Sicher, man kann sich entscheiden, ob man jetzt jeden unbedingt regelmäßig sehen muss. Mancher bricht ja sogar den Kontakt zu den Eltern ab. Aber sie bleiben deine Eltern. Der du bist, bist du auch durch sie. Neben vielem anderen. So ähnlich geht es mir mit dem MSV.
Am Donnerstag vor dem ersten Zweitligaspieltag lese ich aus der Fußballfibel – MSV Duisburg im Schnierstrax, Eppinghofer Straße 21 bei freiem Eintritt in Dinslaken. Das scheint mir die Behauptung zu rechtfertigen, der MSV und ich eröffnen die Fußballsaison 2022/23 am 14. Juli um 20 Uhr.
Was Ralf Koss in der „MSV Duisburg Fußballfibel“ von Fußballspielen, Auswärtsfahrten mit Freunden und verloren geglaubten Spielen erzählt, stößt bei Fans aller Vereine eigene Erinnerungen an. Dabei heißt es, kein Verein in Deutschland verschafft seinen Anhängern mehr Aufregung als der MSV Duisburg. Was ein Datenspezialist mit komplizierter Formel errechnete, weiß der Schriftsteller seit jeher. Die Dauerkarte kennt Ralf Koss noch als Abrissblock während der 1970er Jahre. Damals hielt er die Zebras als Teilnehmer im UEFA-Pokal für unabsteigbar. Er feierte die Erfolge vom Lienen- und Funkel-Fußball der 90er ebenso, wie er später skeptisch auf das Wirken von Walter Hellmich schaute. Nun erzählt er in der „Fußballfibel MSV Duisburg“ die berührende, oft komische und tief emotionale Geschichte seines Lebens mit dem Herzensverein. Seine Erlebnisse und Erinnerungen geben Duisburg und dem Ruhrgebiet Kontur. Ein Fußballbuch, das zum Portrait der Region wird.
Im Grunde arbeiteten der MSV, ich und auch meine Kollegin Tina Halberschmidt seit dem letzten Herbst an einem ganz neuen Angebot für MSV-Fans. Dabei ging es im weitesten Sinn um etwas Transzendentes, Religiöses. Es ging um das ewige Leben. Wir schrieben zwei Bücher, mit denen wir uns unabhängig von den Aussichten des MSV in der Gegenwart machen wollten.
Sowohl die „Populären Irrtümer und anderen Wahrheiten“ über den MSV im unterhaltsamen Sachbuchsegment als auch die literarisch angelegte „MSV Duisburg Fußballfibel“ mit der Erzählung über ein Leben mit dem MSV in Duisburg setzten ein immer währendes Interesse am MSV Duisburg voraus; ein Interesse, das vom sportlichen Erfolg nicht beeinträchtigt wird, ewig ist und sich dem bedrohlichen Siechen und Sterben vom MSV in einer Liga widersetzt.
Noch braucht unsere Haltung Propheten und Missionare, noch zeigt sich, sportlicher Misserfolg verleidet vielen die Laune so sehr, dass die weitere Beschäftigung mit dem MSV nur alte Wunden wieder aufreißt. Ich kann das verstehen. In gewisser Weise ging es mir ähnlich bei der Berichterstattung über die Fußballfibel. Ein leichtes Gespräch über den MSV angesichts eines drohenden Abstiegs passte nicht.
Nach dieser hohen Niederlage hielt ich für Trost, im nächsten Spiel wird München nicht ein Gegner sein. nicht Kaiserslautern, Magdeburg. Auch Osnabrück wird nie dreimal um Punkte gegen Zebras spielen. Vergaß dabei nur Niederrhein, und den Pokal und SV Straelen. Der Gegner, eine Liga tiefer, lässt uns für meinen Irrtum zahlen. Zu sicher war ich meinem Trost, so blind für Wahrheit dieser Zeit. Es wiederholt sich das, was war, die Mannschaft, ohne Kraft, wie tot, ein drittes Aus im dritten Jahr. Ein Spiel im Niederrheinpokal für MSV-Fans eine Qual. Nein – Osnabrück war nicht der Gegner auch ‚lautern nicht und Magdeburg, von München ganz zu schweigen. Die Zebras können auch in Straelen am Niederrhein ein Spiel vergeigen.
