er doch so unpolitisch sei? Die Boygroup der Boykotteure verliert langsam den Überblick.

974

46 Tausend Plätze hat das Stadion „974“. Sechs Vorrundenspiele und ein Achtelfinale fanden in ihm statt. Direkt danach begann man mit dem Abbau der Arena.

Das Stadion ist nach der internationalen Telefonvorwahl von Katar benannt, 974; außerdem besteht es aus 974 Containern. Es ist darauf angelegt, nach Gebrauch ab- und anderswo wieder aufgebaut zu werden. Der Kosovo und Uruguay sollen interessiert sein.

Einst waren Stadien mythische Orte. Generationen von Deutschen sind ins Wankdorf-Stadion gepilgert, um am „Wunder von Bern“ zu schnuppern. Heute ist aus der Immobilie Stadion ein weltweit bewegliches Modul geworden. Das ist zwar „nachhaltig“, aber wer sich erinnern will, findet keinen Lieu de Mémoire mehr.

Schönheitspreise

Die Überlegenheit des brasilianischen Spielzugs, der zum Einszunull gegen Kroatien durch Neymar führte, erinnert an ein Foto aus der Frühzeit der Leichtathletik: Der Hürdensprinter Smithson rennt mit einem aufgeschlagenem Buch in der linken Hand über die Hindernisse und gewinnt deutlich. Eine Demütigung für seine Gegner, unter denen keiner war, der Zeit genug gehabt hätte, um unterwegs noch ein Buch zu lesen.

Der äußerst selten zu sehende Seehund-Trick gegen Südkorea: Mit dem Ball, der auf dem Kopf auf und ab hüpft, dreht sich Richarlison um den Gegner, lässt die Pille über die Brust abtropfen, spielt mit dem Fuß weiter, sprintet los, erhält den Ball zurück und schlenzt ein. Tiki-Taka mit Pirouette. – Nach gelungenen Kombinationen wie diesen ist immer auch zu sehen, dass die Spieler auf dem Platz sich nicht weniger darüber wundern wie die begeisterten Zuschauer auf den Rängen. Auch sie gestehen sich in diesem Moment ein, dass es nicht sie allein waren, die das geschafft haben und bedanken sich gestenreich höheren Orts.

Das Seitfallzieher-Tor des gleichen Stürmers Richarlison im Spiel gegen Serbien: So schön wie der Abgang des Olympiasiegers vom Pauschpferd!

Wo alle, nicht nur die Zuschauer, auch die Spieler, nichts als ein Gestrüpp aus Spielerbeinen sehen, erkennt Messi eine Gasse, durch die er den Ball auf seinen Kollegen Molina passt, der nur noch den Fuß hinzuhalten braucht.

Kein Freistoßtrick, ein Riesenfreistoßbluff: das Tor der Holländer zum 2:2 gegen Argentinien.

Das Dreizunull durch Álvarez nach Solo von Messi gegen Kroatien: Was tumbe menschliche Füße auch gegen meisterlichen Widerstand mit einer hochelastischen Kugel, die immer, wie es die Regel will, „frei“ bleiben muss, anzustellen vermögen! Lecko mio!

Faits divers

Beim us-amerikanischen Fußballreporter Grant Wahl hat es im Halbfinale Argentinien gegen Niederlande nicht bis zum Ende gereicht. Herzinfarkt!

Zweiter tödlicher Unfall bei der WM. Ein Wachmann aus Kenia ist vom achten Stock der Lusail-Arena gestürzt. Die Hinterbliebenen erwarten jetzt Bares.

Im englischen WM-Quartier ist „Dave the Cat“, eine herumstreunende Katze, von der Mannschaft adoptiert worden. Jetzt streiten sich die Abwehrspieler Kyle Walker und John Stones darum, wer das Tier mitnehmen darf.

Der Fußball hat überall seine Lobby

Hongkong, hört man, ist überhaupt nicht gut in Fußball, interessiert sich aber sehr dafür. Weil Fußball ein Versprechen auf schnellen Reichtum ist. In Hongkong sind Glücksspiele generell verboten. Mit Ausnahme der Wetten auf Pferderennen und Fußball.

