Die schlechte Düsseldorfer Kopie

Der im November letzten Jahres verstorbene, langjährige Präsident vom SC Freiburg Achim Stocker konnte sich die Spiele seines Vereins schon früh im Leben nicht mehr ansehen. Die Aufregungen bei so einem Spiel hätte sein Herz nicht verkraften können. Gestern, als ich mich vom Spiel des MSV Duisburg gegen Fortuna Düsseldorf zwanzig Minuten vor Spielende abwenden musste, um noch rechtzeitig bei der Geburtstagsfeier zu erscheinen, habe ich noch etwa eine Stunde einen anhaltenden leichten Schmerz im linken Brustkorb gefühlt. Ich werde das beobachten und hoffe das war nur die Folge dessen, dass ich all die durch Enttäuschung und Ohnmacht ausgeschütteten Stresshormone nicht wie gewohnt durch Bewegung abbauen konnte.

Ich hoffe, diese zum ersten Mal auftretenden körperlichen Beschwerden hängen einfach nur mit diesem fast reglosen Starren auf den PC-Bildschirm zusammen. Ruckelnde Bilder, die dieses Mal ohne Ton daher kamen und merkwürdig verwaschen waren, das ist nur auszuhalten, wenn der MSV Duisburg einigermaßen mit im Spiel ist. Diese ohnmächtige Hilflosigkeit der Mannschaft im Sitzen mit anzusehen, ist unmöglich. Da fühle ich zu sehr mit und diese Ohnmacht überträgt sich auf mich. Der Mensch benötigt das Gefühl handlungsfähig zu sein, sonst wird er krank.

Ich sah tatsächlich eine schlechte Kopie der ersten Halbzeit gegen den FC St. Pauli. Ein früher Fehler, das erste Tor des Gegners und das Spiel nach vorne findet nicht statt. Stattdessen sehen sich die Mittelfeldspieler des MSV immer drei, vier Gegenspielern gegenüber, die früh den Ball erobern. Danach rollt der Angriff des Gegners auf einstudierten Laufwegen. Fast immer über die Außenbahnen getrieben, landet der Ball sehr schnell in der Spitze. Jede Balleroberung birgt so die Möglichkeit für die Fortuna, gefährlich vor das Tor des MSV zu kommen. Dann wird in der Abwehr den Stürmern zudem viel Raum gelassen. So gewinnen die Spieler des Gegners weiter Mut und versuchen immer frecher auch im eins gegen eins den Gegenspieler auszuspielen. Irgendwann fällt durch so einen Alleingang das 2:0. Ein paar Minuten bis zur Pause bleiben noch. Ob nun ein leichtes Aufbäumen beim MSV Duisburg spürbar wird oder der Gegner es ein wenig gemächlicher angeht, das ist egal, tatsächlich gelingt es dem MSV sogar vor das Tor der Fortuna zu kommen. Doch die Hilflosigkeit hat sich nun einfach in den Strafraum des Gegners verlagert.

In der Halbzeitpause wird natürlich ausgewechselt. Zu Beginn der zweiten Halbzeit ist zu sehen, der MSV findet nun zwar besser in das Spiel, doch nach ein paar Minuten bin ich mir sicher, das spielerische Vermögen alleine wird nicht ausreichen, um den Anschlusstreffen zu erzielen. Auch darin war das Spiel eine schlechtere Kopie des letzten Heimspiels. Letzte Woche wurde tatsächlich auch das spielerische Können dieser Mannschaft wieder sichtbar. Gestern hätte nur der Zufall geholfen – zumindest in den siebzig Minuten, die ich gesehen habe. Einzelne Spieler gesondert zu kritisieren hilft meiner Meinung nach nicht weiter. Natürlich gibt es auch auf diesem Leistungsniveau noch Unterschiede bei dem, was die einzelnen Spieler gezeigt haben. Doch alle Spieler tragen dazu bei, dass diese Mannschaft sich ihrer Leistung als Ganzes nicht sicher genug ist, um einem entschlossenen Gegner entgegenzutreten.

Einen Spieler will ich aber doch noch herausheben: Christian Tiffert. Schon in der letzten Saison zeichnete er sich nicht nur auf dem Spielfeld durch seine Leistungen aus, sondern auch vor dem Mikrofon war er einer der klügsten und ehrlichsten Interviewpartner.  Das setzt sich in dieser Saison fort. Pointiert und fundiert antwortet er auf jede Frage und mutet der Mannschaft und den Fans Wahrheit zu.  Gegenüber Marco Röhling von Radio DU bringt er im Interview nach dem Spiel nicht nur die Leistung gegen Düsseldorf auf den Punkt sondern spricht aus, warum wir uns fast kein Spiel des MSV Duisburg entspannt ansehen können: „Es ist eigentlich für viele Mannschaften relativ einfach gegen uns zu spielen, weil manchmal muss man nur planlos nach vorne schlagen und es entwickelt sich schon ´ne Torchance. Das ist eben, wenn wir es andersrum tun, gegen die Gegner eben nicht so. Wir kommen da nicht so durch gegen die Gegner.“

In diesem Satz wird deutlich, der Mannschaft mangelt es an Qualität. Ich habe in dieser Saison noch kein Spiel ohne grundsätzliche spielerische Schwächen gesehen, und in jenen Spielen gegen Mitkonkurrenten um den Aufstieg war der MSV von der Spielanlage her unterlegen. Ich glaube ja an die Magie von Wörtern. Deshalb werde ich nun natürlich hier nichts schreiben, was in meinem Kopf als sorgenvolle Folgerung so einer Zustandsbeschreibung herumgeistert. Da übe ich mich in der rhetorischen Kunst von Trainern und Fußballern, die nie aufgeben, ehe durch die Zahlen der Tabelle die unverrückbare Wahrheit in der Welt ist. Bis dahin denke ich von Spiel zu Spiel und sehe den Karnevalstagen mit neu gewonnenem Mut entgegen. Loss mer fiere, nit lamentiere, das werde ich ab Donnerstag irgendwann sicher in einer der Veedelskneipen hören und dann denken, ein gutes Motto für den Abend des Rosenmontags.

Ein Kommentar

  1. 0:2 in Düsseldorf. Oder: Anderer Ort, gleiches Spiel…

    Tja. Was soll ich schreiben? Vielleicht dass der MSV eben immer der MSV bleibt? Dass ich  – ohne unken zu wollen – befürchte, dass das 0:2 heute (und damit die zweite Niederlage in Folge) der Auftakt für eine tiefe Krise sein könnte? Dass wir wahrschei…

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