Es ist schon lange her, dass die Menschen in Gedichten vornehmlich Erbauliches suchten. Doch der Fußball hinkt der alltäglichen Kultur ja auch an anderer Stelle hinterher. Deshalb passen die zwei erbaulichen Gedichte zur Stimmung nach der hohen Niederlage gegen den TSV 1860 München.
Die Klage
Das nächste Spiel ist zwar das schwerste, was läuft, versaut uns aber doch die Laune. Der Klassenunterschied in einer Liga weckt einmal noch das Abstiegsangstgeraune. In jeder Hinsicht waren sie zu langsam, Sie standen falsch und liefen hinterher. Sogar ein siebtes Gegentor zu fürchten, macht auch ein Spiel von heute mehr als schwer.
Der Trost
Das nächste Spiel ist zwar das schwerste, doch heißt der Gegner dann nicht München, nicht Kaiserlautern oder Magdeburg. Auch Osnabrück wird uns nicht hoch besiegen. Kein Abstieg, das verheißt das Restprogramm, bekräftigt mit dem Blick auf and’re Plätze, Denn selbst bei viel zu vielen Gegentoren, ein Unentschieden noch, das reicht. Ich schätze!
Ihr dürft mich master of the amazon finals nennen. Sieg in 3 Runden und vielen, vielen Textnachrichten. Ich gewann durch meine Ausdauer und taktische Klugheit. In der dritten Runde habe ich von Anfang an die Verunsicherung beim Gegner gespürt. Die haben nur noch langsam geantwortet. Anscheinend hatte ich ihre Defensive zermürbt und sie begannen hinzunehmen, dass Ralf Koss tatsächlich Koss heißt und nicht Koos. Das Gaze war die Vorlage zu einer Groteske in einem meiner Programme frei Haus.
Bild 1 ist die Momentaufnahme meiner Beweisführung in der 2. Runde. Nachteil Koss. Mir wurde nicht geglaubt.
Nun wird das Buch auch bei Amazon gelistet, wenn man nur meinen Namen kennt. Nun wird die Welt meine literarisch ambitionierte Erzählung über mein Leben als MSV-Fan auf allen Suchwegen finden können. Meine Messlatte fürs Buch war natürlich die Urgeschichte dieses Schreibens, Fever Pitch von Nick Hornby. So habe ich meine Erfahrungen mit und im Fußball immer wieder ins Allgemein-Menschliche gedeutet. Komik sollte nicht fehlen und natürlich auch all die Emotionen, die die Spiele in Anhängern eines Vereins hervorrufen.
Es bleiben dennoch genügend Argumente sich an die Buchhändler vor Ort zu wenden. In Duisburg und Umgebung sollten sie es vorrätig haben.
Der Trend war our friend. Es ging lange Zeit aufwärts und die anderen unten blieben auf ihren Abstiegsplätzen. Aber wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Was für ein wankelmütiger Geselle. Bleib mir bloß weg, mein Trend. Verl gewinnt am Samstag, Viktoria Berlin gewinnt gestern – gegen Magdeburg! Gegen den uneinholbar wirkenden Spitzenreiter. Und der MSV verliert so, dass sämtliche weggepackten Abstiegsängste aus ihren Ecken hervorspringen und Party machen. Chancenlos waren die Zebras am Samstag in Kaiserslautern. Als erschreckende Wahrheit sah ich bei diesem Spiel, der MSV trat beim Spielaufbau nicht so viel anders auf als gegen Zwickau.
Der Ball wurde immer wieder beim Spiel nach vorne verloren, weil die meisten Spieler zu wenig Ballkontrolle besitzen in dem geforderten schnellen Offensivspiel oder die Übersicht fehlt, im richtigen Moment abzuspielen. Wieder stehe ich vor der Frage, überfordert diese Taktik die Mannschaft, weil die individuelle Qualiät in Summe nicht ausreicht oder weil nicht genügend Entwicklungszeit beim Training für die nötige Ballsicherheit im Zusammenspiel war. Meine Beunruhigung als Ergebnis entsteht allerdings unabhängig von der Antwort auf die Frage.
Wenn dann ein perfekt eingespielter Gegner nahezu jeden misslungenen Angriff in eine Bedrohung des eigenen Tores verwandelt, erlahmt die Energie bei der Defensive. Ich sehe das Problem also nicht in der letzten Zone der Defensive, sondern sehr viel früher an dieser Schnittstelle von Ballverlust und Gegenpressing. Der Ballverlust ist beim MSV wahrscheinlich und dann fehlt die erste wirksame Gegenmaßnahme. Gegen Zwickau resignierte die Mannschaft angesichts derselben Offensivfehler nur deshalb nicht, weil der Gegner deutlich schwächer war als der 1. FC Kaiserslautern.