Alter Einzelkönner

Messi mit Ball: besser als Pelé.

Messi ohne Ball: schlechter als Pelé.

Messi als Goalgetter: wie Pelé.

Messi als Vorbereiter: besser als Pelé.

Messi als Kumpel: schlechter als Pelé.

Messi als Paket: „Einer der Besten. Zumindest das wird man wohl sagen dürfen.“ (F.-W. Steinmeier, Bundespräsident) „Und wo bleibt Maradona?“, fragt Altkanzler Schröder.

Junger Einzelkönner

Nicht aus der Tiefe des Raumes, sondern mit Macht von links in die Mitte: Mbappé! Schon 2018 in Russland wurde er mit dem jungen Pelé von 1958 in Schweden verglichen. Jetzt ist er noch besser geworden und immer noch jung, 23. Und freundlich, wie vor vier Jahren in Russland, ist er geblieben: Den ins Aus gedroschenen Ball bringt er zurück zum Gegenspieler, damit der einwerfen kann.

Retro

Bei einer Fußball-WM wird nicht der beste Fußball geboten. Den besseren Fußball spielt man in der Champions-League; die Vereine sind Weltauswahlen und bestens eingespielt. Nationalmannschaften sind beides nicht. Manchester City spielt besser als England, Real Madrid besser als Spanien, Bayern München besser als Deutschland. Aber nur Nationalmannschaften spüren die Begeisterung einer ganzen Nation hinter sich, nicht nur den Lokalpatriotismus einer Stadt oder Region. Sie aktivieren Gefühle von gestern, „Nationalstolz“, in einer Welt, die längst zum Global Village geworden ist. – Die Fußball-WM als Gottesdienst für Zurückgebliebene? Abgehängte? Ewiggestrige?

Es war nicht alles schlecht

Dass die beiden japanischen Tore gegen Deutschland, die den „Untergang“ eingeleitet haben, von Bundesligaspielern geschossen wurden, Asano aus Bochum und Doan aus Freiburg, ist das Beste, was man über den deutschen Fußball bei dieser WM sagen kann. Meint Platthaus in der FAZ. Schön zwiespältig, der Witz!

Und nun?

Unter welchem Namen soll der neue Titelträger in die Annalen eingehen? „FIFA Champion 2022“? „Weltmeister der Schande“? „Gipfel der Korruption“? Oder einfach „Fußballweltmeister“? Diejenigen, die es einfach haben wollen, haben es schwer.

Selbstbestätigung

Infantino wusste schon vorher, dass es die beste WM aller Zeiten wird. Jetzt fühlt er sich bestätigt: „Die Menschen sind in Katar zusammengekommen, um die Probleme zu vergessen und Spaß zu haben.“ Genau! Augen zu und Sau raus, dafür ist Fußball da. Damit macht er den Blindenhunden um Infantino die Taschen voll.

Bilanz

Das Jahr geht zu Ende. Nun wird ein Strich gemacht und zusammengezählt. Auch bei Google. Das Wort „Ukraine“ führt die Liste der “Suchbegriffe des Jahres 2022“ an. Gleich dahinter, auf Platz zwei: „WM 2022“. Von wegen Boykott!

Folge I

Folge II

Folge III

Folge IV

Gastbeitrag: Klaus Hansen mit seinem WM-Tagebuch – IV – Zwischenrunden

Vor der WM war mit Klaus Hansen ein alter Bekannter aus der MSV-Welt mit seiner WM-Prognose hier zu Gast. Schon mehrere Male waren in diesen Räumen Beiträge von ihm zu lesen. Der 1948 geborene Sozialwissenschaftler Klaus Hansen besucht seit der ersten Bundesliga-Saison bis heute die Spiele des MSV. Der Fußball ist ihm immer wieder Anlass zu Essays und literarischer Kunst, so auch in dem Fall die Weltmeisterschaft. „Der Scheich tritt auf“ hat er seine „WM-Notizen November / Dezember 2022“ genannt. Dankenswerter Weise hat er sie mir zur Veröffentlichung geschickt. In mehreren Folgen könnt ihr sie nun lesen.

Bitte schön!