Wir denken nur von Spiel zu Spiel. Das ist schon klar. Aber nun weiß ich wieder nicht mehr, was ich denken soll. Das ist ja das Problem. Was werden wir im Spiel gegen Halle sehen? Wie wird die Mannschaft auftreten, damit der unbedingt nötige Sieg gelingt? Und dabei habe ich noch keinen Gedanken an Verletzte verschwendet. Mein Optimismus hat es seit gestern Abend verdammt schwer.
Das mag auch daran liegen, dass mein Denken von Spiel zu Spiel begleitet wird von einem anderen Denken meines Daseins. Ich denke nämlich auch von Lesung zu Lesung, und für meine nächste Lesung am 19. April aus der MSV Duisburg Fußballfibel verläuft die Vorbereitung perfekt, keine Stimmbandverletzung ist zu beklagen. Ich kenne Schwächen und Stärken des Berliner Publikums, fühle mich fit und will beim Auswärtsspiel im BAIZ punkten. Nun könnte der Ausgang der Samstagbegegnung der Zebras bei Viktoria Berlin meine Auswärtsaufgabe schwieriger machen. Ich möchte doch bei einer mir heute möglich vorkommenden Niederlage keinen Mentaltrainer kurzpflichtig verpflichten müssen. Das sprengt meinen Etat. Ihr seht, welche weiten Kreise das letzte Wochenende zieht. Gegen Halle werde ich als Zuschauer auf jeden Fall alles geben, damit mein Leben als Autor zehn Tage drauf etwas einfacher wird.
Schon 1991 hatte es der MSV als Zweitligist verdient im Pokal gegen den Bundesligisten 1. FC Köln weiterzukommen. Damals wurde der Pokal noch mit Hin- und Rückspiel ausgetragen. Torlos endete das Hinspiel. Anschließend erhöhten am 7. Mai die MSV-Anhänger an einem Dienstagabend das Verkehrsaufkommen auf A57 und A3.
Zwischen 15.000 und 17.000 Duisburger unterstützten die Zebras in Köln. Damals hatte ich keinen Fotoapparat dabei. Smartphone gab es noch nicht. Ohnehin teilt das Foto, 19 Jahre später aufgenommen, eine deutlich bessere Stimmung mit, selbst wenn man kaum was erkennen kann. Dieselbe Konstellation, dieses Mal die Entscheidung in einem Spiel, dieses Mal gewann der MSV 2:1. Die legendäre Pokal-Saison ging weiter.
Unlängst hat der Verlag noch eine Leprobe per Facebook geteilt, die mit dem 91er-Pokalspiel ihren Anfang nimmt. Die will ich euch nicht vorenthalten.
Im Müngersdorfer Stadion saßen Hatte, Spille, Heili, Riesenhatte und ich mit vielen anderen Duisburgern im Unterrang der Nordkurve. In der zweiten Halbzeit füllte sich der Block über uns mit Kölner Hooligans. Als Oberkörper vor- und zurückschwangen, Fäuste drohend geschüttelt wurden sowie unartikuliertes Geschrei die Luft füllte, glich die Szenerie doch sehr dem Ausschnitt einer Dokumentation von Heinz Sielmann, Deutschlands Tierfilmer Nummer eins jener Tage. Weder konnten die einen runter, noch die anderen hoch. Der Flüssigkeitsaustausch hielt sich auch in Grenzen. Mir fehlte nur der oft altväterlich klingende Sielmann-Kommentar zum rituellen Imponiergehabe.
Keine Vereinszeichen und schwarzgraue zivile Kleidung wie in Köln oder grüne Bomberjacken wie andernorts bei einer geschlossen auftretenden Gruppe im Fußballstadion gab es noch nicht lange in Deutschland. Von Großbritannien aus war die Subkultur rübergeschwappt. Die Kölner Hooligans über uns waren irgendwann wieder weg. Wahrscheinlich trafen sie an anderer Stelle noch auf MSV-Anhänger.
Zu Auswärtsspielen fuhren wir als größere Gruppe weiter zusammen. Im Wedaustadion waren Hatte, Spille und Heili auf die Tribüne gezogen, während ich mit Jörg und Reiner, ebenfalls alte Schulfreunde, auf der Geraden neben dem Marathontor in den ehemaligen Mob-Gefilden stand. Ein Fußballspiel kann ich mir nur schlecht im Sitzen ansehen. Ich brauche die ständige Bewegung, selbst wenn ich in drangvoller Enge wie beim Aufstiegsspiel 1991 gegen Blau-Weiß 90 Berlin nur etwas hin- und herrücken kann.
Lange vor Ende des Spiels hatten wir aber wieder mehr Platz. In Scharen strömten die Anhänger des MSV runter zum Rasen. Wie nah konnten Fußballzuschauer ihrer Mannschaft kommen, wenn sie be- geistert waren. Trotz all der Diskussionen um Gewalt von Fußballfans herrschte ein grundsätzliches Vertrauen in die Sicherheit im Innenbereich. Dass jemand dort ernsthaft Schaden nehmen könnte, glaubte niemand. In mehreren Reihen umschloss ein Menschenkarree den Rasen. Nach neun Jahren Abwesenheit nahte die Rückkehr in die Bundesliga. Tore waren noch nicht gefallen. Eins von unzähligen Transistorradios gab es an jenem Tag auch in unserer Nähe. Wir wussten, der Aufstiegskonkurrent Stuttgarter Kickers führte zwar, doch das Torverhältnis des MSV war selbst bei der noch möglichen knappen Niederlage besser geblieben. Noch zügelten wir die Begeisterung, noch ließen wir die Freude nur kurz aufwallen, schrien unkoordiniert EM-ES-VAU, reckten die Arme in die Höhe und sahen uns freudestrahlend in der Menge um.
Dort unten am Rand des Rasens sah der Bundesligist in spe wieder wie der Stadtteilverein der 1950er Jahre aus. Es wirkte, als ob jeder jeden kannte. Als ob die Spieler mit den Zuschauern hinterher einen trinken gehen. Als ob alle nicht Zuschauer und Sportler bei einer wichtigen Begegnung des Fußballs waren, sondern ein weiter reichen- der Sinn alle verband. Die Jahre zuvor wurde der Duisburger Alltag durch Nachrichten über immer größere wirtschaftliche Schwierigkeiten bestimmt. Nun gab der MSV den Bürgern der Stadt ein Beispiel, wie Anstrengungen aus der Stadtgesellschaft heraus zum Erfolg führten. Duisburg hungerte nach guten Nachrichten. Der MSV gab sie.
Die MSV Duisburg Fußballfibel habe ich als literarisch ambitionierte Erzählung angelegt, bei denen Erlebnisse aus meiner Fan-Biografie die Grundlage ausmachen. Meine Messlatte war dabei natürlich die Urgeschichte dieses Schreibens, Fever Pitch von Nick Hornby. So habe ich meine Erfahrungen mit und im Fußball immer wieder ins Allgemein-Menschliche gedeutet. Komik sollte nicht fehlen und natürlich auch all die Emotionen, die die Spiele in Anhängern eines Vereins hervorrufen.
Der anfängliche Fehler bei der Aufnahme des Buchs ins Verzeichnis lieferbarer Bücher ist bei einigen Onlinehändlern immer noch vorhanden. Weiter werde ich bei ihnen statt mit Doppel-s mit Doppel-o gelistet, so dass das Buch dort momentan nur unter Koos und Jaratz zu finden ist. Ein Argument mehr für die findigen Buchhändler vor Ort, denen ihr vertraut.
Wenn einem Anhänger des MSV auf der Titelseite der Süddeutschen Zeitung in der unteren Blatthälfte der Name Emmanuel Amunike ins Auge springt, wird er nicht nur neugierig, sondern auch in widersprüchliche Gefühle verstrickt. Ich weiß es wie heute, welch große Zukunft ich für den MSV sah, als ich nach der Fußball-WM 1994 von der Verpflichtung des nigerianischen Nationalspielers durch meinen Verein las. Das war eine Sensation für mich. Wir sprechen von der Zeit, als die Zebras sich im zweiten Anlauf wieder in der Bundesliga etablieren wollten nach dem Niedergang während der 80er Jahre.