5. 12. 22

Beim Umschlagen des Wochenkalenders fällt der Blick auf einen berühmten Satz von Jean-Paul Sartre: „Beim Fußballspiel verkompliziert sich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft.“

Zu viele Kopfbälle abbekommen, Meister? Ein beknackter Satz! Mit der Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft fängt das Fußballspiel überhaupt erst an. Natürlich nicht aus der Sicht des kleinen Jungen, der für sich und mit dem Garagentor spielt. Aber der spielt ja auch kein Fußball.

Maßgeblich is auf’m Platz?

Gefragt, wo sich das Spiel entscheidet, antworten wir wie selbstverständlich: Auf dem Platz! Einen anderen Ort kennen wir nicht. Bei dieser WM konnten wir lernen, dass es da sehr wohl noch einen anderen Ort gibt: die Kabine. Nach dem kurzfristigen Ausfall seines Weltklasse-Spielers Benzema, verzichtete der französische Trainer darauf, einen Spieler nachzunominieren, was möglich gewesen wäre. Lieber fuhr er mit reduziertem Kader statt mit voller Kapelle zur WM. Beobachter fanden, die Chancen der Franzosen seien damit erheblich gesunken. In Wahrheit waren die Chancen gestiegen. Denn in der Kabine herrschte plötzlich eine andere, positive Stimmung. Benzema galt intern als „schwierig“ und „Stinkstiefel“. Befreit von diesem Kameraden, entstand einer neuer Geist des Zusammenhalts, den der Trainer nicht durch die Nachnominierung eines Ersatzspielers gefährden wollte. – Wer hätte das vorher in dieser Klarheit gedacht: Die Kabine ist ein nicht minder wichtiger Ort als der Platz!

Sinnfragen

Marokkos Spieler, die allermeisten im Ausland geboren und aufgewachsen, sind bereit, „für Marokko zu sterben“, sagen sie. Es ist immer leichter zu sterben, wenn man weiß, wofür. Vom deutschen Spieler Gnabry weiß man nicht, wofür er zu sterben bereit ist. Vielleicht eher für seinen Friseur als für Deutschland? Denn zu jedem seiner drei Spiele trat er mit einer neuen Frisur an. Dann durfte er nach Hause fahren.

9. 12. 22

Der Fußball stellt immer wieder die Verhältnisse auf den Kopf. Der Schwächere (8 Torschüsse, 1 Tor) besiegt den Stärkeren (20 Torschüsse, 1 Tor). Aber nicht im Spiel, sondern im Elfmeterschießen, was ein eigener Wettbewerb ist. Plötzlich wird der einzige Handballer unter den Fußballern, der Torwart, zum Held und sichert das Weiterkommen in einem Sport, der immer noch Fußball heißt. „Fußball ist auch das, was er nicht ist“, hat Giovanni Arpino geschrieben. Die Partie Kroatien gegen Brasilien hat es bewiesen.

Sauberman’s World

Und immer wieder das viele Geld im Profitfußball.

„Geld stinkt!“, rufen besonders gern die Deutschen.

„Aber wenn der Geruch nicht stört?“, fragt die Welt.

10. 12. 22

Ronaldo weint. Neymar weint. Messi lacht. Modric schweigt.

13. 12. 22

Messi lacht noch immer. Jetzt weint auch Modric.

Mama

Wie man hört, leben im Quartier der marokkanischen Mannschaft auch die Mütter der Spieler. Nach dem Weiterkommen gegen Portugal herzten und küssten einige Spieler ihre mit dem Hidschap bekleideten Mamas sogar auf dem Platz. Was für ein Kontrast zu den deutschen Spielern, die sich mit ihren Designer-Freundinnen ablichten ließen, junge Frauen, die sich als Influencerinnen betätigen und Hunderttausende von Followern haben, die sie liken und dissen. Dagegen ist ein Kuss deiner Mama ein Vogelschiss!

14. 12 22

Die Kolonialmacht ist im Finale. Die Kolonie ist nicht weniger stolz. Frankreich will noch Weltmeister werden, Marokko ist es schon. Weltmeister der Herzen. Und noch ein Sieger steht schon fest: Katar: Die Stars beider Final-Teams, Messi und Mbappé, spielen bei Paris St. Germain, dem Club des Emirs.

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