Der erste Anlauf in der Saison 91/92 brachte den direkten Wiederabstieg. Im zweiten Anlauf 93/94 wurde die Klasse gehalten. Nun hieß es, das schwierige zweite Jahr zu bewältigen. Die nigerianische Nationalmannschaft hatte 1992 den Afrika-Cup gewonnen und zwei Jahre später bei der WM in den USA dank der individuellen Klasse seiner Spieler das Achtelfinale erreicht. Dort schieden sie gegen Italien mit einer 1:2-Niederlage nach Verlängerung aus. Und nun sollte einer der Leistungsträger jener Mannschaft nach Duisburg kommen. Wir hatten offensichtlich Großes vor. Die Pointe dieser Geschichte kennen die meisten Anhänger des MSV. Amunike ward nie in Duisburg gesehen. Verträge für zwei Vereine gleichzeitig unterschreiben geht einfacher, als sich zu teilen, um zur selben Zeit an sehr unterschiedlichen Orten Fußball zu spielen. Amunike spielte lieber bei Sporting Lissabon als im Ruhrgebiet. Was ich angesichts des hohen Ausflugswert der Ruhrorter Mühlenweide überhaupt nicht verstand. Wenigstens hat der MSV eine Ablösesumme erhalten.
Auf der Titelseite der Süddeutschen spielte diese Episode in Amunikes Karriere keine Rolle. Erwähnung fand er, weil die heutige nigerianische Regierung ein Versprechen von 1992 einlöste. Der damalige nigerianische Diktator Sani Abacha hatte den Spielern bei Gewinn des Afrika-Cups ein Haus als Belohnung in Aussicht gestellt. Nun haben sie es mit etwas Verspätung erhalten.
Eigentlich wollte ich nur diese anekdotische Erinnerung erzählen, doch nahm die Geschichte eine unerwartete Wendung, als ich zu eurer weiteren Information Emmanuel Amunike mit dessen Wikipedia-Artikel verlinkte. Dort heißt er nun nämlich Amuneke. Lakonisch steht in dem Text: „Fälschlicherweise wird sein Nachname oft als Amunike wiedergegeben.“ Fast hätte ich Wikipedia vertraut. Dummerweise steht direkt im nächsten Satz: „Im Jahre 2002 gründete er die Emmanuel Amunike Soccer Academy in Ikorodu, Lagos State“. Hat er jetzt also die falsche Schreibweise als seinen richtigen Namen angenommen? Ich war verwirrt, und befürchte jetzt Schlimmes für mich selbst.
Einige von euch haben es bestimmt schon hier gelesen. Im Verlag gab es einen Fehler mit meinem Autorennamen bei der Aufnahme meines neuen Buchsins Verzeichnis lieferbarer Bücher. Es hieß erst Koos statt Koss für die MSV Duisburg Fußballfibel– mit Klick zu Leseprobe und Info
Der Fehler im VLB ist längst korrigiert. Doch bei Amazon heiße ich weiter Koos. Die glauben mir und dem Verlag nicht, dass ich so heiße, wie ich heiße. Die Korrektur scheint für Menschen und KI dort nicht vorgesehen.
Eine meiner Beweisführungen für Amazon
Welche Anläufe ich inzwischen genommen habe, um mich unter meinem richtigen Namen dort gelistet zu finden, ist eine lange eigene Geschichte wert, und dabei fehlen dann die Versuche des Verlags. Auf Comedybühnen garantiert sie Lachen. Mein Resumée momentan dazu: Herr Kafka kannte mit seinem Prozessauch unsere digitalen Instrumente, die Wirklichkeit in den Griff zu bekommen.
Etwas Schwund ist immer. Dumm, wenn das drei Punkte des MSV bei einem eigentlich vielversprechenden Spiel gegen den FSV Zwickau sind. Ausgerechnet bei meinem Premierenbesuch bei einer der Livereportagen von ZebraFM verlor der MSV mit 1:0. Während des Spiels blieb ZebraFM-Reporter Mark Zeller kaum Gelegenheit, mich ins Gespräch zu holen. Zu viel passierte auf dem Rasen. Es gab während des ganzen Spiels kaum Ruhephasen. Was natürlich auch mit den vielen Stockfehlern auf beiden Seiten zu tun hatte. Es ging hin und her. Während der Halbzeitpause war ich so optimistisch wie immer. Wenn ein Spiel noch nicht vorbei ist, glaube ich an den möglichst guten Ausgang. Genauso wie ich die Niederlage noch in der 80. Minute fürchte, obwohl der MSV mit zwei Toren führt.
Foto: Jens Thiem
In der Halbzeitpause hoffte ich noch, dass die zuweilen wenig klar wirkenden, letzten Momente einer Offensivaktion beim kontinuierlichen Spielaufbau aus der eigenen Hälfte heraus nicht in Ratlosigkeit münden würden.
Nach dem Spiel hätte ich genau von dieser Ratlosigkeit sprechen müssen. Aber es fiel mir schwer, in der Enttäuschung Worte zu finden. Besonders nach so einem intensiven, vergeblichen Anrennen gegen die drohende Niederlage mit einer letzten großen Chance auf den Ausgleich bin ich normalerweise vollkommen stumm und leer. Es war anstrengend dann noch mit Mark Zeller abschließende Worte zu sprechen.
Meine Erinnerung an den Sonntag soll nur noch einmal etwas hervorheben, was viele von euch natürlich wissen. Das Team von ZebraFM ist unfassbar gut, wenn sie eine Spieltagsreportage machen. Mark Zeller, Florian Hermann und Tim Zeiger an den Mikros finden immer Worte. Das ist so beeindruckend, weil sie ja auch mit ganzem Herzen Anhänger dieses Vereins sind. Sie erleben dieses Spiels emotional und schaffen es, im selben Moment andere Fans ohne Blick aufs Spielfeld an diesem Erleben teilhaben zu lassen. Anders als die meisten von uns, stöhnen sie nicht nur auf und stoßen komische Laute hervor, wenn eine gefährliche Situation sich anbahnt. Sie schaffen es, zu beschreiben, was sie sehen.
Gerd Scharrenbroch fehlt noch in dieser Reihe. Bei ihm zu Hause ist die technische Anlage untergebracht. Er bringt sie an jedem Spieltag aufs Neue an ihren Platz, verstöpselt Kabel, reicht Kopfhörer und Mikros. Seine Frau Thordis ist Vorsitzende des Blinden- und Sehbehindertenverein Duisburg. Normalerweise kommt sie auch ins Stadion. Am Sonntag war sie erkrankt.
Beide engagierten sich schon sehr lange für sehbehinderte MSV-Fans, als ein Zufall ihre Möglichkeiten erweiterte. Gerd Scharrenbroch erinnert sich nicht mehr, in welchem Jahr es war, als sie auf einer Rückfahrt von einem Spiel der Zebras in Berlin Andreas Peters kennenlernten.
Andreas Peters gehört dem MSV FanclubZebraherde an. Er war zu Zeiten von Walter Hellmich als Vertreter von Fangruppen in den Aufsichtsrat gewählt worden und rannte dort gegen Mauern, als er sich um die Existenz des Vereins zu sorgen begann. Die finanziellen Schwierigkeiten jener Zeit waren für Anhänger des MSV früh ein Thema und Verantwortliche im Verein sahen das nicht gern. Man legte ihm den Rücktritt nahe. Kommuniziert wurde eine einvernehmliche Entscheidung. Andreas Peters hatte seinerzeit einiges auszuhalten. Wie wertvoll für einen Fußballverein aber die Bindung an die Fanbasis ist, erwies sich nach seiner Zufallsbegegnung mit den Scharrenbrochs. Er unterstützte sie dabei, für die sehbehinderten und blinden MSV-Fans regelmäßig eine Spielreportage während der Heimspiele anzubieten.
Heute funktioniert dieses Angebot reibungslos, auch weil inzwischen mit dem Fanclub Innenhafen der nächste Fanclub sich für die Unterstützung des Angebots verantwortlich fühlt. Der Fanclub hat die Kosten für eine neue technische Anlage vor einiger Zeit komplett übernommen. 20 Hörerinnen und Hörer im Stadion können nun versorgt werden. Er stellt den Ehrenamtlern von ZebraFM Jacken und T-Shirts, die sie in ihrer besonderen Funktion erkennbar machen. Letztlich gehört ZebraFM zu jenen vielfältigen Fanaktionen, die zeigen, welche soziale Kraft rund um den Fußball entsteht, wenn Anhänger des MSV neben ihrem Vereinsherz auch noch den Gemeinsinn im Blick haben.
Morgen geht es an dieser Stelle nicht mehr um meine verlorene Sprache, sondern um vermisste Buchstaben. Bei Namen führt das augenblicklich zu Identitätskrisen. Auch ein interessantes Thema.
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